Mission und Auslandsdeutschtum
Von Professor D. Carl Paul, Missionsdirektor in Leipzig
Vortrag bei der vierten Sitzung des Verwaltungsrates der
Deutschen Evangelischen Missions-Hilfe am 5. Februar 1918 in Berlin, 9.
Heft der Flugschriften der Deutschen Evangelischen Missions-Hilfe von
1918
Wir sind nun wieder so weit, dass wir von Mission und
Auslandsdeutschtum, diesen beiden in alle Welt sich erstreckenden
Ausstrahlungen des christlichen deutschen Wesens, in Ruhe reden und ihre
Zukunft zur Besprechung stellen können. Als heute vor 3½
Jahren nach der englischen Kriegserklärung unsere Verbindungsfäden mit
den überseeischen Ländern größtenteils abrissen und wir unsere ganze
Kraft zum Schutz der vaterländischen Grenzen aufbieten mussten, konnten
wir, die wir engere überseeische Beziehungen hatten, zwar die
teilnehmenden Gedanken an die von uns abgeschnittenen Freunde nicht aus
unserem Herzen reißen, aber wir mussten eine Zeitlang vor der großen
Öffentlichkeit von ihren Interessen schweigen. Unser Volk hatte mit der
Erhaltung von Haus und Herd so viel zu tun, dass es zunächst nur über
die damit zusammenhängenden Fragen fortlaufend unterrichtet zu werden
begehrte. Jetzt ist es aber an der Zeit, es wieder an seine nationale
und religiöse Weltaufgabe zu erinnern.
Die
Feinde Deutschlands verkündeten beim Beginn des Krieges prahlerisch, sie
würden unsere Weltbeziehungen zerstören, seit einiger Zeit dämmert bei
ihnen die Erkenntnis auf, dass ihnen das nicht gelingt. Die nach dem
Kriege wieder auflebende deutsche Weltdiaspora erhebt sich wie ein
drohendes Gespenst vor ihnen. Als die Vertreter von Englands
Kolonialbesitzungen vor Jahresfrist eine Konferenz in London gehalten
hatten, lasen wir mit heller Freude dieses fatale Eingeständnis zwischen
den Zeilen ihrer Veröffentlichung. Wenn aber unsere hartnäckigsten
Gegner schon damals zu dieser Erkenntnis kamen, wie könnten wir da heute
noch zweifeln und zagen? Wir wollen mit freudiger Genugtuung den
Wiederaufbau des Zerstörten ins Werk setzen. Der Neubau wird, so hoffen
wir zuversichtlich, in mehrfacher Hinsicht größer und besser sein, als
der alte war. Aber er wird allenthalben oder doch größtenteils auf dem
bisherigen Grunde errichtet werden, und die gemachten Erfahrungen werden
uns bei der Wiedererrichtung zugute kommen. Wollen wir daher Pläne für
die Zukunft entwerfen, so müssen wir uns zuvor des Gewesenen erinnern.
Wenn
wir einen flüchtigen Blick auf die Zeit werfen, da das Christentum sich
mit dem Deutschtum verband, so ziehen da die Gestalten eines Gallus und
Severin, eines Bonifazius und Ansgar an uns vorüber. Sie knüpften vor
mehr als einem Jahrtausend die Verbindungsfäden in der westlichen Hälfte
Deutschlands. Es folgten die Jahrhunderte der nach Osten vorrückenden
Germanisierung, die mit der Christianisierung der östlich von Saale und
Elbe wohnenden Slawenstämme Hand in Hand ging. Wir alle wissen, welche
Früchte aus dieser christlich-deutschen Verbindung hervorgegangen sind
vom Heliand an bis zur sozialen Fürsorge der Alters- und
Invaliditätsversicherung. In der Gestalt Luthers aber, der das Urbild
eines kernigen Deutschen und zugleich eines frommen Christenmenschen
war, erblicken wir eine besonders schöne auf diesem Boden gewachsene
Blüte. Es ist ganz natürlich, dass diese Verbindung von Christentum und
Deutschtum auch in unseren Weltbeziehungen hervortritt. Bei der langen
Dauer der Vereinigung könnte man erwarten, dass die mit diesen beiden
Worten bezeichneten Kräfte oder Ströme so innig miteinander verbunden
wären, dass jede Ausstrahlung in fremde Länder immer zugleich christlich
und deutsch wäre. Das trifft jedoch nicht zu. Wenn auch das deutsche
Volkstum, wo und wie es auch immer sich auswirken mag, seine
anderthalbtausendjährige Geschichte nicht verleugnen kann, so hat sich
doch zunächst jede der beiden Kräfte, die wir heute ins Auge fassen, ihr
besonderes Bett gegraben. Es würde zu weit führen, den Ursachen hierfür
nachzugehen. Wir stellen nur die Tatsache ihres gesonderten Laufes fest
und vergegenwärtigen uns, wie das deutsche Volkstum im
Auslandsdeutschtum sich auswirkt und wie andererseits das Christentum
des evangelischen Deutschland in seiner Missionstätigkeit weite
Weltbeziehungen gewonnen hat.
Das
Auslandsdeutschtum fängt unmittelbar an den Grenzen des Deutschen
Reiches an. Unsere politischen und deutsch-völkischen Grenzen decken
sich fast nirgends. Der bei J. Pertzes in Gotha erschienene Deutsche
Kolonialatlas von Paul Langhans, der mehr enthält als sein Name verrät,
zeigt das auf seinen vielfarbigen Volkstumskarten deutlich und
anschaulich. In unserer europäischen Nachbarschaft wohnen ziemlich
geschlossene Massen deutscher Stammesbrüder. Die fortgesetzte nahe
Berührung mit dem Mutterland ermöglichte ihnen auch in den weiter
zurückliegenden Zeiten, die man als kritische Perioden deutscher
Volkstumsverluste bezeichnen muss, deutsche Sprache und Art zu erhalten,
obwohl die Berührung mit dem fremden Vollksverband, innerhalb dessen sie
leben, und die politische Lage, in die sie sich fügen mussten, nicht
spurlos an ihnen vorübergegangen sind. In den ferner gelegenen Ländern
Europas lösen sich diese stärkeren Außenglieder deutschen Volkstums
schon in einzelne Gruppen auf. Noch mehr in Übersee. Wir finden auch
dort einzelne größere Anhäufungen; namentlich in den Gebieten, in die
sich stärkere Auswandererströme ergossen. So in den Vereinigten Staaten
und mehreren Ländern Südamerikas. In geringerem aber doch immer noch
beachtenswertem Umfang sind Südafrika und Australien beteiligt. Darüber
hinaus aber finden wir auf dem ganzen Erdball zerstreut eine aus kleinen
und kleinsten Splittern deutschen Volkstums bestehende Diaspora, die
günstigenfalls die Form eines Kirchen- oder Schulverbandes hat, zuweilen
aber auch nur die eines deutschen Klubs. Die Frage, seit wann dieser
Zustand besteht, lässt sich nur für einzelne Orte oder Länder
beantworten. Im gesamten Bereich der deutschen Auslandsdiaspora kann
weder der Statistiker noch der Geschichtsschreiber mehr nachkommen. Als
feststehend ist aber die Tatsache zu betrachten, dass es kein zweites
Volk gibt, das eine gleich große Menge von Stammesgenossen außerhalb
seines festumgrenzten staatlichen Machtbereichs aufweisen kann, wie das
deutsche.
Im
Gesamtrahmen des Auslandsdeutschtums sind zu unterscheiden:
Reichsdeutsche, die im Ausland leben, aber ihr deutsches
Staatsbürgerrecht nicht aufgegeben haben, und Volksdeutsche, die in eine
engere Verbindung mit dem fremden Volke, unter dem sie leben,
eingegangen sind und geradezu Bürger des betreffenden Staates wurden.
dass sie ihr deutsches Bürgerrecht verloren, ist teils auf
Unachtsamkeit, teils auf einen Willensakt zurückzuführen. Die
Mangelhaftigkeit der früheren deutschen Gesetzgebung über den Verlust
des Staatsbürgerrechts schwächt den Vorwurf, den man im nationalen
Sinne gegen sie erheben könnte, wesentlich ab. Ferner ist ein
Unterschied zwischen unseren nur zeitweilig im Ausland lebenden und den
dauernd dort verweilenden Volksgenossen zu machen. Aus dem
Kaufmannsstande, namentlich dem mit der Ausfuhr und Einfuhr sich
beschäftigenden, zog eine immer wachsende Schar junger Männer hinaus,
die aber nach gewonnener Kenntnis der Auslandsverhältnisse meist in die
Heimat zurückkehrten. Neben ihnen waren es Männer der technischen
Berufe, die im Dienst deutscher Auftraggeber in überseeische Länder
gingen oder sich fremden Regierungen zur Verfügung stellten. Bezeichnend
für diesen Teil unserer Weltdiaspora ist das Nichsesshaftwerden und dass
sie in der Regel auch ohne Familie im Ausland lebten. Ihnen stehen die
drüben sich niederlassen Ansiedler gegenüber, die mit Weib und Kind
auszogen oder ihren Familienstand auf der erworbenen Scholle
begründeten, nachdem sie hierfür ausreichende Daseinsbedingungen
geschaffen hatten. Während die erstgenannten naturgemäß ein stärkeres
deutsches Heimatgefühl behielten, wurzelten die letzteren mehr in ihrer
neuen Heimat fest und statteten vielleicht erst nach Jahrzehnten wieder
einen Besuch in Deutschland ab. Neben diesen beiden älteren Klassen
stehen seit einem Menschenalter die Kolonialdeutschen. Der Zuzug einer
weißen Bevölkerung in unsere überseeischen Besitzungen vollzog sich beim
Beginn unserer Kolonialära sehr langsam. Erst
Dernburgs
Kolonialpolitik öffnete die Schleusen stärker. Zuletzt hatten wir in
Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika und Kiautschou doch schon
beträchtlichere Zahlen, namentlich auch an verheirateten Frauen und an
Kindern, und gerade diese spielen bei der uns heute beschäftigenden
Frage eine wichtige Rolle. Diesen Kolonialdeutschen wurde es, wie durch
die allgemeine Rechtslage des Landes, so durch die Anbahnung einer
deutschen Gesellschaftsordnung viel leichter gemacht als den beiden
erstgenannten Klassen, ihre deutsche Eigenart zu bewahren und in ihrer
Umgebung zur Geltung zu bringen.
So
saßen unsere Landsleute bis zum Kriegsausbruch teils an den großen
Straßen des Weltverkehrs, teils in der Einsamkeit auf Lichtungen des
brasilianischen Urwaldes oder auf kleinen Südseeinseln. Die in der
Entstehung begriffenen deutschen Kolonialstädte beherbergten andere. Als
Farmer und Pflanzer suchten wieder andere den Grund und Boden unseres
afrikanischen Kolonialbesitzes nutzbarer zu machen, wie schon
angedeutet, hauste die Mehrzahl anfangs im öden Junggesellenheim, das
manche unschöne Begleiterscheinung aufzuweisen hatte. Je länger je mehr
aber entstanden auch im fernsten Lande traute deutsche Heimstätten, die
von sorglichen Frauenhänden geordnet und gepflegt wurden.
Diese
Auslandsdeutschen haben bis in das letzte Viertel des vorigen
Jahrhunderts nicht eben viele Beachtung und Hilfe aus der Heimat
erfahren. Gerade hierauf wird man es mit zurückzuführen haben, dass der
deutsche Volkskörper früher viele seiner Außenglieder verloren hat, wenn
auch nicht zu leugnen ist, dass die im deutschen Wesen liegende
Anpassungsfähigkeit ihr Aufsaugen durch fremdes Volkstum beförderte. Als
aber in den letzten Jahrzehnten mit Nachdruck auf diesen wunden Punkt in
den Beziehungen zwischen Heimat und Auslandsdeutschtum hingewiesen
wurde, trat ein Wandel ein. Auf den im Inland laut gewordenen Ruf: "Der
in die Fremde ziehende Deutsche muss deutsch bleiben!" antwortete ein
Echo aus allen Teilen der Erde: "Das wollen wir auch."
Aus der
unübersehbaren Menge der Auslandsdeutschen hebt sich heute für uns ein
stand besonders ab: die deutschen Missionsleute. Neben den Männern
geistlichen Standes sind in ihm auch verschiedene weltliche Berufsarten
vertreten: Lehrer, Ärzte, Handwerker, Landwirte und andere, denn der
Missionsbetrieb ist sehr vielgestaltig geworden und umfasst neben den
rein religiösen auch manche Aufgaben des praktischen Lebens. Auch viele
Frauen verheirateten und ledigen Standes. Wir treffen sie nicht an den
Stellen der deutschen Weltdiaspora an, wo unsere Landsleute in größeren
Mengen beisammen wohnen, sie fehlen naturgemäß ganz im europäischen
Ausland; ebenso in Nordamerika und den meisten südamerikanischen
Siedlungsgebieten. Sonst aber sind sie allenthalben. Die
nichtchristlichen Länder sind das Ziel ihrer Sendung. Sie verteilen sich
also zumeist auf Asien, Afrika und Ozeanien. Gerade die äquatorialen
Gebiete des Erdballs, die von der großen Menge deutscher Auswanderer und
Ansiedler gemieden werden, wurden von ihnen verhältnismäßig reichlich
besetzt, sie sind, wie gesagt, ein Teil des erst geschilderten Stromes,
haben aber ihre Berufseigenart, die sie von anderen Auslandsdeutschen
unterscheidet. Schon der Beweggrund ihres Hinausgehens ist ein anderer,
während Kaufleute oder Kolonisten ihren eigenen Vorteil suchen oder die
Schätze anderer Länder für Deutschland nutzbar machen wollen, kommen sie
als die Gebenden zu den fremden Völkern, sie bringen ihnen, wenn man so
sagen darf, einen geistlichen Exportartikel Deutschlands, bei dessen
Angebot es nicht, wie beim materiellen Handel, auf das Hereinholen eines
entsprechenden Gegenwertes abgesehen ist. Sie tragen von uns das höchste
Gut der Menschheit hinaus: den christlichen Glauben und die in seinem
Gefolge befindlichen Begnungen und handeln dabei nach dem Grundsatz:
Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es auch! Um ihren Zweck zu
erreichen, müssen die Missionare eine viel engere Verbindung mit den
Eingeborenen eingehen als andere deutsche Ansiedler. Sie lernen ihre
Sprache, suchen ihr Vertrauen und versenken sich in das fremde Volkstum.
Nicht so, dass sie auf die tiefere Stufe der Religiosität und
Sittlichkeit hinabsteigen, sie ziehen vielmehr die Farbigen zu sich
empor. Mit einer solchen Arbeitsweise könnte die Gefahr einer
Entfremdung von ihrer Heimat verbunden sein. Sie begegnen ihr durch
einen ständigen literarischen Verkehr mit Deutschland, mit dessen
geistigen Strömungen sie also verbunden bleiben, und durch den Ausbau
ihres Familienlebens. Der evangelische Missionar heiratet in der Regel
auch unter den schwierigsten klimatischen Verhältnissen. Das
Familienleben ist ihm der immer fließende Jungbrunnen deutschen Wesens.
Und nicht für ihn allein. Die in seiner Nachbarschaft wohnenden
Kaufleute und Farmer genießen auf der Misstonsstation die Wohltat einer
deutschen Häuslichkeit mit. Die Missionsgesellschaften aber gewähren den
Missionarsfamilien nicht nur allerlei Vergünstigungen bei der Erziehung
ihrer Kinder in Deutschland, sondern auch den Männern und Frauen selbst
einen in bestimmten Zeitabständen sich wiederholenden längeren
Urlaubsaufenthalt in der Heimat, Gerade dieser Punkt ist für die
Bewahrung ihres Deutschtums auf dem weit vorgeschobenen Posten von
besonderem Werte.
In
welchem Verhältnis stehen nun die beiden Gruppen zueinander? Es gab eine
Zeit, wo die Angehörigen der Missionen und die anderen Auslandsdeutschen
einander fast gar nicht beachteten oder, wo sie sich nicht aus dem Wege
gehen konnten, sich nicht verstanden. Das hatte einen tieferen Grund.
Während die Ausbreitung des Christentums in Deutschland vor 1.000 Jahren
sozusagen von Staats wegen erfolgt war und die fränkischen und
sächsischen Kaisers als ihre von den politischen Bestrebungen gar nicht
zu trennende Pflicht ansahen, Missionsbistümer zu gründen und Kirchen in
den von der Germanisierung erreichten wendischen Gebieten zu bauen, hat
die moderne Kolonialpolitik mit der Ausbreitung des Christentums direkt
nichts mehr zu tun. Die alten deutschen Markgrafen und ihre Gemahlinnen
wurden gern mit einem Kirchenmodell auf dem Arm dargestellt. Eine solche
Beifügung zum Bilde eines deutschen Gouverneuers in Afrika würde sich
heutzutage etwas seltsam ausnehmen. Und die Kolonisten der Gegenwart
bringen auch nicht mehr in mittelalterlicher Art ihr Kirchentum mit. Wer
um öie Mitte des vorigen Jahrhunderts den deutschen Auswanderern auf
ihren überseeischen Wegen nachschaute, hat sie in ihrer Mehrzahl
schwerlich als Christen erkannt. Man kann zwar im Auswandererstrom jener
Zeit einige Rinnsale herausfinden, die von ausgesprochen christlicher
und kirchlicher Färbung waren. Es gingen einige Auswanderergruppen nach
Nordamerika, die dort zur Bildung kirchlicher Synoden Anlaß gaben, von
derselben Art und Glaubenstreue waren die nach Südaustralien
auswandernden Brandenburger. Auch Südafrika bekam auf ähnliche weise
einen deutschen Einschlag von bewusstem Christentum. Aber das waren
Ausnahmen. Die große Mehrzahl unserer Landsleute kam, wenn nicht mit
Abneigung gegen alles Kirchliche, so doch mit einer auffälligen
kirchlichen Hilflosigkeit hinaus. Das hing zum Teil mit der
Freigeifterei von 1848 zusammen und wiederholte sich später noch einmal
beim Beginn unserer Kolonialära. Da gingen Deutschtum und Christentum
getrennte Wege. Mit der Zeit aber empfand man das Widersinnige dieses
Zustandes. Namentlich Namentlich wenn der im Ausland lebende deutsche
Mann, Frau und Kinder an seiner Seite hatte, kam ihm der Mangel an
gottesdienstlichen Stunden und Schuleinrichtungen stärker zum
Bewusstsein. Was lag da näher, als dass der nahewohnende Missionar, der
für seine Heidenchristen beides geschaffen hatte, sich auch seiner
Landsleute annahm und im Nebenamt ihr Seelsorger und nach dem Maß seiner
Zeit und Kraft auch Lehrer ihrer Kinder wurde? Es gibt fast kein
Missionsgebiet, von dem man nicht Beispiele dieser Art herbeiziehen
könnte. Auf die Dauer aber war der Missionar der Doppelaufgabe nicht
gewachsen. Seine Berufungsurkunde wies ihn an Heiden und Mohammedaner.
Die Zeit und Arbeitskraft, die er seinen Landsleuten widmete, musste er
jenen entziehen. Es stellte sich auch ein Interessengegensatz heraus.
Der Missionar ward durch seine ganze Arbeitsweise zum Freund und Anwalt
der Eingeborenen und musste sie vielleicht vor Übergriffen und
Ausbeutung seitens des weißen Mannes schützen. Das führte zu einem
Widerstreit der Gefühle und Pflichten, dem sich der Missionar nur durch
Zurückziehung auf seine eigentliche Aufgabe entziehen konnte. Er glaubte
das aber erst tun zu dürfen, nachdem er genügende Ersatz-Kräfte
herbeigerufen hatte. Wie immer, wo ein kirchlicher Notstand zu beheben
ist, suchte man ihm zuerst durch kirchliche Vereinsgründungen zu
begegnen. Für Amerika, wo das Bedürfnis zuerst hervortrat, entstand die
"Evangelische Gesellschaft für die protestantischen Deutschen in
Amerika" mit dem Sitz in Barmen, wo die Kreise der Rheinischen Mission
und die des eben genannten Diasporapflegers sich vielfach berührten,
ebenso bei zwei ähnlichen, besonders für Südamerika tätigen Vereinen in
Hamburg und Bremen. Wenn man den Anfängen der Fürsorge für die ins
Ausland gegangenen Landsleute nachprüft, stößt man fast allenthalben auf
die Freundeskreise der Heidenmission. Auch die wohlbekannten
Diasporapfleger, die ihre wichtigsten Arbeitsgebiete in Europa haben,
die "Gustav-Adolf-Stiftung" und der "Gotteskasten" traten in Übersee
helfend ein. Und der einmal erwachte Drang zu helfen führte noch vor
wenigen Jahren zu Neubildungen, von denen nur die "Frauenhilfe fürs
Ausland" erwähnt sei. Daneben aber blieb die Mission noch immer eine
dienstbereite Helferin Auslandsdeutschtums. Fast jedes deutsche
Missionshaus hat neben seinen Sendboten für die Heidenwelt auch Pastoren
für überseeische Auslandsgemeinden ausgebildet. Eine besondere Erwähnung
verdient das von Hermannsburg in der Lüneburger Heide, weil es seine
ersten Missionare gleichzeitig mit niederdeutschen Kolonisten nach
Südafrika gehen ließ und das Herüber und Hinüber zwischen den
Missionshäusern und den Pfarrhäusern der Kolonistengemeinden bis zur
jüngsten Zeit andauerte. Im Bereich der Berliner Mission von Südafrika
ist ein ähnlicher Vorgang zu beobachten. Auch der heimischen Kirche kam
allmählich ihre Pflicht gegen die in die Ferne gezogenen Kinder zum
Bewusstsein. Es fehlte ihr lange an dem geeigneten Organ. Da entstand
bei Beginn dieses Jahrhunderts der Deutsche Evangelische
Kirchenausschuss. Er bezeichnete sogleich die kirchliche Versorgung der
im Ausland lebenden Deutschen als eine seiner wichtigsten Aufgaben. Er
weckte den Sinn dafür im ganzen deutschen Vaterland, sammelte die
nötigen Geldmittel und schuf in seinem Evangelischen Hausbuch für
Deutsche im Ausland eine Art evangelischen Laienbreviers für die Hand
solcher deutscher Männer und Frauen, die nach dem Grundsatz des
allgemeinen Priestertums der Gläubigen gewillt sind, ihre eigenen
Seelsorger zu werden und ihren Familiengliedern und Freunden einen
gewissen Ersatz für das fehlende geistliche Amt zu bieten.
Dass
aber Amtsträger in immer wachsender Zahl in die deutsche
Auslandsdiaspora hinausziehen, dafür sorgen seit längerer Zeit
verschiedene deutsche Landeskirchen. Es ist in der eigentümlichen Form
unserer kirchlichen Verhältnisse begründet, dass diese
Diasporaversorgung in der Praxis nicht von einer kirchlichen
Zentralstelle aus erfolgen kann. Die deutschen Landeskirchen teilen sich
in die Bewältigung der Aufgabe. Weitaus die meisten unserer
Auslandspfarrer sind dem Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin
angeschlossen; eine Anzahl in Südafrika stehen in Verbindung mit der
hannoverschen Landeskirche; einige in Chile und eine in
Deutsch-Ostafrika mit der im Königreich Sachsen, und die von Weimar hat
einige Pflegekinder in Ostasien. Noch immer aber leistet die Mission
Helferdienste bei dem Zustandekommen solcher Verbindungen. So wuchsen
z.B. vor einigen Jahren die kirchlichen Anforderungen der
Ansiedlergemeinde Leudorf am Meruberg in Deutsch-Ostafrika an den in
ihrer Nähe wirkenden Leipziger Missionar Sachschneider dergestalt, dass
er seinem jahrelang geführten Doppelamt nicht mehr gerecht werden
konnte. Er schaute daher nach einem eigenen Pastor für die bisher nach
lutherischen Grundsätzen erbaute deutsche Farmergemeinde aus. Das um
seine Hilfe angegangene Landeskonsistorium zu Dresden bewies
freundliches Entgegenkommen und vollzog den Anschluss der
deutsch-ostafrikanischen Gemeinde an die sächsische Landeskirche.
So
sahen wir in den letzten Jahrzehnten das Auslandsdeutschtum sich
ausbreiten und gleichzeitig mit der Heimat enger verbinden; hinsichtlich
der kirchlichen Versorgung reihte sich auch eine Knospe an die andere.
Da kam der Krieg und legte sich wie ein verheerender Maifrost auf diesen
Frühling. Mit stillem, tiefen Schmerz im Herzen musste die Mutter
Germania aus der Ferne mit ansehen, wie ihre vom Ausbruch der
Feindseligkeiten im Ausland überraschten Kinder in wilder
Leidenschaftlichkeit mit Füßen getreten wurden. Sie konnte ihnen nicht
helfen. Auf die Greuelszenen in Frankreich und England folgten solche in
überseeischen Ländern, namentlich in den nach und nach von feindlicher
Übermacht überwältigten deutschen Kolonien. Dort kamen zu den Leiden
einer rücksichtslosen Gefangennehmung noch die von beispielloser
Gefühlsroheit zeugende Demütigung und Verächtlichmachung vor der
schwarzen Bevölkerung und obendrein die Seelenqualen infolge des
skrupellosen Verleumdungsfeldzuges und der Lügennachrichten über den
gänzlichen Zusammenbruch Deutschlands. Auch jetzt, wo wir ruhiger
darüber geworden sind, scheut man sich, von den Einzelheiten der unseren
Landsleuten angetanen Schmach zu reden. Wir kennen sie übrigens wohl
erst zum kleinsten Teile. Wenn nach dem Ende des Krieges die
Gefangenenlager von Maadi und Sidii Bishr in Ägypten, von Tanga und
Blantyre in Ostafrika, von Ahmednagar in Indien und wie die Denkstätten
britischer Rassenschande sonst noch heißen mögen, ihre Insassen
herausgeben müssen, dann werden bei deren Berichten unsere Wunden noch
einmal brennen.
Auch
die deutschen Missionare und ihre Familien sind in dieses Kriegsleid des
Auslandsdeutschtums verflochten. Es hatte von Rechts wegen nicht so sein
sollen. Die Mission ist wegen ihrer christlichen Wesensart eine
übernationale Größe. Gerade bei uns in Deutschland ist das besonders
deutlich zu erkennen. Die deutschen Missionsgesellschaften sind nahezu
100 Jahre alt, trieben ihre Arbeit also schon sehr lange Zeit, bevor die
deutsche Kolonialpolitik mit ihrer Betätigung hervortrat. Infolgedessen
hatten die deutschen Missionare ihren selbstlosen Dienst ohne alle
nationalen Nebengedanken in vieler Herren Ländern und Kolonien gesucht
und gefunden und waren mit den Glaubensboten der uns jetzt feindlichen
Länder vielfach eng befreundet. Infolgedessen hatten ihnen auch die
Diplomaten am grünen Tisch seinerzeit eine Sonderstellung eingeräumt. In
der 1885 zu Berlin vereinbarten
Kongoakte
versprachen die Vertreter der europäischen Kolonialmächte feierlich, sie
wollten wechselseitig in ihren Gebieten ohne Unterschied der
Nationalität alle zum Wohl der Eingeborenen ins Werk gesetzten
religiösen Einrichtungen schützen und begünstigen, und die christlichen
Missionare sollten wie auch Gelehrte und Forscher gleichfalls den
Gegenstand eines besonderen Schutzes bilden. Diese Schutzmauer ward von
der wilden Flut der Kriegsleidenschaft hinweggerissen. In Kamerun machte
die rohe französische und englische Soloateska auch vor den Kreuzen der
Missionsschulen und Kirchen nicht halt, und die Behandlung der gefangen
weggeführten Missionare war unglaublich roh und grausam. Diese übeln
westafrikanischen Erfahrungen von 1914 haben sich im letzten Jahre auf
den meisten Missionsfeldern von Deutsch-Ostafrika wiederholt. Was die
Herrnhuter und Berliner Missionare, die von Bielefeld, Breklum und
Neukirchen bei der Zerstörung ihrer Niederlassungen, beim langwierigen
Gefangenentransport und zuletzt hinter dem Stacheldraht erduldet haben,
füllt ein böses Blatt im Schuldkonto unserer Feinde. Es mag in diesem
Zusammenhange nicht unerwähnt bleiben, dass an einzelnen Stellen die
deutschen Missionsleute nachsichtiger behandelt worden sind. So durften
die von Barmen und Neuendettelsau in Kaiser-Wilhelmsland sowie die
Leipziger und Bielefelder im nördlichen Deutsch-Ostafrika bis jetzt
größtenteils auf ihren Stationen bleiben und, wenn auch unter
Beschränkungen, nach der feindlichen Besetzung weiter arbeiten. Das
geschah sogar in einigen englischen Kolonialgebieten. Ein Zeichen, dass
wenigstens einzelne britische Behörden oder Beamte die Übernationalität
der Mission anerkannten.
Die
Mission beansprucht wegen ihrer Kriegsleiden keine Märtyrerkrone. Was
sie gelitten hat, ist ihr nicht um des Glaubens oder um ihres
himmlischen Herrn willen angetan worden, sondern wegen ihres
Deutschtums. Sie trägt das gelassen und behält dabei ein reines
Gewissen. Man hat von feindlicher Seite, um die Gefangensetzung und
Vertreibung deutscher Missionare aus einer englischen Kolonie zu
beschönigen, ihnen ein illoyales Verhalten nachgesagt. ist aber den
Beweis dafür schuldig geblieben. Die unschuldig leidenden Missionare
gingen trotz aller Schmähungen erhobenen Hauptes aus dem ungastlichen
Lande. Sie konnten sich darauf berufen, dass sie ihren Kirchgängern und
Schülern den biblischen Grundsatz eingepflanzt hatten, ein Christ sei
verpflichtet, der Obrigkeit Untertan zu sein, die Gewalt über ihn hat.
Die Mission ist also als eine mit Unrecht verdächtigte Unschuld in ihr
Exil gezogen. In dem Gefangenenlager aber, wo der Missionsmann seine
elende Lagerstätte neben dem deutschen Kaufmann oder Pflanzer fand, hat
das gemeinsame Leid diese deutschen Brüder noch fester
zusammengeschmiedet, als es vorher die Nachbarschaft im fremden Lande
getan hatte.
Es
bleibt noch die Frage nach der Zukunft von Auslandsdeutschtum und
deutscher Mission zu erörtern. Uns ist völlig klar: das deutsche Volk
wird seine Weltdiaspora behalten. Im und ersten und zweiten Kriegsjahr
sprachen so nur die Männer, vor deren Feuergeist und Seherblick die
Nebelschleier dieser drückenden Jahre zerrannen. Dann kam die Zeit, in
der weitere Kreise erkannten, dass das Deutschtum wenigstens auf der
Linie von Antwerpen bis Bagdad dauernd in Geltung bleiben werde, Heute,
wo die Einkreisung Deutschlands an seiner Ostgrenze fast durchbrochen
ist, kommt für die Wiederherstellung unserer Auslandsdiaspora die viel
längere Linie bis Wladiwostok hinzu. Es sind auch jenseits der Ozeane
noch einige nicht ganz kleine freundliche Inseln im brandenden
feindlichen Völkermeer übrig geblieben, auf denen sich das Deutschtum
gehalten, ja noch stärker als vor dem Kriege zusammengedrängt hat. Nun
sollte es niemandem mehr schwer werden, die Botschaft anzunehmen: das
Auslandsdeutschtum wird sich wieder aufbauen! Kleingläubige erwarten
nach dem Kriege zunächst einen starken deutschen Rückwandererstrom. Sie
weisen auf die vielen in den öden Kriegsgefangenenlagern krank oder
bitter gewordenen Landsleute hin oder auf die wirtschaftlich
Geschädigten und seelisch Gebrochenen, sie befürchten ein
Geschiedenbleiben der verfeindeten Völker. Dem lässt sich vieles
erwidern, das zu ganz anderen Ergebnissen führt. Wir wollen uns bei
Einzelheiten nicht aufhalten. Nur ein paar allgemeine Sätze. Ein Volk,
das einmal auf die große Straße der Menschheit hinausgetreten ist und
von der Weltmacht gekostet hat, lässt sich, solange ihm Kraft innewohnt,
nicht wieder in die Enge seiner alten Grenzpfähle zurückdrehen. Sieht
man die Frage mehr unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt an, so
ergibt sich die Formel: Deutschland kann ohne Kolonialbesitzungen und
weitere Verbindungen mit dem Weltmarkt nicht mehr leben. Darum muss und
wird es auch in Zukunft direkte überseeische Beziehungen haben.
Betrachtet man aber die derzeitige Zerissenheit der Völker im Lichte der
Menschheitsgeschichte und sub specie aeternitatis, was für uns Männer
der Kirche noch stärkeres Gewicht hat, so kann sie nur die Bedeutung
einer Episode haben. Die Entwicklung der Menschheit zielt nicht auf eine
aus der Überspannung des nationalen Gedankens sich ergebende
Völkerzerklüftung ab. sie strebt letzten Endes einer großen Einheit zu,
bei deren Vollendung jedes Volk die ihm eigentümlichen Gaben entfalten
darf und als Einschlagsfäden in das gemeinsame Gewebe liefert. Das ist
nicht im Sinne eines weichherzigen Pazifismus gemeint, sondern als eine
gottgewollte und durch alle Reibungen der rauen Wirklichkeit zu
verwirklichende Aufgabe.
Also
unsere Weltdiaspora bleibt bestehen. Sie wird nicht kleiner als vor dem
Kriege, sondern größer. Rüsten wir uns jetzt auf ihren Ausbau. Die
hierfür nötigen Menschenkräfte sind da, sobald an der Kampffront das
Ganze halt geblasen wird. Viele befinden sich notgedrungen heute noch im
Ausland und werden sich an Ort und Stelle wieder betätigen. Andere sind,
da sie bei ihrer Heimkehr in der Kriegszeit abgefangen wurden, in
englischen und französischen Gefangenenlagern für die späteren Aufgaben
des Auslandsdeutschtums aufgespart worden und zwar als scharfe,
treffende Pfeile. Und unsere Jugend in der Heimat? Will man ihr wirklich
zutrauen, dass sie eingeschüchtert hinter dem warmen Ofen bleibt, wenn
sich die Straßen des Weltverkehrs wieder öffnen? Die Kriegszeit ist für
sie ein Anschauungsunterricht großen Stils geworden.
So
vieles der Krieg auch zerstört oder geraubt hat, er hat die Heimstätte
des deutschen Volkes nichts antasten dürfen. Die Kanäle unserer Kraft
blieben unzerstört. Das gilt auch in Bezug auf unsere Frage. Wir hatten
und haben den "Verein für das Deutschtum im Ausland", den früheren
"Allgemeinen Deutschen Schulverein" zur Erhaltung dieses Deutschtums. In
Berlin das Orientalische Seminar, in Hamburg das 20 Jahre jüngere
Kolonial-Institut, dazu die Kolonialschule in Witzenhausen. Diese drei
Anstalten haben seit Jahrzehnten das ihrige getan, junge Deutsche für
den Auslandsdienst vorzubereiten. Sie werden ihre Arbeit sofort wieder
aufnehmen, die übrigens auch in den letzten drei Jahren nicht ganz
aufgehört hat. In jüngster Zeit aber - und das erweckt heute besondere
Hoffnung in uns - sind mehrfach neue Bestrebungen hervorgetreten, aus
denen zu ersehen ist, was für eine starke zur Ausbreitung und Betätigung
drängende Kraft dem deutschen Volkstum innewohnt. In Stuttgart entstand
vor Jahresfrist das "Deutsche Auslands-Museum", das durch seine
Sammlungen die Kenntnis des Auslandsdeutschtums verbreiten und eine der
Praxis dienende Zentralstelle der deutschen Weltbeziehungen werden
möchte. Noch stärkere Kräfte aber werden mit dem Auslandsstudium an den
deutschen Hochschulen in Bewegung gesetzt. Das preußische
Kultusministerium trat unter dem 24. Januar 1917 mit einer Denkschrift
über die Förderung der Auslandsstudien hervor. Diese bezeichnete als
Zweck der an allen preußischen Hochschulen zu treibenden neuen Studien:
eine wissenschaftliche Auslandskunde, praktische Schulung von Männern,
die ins Ausland wollen, und Weckung außenpolitischen Interesses und
Verständnisses. Die im größten deutschen Bundesstaat gegebene Anregung
fand alsbald in anderen Teilen Deutschlands ein freudiges Echo. Leipzig,
München und andere Universitäten antworteten in schneller Folge mit der
Errichtung von ähnlichen Instituten. Hier und da waren schon vor jenem
Erlass vorbereitende Schritte geschehen. Der Gedanke lag sozusagen in
der Luft. Und das in einer Zeit, wo Deutschland, umringt von Feinden,
die seine Vernichtung als ihr Kriegsziel erklärt hatten, um sein Dasein
kämpfte. Kann jemand angesichts dieser überraschenden Tatsache noch am
Willen zum Leben im "größeren Deutschland" zweifeln? Wo aber ein Wille
ist, da ist auch ein Weg. Alle Welt soll es wissen: Wir gehören nicht zu
denen, die da weichen.
In
diese sich regenden deutschen Kräfte aber, und damit kommen wir auf
unseren Ausgangspunkt zurück, brauchen wir einen starken christlichen
Einschlag. Andernfalls würde das Wort vom deutschen Wesen, an dem die
Welt genesen soll, zur leeren Redensart werden. Gerade an den Stellen
des Auslandes, wo Deutschtum und christlicher Glaube verbunden geblieben
sind, hat sich das deutsche Wesen am klarsten
erhalten. Wir denken hier an die Rolle, die die Kirche für die Erhaltung
des Deutschtums bei den Sachsen in Siebenbürgen gespielt hat oder in
Südafrika und Südaustralien. Vor dem evangelischen Deutschland liegt
beim Wiederaufleben unserer Weltdiaspora eine große Aufgabe. Bei ihrer
Bewältigung kann der Deutsche Evangelische Kirchenausschuss nebst den
Landeskirchen die zur Diasporapflege gegründeten religiösen vereine
nicht entbehren. Nur sie können diese kirchliche Auslandsarbeit recht
volkstümlich machen und die hierfür in unseren frommen Kreisen
schlummernden Kräfte restlos ausschöpfen. Mit den kirchlichen
Diasporapflegern zieht aber auch die deutsche Mission wieder hinaus. Es
hatte etwas Tiefergreifendes, als 1916 die aus Indien vertriebenen
Missionare daheim erstmalig öffentlich zum Wort kamen. Sie machten kein
Hehl daraus, wie lieb sie trotz allem, was sie gelitten, ihr Arbeitsfeld
im Land der Sonne und der Palmen hatten, und dass sie sich nach ihm
zurücksehnten. Ein Missionar aus Deutsch-Ostafrika aber, den der
Kriegsausbruch bei seinem Heimaturlaub überraschte, erinnert bei jeder
Begegnung daran, dass im Juli 1914 schon eine Fahrkarte für ihn bei der
Ostafrika-Linie bestellt war. Er wünscht dringend, die erste
Fahrgelegenheit nach Tanga benutzen zu dürfen. Also die Mission steht
auch bereit. Ihre Heimstätten sind zurzeit zwar still und verödet, weil
ihre junge Mannschaft zum Dienst des Vaterlandes aufgeboten wurde. Aber
die von den Missionsgesellschaften geschaffenen Kanäle sind sämtlich
erhalten und können sofort wieder geistliches Leben auf die
Missionsfelder befördern. Möge der Zeitpunkt ihrer Wiederbenutzung nicht
mehr fern sein!
Der seit 3½ Jahren gegen uns geführte
schändliche Verleumdungsfeldzug hat unseren guten deutschen Namen in der
Welt befleckt, wir müssen ihn wieder zu Ehren bringen. Dass Deutschland
stark ist, viel stärker als irgendjemand vor dem Kriege wusste, erkennt
jetzt die ganze Welt. Die ruhmreichen Waffentaten unserer feldgrauen
Brüder haben ihr die Augen geöffnet. Nun gilt es, auch das verwirrte
Urteil über deutsche Sittlichkeit und Frömmigkeit wieder zurecht zu
bringen. Diese Aufgabe fällt in der Folgezeit namentlich den Männern und
Frauen geistlichen und weltlichen Standes zu, die als Auslandsdeutsche
unsere Weltdiaspora bilden. Ihr Wandel wirkt als Anschauungsunterricht
über uns bei den fremden Völkern, verbindet sich in ihm echtes
Christentum mit wahrem Deutschtum, so werden die über uns ausgestreuten
Verleumdungen bald vergessen sein. Alle Aufgaben, die sich aus diesem
Ausblick ergeben, fassen wir in den Ruf: "Siehe da, die Weltmission der
deutschen Frömmigkeit!" |