Togo von Carl Paul

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Die Mission in unsern Kolonien

Von Pfarrer Carl Paul

Neue Folge der Dietelschen Missionsstunden, Erstes Heft, Verlag Fr. Richter, Leipzig 1898, Seite 1 - 109

Togo

7,6 MB

Inhalt

 Vorwort

 Einleitung

  1. Was sind wir unsern Kolonien schuldig?
       Begangenes Unrecht wieder gut machen
       Schutzgebiete statt Kolonien
       Verderbliche Einflüsse
       Kolonialpflichten
       Kolonisierung nur mit gleichzeitiger Christianisierung

  2. Die Missionstätigkeit in unsern Kolonien
      Neues Interesse für die Mission
      Neue Herausforderungen für die Mission
      Eifersucht gegen England
      Überblick über Togo
      Überblick über Kamerun
      Überblick über Südwestafrika
      Überblick über Ostafrika
      Überblick über die Südsee
      Missionskräfte in Bewegung setzen

 Das Togogebiet

 
1. Bei den Evhenegern an der Sklavenküste
     
Keta
     
Lome
     
Kleinpopo

  2. Auf der alten Missionsstrasse im Togolande
      Anyako
      Vhute
      Waya
      Ho
      Tschito
      Amedschovhe

Anmerkungen

Karte

Inhaltsverzeichnis


Vorwort

Die Herausgabe der Missionsstunden von P. Dietel, die eine so freundliche Aufnahme in weiteren Kreisen gefunden haben, dass einige der Bändchen mehrfach aufgelegt werden mussten, wurde vor einigen Jahren durch den Tod des Verfassers unterbrochen. Der Herr Verleger wünschte jedoch das begonnene Werk fortzusetzen und trat an den Unterzeichneten mit der Aufforderung heran, die Bearbeitung neuer Hefte zu übernehmen. Pfarrer Dietel hatte sich bis zu seinem Tode mit dem Gedanken getragen, bei der Fortsetzung zunächst Kamerun zu behandeln. Der neue Bearbeiter griff diesen Plan umso lieber auf, als er unsrer Kolonialbewegung und den damit verbundenen Missionsfragen von Anfang an ein lebhaftes Interesse entgegengebracht hat. So ist die Mission in Kamerun zum Hauptgegenstand des vorliegenden Heftes geworden. Da eine eingehende Darstellung der Mission in unsern Kolonien bisher noch nicht erschienen ist, legte sich dem Verfasser dabei der Gedanke nahe, eine Reihe von Heften, von denen jedes ein in sich abgeschlossenes Ganzes bilden soll, ausschließlich diesen, die deutschen Missionsfreunden besonders angehenden Gebieten zu widmen, und dem ersten einige grundsätzliche Erörterungen über die Beziehungen zwischen Mission und Kolonialpolitik vorauszuschicken.

Wenn die alten Freunde der Dietelschen Missionsstunden hier nicht ganz die Form der früheren Hefte wiederfinden, so mag der Wechsel des Schreibers dies erklären und entschuldigen. Es singt eben jeder Vogel auf seine besondere Weise. Auch der neue Ton will nichts andres, als den Herrn der Mission preisen. Aber weil die Form nicht mehr ganz die alte war, schien auch eine Veränderung des Titels wünschenswert.

Es ist an den Dietelschen Missionsstunden mehrfach gerühmt worden, dass sie bei Zusammenkünften von Missionsfreunden vorgelesen oder bei Vorträgen fast wörtlich verwertet werden können. Das wird hoffentlich auch von der neuen Bearbeitung gelten, wenigstens bei mehreren Abschnitten. Einige von ihnen eignen sich allerdings nicht zum unmittelbaren Gebrauch in gottesdienstlichen Versammlungen; dagegen werden sie vielleicht manchem, der an andern Orten über die hier berührten Fragen zu sprechen hat, eine erwünschte Hülfe sein. Dem kundigen Leser wird es nicht entgehen, dass die Missions- und Kolonialliteratur bis in die jüngste Zeit herein benutzt worden ist, so dass die hier gebotenen Bilder die Missionstätigkeit in unsern Kolonien schildern, wie sie gerade gegenwärtig gestaltet ist.

Möge es dem Herrn gefallen, den Weg des Büchleins zu segnen, dass es die alten Missionsfreunde bei ihrer Liebesarbeit stärkt und neue Freunde werben hilft. Die Darstellung der Mission in den andern Kolonialgebieten soll, so Gott will, in jährlichen Zwischenräumen nachfolgen.

Lorenzkirch bei Strehla, im November 1897

P. Paul

Inhaltsverzeichnis


Einleitung

1. Was sind wir unsern Kolonien schuldig?

Du sollst ein Segen sein. 1. Mos. 12, 2.

Ein christliches Volk, das Kolonien erwirbt, muss unter anderen Aufgaben, vor die es sich dabei gestellt sieht, auch der Frage näher treten, was es seinen Kolonien schuldig ist, und sollten die Stimmführer der Kolonialbewegung sie beiseite lassen, so muss sie ihnen von denen, die das Gewissen des Volkes darstellen, immer wieder vorgelegt werden. Ihre Fassung mag für viele Kolonialpolitiker auf den ersten Blick etwas Befremdliches haben. Sie haben sich meist daran gewöhnt, nur die Frage zu erörtern, was uns die Kolonien einbringen. Die Männer, die im Mittelpunkt der Kolonialbewegung stehen, haben seit einer Reihe von Jahren in Reichstagsdebatten und Vorträgen, in Büchern und Zeitungsartikeln unermüdlich nachzuweisen gesucht, dass die für unsre Kolonien aufgewendeten Mittel kein verlornes Kapital sind, dass man es in Südwestafrika nicht bloß mit einer schaurigen Sandwüste zu tun hat und in Kamerun mit einem fieberreichen Flussgebiet, das vielen jungen Landsleuten Gesundheit und Leben kostet. Unsre Kolonien würden es später einmal reichlich lohnen, was man jetzt für sie aufwendet, das war der Grundgedanke all jener verlockenden Schilderungen. die sich im Lobpreis der Schutzgebiete und der dahinter liegenden Interessensphären ergingen.

Und die Frage, was man von unsern Kolonien erwarten darf, wird nicht nur von denen gestellt, die hier im Vaterlande Stimmung für eine energische Kolonialpolitik zu machen suchen. Sie ist eine Lebensfrage für die zusehends wachsende Zahl der Faktoreibesitzer an der afrikanischen Küste und ihre jungen Geschäftsführer, die während ihres kurzen und mit mancherlei Risiko verbundenen Aufenthalts in den Tropen reich werden möchten. Sie ist es ebenso für die Pflanzer, von denen der eine im Togolande Kokosplantagen anlegt, der andere in Usambara Kaffee baut, ein dritter auf Neuguinea die Tabakpflanzen kultiviert. In gewissem Sinne fragt so auch der junge Offizier, der in der Schutztruppe militärischen Ruhm und schnelleres Avancement sucht, und der Naturforscher, der die lange Einsamkeit in Bismarckburg oder in Marangu am Kilimandscharo nicht scheute, wenn er nur mit seinen Beobachtungen einige Lücken in der Naturkunde oder den geographischen Karten ausfüllen konnte. Sie alle stehen unsern Kolonien mit der Frage gegenüber:

"Was bringen sie uns ein?"

Wir wollen ihre Berechtigung nicht bestreiten. Die Politik rechnet mit greifbaren Dingen und sucht immer nur das ihre, nicht was des Andern ist. Seit den Zeiten der alten Phönizier, Griechen und Römer, die auch schon Kolonialpolitik zu treiben wussten, ist niemals eine koloniale Erwerbung gemacht worden, bei der nicht der Egoismus die Hauptrolle gespielt hätte. Aber ein christliches Volk darf diesen selbstsüchtigen Gedanken in keinem Falle die Alleinherrschaft einräumen und darum erheben wir den Anspruch, neben die Frage: "Was bringen uns unsre Kolonien ein?" die andre setzen zu dürfen und ihre Gleichberechtigung zu fordern:

"Was sind wir unsern Kolonien schuldig?"

Die heilige Schrift lehrt uns, dass wir Alles, was in unsern Besitz kommt, als ein anvertrautes Gut anzusehen haben, über dessen Verwendung wir einmal werden Rechenschaft geben müssen. Darum sind mit jedem Besitz auch Verpflichtungen für uns verbunden. Wenn das schon von Kapitalien und Grundbesitz gilt, wie viel mehr von unsern Kolonien, bei denen es sich nicht nur um große Länderstrecken handelt, sondern auch um Menschen und Völker, die mit aller ihrer beweglichen Habe unter das deutsche Szepter gekommen sind. Europäer, die auf vertrauterem Fuße mit den Eingebornen an der westafrikanischen Küste leben, hörten die Gebildeteren unter den Negern, die ihren Hausrat und ihre Kleider aus London oder Hamburg beziehen und regelmäßig ihre in Lagos erscheinende Zeitung lesen, gelegentlich darüber klagen, dass die Mächte Europas auf dem Berliner Kongress den größten Teil Afrikas unter sich geteilt hätten, ohne die Afrikaner darum zu fragen. Es liegt sicherlich ein berechtigter Vorwurf in dieser Äußerung und wer ein Herz für die afrikanischen Völker hat, wird sich nicht mit einem leichten Achselzucken darüber hinweghelfen. Es ist eine bekannte afrikanische Redewendung, dass die Weißen, die sich bei ihnen ansiedeln, kämen, "ihr Land aufzuessen". Sie wenden da auf den Europäer denselben Ausdruck an, den sie von einem eingebornen Fürsten gebrauchen, wenn er in das Gebiet des benachbarten Stammes einfällt und es ausraubt. Soll unser Volk denn wirklich den Afrikanern wie ein mächtiger Räuber erscheinen? So müsste es sein, wenn unsre Landsleute lediglich in der Absicht nach Afrika gingen, um dort etwas zu nehmen. Darum wollen wir uns selbst die Frage vorlegen, was wir unsern Kolonien schuldig sind, damit sie uns nicht einmal erst von den zur Besinnung gekommenen Eingebornen vorgehalten werden muss.

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Begangenes Unrecht wieder gut machen

 Es kommt übrigens hier auch der Gesichtspunkt mit in Betracht, dass wir in unsern Kolonien schon manches früher begangene Unrecht wieder gut zu machen haben. Es ist wohl bei keiner Besitzergreifung immer ganz rechtlich und ordentlich zugegangen. Man kann zwar das gute Zutrauen zu unsrer Reichsregierung haben, dass sie sich gültige Dokumente von all den einzelnen Personen und Gesellschaften hat vorlegen lassen, durch deren Vorgehen unsre Kolonien entstanden sind. Aber wer wäre so kühn, zu behaupten, dass bei jenen Erwerbungen der Weg des strengen Rechts überall eingehalten worden wäre? Haben die Häuptlinge, die ihre Unterschriften unter die Kaufverträge gaben, wirklich jedes Mal verstanden, was sie dem weißen Manne bewilligten? Waren sie immer ganz nüchtern und im vollen Besitz des freien Willens? Hat man sich immer vergewissert, dass die, welche den Vertrag schlossen, auch wirklich nach dem Recht oder den Anschauungen der Eingebornen befugt waren, über Land und Leute zu verfügen? Wem ein tieferer Einblick in die Verhältnisse vergönnt ist, unter denen die ersten Blätter unsrer Kolonialgeschichte geschrieben wurden, wird Wohl Bedenken tragen, alle diese Fragen kurz und bündig zu bejahen.

Auch wollen wir uns erinnern, dass schon in allen unsern afrikanischen und australischen Besitzungen Blut geflossen ist, ja in einigen von ihnen z. B. in Ostafrika schon schrecklich viel Blut, Es mag sein, dass manche Strafexpedition nicht zu vermeiden war, wenn das Ansehen des deutschen Namens nicht verloren gehen sollte und dass es hier und da nicht ohne blutige Zusammenstöße abgehen konnte, als einmal der deutsche Soldat dem bewaffneten Neger gegenüber stand. Man weist auch gern darauf hin, dass unsre Schutztruppen erst dann von ihren Waffen Gebrauch zu machen pflegen, wenn Gewalttaten von Seiten der Neger vorangegangen sind. Das mag im Großen und Ganzen zutreffend sein; aber die Eingebornen sahen sich und ihr Land eben schon durch die Ankunft der Weißen bedroht. Übrigens ist es doch mehr als einmal mindestens sehr fraglich gewesen, auf wessen Seite eigentlich das größere Recht war, ob auf Seiten der von den Weißen geführten Schutztruppe, die für das Ansehen der deutschen Flagge kämpfte, oder auf Seiten der Eingebornen, die ihre Heimat und angestammten Rechte verteidigten. Kurz, auch das den Bewohnern unsrer Kolonien etwa widerfahrene Unrecht legt uns die Frage nahe, was wir ihnen schuldig sind. Es kann auf diesem Wege zwar kein geschehenes Unrecht aufgehoben werden, aber wenn man die rechte Antwort auf diese Frage findet, wird man doch imstande sein, manche früher geschlagene Wunde heilen zu helfen und die Eingebornen unsrer Kolonien, die die deutsche Herrschaft erst widerwillig getragen haben, mit ihr auszusöhnen.

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Schutzgebiete statt Kolonien

Unsre überseeischen Besitzungen werden im amtlichen Sprachgebrauch gern als "Schutzgebiete" bezeichnet, was übrigens viel zutreffender ist, als die Bezeichnung "Kolonien", die man nur aus alter Gewohnheit angenommen hat. In jenem Namen wird uns eine der nächstliegenden Kolonialpflichten genannt. Die Eingebornen haben ein Recht auf unsern Schutz. Unsre ersten afrikanischen Besitzungen gingen nicht aus gewaltsamen Eroberungen hervor, sondern aus Schutzverträgen mit eingebornen Herrschern. Das Vertrauen, mit dem sie sich unter die deutsche Oberhoheit begaben, darf nicht getäuscht werden. Der Herausgeber des in Gotha erscheinenden großen Kolonialatlasses hat auf dem Titelblatt das Bild eines Adlers angebracht, der auf der Erdkugel sitzt und seine beiden Fänge in Europa und Afrika eingräbt. Das Emblem ist wohl als eine Anspielung auf den deutschen Reichsadler gedacht und sicherlich treffend gewählt, aber wir müssen doch wünschen, dass man es auch in dem Sinne deuten kann, in dem eins unsrer Kirchenlieder sagt:

"Wie ein Adler sein Gefieder über seine Jungen streckt".

Solchen Schutz sind wir, die kraftvolle Nation, deren Arm jetzt bis ins Innere von Afrika und bis zu den Inseln unsrer Gegenfüßler reicht, und deren Stimme im Rate der Völker etwas gilt, den vielgeplagten Völkern Afrikas und der Südsee schuldig.

Sie sind vor allem gegen ihre einheimischen Feinde zu schützen, die ihnen bisher auf dem Nacken saßen. In Ostafrika waren das jene immer kriegslustigen Negerdespoten, die ihre Nachbarn in beständiger Furcht erhielten, z. B. der frühere Häuptling Merere im deutschen Nyassalande oder am Kilimandscharo der in neuerer Zeit unschädlich gemachte Sina von Kiboscho und sein gelehriger Schüler Meli von Moschi. Die räuberischen Massai, die bis in die jüngste Zeit die Grenzgebiete von Deutschund Englisch-Ostafrika unsicher machten, genießen als Vieh- und Menschenräuber ebenfalls den übelsten Ruf. Im Hinterlande von Kamerun und Togo werden hauptsächlich jene waffengeübten, übermütigen Stämme gefürchtet, die seit einiger Zeit zum Islam übergegangen sind und nun auch in ihrer Religion einen Anlass finden, die schwächeren heidnischen Völker in ihrer Nachbarschaft zu befehden und womöglich auszurotten.

Die ärgsten Feinde der Eingebornen Afrikas aber sind ohne Zweifel die Araber. Es gibt unbegreiflicher Weise unter den Afrikareisenden einige Lobredner derselben, die sich, wie z. B. Passarge, nicht mit der Behauptung begnügten, dass die Propaganda der Mohammedaner für ihren Glauben erfolgreicher wäre, als die des Christentums, sondern sich sogar zu der ungeheuerlichen Erklärung verstiegen, dass es ihnen lieber wäre, wenn die Neger den Sendboten des Islam zufielen, als den christlichen Missionaren. Man muss bei solchen Leuten wirklich zweifeln, ob sie wissen, was es um den christlichen Glauben ist. Glücklicherweise sind solche Stimmen überaus selten und finden jetzt, wenn sie sich noch öffentlich hervorwagen, allgemeine Zurückweisung. Aber häufiger sind jene andern Lobredner des Islam, welche die Araber, die doch schon so viel blühende christliche Kultur zerstört haben, als Kulturträger für den dunkeln Erdteil preisen. Mag sein, dass gewisse Handelsbeziehungen mit dem Innern und ein größeres Maß von Kleidung, das man bei den Küstenbewohnern von Ostafrika und den Sudannegern findet, auf sie zurückzuführen sind. Aber das wiegt doch auch nicht von ferne alle die Schändlichkeiten auf, deren sie sich als Sklavenjäger und Sklavenhändler von den Breiten Ägyptens und Algiers bis hinab in die südlichen Teile des Kongobeckens schuldig gemacht haben. Die List und Brutalität, mit der sie die schwachen Negerstämme vergewaltigen, waren im Anfang unsrer Kolonialära von so himmelschreiender Art, dass unsrer Kolonialregierung gar nichts anders übrig blieb, als mit bewaffneter Hand einzugreifen. Es ergab sich daraus die bekannte Antisklavereibewegung, in der die Blockade der Ostküste, der glücklich niedergeworfene Aufstand Buschiris und die Expedition v. Wissmanns nach dem Nyassasee die am meisten hervortretenden Ereignisse waren. Die Forderung eines größeren Dampfers für den Tanganyika-See wird auch wenigstens teilweise damit begründet, dass er die Macht der Araber tief im Innern von Deutsch-Ostafrika vollends brechen soll. Dass aber trotz all dieser Maßnahmen gegen den Einfluss des Islam in manchen Kolonialkreisen immer noch ein gewisses Liebäugeln mit dem Arabertum zu finden ist, geht aus dem Vorschlag hervor, der in der Kolonialzeitung allen Ernstes vor einigen Jahren gemacht wurde, man möchte in den deutschen Regierungsschulen Ostafrikas das Koranlesen für die arabischen Schüler einführen! Erfreulicherweise antwortete die Kolonialregierung mit einem entschiedenen: Nein!

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Verderbliche Einflüsse

Leider sind aber die Eingebornen unsrer Schutzgebiete nicht allein gegen einheimische Feinde zu schützen. Eine christliche Kolonialregierung hat auch vielfach den verderblichen Einflüssen schlechter Europäer zu wehren. Dass solche vorhanden sind, ist durch die Kolonialskandale der letzten Jahre allgemein bekannt geworden. Schon vorher hatte man sich in den Kreisen derer, die in den Eingebornen unsrer Kolonien Mitmenschen und Brüder sehen, gedrungen gefühlt, auf diesen wunden Punkt mit allem Nachdruck den Finger zu legen. Nach dem Vorgange Englands, das entsprechend seiner alten Kolonialgeschichte schon lange eine Vereinigung zum Schutze der Eingebornen in den Kolonien hat, trat bei uns der evangelische Afrika-Verein ins Leben, der es als eine seiner Hauptaufgaben betrachtet, sich als Anwalt der armen Afrikaner mitten ins deutsche Volk zu stellen und mit Wort und Schrift für sie einzutreten, wenn man ihnen in unsern Kolonien ungerechtfertigter Weise zu nahe tritt.

Die Kolonialgeschichte der europäischen Mächte bildet eins der traurigsten Kapitel in der Gesamtgeschichte. Es empört uns aufs tiefste, wenn wir lesen, was die katholischen Spanier und Portugiesen Jahrhunderte lang in Amerika gesündigt haben und das umso mehr, weil es unter einer gewissen Mitwirkung der Kirche geschah. Aber den protestantischen Mächten, wie Holland und namentlich England, die in den letzten 100 Jahren die Führerrolle in der Kolonisierung fremder Erdteile hatten, kann man ebenfalls nicht die schwersten Vorwürfe ersparen. Den heutigen Engländern muss es z. B. die Schamröte ins Gesicht treiben, wenn ihnen vorgehalten wird, was die britisch-ostindische Compagnie vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis zum großen indischen Aufstand im Jahre 1857 alles auf sich geladen hat. Es ist gewiss nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, dass die alte Kolonialgeschichte der europäischen Staaten mehr Gewalttaten und Schandtaten gegen die Heidenvölker enthält, als gute Werke. So ist es zu verstehen, wie einst ein Kaffer seinen Missionar fragen konnte:

"Lehrer, die bösen Menschen aus Europa werden Wohl alle nach Afrika geschickt und die guten bleiben zuhause?"

Nun werden wir gewiss ohne Überhebung sagen dürfen, dass unsre junge Kolonialgeschichte sich in mehr als einer Hinsicht vor der der Spanier und Portugiesen, und auch der früheren holländischen und englischen auszeichnet. Wir verdanken das hauptsächlich unsrer guten Regierung, die viel wachsamer ist, als jene, und das begangene Unrecht straft, so oft es an den Tag kommt. Aber trotzdem hat sie doch schon manchen dunkeln Punkt aufzuweisen, Ist es nicht geradezu empörend, wenn der einst vielgenannte Dr. Peters traurigen Angedenkens es mit dürren Worten aussprach, die Dschagganeger am Kilimandscharo würden noch einmal ausgerottet werden, weil sie sich anfangs die deutsche Oberhoheit, die ihnen in Gestalt eines solchen Beamten entgegentrat, nicht gefallen lassen wollten? Unverhüllter kann sich der brutale Egoismus dessen, der die Macht in Händen zu haben glaubt, wohl nicht zeigen. Glücklicherweise haben andere, gerechtere Männer eine weniger harte Lösung der Schwierigkeiten am Kilimandscharo gefunden; immerhin ist jene Äußerung für eine gewisse Klasse von Kolonialleuten bezeichnend.

Es wird unsern afrikanischen Brüdern viel Gewalt angetan. Wir wollen ja den Pionieren deutscher Macht und Kultur gern mildernde Umstände zubilligen, wenn sie bei vielen Entbehrungen und unter einem Klima, das den Europäer erfahrungsgemäß sehr reizbar macht, ihrer kolonisatorischen oder militärischen Tätigkeit obliegen. Wenn ihr Verhalten hin und wieder ein wenig von den Gewohnheiten eines wohlgeordneten christlichen Staatslebens abweicht, so wollen wir nicht vergessen, unter wie ganz andern Verhältnissen und Schwierigkeiten sie leben. Daher kann man ihnen schon etwas nachsehen, was man hier in der Heimat nicht ungerügt lassen dürfte. Aber es handelte sich bei jenen bekannt gewordenen und andern verborgen gebliebenen Kolonialskandalen eben nicht nur um kleine Verstöße. Der Schaden, der unserm christlichen deutschen Namen durch gewissenlose Landsleute zugefügt wird, ist wirklich groß genug, um uns von Zeit zu Zeit mit tiefster Entrüstung zu erfüllen und auf Abhilfe sinnen zu lassen. Es soll hier nur mit leisem Finger daran gerührt werden.

Wir haben es in Afrika schon wiederholt mit Aufständen der Eingebornen zu tun gehabt, und fast ebenso oft wurde in eingeweihten Kreisen die Schuld auf Seiten der deutschen Beamten gesucht, unter denen eine Zeit lang Männer wie Leist und Peters geduldet wurden, deren unchristliches Gebaren hernach ja die verdiente Strafe gefunden hat. Oder man denke an die Enthüllungen, die uns nachträglich über einige Expeditionsführer gegeben wurden, deren Grausamkeit ihnen eine bedenkliche Ähnlichkeit mit den unmenschlichen Arabern verlieh. Auch jenes deutsche Handelshaus ist in diesem Zusammenhange zu erwähnen, das an der Dahomeküste unbedenklich Sklavenhandel trieb und darauf noch die Stirn hatte, ihn in einem Hamburger Blatte als ein legitimes Handelsgeschäft zu verteidigen. Oder soll man an die Branntweinpest erinnern, deren Einschleppung in Westafrika zum größten Teil den deutschen Kaufleuten zur Last fällt? Die massenhafte Spirituosen-Einfuhr, die sich hauptsächlich auf unsre beiden Kolonien Togo und Kamerun erstreckt, hat nach dem Zeugnis vieler unbefangener Beobachter unsäglich traurige Dinge im Gefolge, Es sei hier nur erwähnt, was ein alter Afrikaner, der Forschungsreisende Burton darüber urteilt. Er sagt:

"Es ist meine aufrichtige Überzeugung, dass, wenn der Sklavenhandel mit all seinen Schrecken wieder aufleben würde, und Afrika könnte dabei den Weißen Mann mit seinen Handelsartikeln, dem Pulver und Branntwein, loswerden, Afrika durch den Tausch an Glück gewinnen würde."

Auch die Eingebornen der Südsee haben ihre weißen Vampire gehabt und möglicherweise haben sie dieselben noch, nämlich jene Unternehmer, die mit ihren Schiffen die australische Inselwelt heimsuchten, um teils mit List, teils mit Zwang Arbeiter anzuwerben und sie weit von ihrer Heimat wegzuführen; oder jene schändlichen Händler, von denen der schottische Missionar J. Paton erzählt, dass sie bei den Tannesen (Neuhebriden) und andern Bewohnern kleiner Inseln die Pocken, die Masern und andere noch schlimmere ansteckende Krankheiten absichtlich einschleppten, um die Bewohner zum Aussterben zu bringen und sich dann ihres herrenlosen Eilandes zu bemächtigen. Doch lassen wir über diese traurigen Dinge lieber wieder den Schleier fallen, nehmen aber von diesem flüchtigen Einblick in die dunkeln Partien der Kolonialgeschichte die Gewissheit mit hinweg, dass auch der Schutz gegen gewissenlose Europäer eine der Aufgaben ist, die ein christliches Volk gegenüber den Eingebornen seiner Kolonien zu erfüllen hat.

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Kolonialpflichten

Damit ist aber nur der eine Kreis von Pflichten beschrieben, die uns durch die Angliederung von Schutzgebieten an unser Vaterland erwachsen. Mit dem Fernhalten dessen, was den Frieden stört und eine gesunde Entwickelung hindert, ist aber noch lange nicht alles getan. Es gilt auch positive Arbeit zu leisten. In den Schriften, die sich mit kolonialen Fragen beschäftigen, wird das kolonisierende Land gern mit dem Namen "Mutterland" bezeichnet. Das Wort legt uns einen Vergleich nahe. Man soll Deutschland als die Mutter ansehen und das Kolonialgebiet als die Tochter. Nun wohl, man beachte nur auch, welche weitere Reihe von Kolonialpflichten sich daraus ergibt. Es ist ein liebliches Bild aus dem deutschen Familienleben: Da wächst ein zartes Töchterlein heran unter den Händen und den Augen einer edlen Mutter. Alle guten Kenntnisse und Fertigkeiten der Erzieherin gehen auf die Tochter über und allmählich kommen die Tugenden des mütterlichen Vorbildes in dem jugendlichen Charakter wieder zur Erscheinung. Denselben Gewinn soll das Tochterland vom Mutterland, die Kolonie vom kolonisierenden Deutschland haben. Wie viel schöne und große Aufgaben sind damit vor jene Männer und Frauen gelegt, die in immer wachsender Anzahl von uns ausziehen, um in Kamerun oder an der Togoküste, in Südwestafrika oder Deutsch-Ostafrika, auf Neuguinea und im Bismarckarchipel sich einen Wirkungskreis zu suchen. Die hochgebildete Germania soll sich als mütterliche Lehrmeisterin der Afrikaner und Südseeinsulaner zeigen.

Da wird es die dankenswerte Aufgabe unserer Landsleute sein, die Eingeborenen noch besser arbeiten zu lehren, als diese es für sich schon getan haben. Die Schwarzen sollen unter der Anleitung der weißen Männer die Schätze heben lernen, die der Schöpfer in die tropische Landschaft gelegt hat. An unsern Handwerkern wird es sein, die Neger im Gebrauch ihrer praktischen Werkzeuge zu unterweisen und sie werden zu diesem Zwecke nach dem Urteil aller Sachverständigen besser tun, wenn sie nach Afrika gehen, als wenn schwarze Lehrlinge zu uns herüber geholt werden, weil die Eingeborenen, die nach Hamburg oder Berlin kommen, erfahrungsgemäß aus den Blüten unserer Kultur nicht nur guten Honig, sondern auch viel böses Gift saugen, Unsre Ärzte finden in den Kolonien ebenfalls ein reiches Feld ihrer Tätigkeit; nicht allein bei den fieberkranken Europäern, sondern noch viel mehr bei den Eingeborenen, deren einziger Arzt bisher der Fetischmann, der Zauberer mit seinem Hokuspokus war. Wenn christliche Ärzte sich erst einmal mit Liebe der armen Schwarzen annehmen, werden sie bald ähnliche gute Erfahrungen mit ihnen machen, wie Dr. Livingstone, dem der bekannte Naturforscher Drummond in seiner Broschüre "Das Beste in der Welt" ein schönes Denkmal gesetzt hat, als er schrieb:

"Ich bin in Afrika gewesen und habe im Herzen des dunkeln Weltteils schwarze Menschen gefunden, die sich des einzigen weißen Mannes erinnerten, den sie je gesehen, David Livingstones. Er ist tot, aber noch heute redet er in Afrika: Die Augen der armen Schwarzen leuchten, wenn sie einem von dem freundlichen Doktor erzählen, der vor Jahren bei ihnen war. Sie verstanden kein Wort von seinem Englisch, er aber verstand sich auf jene Weltsprache, und sie empfanden, dass Liebe sein Herz erfüllte."

Auch vor unsern Diakonissen öffnet sich in den Kolonien ein neues weites Arbeitsfeld. Mancher bleiche und aus Fieberphantasien zurückgeholte Landsmann wird es ihnen von Herzen danken, wenn er fern von Heimat und mütterlicher Pflege unter ihren fürsorglichen Händen Genesung von seinen Leiden gefunden hat. Der seit einem Jahrzehnt bestehende "Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien", der schon in allen unsern Schutzgebieten seine Krankenhäuser stehen hat, braucht jedes Jahr immer neue Pflegerinnen. Dazu gibt es noch eine andere, hochnötige Arbeit für Diakonissen und andere christliche Frauen unter den Eingebornen, Es muss bei ihnen ein neues, besseres Frauengeschlecht herangezogen werden, sonst ist doch keine nachhaltige Besserung im Volksleben der Afrikaner zu erhoffen. Die jetzige Lage der Frauenwelt ist infolge der Sklaverei und Vielweiberei namenlos traurig; ihr sittlicher Zustand ist so tief gesunken, dass eine lange Geduldsarbeit nötig sein wird, um das Haus und das Familienleben des Afrikaners auf eine höhere Stufe zu heben.

Was für eine weite Perspektive eröffnet sich da für alle Menschenfreunde, die sich mit unsern Kolonien beschäftigen und ein ganzer Berg von Fragen und Aufgaben liegt vor unsern Landsleuten, die mit einem offenen Auge und mit einem warmen Herzen für die Bedürfnisse und Nöte der Eingebornen hinaus kommen. Es ist also nicht wenig, was die Mutter Germania ihren südlichen Töchtern schuldig ist. Und doch ist das edelste und größte Stück ihrer Aufgabe noch gar nicht genannt. Eine christliche Mutter kennt keine schönere Aufgabe, als die, das Leben aus Gott, das sie selbst in sich trägt, auch in ihre Tochter zu pflanzen. Sollte das christliche Deutschland es sich nehmen lassen, denselben Dienst auch den heidnischen Eingebornen Afrikas und der Südsee zu erweisen?

Die Bewohner unsrer Kolonien schmachten zum weitaus größten Teile in den Banden des Heidentums. Und was für eines Heidentums! Manchen heidnischen und mohammedanischen Völkern Asiens muss man doch wenigstens eine gewisse Höhe der Kultur und Sittlichkeit zugestehen, dagegen stehen die Bewohner unsrer Kolonien in dieser Hinsicht durchweg auf der tiefsten Stufe. Bei vielen dieser meist zur Banturasse gehörigen Volksstämme hat man wegen der geringen Bekanntschaft mit ihren Verhältnissen das religiöse Leben überhaupt noch nicht beobachten können. Aber soviel weiß man, dass sie in einen grauenhaften geistigen und geistlichen Stumpfsinn versunken sind. Bei andern hat man wenigstens eine Art von Heiligtümern und religiösen Übungen gefunden, aber sie knien vor roh geformten Götzenbildern, gebrauchen mit abergläubischer Furcht ihren Fetisch und lassen sich von ihren raffinierten Zauberern die unglaublichsten Betrügereien gefallen. Es muss uns das herzlichste Mitleid ergreifen, wenn wir in diese finstere Nacht der heidnischen Wahnvorstellungen hineinblicken.

Dem oberflächlichen Beobachter, der vielleicht für den Jammer des religiösen Verderbens kein Verständnis hat, springt doch das moralische Elend überall in die Augen. Der Boden Afrikas ist mit Blut gedüngt. Seine Völker haben sich in jahrhundertelangen Kämpfen selbst zerfleischt; seine Despoten betrachten es als ganz selbstverständlich, dass das Leben ihrer Untertanen ihnen gehört und dass sie ihre eklen Feste auch durch Menschenopfer verherrlichen dürfen. Andere nicht weniger schreckliche Blüten vom Baum des Heidentums sind die Sklaverei und die Vielweiberei, Eine unsagbare Menge von Elend liegt in diesen beiden Worten beschlossen.

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Kolonisierung nur mit gleichzeitiger Christianisierung

Es gehört nur ein menschenfreundlicher Sinn, ja vielleicht nur ein politisch weitblickendes Auge dazu, um zu erkennen, dass die Gräuel des Heidentums in unsern Kolonien beseitigt werden müssen. Aber wie verkehrt wäre es, wollte man sich damit begnügen, nur die gröbsten Auswüchse abzuschneiden. So dachte man erst in unsern kolonialen Kreisen, man ist jedoch bald davon zurückgekommen. Es hat ja im Anfang nicht an Stimmen gefehlt, die es für genügend hielten, wenn den rohen Völkern nur unsere europäische Kultur gebracht würde. Glücklicherweise haben wir die Geschichte anderer Kolonien als Lehrmeisterin, und diese beweist es jedem, der offene Augen und einen gesunden Menschenverstand hat, unwiderleglich, dass die einfache, schematische Übertragung unsrer Kultur auf ein kulturloses Volk ein Danaergeschenk ist. Wenn man überhaupt etwas erreicht, so doch nur Karikaturen unsrer Kultur, wie sie in gewissen Teilen Westafrikas leider schon vielfach herumlaufen. In anderen Fällen werden die Eingebornen wohl gar der Veränderung erliegen und aussterben, wofür die Indianer Nordamerikas und manche Inseln der Südsee ein warnendes Beispiel sind. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich der Grundsatz, den man allen, die mit unsern überseeischen Besitzungen zu tun haben, immer wieder zurufen muss: Wenn unsere Kolonien gedeihen sollen, so darf die Kolonisierung nur mit gleichzeitiger Christianisierung geschehen! Im Christentum liegen die Wurzeln der deutschen Kultur. Den christlichen Glauben gilt es hinüberzupflanzen auf den afrikanischen Boden; dann werden sich einst auch dort die Blüten und Früchte einstellen, die das christliche Denken und Leben bei uns gezeitigt hat. Das Christentum ist die Weltreligion und darum, wie auch seine bisherige Geschichte zeigt, von wunderbarer Akklimatisationsfähigkeit, Es hat am Rande des ewigen Eises, bei den Eskimos in Grönland, Wurzel geschlagen und seine eigentümlichen Gaben und Kräfte entfaltet, dasselbe ist aber auch schon unter den Palmen Indiens, ja in allen Klimaten der Erde geschehen. So wird es seine weltüberwindende Kraft auch in dem sich eben erst erschließenden Afrika beweisen und dahin führen, dass die christlich gewordenen Völker unsrer Kolonien unserm deutschen christlichen Volkstum zwar nicht gleichartig, aber doch einmal gleichwertig werden, wenn auch erst in einer fernen Zukunft.

Solche, die der Sache fern stehen, könnten vielleicht meinen, dass das Christentum mit der Zeit ganz von selbst in unsern Kolonien Wurzel schlagen würde, weil Jahr für Jahr so viele unsrer christlichen Landsleute hinüberziehen. Es wäre herrlich, wenn sie mit dieser optimistischen Anschauung Recht hätten. Dann könnten die Missionsgesellschaften ihr Geld und ihre Sendboten sparen und ihre Kräfte auf die noch nicht von Europäern besetzten Gebiete verwenden. Die Erfahrung aber weiß nichts von diesem leichten Wege einer Christianisierung der Welt. Hier ist vor allem zu bedenken, dass unsere Kolonien ganz andere klimatische Verhältnisse haben, als unser Heimatland, und dass sie deshalb alle, vielleicht mit der einzigen Ausnahme von Deutsch-Südwestafrika, zur ständigen Ansiedelung deutscher Familien untauglich sind. Es wird immer nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Europäern unter den Eingebornen leben können. Also selbst für den Fall, dass die Beamten, Soldaten und Kolonisten lauter gut christliche Leute wären, denen auch ein gewisser Zeugengeist innewohnte, würde doch ihre Gegenwart nicht genügen, unsere Kolonien zu christlichen Ländern zu machen. Aber selbst das bescheidene Maß von christlichem Einfluss, das man mit Fug und Recht von den Söhnen eines christlichen Volkes erwarten kann, wird zumeist von ihnen nicht erfüllt. Hören wir das Urteil eines Mannes, der bei seinem langjährigen Aufenthalt in Kamerun selbst in ihren Reihen gestanden hat, des Dr. Zintgraff. Er sagt:

"Die meisten Europäer in Afrika - Beamte, Kaufleute, Reisende, Kapitäne, kurz: niemand ausgenommen - sind nichts weniger als christliche Vorbilder, sondern eher abschreckende Beispiele, und der Missionar muss sie entweder den Schwarzen gegenüber als solche hinstellen, oder sich auf den nicht ganz unberechtigten Einwurf gefasst machen: wenn ihr bekehren wollt, so fangt doch zuerst bei euren Landsleuten an und gewöhnt diesen den sittenlosen Umgang, das Fluchen und Saufen ab."

Derselbe Gewährsmann kommt dann auch noch auf die kirchliche Bedürfnislosigkeit unsrer deutschen Kolonialbeamten und Kolonisten zu sprechen, wofür uns auch noch zahllose andere Belege vorliegen. Die an den Hauptplätzen unsrer Kolonien ansässigen Missionare haben sich aus eigenem Antrieb bereit erklärt, Gottesdienste nach Art der heimischen Kirche für ihre Landsleute zu halten. Aber es wird doch nur an wenigen Orten mit Freuden Gebrauch von diesem Anerbieten gemacht, Unsre Landsleute bringen eben - einige rühmenswerte Ausnahmen abgerechnet - wenig kirchlichen Sinn und lebendiges Christentum mit nach Afrika. Die meisten scheinen es ähnlich zu halten, wie die alten Kolonisten von Ostindien im Anfang dieses Jahrhunderts, denen man nachsagte, dass sie auf dem Wege von London nach Calcutta ihr Christentum am Kap der guten Hoffnung zurückließen und unter den Indern wie die Heiden lebten. Wenn nicht alles trügt, bricht sich in den kirchlichen Kreisen der Heimat die Erkenntnis Bahn, dass man der kirchlichen Bedürfnislosigkeit unsrer Kolonisten nicht länger ruhig zusehen darf. In Dar-es-Salaam, wo sich 206 Deutsche aufhalten und also der Notstand am fühlbarsten ist, geht man ernstlich mit der Bildung einer deutschen Kirchgemeinde und dem Bau einer Kirche um. Andere Plätze folgen hoffentlich bald nach und dann wird man doch ohne Zweifel in den deutschen Landeskirchen, wo man seit mehr als einem halben Jahrhundert so viele Kirchen und Schulen der evangelischen Diaspora hat bauen helfen, auch eine Gabe übrig haben, wenn für die kirchliche Versorgung unsrer Brüder in den Kolonien gebeten wird. Wir dürfen nie vergessen, dass sie von uns ausgegangen sind und dass ein Teil des Odiums auf uns zurückfällt, wenn sie draußen völlig von ihrer Heimatkirche losgelöst sind und infolgedessen in heidnisches Wesen versinken. Die geistliche Versorgung unserer Landsleute steht daher auch in dem Verzeichnis der Pflichten, die wir unsern Kolonien gegenüber haben.

Doch das ist eine Sache für sich, die Heiden haben davon noch keine wirklich positive Förderung in religiöser Hinsicht. Selbst wenn wir soweit wären, dass in Lome und Kleinpopo an der Togoküste, auf der Loßplatte am Kamerunfluss, in Windhuk (Südwestafrika), in Dar-es-Salaam und Tanga, in Finschhafen und Stephansort  (Neuguinea) regelmäßiger Gottesdienst für die Deutschen gehalten würde, was sollte das den Eingebornen helfen? Zwischen den Weißen und den Farbigen besteht zurzeit in unsern Kolonien noch eine so tiefe Kluft, dass es die Eingebornen gar nicht wagen würden, die Gottesdienste der Europäer zu besuchen und mit ihnen auf denselben Bänken zu sitzen, wie es umgekehrt unsern Landsleuten nicht in den Sinn kommt, am Gottesdienst, den der Missionar für die schwarze Gemeinde hält, teilzunehmen. Ein ausgesprochen kirchlicher Mann hat früher in Kleinpopo Jahre lang die Kirche der Eingebornen besucht, da keine andere Gottesdienstgelegenheit für die Weißen am Orte war, ohne doch durch sein Beispiel auch nur die ihm Nahestehenden gewinnen zu können.

Es kann also bei unsern Kolonialbeamten und Kaufleuten schlechterdings nicht die Rede davon sein, dass sie zur Übermittlung des christlichen Glaubens an die Eingebornen unserer Kolonien die geeigneten Leute wären. Darum sind hier, wie allerorten in der Heidenwelt die berufsmäßigen Verkünder des Evangeliums, die Missionare unentbehrlich. Und sie dürfen auch nicht erst kommen, wenn das Land von Soldaten und Kaufleuten besetzt ist. Man muss vielmehr wünschen, dass sie den andern Europäern möglichst vorangehen. Das Christentum möchte schon einigermaßen Eingang bei den Völkern des Hinterlandes gefunden haben, ehe dieselben gar zu viele Berührungspunkte mit der Kultur der Weißen bekommen. Die damit verbundene Krisis kommt sonst über sie, wie über hilflose Kinder, und sie möchten infolgedessen leicht in einem Zustand noch größerer Verderbnis den Missionaren entgegentreten, als es das Heidentum ohnehin bewirkt. Es ist eine alte Klage, die in den Missionsblättern immer wiederkehrt, dass die Glaubensboten, die sich an lebhaften Küstenplätzen niedergelassen haben, sich weiter landeinwärts nach den unverdorbenen Heiden sehnen.

Nach alledem kann nicht zweifelhaft sein, welche Antwort wir auf die Frage, was wir unsern Kolonien schuldig sind, zu geben haben. Das Mutterland soll seinen Kolonien gegenübertreten, wie eine gute christliche Mutter ihrer Tochter. Und wen unser deutsches Volk auch immer in seine Kolonien sendet, was für Gesetze und Einrichtungen auch von Seiten der Kolonialregierung ausgehen mögen, es soll alles im Einklang mit dem Bibelworte stehen: Du sollst ein Segen sein! Als die höchste Aufgabe aber ist das Hinübertragen des christlichen Glaubens anzusehen, dem unser eigenes Volk das Beste verdankt, was es besitzt. Darum wohlan, ihr Christenleute im evangelischen Deutschland, wir wollen uns die Hände reichen, um auch das Unsrige zur Lösung der Aufgaben, die unserm Volke in Afrika und der Südsee gestellt sind, beizutragen. Auf den altbewährten Wegen der Heidenmission, die von den Tagen der Apostel an so vielen Völkern zu einer Wiedergeburt und zu einem bessern Leben verholfen hat, können und sollen auch die Eingebornen unsrer Schutzgebiete unsresgleichen werden, das heißt, Menschen, die nicht verloren gehen, sondern durch den Glauben an Christum Jesum das ewige Leben haben.

Auf, lasst uns Zion bauen
Mit freudigem Vertrauen,
Die schöne Gottesstadt!
Wenn wir ans Werk erst gehen,
Wird sie bald fertig stehen;
Wohl dem, der mltgebauet hat.

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2. Die Missionstätigkeit in unsern Kolonien

Siehe, ich habe vor dir gegeben eine offene Tür. Offenb. Joh. 3,8.

Als die ersten Schutzverträge in Westafrika geschlossen waren und der Kolonialgedanke aus einem Kreise unternehmungslustiger und zielbewusster Männer in unser Volk hineingeworfen wurde, fand er in einem gerade von dieser Seite bis dahin wenig beachteten Teile der Bevölkerung einen besonders bereiteten Boden. Das waren die Missionsleute, die bis zu dieser Zeit immer nur die Rolle der Stillen im Lande gespielt hatten. In den Kammern der hohen Politik kannte man sie gar nicht. Die ersten Reichstagsdebatten, die sich mit Missionsangelegenheiten zu beschäftigen hatten, förderten kaum glaubliche Proben der Unkenntnis über sie zu Tage und als einst ein Vertreter der Brüdergemeine, deren Missionsleistungen doch seit fast 200 Jahren rühmlich in den Annalen der Kirchengeschichte verzeichnet stehen, in Berlin bei den Stimmführern der kolonialen Sache wegen des Beginns einer neuen Mission in Deutsch Ostafrika vorsprach, wurde ihm von diesen Herren die Frage vorgelegt, ob denn die Brüdergemeine schon irgend welche Erfahrungen in der Missionsarbeit hätte. Wie erheiternd musste diese Unkenntnis auf den Herrnhuter Missionsdirektor am Ende des 19, Jahrhunderts wirken! In den Kreisen der geographischen Wissenschaft und der Naturkunde wusste man zwar vom Vorhandensein der Missionare in allen Weltteilen, weil die Forschungsreisenden ihnen in zivilisierten und unzivilisierten Heidenländern so oft begegnet waren und viel Gastfreundschaft auf den Missionsstationen genossen hatten. Eben dieselben Männer hatten sich aber größtenteils gewöhnt, die "schwärmerischen" Missionare, die aus den Wilden gute Menschen machen wollten, über die Achsel anzusehen und die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen als eine ausgemachte Sache zu behandeln. Das war denn auch der Grundton der Anschauungen über die Heidenmission, die bis in die achtziger Jahre in den deutschen geographischen Zeitschriften zum Ausdruck kamen und die meisten unsrer gebildeten Leute gleichgültig gegen die Missionsbestrebungen machten. Die Erklärung für solche irrige Anschauungen ist nicht schwer zu geben. Jene Forschungsreisenden waren zum Teil irreligiöse Leute und hatten darum von vornherein nicht das geringste Verständnis für das, was die Missionare unter den Heiden ausrichteten. Andere gaben ihr abfälliges Urteil nach einem ein bis zweitägigen Aufenthalt auf einer im ersten Entwickelungsstadium begriffenen Missionsstation ab, oder sie verurteilten die neubelehrten Afrikaner, weil sie mit einigen getauften Trägern schlechte Erfahrungen gemacht hatten. In Wirklichkeit hatten sie es mit solchen Eingebornen zu tun gehabt, die allerdings eine Zeit lang unter dem Einfluss eines Missionars gestanden, dann aber die strengere Zucht in der Christengemeinde satt bekommen und sich wieder unter das wandernde Volk gemischt hatten. Doch sei dem, wie ihm wolle, es war eine Tatsache, dass beim Beginn unsrer Kolonialära die weitesten Kreise unsres Volkes entweder überhaupt keine oder doch keine hohe Meinung von der Heidenmission hatten. Die Mission galt als eine Winkelsache.

Anders in den gut kirchlichen Kreisen. Denen waren schon lange die Augen darüber aufgegangen, dass die Missionstätigkeit zu den grundlegenden Pflichten der christlichen Kirche gehört und dass die Missionsleute recht eigentlich im Zentrum des kirchlichen Lebens stehen. Die Missionskreise selbst vollends ließen sich weder die Ignorierung, noch die Anfeindung von weltlicher Seite irgendwie anfechten. War es ihnen bei ihrem Werke doch nicht um den Beifall der Politiker oder der Gelehrten zu tun, sondern um die Erfüllung einer religiösen Pflicht, die ihnen von der heiligen Schrift und ihrem Gewissen diktiert wurde. Sie verhielten sich bei ihrer Arbeit wie bei ihren Festen als die Stillen im Lande. Aber trotz ihres anspruchslosen Auftretens waren es Leute von weitem Gesichtskreis und weitem Herzen, denen kein afrikanisches Problem zu dunkel und keine Inselgruppe der Südsee zu fern war, als dass sie sich nicht daran gemacht hätten, das Problem in ihrer Weise zu lösen und in die fernsten Teile der Erde ihre Vorposten zu schicken. Sie hatten schon lange, ehe es deutsche Kolonien gab, geistliche Kolonialpolitik getrieben, falls man es so nennen darf, wenn die Missionare das Evangelium und seine Segnungen aus den Ländern der Christenheit hinaustragen und dahin streben, ein Volk der Erde nach dem andern der christlichen Kirche anzugliedern. Weltliche oder gar politische Gesichtspunkte waren dabei freilich nirgends zur Geltung gekommen. Die Missionsgesellschaften hatten sich bei der Wahl ihrer Missionsfelder regelmäßig durch göttliche Fingerzeige leiten lassen und diese hatten sie, mit geringen Ausnahmen, nicht nach den Ländern geführt, die jetzt in deutschen Besitz kamen, dafür aber war eine ganze Reihe der wichtigsten Missionsfelder der Erde von ihnen besetzt: in Indien und China, auf den malaiischen Inseln und dem australischen Festlande, in Nord- und Mittelamerika, auf der Südspitze Afrikas wie an der Gold- und Sklavenküste, überall standen deutsche Missionare. Und ihre Arbeit auf diesen Feldern war sichtlich gesegnet. An vielen Stellen konnten sie nach harter Anfangsarbeit sich endlich der ersten Erfolge freuen; die Heiden kamen nicht mehr einzeln, sondern in Scharen zur Taufe, Hier und da war sogar schon eine junge Volkskirche im Werden, die zwar die Führerschaft der europäischen Missionare noch lange nicht entbehren konnte, aber doch darauf hindrängte, ihre Lehrer und Prediger immer mehr aus dem eigenen Volke zu nehmen.

So lag die Sache, als die Kolonialbewegung ihre Kreise bis hinein in die Missionsvereine und die Vorstandssitzungen der Missionsgesellschaften zog. Allen Sachkundigen war es von vornherein klar, dass die deutschen Missionare nicht von ihren alten gesegneten Missionsfeldern abgerufen werden dürften, um die neuerschlossenen Gebiete zu besetzen. Das wäre ebenso verkehrt gewesen, wie wenn man einen Hausbau in halber Höhe liegen lassen und nicht weit davon einen neuen Grund graben wollte. Aber ebenso wenig konnte man verkennen, dass der Herr der Mission den deutschen Missionsleuten gerade in unsern Kolonien neue Aufgaben gestellt hatte. Diese aus einer gewissen Verborgenheit hervortretenden Gebiete West- und Ostafrikas oder Neuguineas wurden bei uns plötzlich in öffentlichen Vorlagen und in der Tagespresse von allen Seiten beleuchtet, es trat ein lebhafter Verkehr deutscher Männer hinüber und herüber ein, in ihrem Gefolge kam mancher junge afrikanische Heide mit nach Deutschland, die neuerworbenen Länderstrecken wurden eingehend erforscht, beobachtet und beschrieben, Das alles konnte auch in den Missionskreisen des Eindrucks nicht verfehlen; man erkannte auch hier den Finger Gottes und dass es an der Zeit wäre, in die offenen Türen, zu denen schon so viel europäisches Wesen hineinflutete, einzutreten. Umso mehr, als die Mission in unsern Kolonien zumeist jungfräulichen Boden vorfand.

Nicht als ob diese bis in die Mitte der achtziger Jahre überhaupt noch keine Missionare gesehen hätten. Jedes der in Frage kommenden Gebiete war von den Bestrebungen der Heidenmission wenigstens berührt, allerdings nur an einigen Punkten. Während andere Heidenländer, wie Indien oder Japan, damals mit Missionsstationen schon förmlich übersät waren, gehörten unsere Kolonien noch zu denjenigen Teilen der Erde, wo eben erst einige Lichtpunkte aufblickten, wie die Sterne am Abendhimmel. So hatte z. B. die Togoküste nur ein einziges kleines Holzkirchlein der Wesleyaner aufzuweisen; in Kamerun war lediglich das leicht erreichbare Flussgebiet in den Schallbereich der christlichen Predigt gezogen. In Deutsch-Ostafrika wirkten zwar die Missionare verschiedener Gesellschaften auch im Innern, aber wie gering ihr Einfluss bei der riesigen Ausdehnung unseres dortigen Schutzgebietes bleiben musste, mag aus der Tatsache erhellen, dass man aus der deutsch-ostafrikanischen Karte ein Gebiet von der Größe des deutschen Reiches herausschneiden konnte, in dem sich nicht eine einzige Missionsstation befand. Ganz zu schweigen vom deutschen Teile Neuguineas, wo überhaupt noch keine christliche Niederlassung zu finden war. Nur Deutsch-Südwestafrika und ein Teil des deutsch gewordenen Inselmeeres in der Südsee konnte schon beim Beginn unsrer Kolonialära als ein vor der Hand genügend besetztes Missionsfeld gelten.

Diese Umstände forderten gebieterisch das Eintreten zahlreicher Missionare in die sich auftuenden neuen deutschen Länderstrecken. Es hat damals an kräftigen Aufrufen und Impulsen nicht gefehlt. Die Stimmführer der deutschen Mission, allen voran D. Warneck, mahnten, die bedeutsame Zeit nicht ungenutzt vorübergehen zu lassen; sie zeigten, welche Pflichten uns die Kolonien auferlegen. Ihre Bitte richtete sich vor allem an die weiten Kreise, die bisher noch ferne gestanden und die Mission nur vom Hörensagen kennen gelernt hatten. Sie sollten mit Hand anlegen ans große, herrliche Werk, und die alten Freunde sollten noch eifriger werden.

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Neues Interesse für die Mission

Der Ruf ist nicht umsonst ergangen. Es kam eine große Regsamkeit in die deutschen Missionskreise; ja viele kirchliche Leute, die die Mission bisher als eine Liebhaberei der besonders Frommen betrachtet hatten, fingen auch an, ein lebhafteres Interesse daran zu nehmen. Zunächst musste die Kolonialmission allerdings eine Sturm- und Drangperiode durchmachen. Etliche neue Freunde meinten auch neue Formen schaffen zu müssen. Sie drängten zur Bildung von Missionsgesellschaften, die nur in den deutschen Kolonien wirken sollten. So kam es zur Gründung von zwei neuen Gesellschaften, der Berliner ost-afrikanischen, gewöhnlich Berlin III genannt, und der bayerischen ostafrikanischen, die sich später mit der Leipziger Mission verschmolzen hat. Dadurch wurden die ohnehin nicht sehr starken deutschen Missionskräfte ohne Not zersplittert und die neugegründeten Gesellschaften entbehrten naturgemäß bei der Besetzung eines ihnen unbekannten Missionsfeldes der wertvollen Erfahrung, die ihren altern Schwestern zu Gebote gestanden hätte. Mag sein, dass diese letzteren anfangs durch zu langes Zaudern die Neugründungen selbst mit verschuldet haben. Im Laufe der Jahre ist dieser Fehler, wenn von einem solchen überhaupt geredet werden kann, jedenfalls reichlich wieder gut gemacht worden. Fast alle deutschen Gesellschaften haben inzwischen Niederlassungen in den Kolonien angelegt, die Norddeutsche Mission an der Togoküste, die Baseler in Kamerun, nach Deutsch-Ostafrika sind neben der neugegründeten Berliner Gesellschaft nicht weniger als drei von den alten gezogen: Berlin I, Herrnhut und Leipzig. In Neuguinea sind die Rheinische Mission und die von Neuendettelsau eingetreten.

Daraus erhellt, welchen kräftigen Impuls zu vermehrter Arbeit die Kolonialbewegung den deutschen Missionskreisen gegeben hat, ebenso aber auch, wie willig man in diesen Kreisen gewesen ist, in die neugeöffneten Türen einzutreten. Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass von Seiten der Kolonialregierung alles getan wurde, um die Besetzung der Kolonien mit Missionaren zu beschleunigen und zu erleichtern. Das geschah natürlich im wohlverstandenen eigenen Interesse, denn an dieser Stelle sah man bald ein, welchen wichtigen Kulturfaktor jede Missionsstation darstellt und wie wertvolle Dienste der Missionar als Bindeglied zwischen den kolonialen Regierungsorganen und den Eingebornen zu leisten imstande ist. So ist das missionsfreundliche Wort zu verstehen, das der Reichskanzler am 11. Dezember 1894 im Reichstage sprach: "Die Regierung wird am wenigsten auf die Unterstützung der christlichen Missionsgesellschaften verzichten, ohne deren opferfreudige und segensreiche Tätigkeit das gesamte Kolonialwerk in Frage gestellt wäre. Die Regierung wird ihrerseits die Mission auf alle Weise fördern und ihr die volle Freiheit in der Ausübung ihres Berufs in allen Schutzgebieten gestatten." Wir wollen diese Worte nicht überschätzen, dürfen sie aber als einen willkommenen Beweis begrüßen, dass sich in der Kolonialpolitik der Gegenwart ein erfreulicher Umschwung gegen frühere Zeiten vollzogen hat. Als vor hundert Jahren englische Missionare sich im Gebiete der Britisch-ostindischen Kompanie niederlassen wollten, wurden sie mit Schimpf und Gewalttat daran verhindert. Unsere Kolonialregierung dagegen lässt der Mission jede wünschenswerte Freiheit und Förderung zuteil werden. Welch eine Wendung!

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Neue Herausforderungen für die Mission

Allerdings hat die neue Freundschaft den Missionskreisen auch neue Gefahren und neue Kämpfe gebracht. Die Kolonialmänner, die sich bereit erklärten, der Mission bei der Erschließ unsrer Kolonien einen hervorragenden Platz anzuweisen, traten mit allerlei Vorschlägen an sie heran, die fast den Charakter einer Versuchung trugen. Am liebsten hätten sie es gesehen, wenn sich die Missionsgesellschaften wie eine Art Unterabteilung der Kolonialverwaltung hätten behandeln lassen. Da dies aber bei der großen Bewegungsfreiheit, die sich das Missionswesen bei uns bewahrt hat, nicht zu erreichen war, versuchte man es auf anderem Wege. Man ging eine Zeitlang damit um, ihr durch reichliche Geldzuwendungen aus der Antisklavereilotterie goldene Fesseln zu schmieden. Aber umsonst. Der Ausschuss der evangelischen Missionen Deutschlands wies das gleißende Gold ab, ganz im Gegensatz zu den römischen, die sich sogleich bereit fanden. Dann hat man den Druck der öffentlichen Meinung wirken lassen. Es kam die Zeit der Broschüren und der Zeitungspolemik über Missionsfragen. Das meiste Aufsehen machte der literarische Streit zwischen D. Warneck und dem späteren Gouverneur von Wißmann, wobei die Frage viel erörtert wurde, ob der Wahlspruch ,,ora et labora" auf den Missionsstationen nicht besser in ein "labora et ora" verwandelt werden sollte. Es trat bei dieser Gelegenheit besonders stark hervor, was schon jahrelang ein sehnlicher Wunsch der Kolonialpolitiker gewesen war, dass sich die Missionare dazu hergeben möchten, die Schwarzen zur Arbeit zu erziehen, sie zu recht gefügigen Dienern der Weißen zu machen und in jeder andern Hinsicht den Kolonisatoren in die Hände zu arbeiten; darauf sollten sie das Schwergewicht ihrer Tätigkeit legen. Die deutschen Missionsgesellschaften haben aber damals wie aus einem Munde erklärt, dass sie sich auf eine solche Verdrehung ihrer alten guten Grundsätze unmöglich einlassen könnten. Selbst auf die Gefahr hin, die eben erlangte Gunst der Kolonialmänner wieder zu verlieren, betonten sie solchen Zumutungen gegenüber fortgesetzt ihre spezifisch religiöse Aufgabe.

So viel Berührungspunkte auch Mission und Kolonialpolitik haben mögen, in einem Punkte gehen sie grundsätzlich auseinander: die Kolonialpolitik arbeitet für das deutsche Reich, die Mission dagegen für ein Reich, das nicht von dieser Welt ist. Die ersten Missionare, die in die Heidenwelt zogen, haben ihren Marschbefehl auf dem Berge der Himmelfahrt empfangen, wo ihr Herr und Meister ihnen sagte: "Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker, indem ihr sie taufet in den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und sie halten lehrt alles, was ich euch befohlen habe!" In solcher Absicht ist die Heidenmission ins Leben gerufen worden, zunächst gar nicht als eine Kulturträgerin; zu diesem Dienst hätten die einfachen Männer vom See Genezareth auch nicht getaugt, weder in Alexandria oder Ephesus, noch in Athen und Rom. Das Zeugnis von Christo und das Wort vom Kreuze, das war der Inhalt ihrer Botschaft, durch deren Einfluss die alte heidnische Welt in Trümmer fiel, als die Zeit erfüllet war. Die Mission hat seitdem ihren Siegesgang durch die ganze Welt gehalten, im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit hat aber überall die christliche Heilspredigt gestanden. Es hat freilich auch nicht an Zeiten der Verirrung gefehlt, zumal im Mittelalter, als die christliche Mission immer mehr zu einer römischen wurde; da gingen auch in den Missionsgebieten die geistliche und die weltliche Macht vielfach ineinander über, oder es wurden weltliche, d. i. verkehrte Mittel zur Bekehrung der Völker angewendet. Solches ist aber immer zum Schaden der Mission und ihrer wahren Ziele geschehen. Gerade diese Erfahrungen zwangen die evangelischen Missionsgesellschaften zu besonderer Vorsicht, als im Anfang unsrer Kolonialära die Zumutung an sie herantrat, sie sollten mehr die christliche Kultur als das Glaubensleben auf ihren Stationen pflegen, Sie antworteten mit einem entschiedenen: Non possumus.

Es ist denjenigen unter ihren Freunden, die gern ein Hand in Hand gehen der Mission und der Kolonialpolitik ermöglichen wollen, allem Anschein nach inzwischen gelungen, die maßgebenden Kolonialkreise zu überzeugen, dass die Heidenmission trotz alledem ein Kulturfaktor ersten Ranges ist, und zwar die evangelische Mission keinesfalls weniger, als die römische. Die letztere legt es berechnender Weise von vornherein mehr auf äußerliche Repräsentation und in die Augen fallende Prunkstücke an und hat sich darum von je der Lobsprüche aller oberflächlichen Beurteiler zu erfreuen gehabt. Mancher hat sich durch gut angelegte Stationen und Plantagen blenden lassen. Als ob das die Aufgabe der Kirche wäre! Die evangelische Mission verschmäht solches Blendwerk. Sie verwendet immer zunächst ihre ganze Kraft auf die aus Überzeugung erfolgende Bekehrung der Eingebornen, auf die Pflanzung christlicher Gemeinden und Familien und erst dann - wozu freilich einige Jahrzehnte nötig sind - treten auch ihre Kulturerfolge hervor. Sie müssen ganz von selbst kommen. Es sei nur einiges hier kurz angedeutet. Die Missionare gründen überall Schulen für die Kinder und lehren das Schreiben und Lesen. Mit der Zeit bekommen die Schüler auch häusliche Aufgaben. Aber wo soll das Kind zu Hause schreiben? Da werden bald Tische und andere Hausgeräte nötig. Und wenn es erst dumpfe, finstere Hütten waren, in denen die Eingebornen wohnten, so müssen auch diese verbessert werden; denn es machen sich Fenster notwendig, damit mehr Licht zur Bücherarbeit vorhanden ist. Eine Verwandlung von anderer Art bringt die Kleiderfrage mit sich. Der Missionar hält darauf, dass sich seine Schüler und die auf seiner Station wohnenden Eingebornen schicklicher kleiden. Damit steigen die Bedürfnisse und Ausgaben der Leute, was wieder zur Folge hat, dass sie sich nach Lohnerwerb umsehen und mehr arbeiten als bisher. Das sind Kulturerfolge, wie sie sich auf einer richtig geleiteten evangelischen Missionsstation in Afrika ganz von selbst einstellen. Dass dieselben, die als reife Früchte vom Baum des christlichen Lebens fallen, dann sehr viel wertvoller sind, als jene das heidnische Wesen nur dünn überziehende christliche Tünche, mit der die römische Mission prahlt, bedarf für den Einsichtigen keines Beweises mehr.

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Eifersucht gegen England

Eine besonders schmerzliche Krisis kam über die evangelischen Missionskreise durch die Eifersucht der Kolonialmänner gegen England, die ja bis zum heutigen Tage noch nicht ganz überwunden ist. Es hatte sich so gefügt, dass sich schon lange vor der deutschen Besitzergreifung englische Missionare in einigen unsrer Kolonialgebiete niedergelassen hatten. Bei dem internationalen Charakter der evangelischen Mission verstand sich der ruhige Fortgang dieser Missionsarbeit eigentlich von selbst. Tatsächlich sind viele deutsche Missionare in englischen, niederländischen oder dänischen Kolonien tätig und sie befinden sich dort unter dem Schutze einer klugen Regierung wohl. Die Verwaltungsbeamten dieser Länder wissen gar gut, wie viel sie der selbstlosen Arbeit der evangelischen Missionare, selbst wenn sie einer fremden Nationalität angehören, zu verdanken haben. Ähnlich lag das Schuldkonto auch schon beim Beginn unsrer Kolonialzeit. Welche schätzenswerten Dienste hatte z. B. der englische Baptistenmissionar Saker bei der Erschließung von Kamerun für die Europäer geleistet, oder gar der berühmte Livingstone durch seine Forschertätigkeit in Ostafrika und seine rührende Fürsorge für die armen Afrikaner. Auch die englische Kirchliche Missionsgesellschaft, deren Ugandamission jetzt aller Augen auf sich zieht, hatte ihre Verdienste um Deutsch-Ostafrika, denn sie hat die erste Etappenstraße nach dem Innern angelegt. Also die Klugheit sowohl, wie die Dankbarkeit hätten die neue Kolonialverwaltung bewegen sollen, die in diesen Gebieten schon geleistete Missionsarbeit zu behüten. Aber die nationale Eifersucht war stärker, als beide. Man argwöhnte - es hat sich später herausgestellt, dass es völlig grundlos war, die englischen Missionare arbeiteten der deutschen Regierung entgegen, und das hat erkältend auf das gegenseitige Verhältnis eingewirkt, sodass keine der englischen Gesellschaften seit der deutschen Besitzergreifung neue Stationen in unsern Gebieten gegründet hat; sie ziehen sich lieber nach und nach zurück. An einigen Orten gab es sogar eine heftige Erregung, die mit der mehr oder weniger gewaltsamen Verdrängung der englischen Missionare endete; so in Kamerun, wo die Baptistenmission um die Mitte der achtziger Jahre aufgehoben wurde und in Moschi am Kilimandscharo, von wo die beiden Missionare der Kirchlichen Missionsgesellschaft im Anfang dieses Jahrzehnts geradezu vertrieben wurden. Die letztere Geschichte war besonders beschämend für den blinden Eifer, in dem man den englischen Glaubensboten Unrecht tat.

Die deutschen Missionskreise sind bei diesen Verirrungen kolonialer Heißsporne nicht müde geworden, für ihre zu Unrecht verdächtigten Glaubensbrüder einzutreten und Missverständnisse aufzuklären, doch umsonst, die politische Verstimmung wollte nun einmal ihr Opfer haben.

Dadurch entstanden aber in dem ohnehin sehr weitmaschigen Missionsnetz unsrer Kolonien noch mehr Lücken und immer deutlicher trat an die deutschen Missionsgesellschaften der Ruf heran, dieselben auszufüllen. Sie haben denn auch ihren Verdruss zu vergessen gesucht und mit Anspannung aller ihrer Kräfte die neuen Arbeitsfelder in Angriff genommen. Mit welchem Erfolg das bisher geschehen ist, möge ein kurzer Überblick über den gegenwärtigen Stand des evangelischen Missionswerks in unsern Schutzgebieten zeigen. Wir beginnen mit der uns am nächsten liegenden Togokolonie und gehen von da entlang der Küste Afrikas erst nach Süden, dann nach Osten, um am Ende nach der deutschen Südsee hinüberzuspringen.

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Überblick über Togo

Im kleinen Togolande ist die Küste, die nur 36 Kilometer lang ist, aber als Sitz der Regierung und vieler deutscher Ansiedler die Augen am meisten auf sich zieht, ziemlich gut mit Missionsstationen besetzt. Die Wesleyaner haben in Kleinpopo eine Hauptstation, der jetzt ein deutscher Missionar vorsteht, während sie früher Jahrzehnte lang nur zeitweilig von dem benachbarten Weida (französisch) aus besucht worden war. Nebenstationen auf deutschem Gebiet sind Gridji und Porto Seguro. Die Zahl der hier gewonnenen Christen ist noch klein. Es sind etwa 269 Gemeindeglieder und ebenso viele Schüler, unter denen sich auch 28 Mädchen befinden, vorhanden; dem einzigen europäischen Missionar stehen zwei eingeborne Prediger, drei Evangelisten und acht Lehrer zur Seite. Viel ausgedehnter und erfolgreicher ist die Arbeit der Norddeutschen Missionsgesellschaft, die ihre Hauptkraft im Hinterlande entfaltet. Seit 1847 sind von Bremen aus zahlreiche Missionare zu den hier wohnenden Evhenegern gezogen. Ihr Stützpunkt an der Küste wurde das auf englischem Gebiet dicht neben der jetzigen deutschen Grenze liegende Keta. Sie haben während des vergangenen halben Jahrhunderts mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt; besonders machte ihnen das mörderische Klima viel zu schaffen und legte ihnen verschiedene Male das Weggehen von diesem Arbeitsfelde nahe. Trotz ungeheurer Verluste hat die Gesellschaft unter viel Gebet und Tränen weiter missioniert. Sie kann jetzt endlich mit Freuden ernten. Seit 1896 ist die Küstenstadt Lome, wo sich jetzt der Sitz der deutschen Regierung befindet, zur Hauptstation erhoben. Aber in viel schönerer Entwickelung sind die älteren, mehrere Tagereisen landeinwärts gelegenen Stationen begriffen. Zwei von ihnen, Ho und Amedschovhe kamen erst bei der Grenzregulierung im Jahre 1890 ins deutsche Gebiet zu liegen. Ho ist mit seinen zahlreichen Christen, den eingebornen Predigtgehilfen und Lehrern und mit seinem unverkennbaren Einfluss auf die ganze Umgegend geradezu eine evangelische Musterstation zu nennen. Das noch weiter landeinwärts liegende Amedschovhe dagegen, das eine besonders günstige Lage auf bewaldeter Höhe hat, genießt bei Missionaren und Kolonisten den guten Ruf, den an der Küste krank oder schlaff gewordenen Europäern ein christliches, deutsches Heim mit frischer und gesunder Luft zu bieten. Auch um diese noch verhältnismäßig junge Station gruppiert sich schon ein kleiner Kreis von Schul- und Predigtplätzen. Hier steht die wichtigste Lehranstalt der Mission, das zur Heranbildung eines eingebornen Lehrstandes dienende Seminar und die auf dasselbe vorbereitende Mittelschule. Neben den drei Hauptstationen (Lome, Ho und Amedschovhe) hat die Bremer Mission zurzeit 12 Außenstationen im deutschen Gebiete.1)

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Überblick über Kamerun

Kamerun hat, entsprechend seiner Bedeutung in politischer und merkantiler Hinsicht, ein reichlicheres Maß von Missionstätigkeit aufzuweisen. Da sind in erster Linie die Niederlassungen der Baseler Mission zu nennen. Es war von ihr kein ganz neues Feld zu bestellen, als sie, von berufener Seite veranlasst, im Jahre 1887 dieses Gebiet besetzte. Seit 1845 hatten die englischen Baptisten hier die Pionierarbeit getan; unter ihnen ist vor allen A. Saker hervorzuheben, den Dr. Livingstone seiner Zeit den bedeutendsten unter den westafrikanischen Missionaren genannt hat. Er stand mit seiner Frau einige Jahrzehnte lang am Kamerunfluss auf einem in mehrfacher Hinsicht gefahrvollen Posten und trug nicht bloß christliche Gedanken, sondern auch mannigfache Kulturelemente in das Duallavolk. Seine verdienstvolle Arbeit schloss er mit der 1872 vollendeten Übersetzung der Duallabibel, Als er altersschwach in die englische Heimat zurückkehrte, übernahmen die beiden tüchtigen Baptistenmissionare G. Grenfell und T. J. Comber sein Erbe. Bald aber wurden sie nach dem neuentstandenen Kongostaat abgerufen und da unmittelbar darauf die politischen Wirren einen unerträglichen Zustand für die englische Mission schufen, trat die Baseler Missionsgesellschaft ein. Ihre Sendboten brachten von der Goldküste wertvolle afrikanische Erfahrungen mit und haben eine über Erwarten erfolgreiche Tätigkeit in Kamerun entfaltet. Wenn auch das Klima sich als geradezu mörderisch gezeigt hat (es starben im ersten Jahrzehnt mehr als ein Drittel der ausgesandten Brüder), ist das Werk doch immer fortgeschritten. Das Missionsfeld muss als eines der fruchtbarsten in der ganzen Afrikanischen Mission bezeichnet werden. Basel hat zurzeit neun Hauptstationen im Kamerungebiet: Bethel am linken Wuriufer, nicht weit vom deutschen Gouvernement gelegen, Bonaberi schräg gegenüber auf der andern Seite der breiten Flussmündung, beide im Gebiet der Dualla. Weiter landeinwärts Mangamba im Abolande und Bombe am Oberlauf des Mongo. Tief im Innern Nyasoso in der bergigen Landschaft Nkosi. Zwei weitere Stationen liegen im Küstengebiet nördlich von der Mündung des Kamerunflusses, es ist das bekannte Viktoria (Limbe) an der schönen Ambasbucht zu Füßen des kleinen Kamerunberges und die Bergstation Buea unter den Bakwiri, zugleich Gesundheitsstation für die Europäer. Im Süden Lobethal im Mündungsgebiet des Sanaga und an demselben Fluss stromaufwärts Edie. Außer diesen Hauptstationen versorgen die Missionare 91 Neben- und Außenplätze. Auf ihnen wirken zurzeit 18 Europäer und etwa 100 eingeborne Gehilfen letztere sind fast alle aus den Kostschulen von Bethel und Bonaberi hervorgegangen. Die Zahl der Christen wuchs in der letzten Zeit jährlich um mehrere hundert und beträgt jetzt 1473; die Missionsschulen werden von 2.100 Schülern besucht. Ein ganz außerordentlicher Erfolg im ersten Jahrzehnt.

Die Baptisten sind, nachdem sie bei der deutschen Besitzergreifung das Schutzgebiet für einige Zeit verlassen hatten, später zurückgekehrt, woraus den Baseler Missionaren mancherlei Schwierigkeiten erwuchsen. Ihre Hauptplätze liegen noch immer im Mündungsgebiet des Kamerunflusses, es sind Bonaku und Viktoria, zu denen 31 Außenstationen gehören. Sie verwenden meist eingeborne Kräfte, die ihnen noch von früher her zu Gebote stehen. Nach der letzten uns zugänglichen Statistik hatten sie 35 eingeborne Lehrer und Prediger, 33 Schulen, 512 Christen und 1.100 Schüler. Die Zahl der regelmäßigen Kirchgänger beträgt dagegen über 2.000, auch stehen gegen 200 Heiden im Taufunterricht.

An dritter Stelle nehmen noch die amerikanischen Presbyterianer an der Missionierung von Kamerun teil. Ihr Arbeitsfeld lag früher weiter südlich im französischen Kongogebiet. Als ihnen aber der französische Boden zu heiß geworden war - die Franzosen verdrängen prinzipiell alle Missionare fremder Nationalität aus ihren Kolonien - zogen sie sich in den südlichsten Teil des deutschen Gebietes herüber, wo es vor ihnen noch gar keine christlichen Niederlassungen gab. Schon 1871 hatten sie einen eingebornen Evangelisten nach Batanga geschickt, 1889 folgte ihm der erste weiße Missionar und erhob Groß-Batanga zur Hauptstation. Kribi wird als Nebenplatz von hier aus versorgt. Beide zusammen zählen 535 Gemeindeglieder. Neben diesen Küstenstationen fanden sie ein zweites Arbeitsfeld weiter im Innern jenseits des Urwaldstreifens, der sich parallel der Küste von Süden nach Norden zieht. Dort sind unter den wilden Fanstämmen zwei Stationen (Efuloe und Ebolowoe) gegründet, befinden sich aber auch im Anfangsstadium.2)

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Überblick über Südwestafrika

Im südwestafrikanischen Schutzgebiet hat sich die Mission am stetigsten entwickelt. Hier treibt die Rheinische Missionsgesellschaft ihr sichtlich gesegnetes Werk. Ihre Sendboten kamen im Jahre 1842 von Süden her über den Orangefluss zunächst nach Groß-Namaland. Es kostete ihnen Jahrzehnte lang viel Mühe, die unstet umherschweifenden Bewohner unter den Einfluss der christlichen Predigt zu bringen. Einige Zeit später drangen sie mit Erlaubnis des mächtigen Häuptlings Jonker Afrikaner auch in das nördlich gelegene Damaraland vor. Leider wurde das ganze Gebiet von der Zeit an durch jahrelange Kriege beunruhigt, unter denen die Mission schwer zu leiden hatte. Nach zehnjähriger Wirksamkeit schien ihre ganze Arbeit wieder vernichtet. Bis zum Jahre 1870 wollte sie noch nicht recht gedeihen. Erst als in dieser Zeit die Missionare den streitenden Parteien als Friedensvermittler gedient hatten, kam frischeres Leben in ihr Werk. Die 1884 vollzogene deutsche Besitzergreifung wurde von den Missionaren mit heller Freude begrüßt, durften sie sich doch davon endlich ein festes Regiment und gute Ordnung im Lande versprechen. Ihre Hoffnung ist infolge der Kämpfe mit Witbooii erst in der jüngsten Zeit in Erfüllung gegangen, an schönen Erfolgen aber hat es den unverdrossenen Männern gleichwohl nicht gefehlt. Es sind jetzt schon eine große Anzahl wohlgeordneter christlicher Gemeinwesen im Lande vorhanden, in denen die Wirkung des göttlichen Wortes deutlich zu spüren ist. Von hervorragender Bedeutung sind auch die sprachlichen und kulturellen Arbeiten, die die Rheinische Missionsgesellschaft im Laufe der Jahrzehnte geleistet hat. Die Bemeisterung der Namasprache, die in der Namabibel ihren schönsten Ausdruck gefunden hat, ist das Werk ihres Missionar Krönlein, während sich ihre beiden Sendboten Dr. Hahn und Dr. Büttner besondere Verdienste um die schriftliche Fixierung der Hererosprache (Damaraland) erworben haben. Die Missionare sind hierzulande fast überall auch die Wegbahner für die europäische Einwanderung gewesen, die glücklicherweise erst erfolgte, als das Christentum schon einen gewissen Einfluss gewonnen hatte. Die verhältnismäßig hohe Kultur, die das Gebiet bei der deutschen Besitzergreifung besaß, hat man der Mission zu verdanken, wie das auch von sachkundiger Seite wiederholt anerkannt wurde. Das ganze Land ist jetzt mit einem Netz evangelischer Missionsstationen überzogen, deren Einfluss schon viel weiter reicht, als sich durch Namen und Zahlen belegen lässt. Die Rheinische Mission hat im ganzen Nama- und Hererolande 21 Hauptstationen, unter denen Bethanien, Bersaba, Keetmannshoop, Warmbad, Rehoboth und Okahandja die wichtigsten sind Einige von ihnen zahlen bereits über 1.000 Seelen. Das in den politischen Nachrichten so viel erwähnte Windhoek dagegen ist als Missionsstation ganz unbedeutend. Den 25 ordinierten europäischen Missionaren stehen 6 eingeborne Evangelisten und 24 Lehrer zur Seite. Die Zahl der Getauften beläuft sich auf 9.300, die der Schüler auf 1.489. Das "Augusteum" von Okahandja, ein Seminar zur Ausbildung eingeborner Gehilfen, hat der Mission schon eine stattliche Anzahl trefflich ausgebildeter Lehrer gegeben.

Einen neuen Absenker hat diese Mission 1891 ins schöne, aber ungesunde Ovamboland an der nördlichen Grenze des deutschen Gebiets getrieben. Die beiden dort gegründeten Stationen Ondjiva und Omupanda sind mit drei Missionaren besetzt, die vor einigen Jahren ihre Erstlinge taufen konnten. Beide Gemeinden zusammen zählen 72 Seelen, Sie sind in einem lebhaften Aufschwung begriffen. Die Missionare genießen das Vertrauen der Häuptlinge und sind beim ganzen Volke gern gesehen. Neben ihnen wirken die Sendboten der Finnischen Missionsgesellschaft in größerer Zahl. Sie sind seit 1870 im Ovambolande und haben die Anfangsschwierigkeiten glücklich überwunden. Ihre vier Stationen Olukonda, Onipa, Ondangua und Elim sind als Lichtpunkte in dem fieberreichen Lande zu bezeichnen. Die Zahl ihrer Getauften beträgt über 600; ungefähr ebenso viele Schüler besuchen ihren Unterricht.3)

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Überblick über Ostafrika

Die Missionstätigkeit in unserm ostafrikanischen Schutzgebiet ist eine außerordentlich vielgestaltige. Nicht nur seine Größe, sondern auch der Umstand, dass die hier wohnenden Völker durch weite, unbewohnte Steppengebiete von einander getrennt sind, erschwert die Missionsaufgabe. Andrerseits haben die politischen Ereignisse die Blicke der Missionskreise ganz besonders auf Ostafrika gelenkt. Es ist jetzt eine ganze Reihe von Missionsgesellschaften dort tätig, die aber alle an verschiedenen Punkten eingesetzt haben. Zwei von ihnen waren schon vor der deutschen Besitzergreifung da. Ihr Eintritt in dieses Missionsgebiet geht auf jene Zeit zurück, als Livingstone gleichzeitig mit andern Forschungsreisenden die ersten Nachrichten über das Innere des heutigen Deutsch-Ostafrika nach Europa gelangen ließ. Sein begeisterndes Drängen rief die englische Universitäten-Mission ins Leben, die die Insel Sansibar zu ihrem Hauptquartier machte und auf dem ehemaligen Sklavenmarkte eine für afrikanische Verhältnisse geradezu prachtvolle Kirche baute, die gegenwärtig von einer Reihe christlicher Anstalten umgeben ist. Hier ist der Sitz des Missionsbischofs letzt Dr. Hines. Vor der Stadt befindet sich die Kiunganischule zur Ausbildung von eingebornen Missionaren oder "Missionspriestern", wie man in der hochkirchlich gerichteten Gesellschaft lieber sagt. Von diesem Mittelpunkt aus gehen die Fäden nach den verschieden Missionsfeldern auf dem Festlande, von denen zwei im deutschen Gebiet liegen, während das dritte und am besten angebaute sich im englischen Nyassalande befindet. Das nächste ist das im schönen Usambara, und zwar in dem Teile der Landschaft, welcher von der bis jetzt nur halbfertig gewordenen Eisenbahn Tanga-Korogwe erschlossen werden soll. Die älteste Hauptstation ist hier Magila mit einem Hospital neben dem Missionshaus, in dem zeitweilig einige Diakonissen tätig waren, verschiedene Schulen und etwa 300 Christen. Als Nebenstationen sind Mkusi. Umba und Misozwe zu nennen. Eine zweite Hauptstation befindet sich bei Korogwe in volkreicher Umgebung; zu ihr gehört die Zweigstation Massigi am Pangani. Das andere Arbeitsfeld liegt im äußersten Süden unsers Schutzgebiets am linken Ufer des Rovumaflusses. Dort wurden schon 1876 die beiden Stationen Masasi und Newala angelegt, später kam noch eine dritte Niederlassung dazu; die vielen Beunruhigungen durch die räuberischen Magwangwara ließen aber diesen Zweig der Mission nicht recht gedeihen. Das wird hoffentlich besser, wenn erst die deutsche Macht hier im fernen Süden erstarkt und mehr auf Ordnung hält. Die Universitäten-Mission hat immer im besten Einvernehmen mit den deutschen Regierungsorganen gestanden, selbst in der Zeit, als in unsern Kolonialkreisen jene gereizte Stimmung gegen die englischen Missionare herrschte.

Die Kirchliche Missionsgesellschaft in London hat das zweite englische Missionsunternehmen in unserm Gebiet ins Leben gerufen. Dasselbe stand früher in einem gewissen Zusammenhang mit der Mission in Uganda, zu der Stanley bei seiner ersten Durchquerung Afrikas den Anstoß gab. Um den weit vorgeschobenen Posten und die Reisen dorthin zu sichern, legte man von Sansibar aus durch das damals noch herrenlose Gebiet eine Etappenstraße. So entstanden die heute noch vorhandenen Missionsplätze Mamboia im Norden von Usagara, Mpwapwa an der Grenze von Ugogoo mit der Nebenstation Kisokwe und Nassa am Südufer des Viktoria Nyanza, während einige andere Glieder in der Kette mit der Zeit wieder weggefallen sind. Auf diesen Stationen wird besonders im Schulwesen tüchtig gearbeitet, die Missionare aber klagen über die Unempfänglichkeit der Leute. Jedenfalls sind auch nicht entfernt solche schöne Erfolge, wie in Uganda zu verzeichnen. Seitdem die Missionsgesellschaft ihre Uganda-Karawanen durch das englische Gebiet direkt nach dem Viktoria-Nyanza führt, scheinen auch die genannten drei Stationen das frische Leben der ersten Zeit verloren zu haben. Es soll aber der Kirchlichen Missionsgesellschaft unvergessen sein, dass sie in diesem Teile von Deutsch-Ostafrika bahnbrechend gewirkt hat. Spätere Missionsleute wandern hier in den Fußtapfen des trefflichen Mackay und anderer selbstverleugnender frommer Männer. Welchen Einfluss diese englischen Missionspioniere in ihrem Wirkungskreise geübt, und in welchem Maße sie das Vertrauen der Eingebornen gewonnen haben, geht unter anderem aus der Tatsache hervor, dass sie während des Buschiriaufstands unbedenklich auf ihren Stationen bleiben konnten, in der Erwartung, dass die eingeborne Bevölkerung ihnen Hilfe bringen würde, wenn die Araber sie angreifen sollten.

So wertvoll diese ersten Missionsunternehmungen auch waren, sie konnten für das große deutsche Gebiet doch bei weitem nicht als ausreichend betrachtet werden, nachdem dieses in seinen Grenzen Ende der achtziger Jahre einmal festgelegt war. Daher regte sich beim Beginn unsrer Kolonialära im Schoße vieler deutscher Missionsgesellschaften das Bestreben, in das große Arbeitsfeld einzutreten. An erster Stelle kam die ausdrücklich für Deutsch-Ostafrika gegründete Berliner Ostafrikanische Missionsgesellschaft (gewöhnlich Berlin III genannt). Ihre Hauptniederlassung lag zuerst in Sansibar, wurde aber nach Überwindung des Buschiriaufstands auf das Festland und zwar nach Dar-es-Salaam verlegt. Hier nahmen ihre Missionare eine Zeit lang neben der eigentlichen Missionstätigkeit die Krankenpflege und die kirchliche Versorgung der zahlreichen Deutschen in die Hand. Erstere ist inzwischen schon in andere Hände übergegangen und auch die europäische Diasporagemeinde soll demnächst selbständig versorgt werden. Dann wird wohl auch die Heidenmission, die bisher etwas in den Hintergrund trat, in der Hauptstadt des deutschen Gebietes mehr zu ihrem Rechte kommen. Der erfahrene Greiner, der als "Vater" dieser Mission gelten kann, gründete von Dar-es-Salaam aus die Inlandstation Kisserawe in Usaramo, die eine Zeit lang vorzugsweise als Sklavenfreistätte diente, jetzt aber ein aufblühender Missionsplatz geworden ist. Unter den von hier aus versorgten Predigtplätzen ist Maneromango vor einigen Jahren zu einer selbständigen Station geworden. So wächst ein Zweig aus dem andern hervor. Als zweiten Stützpunkt an der Küste wählte die Gesellschaft Tanga, die nördlichste Hafenstadt unsers Gebietes. Hier hat der kürzlich verstorbene, sprachkundige Krämer, dessen Kisuahelilieder jetzt an der Küste viel gesungen werden, eine Reihe von Jahren segensreich gewirkt. Da man sich aber von vornherein weiter im Innern mehr Erfolg von der Missionstätigkeit versprach, als unter der fluktuierenden Küstenbevölkerung, ward schon im nächsten Jahre Hohenfriedeberg mitten in den Bergen von Usambara gegründet, dem sich in den letzten Jahren noch zwei weitere Stationen in der Nachbarschaft, Bethel und Wuga angeschlossen haben. Fast auf allen diesen Niederlassungen sind schon einige Getaufte vorhanden, am besten gedeihen Hohenfriedeberg und Kisserawe.

Etwas jüngeren Datums sind die deutschen Missionsanfänge tief im Innern am Nordende des Nyassa-Sees. Dort, unter dem friedlichen Volke der Konde, traten zu gleicher Zeit zwei verschiedene Gesellschaften ein, Berlin I und die Brüdergemeine. In brüderlicher Eintracht bauten ihre Sendboten die ersten Niederlassungen nicht weit von einander, nachdem sie sich freundschaftlich über die künftigen Richtlinien ihres Vorgehens vereinbart hatten; die erste Berliner Station, die der erfahrene Superintendent Merensky anlegte, erhielt den Namen Wangemannshöh, die der Brüdergemeine Rungue. Zu diesen ersten Niederlassungen, die 1891 ins Leben traten, sind inzwischen eine ganze Reihe weiterer Stationen gekommen, bei der Berliner Mission noch vier, bei den Herrnhutern drei. Die erstere hat eine solche dicht am Seeufer, namens Jkombe, wo das der Gesellschaft gehörige Missionsschiff "Paulus" im Hafen liegt. Da in diesem bisher wenig erforschten Gebiet anfangs viel äußerliche Arbeit zu tun war mit Entdeckungsfahrten. Bauten, Feld- und Gartenanlagen, hat die eigentliche Missionstätigkeit erst in der neuesten Zeit begonnen. Die Arbeit verspricht guten Erfolg. Sowohl die Berliner Missionare, wie die der Brüdergemeine haben vor kurzem ihre Erstlinge getauft; mehr als einmal konnten sie auch schon als Friedensvermittler zwischen den Regierungsbeamten und den Eingebornen tätig sein.

Hier sei auch einer vereinzelten evangelischen Missionsstation, die tief im Innern von Deutsch-Ostafrika liegt, Urambo in Uniamwesi, Erwähnung getan. Die Londoner Mission hat sie vor Jahren angelegt, aber vor kurzem an die Brüdergemeine abgetreten. Es scheint ein harter Boden zu sein, den die eben ausgesandten Missionare dort zu bearbeiten haben.

Auch im Norden des Schutzgebiets ist eine Missionsgesellschaft eingetreten: die Leipziger am Kilimandscharo. Ihre erste Karawane kam 1893 am Berge an und ließ sich, da das zuerst in Aussicht genommene Moschi aus politischen Gründen gerade nicht zugänglich war, in Madschame, der westlichsten Landschaft des Dschaggalandes, nieder. Später sind noch zwei weitere Stationen, Mamba und Moschi, dazu gekommen. Die Missionare wurden bisher fast ganz durch äußerliche Arbeiten, wie Häuserbau, Urbarmachung des Landes, Erlernung und schriftliche Fixierung des Kidschagga in Anspruch genommen, doch wird auf allen drei Stationen schon längere Zeit regelmäßig gepredigt, auch ist mit der Schultätigkeit ein guter Anfang gemacht. Die geplante Erweiterung der Mission nach dem in der Steppe westlich vom Kilimandscharo gelegenen Meruländchen wurde durch die Ermordung zweier junger Missionare, Segebrock und Ovir, vonseiten der Aruscha- und Meruleute vorläufig verhindert.4)

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Überblick über die Südsee

Unsre Besitzungen in der Südsee haben ebenfalls eine große Mannigfaltigkeit in der Besetzung und Entwickelung der verschiedenen Missionsfelder aufzuweisen. Der deutsche Teil von Neu-Guinea, Kaiser Wilhelmsland, war bis zu seiner Besitzergreifung ohne jede Missionstätigkeit. Es haben sich dann recht bald zwei deutsche Gesellschaften gefunden, die das Evangelium zu den verrufenen Papua brachten. Zuerst (1886) kamen Missionare von Neuendettelsau, die am Huon-Golf im Südosten die drei Stationen Simbang, Tami-Inseln und Sattelberg anlegten. Die zuletzt genannte gründeten sie als Gesundheitsstation, denn die Küste von Neu-Guinea hat ein sehr gefährliches Klima. Bald darauf (1887) folgten die Sendboten der Rheinischen Mission, die sich weiter nordwestlich in Bogadjim, Siar und Kulolbob auf der Dampier-Insel niederließen. Die Dampier-Insel hat neuerdings wieder verlassen werden müssen, weil der Ausbruch eines Vulkans die Station schwer bedrohte. Dafür ist Bongu in der Nähe von Bogadjim jetzt ein Missionsplatz geworden. Die Missionare beiden Gesellschaften haben ihre Pionierarbeit unter außergewöhnlichen Schwierigkeiten getan. Zu den schweren Gefahren für Leib und Leben (von den 16 Missionaren und sieben Missionarsfrauen der Rheinischen Mission starben nach kurzer Zeit zehn Personen, zwei davon durch Mörderhand, und auch die Neuendettelsauer Mission hat dem Klima Opfer bringen müssen) kommt eine beispielslose Mannigfaltigkeit der Sprachen. So gehörten z. B, die drei zuerst genannten Rheinischen Stationen, obwohl nahe bei einander liegend, drei völlig verschiedenen Sprachgebieten an. Welche enormen Anfangsschwierigkeiten gab es da! Sie sind jetzt so ziemlich überwunden. Die Eingebornen haben Vertrauen zu den Missionaren, die sie als Männer des Friedens erkannt haben und von denen sie sich bei ihren Kämpfen untereinander gern Samariterdienste erweisen lassen. Auf all den genannten Stationen ist die Schultätigkeit bereits im Gange, Taufen sind aber bisher noch nicht zu verzeichnen. Die östlich von Neu-Guinea liegenden Inselgruppen des Bismarck-Archipel. der Salomon- und Marschall-Inseln haben ein reicheres Maß von Missionstätigkeit und auch schon größere Erfolge aufzuweisen. Je weiter man nach Osten kommt, umso besser steht es um die Christianisierung dieser Inseln, die bis vor einem Menschenalter von lauter Kannibalen bewohnt waren. Man trifft hier und noch mehr auf den jenseits der deutschen Interessensphäre liegenden Neuhebriden auf die Segensspuren des edlen Missionsbischofs Patteson und seines Nachfolgers Selwyn, die von ihrem Zentralsitz auf der Norfolkinsel aus seit dem Jahre 1867 auch die jetzt deutsche Inselwelt vielfach besuchten, junge Insulaner mit sich nahmen und sie nach ihrer Bekehrung und Unterweisung in der Fremde wieder heimbrachten, um als Evangelisten unter ihren Landsleuten zu dienen. Das war die erste Berührung der Inseln in der deutschen Südsee mit dem Christentum.

Im Bismarck-Archipel finden wir jetzt die im Aufblühen begriffene Mission der australischen Wesleyaner, die 1875 auf dem zwischen Neu-Pommern und Neu-Mecklenburg gelegenen Inselchen Neu-Lauenburg (früher Duke of York genannt) begonnen wurde, 1878 die ersten Taufen sah und seitdem so rasche Fortschritte macht, dass nach zehnjährigem Bestehen im Jahre 1884 bereits 1.277 Christen in 26 Gemeinden gesammelt waren und nach weiteren 10 Jahren sich die Seelenzahl der 51 Stationen auf 2.391 belief. Den drei weißen Missionaren stehen in 20 Witi-, sieben Samoa- und 22 Bismarckinsel-Lehrern tüchtige Hilfskräfte zur Seite. In 49 Volksschulen lernen 1.417 Schüler; sie können schon einen großen Teil der Bibel in ihrer Muttersprache lesen.

Die Salomon-Inseln haben wegen der Wildheit ihrer Bewohner lange für unzugänglich gegolten, doch ist es der Mission auch hier seit 1874 gelungen, festen Fuß zu fassen. Das Verdienst, dies durchgesetzt zu haben, gebührt der melanesischen Missionsgesellschaft der australischen Presbyterianer. Zwei Gehilfen des Bischofs Patteson. unter ihnen der spätere Bischof Selwyn, ließen sich auf der südlichsten der Salomoninseln, Isabel, nieder. In den ersten zehn Jahren war der Erfolg unter der wilden Bevölkerung nur gering: 60 Christen, unter ihnen aber ein Häuptling. Im zweiten Jahrzehnt folgte ein überraschend schnelles Wachstum, man zählt jetzt 10 Hauptstationen mit 1.200 Christen. Die im Süden von Isabel gelegene Landschaft Bugotu kann fast als christianisiert gelten, nur haben ihre friedlich gewordenen Bewohner noch viel unter den Einfällen heidnischer Kopfjäger zu leiden. Auch diese Salomon-Insulaner können schon das Johannis-Evangelium in ihrer Sprache lesen. Sie gaben vor einigen Jahren einen Berichterstatter in der Kolonialzeitung Veranlassung, die wunderbare Verwandlung von heidnischer Rohheit zu christlicher Sittsamkeit zu rühmen, die in zwei Jahrzehnten mit ihnen vorgegangen ist.

Die in unserm Südseegebiet am entferntesten gelegene Gruppe der Marschall-Inseln ist in der Christianisierung am weitesten fortgeschritten. Die beiden parallel laufenden Inselketten Ralik und Radak unterhalten eine ständige Verbindung mit Kusaie (Karolinen), wo sich unter andern christlichen Anstalten auch ein Seminar zur Ausbildung christlicher Eingeborner von den Marschall-Inseln befindet. Dasselbe liegt, wie die ganze Mission, in den Händen einer amerikanischen Gesellschaft, des American Board. Zuerst wurde Ebon, die südlichste der Ralikinseln besetzt, und bald ging der christliche Einfluss wie ein Lauffeuer durch alle die kleinen, benachbarten Koralleninseln. Das Christentum wurde fast nur durch die Eingebornen dieser Eilande oder andere Polynesier weiter getragen. Die größte Christengemeinde auf den Ralikinseln befindet sich jetzt in Jaluit, das als Sitz der deutschen Regierung und einer großen Handelsgesellschaft in unsern Kolonialkreisen viel genannt wird; sie zählt nicht weniger als 758 Seelen bei einer Gesamtbevölkerung von 1.200 Eingebornen. Auch die meisten der Radakinseln stehen seit einiger Zeit in Verbindung mit der Mission. Hier ist die südlichste, Mille, als das fruchtbarste Missionsfeld zu bezeichnen. Nur wenige von den Marschallinseln im Norden und das im Südwesten ganz isoliert gelegene Nauru haben noch keine Missionare. Das Christentum der Eingebornen - es mögen etwa 6.000 Evangelische im Archipel vorhanden sein, das ist annähernd die Hälfte der ganzen Bewohnerschaft - zeichnet sich durch Entschiedenheit und Selbständigkeit aus, auch sind die Opfer, die sie für ihre Kirchen und Schulen bringen, aller Anerkennung wert. Zu bedauern ist aber, dass der American Board die Arbeit ganz den 22 eingebornen Geistlichen und Lehrern überlässt. Nur einmal im Jahre erscheint ein amerikanischer Missionar auf dem Missionsdampfer "Morgenstern" zur Visitation. Es wäre besser, wenn die Missionsgesellschaft einige weiße Missionare an Ort und Stelle stationierte, zumal da durch die neueren kolonialen Ereignisse hier und da Schwierigkeiten geschaffen wurden, denen die braunen Missionare nicht immer gewachsen sind.5)

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Missionskräfte in Bewegung setzen

Wie dieser flüchtige Überblick über die Missionsbestrebungen in unsern Schutzgebieten zeigt, sind die evangelischen Missionsgesellschaften, zumal diejenigen deutscher Zunge, nicht an den offenen Türen vorübergegangen, die ihnen der Herr seit dem Beginn unsrer Kolonialzeit aufgetan hat. Es gibt kein zugängliches Gebiet in unsern Kolonien mehr, wo nicht auch die Mission eingesetzt hätte. Freilich trägt das, was bisher getan ist, überall den Charakter von Erstlingsarbeiten, wenn wir von der Barmer Mission in Deutsch-Südwestafrika und von der der Australier und Nordamerikaner auf den Inselgruppen der Südsee absehen. Auf den übrigen Missionsfeldern unsrer Kolonien war die Zeit zu kurz, als dass das Christentum von den eingebornen Völkern schon in seiner vollen Tiefe erfasst werden konnte, geschweige denn, dass man bei der Masse der Bevölkerung im Leben und Wandel schon den veredelnden und sittigenden Einfluss des neuen Glaubens nachweisen könnte, wie das in den Ländern der Fall ist, wo wenigstens die Mehrzahl der Bewohner das Christentum angenommen hat. Die bisher gegründeten Gemeinden gleichen doch nur einzelnen Lichtern, die sich in ihrer dunkeln Umgebung zwar kräftig abheben, aber doch noch lange nicht ausreichen, um die Nacht zum Tage zu machen. Die Lichtwirkung ist auch in der Nähe der oben aufgezählten Missionsstationen noch eine verhältnismäßig geringe. Man kann sie etwa mit der Leuchtkraft der schmalen Mondsichel vergleichen, die einen oder zwei Tage nach dem Neumond am Abendhimmel erscheint, aber wegen ihres geringen Glanzes erst gesucht werden muss.

Indes auch die Völker in unsern Kolonien sollen noch einmal im vollen Lichte wandeln. Ehe es dahin kommt, müssen freilich noch ganz andere Missionskräfte in Bewegung gesetzt werden, als bisher. Und die deutschen evangelischen Christen sind imstande, das zu tun, wenn ihnen nur erst das Gewissen dafür geschärft und das Verständnis für ihre Missionsaufgaben aufgegangen sein wird. Wenn man einmal die englischen und die deutschen Missionsleistungen vergleicht, wird es ohne weiteres klar, dass unsre deutsche evangelische Kirche noch lange nicht am Ende ihrer Verpflichtungen und ihrer Leistungsfähigkeit angekommen ist. Es gilt, viel größere Opfer zu bringen, als bisher, Opfer an Missionsgaben und Gebeten, aber auch mehr Opfer an Menschenkräften. Wie unzählig viele Männer und Frauen stellen sich jährlich in den Dienst des Reiches Gottes hier in der Heimat, im christianisierten Deutschland! Im Vergleich dazu ist die Zahl derer, die in den deutschen Gebieten Afrikas und der Südsee das Evangelium unter den Heiden auszubreiten entschlossen sind, verschwindend klein. Darum mache dich auf, du evangelisches deutsches Volk, trage Licht und Leben hinaus auf das Missionsfeld, wo die armen Heiden in Finsternis und Schatten des Todes schmachten. Das Evangelium, dessen wir uns schon so lange freuen dürfen, ist auch für sie bestimmt. Es wird auch dort seine Sauerteigskraft bewähren. Was wir jetzt davon sehen, ist nur ein kleines Angeld künftiger, schönerer Zeiten. "Siehe, ich habe vor dir gegeben eine offene Tür!" spricht der Herr. Das ist Einladung und Vollmacht zugleich. Wir grüßen und segnen die christlichen Männer und Frauen, die, dem Wink des Herrn gehorsam, in diese offene Tür eintreten.

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Das Togogebiet

1. Bei den Evhenegern an der Sklavenküste

Er wird herrschen von einem Meer bis ans andere. Ps. 72, 8.

Es war das letzte Mal, dass unser Woermanndampfer, bevor er an die deutsche Togoküste kam, anhielt. Der Ort, vor dem wir lagen, war Keta an der Sklavenküste. Wir freuten uns, als der Anker in die Tiefe rasselte, denn wir waren vorläufig am Ziel unsrer Reise. Die vierwöchentliche Fahrt von der Elbmündung bis hierher war zuletzt doch etwas ermüdend geworden, obwohl wir seit Madeira viele afrikanische Küstenplätze berührt hatten. Der Strand des afrikanischen Kontinents, der fast immer in unserm Gesichtskreis blieb, war sehr einförmig, zumal während des letzten Teils der Fahrt. Man sieht wegen der flachen Küste vom Schiffe aus in der Regel nicht viel mehr, als eine gelbe Linie, auf der hin und wieder ein Palmenwäldchen erscheint; dasselbe zeigt fast immer eine menschliche Niederlassung an, von der wir aber die Einzelheiten erst erkennen konnten, wenn unser Dampfer sich dem Lande näherte. An den Orten, wo dies geschah, kehrte fast immer ein und dasselbe Bild wieder: dicht am Strande eine mehr oder weniger lange Reihe von weißgetünchten Häusern mit luftigen Veranden; es waren Missionsgebäude oder noch häufiger Handelsfaktoreien, die sich durch ihre aufgezogenen Flaggen als englische, deutsche oder französische Besitzungen kennzeichnen. Zur Seite oder dahinter die meist sehr zahlreichen, aber dürftigen, schmutziggrauen Schilfhütten der Eingebornen, eng aneinander gestellt. So sah auch Keta (in Afrika spricht man meist Quitta) aus.

Keta

Der Ort hat übrigens eine etwas bevorzugte Lage, weil das Meer hier eine leichte Einbuchtung macht: daher ist das Landen nicht ganz so gefährlich, wie an den freigelegenen Handelsplätzen der nahen deutschen Küste. Wir waren noch etwa ein bis zwei Kilometer vom Lande entfernt, als unser Schiff ein Signal mit der Dampfpfeife gab und der Kapitän einen Kanonenschuss lösen ließ, um uns in allen Häusern drüben anzumelden. Die Maschine stoppte, unser Dampfer stand still und nun folgte jenes lustige Spiel der Flaggen zwischen dem Schiff und den Gebäuden der Europäer am Lande, das dem Laien wie Spielerei erscheint, dem Kundigen aber, der seinen Flaggencodex zur Hand hat, allerlei wichtige Aufschlüsse über die ankommenden Passagiere und Frachtgüter gibt. Es dauerte nicht lange, so stießen einige Boote vom Lande, zuerst das Postschiff der englischen Regierung, das auf seiner Flagge eine Kokospalme und einen Elefanten im blauen Felde führt. Auch wir konnten uns nach einiger Zeit dem schwankenden Schifflein anvertrauen, das zu unsrer Abholung herüber kam.

Die Landung ist trotz des sandigen Ufers schwierig und gefahrvoll. Wer sie kennt, fürchtet sich weniger vor der Fahrt von Hamburg bis Westafrika, als vor der Ausschiffung, bei der schon unzählige Frachtgüter versunken und auch manche Europäer ertrunken sind. Die tiefgehenden Dampfer müssen wegen des seichten Wassers weit draußen auf der Rede Halt machen. Aber die Entfernung bis zum Ufer ist das wenigste; wenn nur die starke Brandung nicht wäre! Das Landungsboot muss durch zwei oder gar drei "Brecher" (Brandungswellen) hindurch. Wohl dem, der mit trockenen Kleidern ans Land kommt. Wir hatten gerade einen verhältnismäßig stillen Tag und darum nur eine aufregende, aber sonst ganz glückliche Landung.

Bild aus Wikimedia Commens
Dauermarkenserie der deutschen Kolonien
Ausgabepreis: 1 Mark, Erstausgabetag: November 1900

Am Strande war viel Leben. Der "Dampfertag" bringt jedes Mal die ganze Bevölkerung, Schwarze und Weiße, in Bewegung. Die Eingebornen eilten in Scharen herbei, um beim Ausschiffen behilflich zu sein. Die Kinder gaben ihr Spiel am Wasserrande auf und kümmerten sich wegen der Sehenswürdigkeiten, die Europa sandte, wenig um die großen Krabben, die sie sonst so gern fangen. Fast alle Europäer kamen heraus, um Gäste oder Waren in Empfang zu nehmen. Auch wir wurden von den deutschen Missionsleuten herzlich begrüßt, wegen der guten Reise beglückwünscht und unter Begleitung der schwarzen Jugend die Böschung hinaufgeführt, auf der Keta liegt. Man geleitete uns nach der Bremer Straße, so genannt nach der deutschen Firma Fr. M. Vietor Söhne, die seit Jahrzehnten hier ansässig ist und einen regen Handelsverkehr zwischen Bremen und verschiedenen Küstenplätzen Westafrikas unterhält. Wir würden als Europäer in jeder Faktorei gastfreundliche Aufnahme finden, gingen aber bei den Handelshäusern vorüber und kehrten erst am Ende der Straße im Awedomehaus der Norddeutschen Missionsgesellschaft ein. Dort wurden wir vom Vorsteher der Mission und seiner freundlichen Frau herzlich willkommen geheißen.

Wir hatten uns vorgenommen, sobald als möglich die im deutschen Gebiet liegenden Missionsstationen aufzusuchen, waren aber auf die uns entgegengebrachte Einladung gern bereit, einige Tage in Keta, dem Ausgangspunkte der Bremer Mission im Togolande, zu verweilen. Der Ort ist gerade recht geeignet, uns Neulingen die ersten Begriffe von dem eigentümlichen Leben und Treiben an der Westküste Afrikas beizubringen. Die Stadt kann als ein charakteristisches Beispiel für das wunderliche Gemisch von europäischem und afrikanischem Wesen angesehen werden, das sich an den älteren Handelsplätzen von Liberia bis Lagos schon seit einer Reihe von Jahrzehnten und neuerdings auch in den deutschen Gebieten von Togo und Kamerun ausgebildet hat.

Erst seit der Mitte unsres Jahrhunderts liegt etwas Licht auf der Geschichte von Keta, das gegenwärtig etwa 3.000 Einwohner zählen mag. Die ersten Bremer Missionare, die um jene Zeit kamen, sahen noch die Sklavenbaracken und die Ketten, die zur Bewahrung der armen Schwarzen dienen mussten, die zur Ausfuhr nach Amerika hier eingeschifft wurden. Es waren die letzten Überbleibsel von jener fluchwürdigen Kolonisationsperiode der Portugiesen, die bekanntlich den überseeischen Sklavenhandel auf dem Gewissen haben. Noch heute heißt davon der ganze Küstensaum, auf welchem Keta und der östlich davon sich anschließende Strand des deutschen Togogebiets liegt, die Sklavenküste. Als aber die Engländer vor mehreren Jahrzehnten ihre Hand auf diese Gegenden legten, verschwand, wenn auch nicht die Sklaverei, so doch die Sklavenausfuhr bald und Keta wurde nun ein Durchgangspunkt für den afrikanischen Export und Import. Deutsche Kaufleute waren es. die sich als die ersten Europäer hier niederließen und im Verein mit den schon erwähnten Missionaren aus Bremen das Land erschlossen. Jetzt besteht ein lebhafter Verkehr zwischen Europa und diesem Punkte der Westlüste, der noch immer unter englischer Herrschaft steht. In seiner unmittelbaren Nachbarschaft haben sich erst in unsern Tagen Lome und Kleinpopo als die wichtigsten Eingangstore des deutschen Togolandes und als Konkurrenten des englischen Handelsplatzes aufgetan.

Ein Gang durch die Straßen der Stadt bietet viel Interessantes, Überall mischt sich europäisches und afrikanisches Wesen. Neben den schwarzen und weißen Gesichtern findet man alle möglichen Abstufungen der Hautfarbe, die zwischen beiden liegen. Aber auch in der Vegetation des Landes ist eine Vermengung europäischer und afrikanischer Elemente unverkennbar. Es überwiegen allerdings die Kokospalmen, die den Seestrand so sehr lieben und die Dickichte von Kakteen, die man gern zur Einzäunung von Höfen und Gärten benutzt. Aber daneben überrascht uns doch auch mancher Bekannte aus der europäischen Flora, so die Akazien und Orangen. Besonders häufig haben die Europäer den Fieberheilbaum (Eukalyptus) angepflanzt, der mit seinem hellgrauen Stamm und den schwankenden Zweigen sich fast wie unsre heimische Birke ausnimmt. Kommt man vollends in den Missionsgarten, so findet man neben der afrikanischen Banane unsre deutschen Gemüse, soweit sie sich dem Klima anpassen konnten: Wirsingkohl, Rettig, Kohlrabi und rote Rüben. Recht charakteristisch für die Küstenstadt ist auch der Gegensatz zwischen den schöngebauten und bequem eingerichteten Steinhäusern der Europäer, zumal der Kaufleute und der Regierungsbeamten einerseits, und den dürftigen, schmutzigen Hütten der Eingebornen andrerseits. Der Unterschied ist unendlich viel größer, als man ihn je in einer deutschen Stadt zu sehen bekommt. Einige Neger, die es zu Besitz und Ansehen gebracht haben, suchen es freilich schon den Europäern gleichzutun. Sie bauen sich stattliche Häuser, hängen Bilder mit prächtigen Goldrahmen an die Wände und bewirten ihren weißen Gast, wenn sie ihm etwas Besonderes antun wollen, mit Sardinen in Öl und Champagner. Ein andrer Teil der Eingebornen, besonders die, welche in einem Sklavenverhältnis stehen, lebt umso armseliger. Es treten einem auf der Straße oft die seltsamsten Gegensätze entgegen. Da gibt es Neger, die im eleganten europäischen Anzug mit Spazierstöckchen und goldner Kette herumstolzieren, und dann wieder halbnackte Gestalten aus dem Busch, d. h. dem Inlande, die von jenen keines Blickes gewürdigt werden. Erstere lesen regelmäßig die in Lagos erscheinende englische Zeitung oder wohl gar die in London gedruckte "African Times", letztere begnügen sich mit den Neuigkeiten, die sie bei einem Besuch an der Küste zu sehen und zu hören bekommen. Dass die Missionare es lieber mit den ursprünglicheren und unverdorbenen Söhnen Afrikas, als mit den Nachahmern der Europäer zu tun haben, sei hier nur nebenbei erwähnt.

Höchst interessant ist ein Blick in die Faktoreien, deren Kaufläden mit allen denkbaren europäischen Artikeln ausgestattet sind, während auf den Höfen und den Stores (Schuppen) ganze Berge von Palmkernen und lange Reihen von Palmölfässern auf die Verschiffung nach Hamburg oder Liverpool warten. Wenn die Arbeitszeit in den Faktoreien beginnt oder endet, klingt es fast wie auf einem deutschen Rittergute. Jede Faktorei hat eine kleine Glocke, welche geläutet wird, um die Stunde anzuzeigen. Bei unserm Rundgang durch die Höfe mussten wir leider auch sehen, wie fest sich der Branntweinhandel hier eingenistet hat. Es sei schon hier erwähnt, dass dasselbe in gleicher Weise von den deutschen Küstenplätzen gilt. Zwei deutsche Firmen hatten eine unheimliche Menge von Rumfässern daliegen, die alle von ein und demselben Händler aus Hamburg kommen sollen. In den Faktoreien sind die Engroslager. Den Kleinverkauf bewirken die Schnapsschenken, deren es nicht weniger als 18 in Keta gibt. Da sitzt hinter einem Firmenschild, auf dem die Konzessionserteilung in englischer Sprache zu lesen ist, der stumpfsinnig dreinschauende schwarze Händler; vor sich hat er das mächtige, angezapfte Fass mit Trichter und Maßkännchen, zur Seite mehrere Kisten mit schön etikettierten Rumflaschen, auf einem Wandbrett noch größere Flaschen mit Korbgeflechtumhüllung, die den Transport des Feuerwassers nach dem Innern erleichtert. Ein Blick in die jährlich veröffentlichten Handelslisten zeigt uns, was für eine grauenhafte Menge des verderblichen Getränkes eingeführt wird. Wie wir zu unserm Leidwesen ersahen, kommt es zumeist aus unsrer deutschen Heimat. Das Gefühl der Beschämung, das wir darüber empfanden, wurde nur wenig durch die Mitteilung gemildert, dass unter den Händlern von Keta nicht eine deutsche, sondern eine französische Firma die größte Quantität einführt. Es hat Tage gegeben, wo dieses Handlungshaus allein über 100 Fässer gelandet hat. Ein furchtbares Danaergeschenk des christlichen Europa an das heidnische Westafrika! Der Branntwein ist - vom Heidentum abgesehen -nach dem Urteil aller Missionare das Hauptübel, unter dem diese Küstenländer jetzt seufzen. Er ist natürlich auch einer der größten Feinde der Mission. Die Männer, die in der Volksseele zu lesen verstehen, wissen manches betrübende Beispiel davon zu erzählen, wie demoralisierend er auf das Volk wirkt. Die Feste der Eingebornen sind unter seinem Einfluss noch viel roher und sittenloser geworden, als sie es vorher schon waren. Auch die Sterblichkeit unter den Negern soll eine größere geworden sein, seitdem sie sich an den europäischen Fusel gewöhnten. Nur ganz wenige Faktoreien verzichten aus christlicher Gewissenhaftigkeit auf den leichten Gewinn aus dem Branntweinhandel. Es sei dem Geschäft von Fr. M. Vietor Söhne zur Ehre nachgesagt, dass es von Anfang an grundsätzlich den Branntwein ausgeschlossen hat. Auch an der deutschen Küste, in Kleinpopo, gibt es ein Handelshaus, das nach demselben ehrenwerten Grundsatz verfährt. Leider sind nur diese "christlichen Faktoreien", wie sie auch der Negermund nennt, so überaus dünn gesät.

In die Zeit unsres Ketaer Aufenthalts fiel ein Sonntag. Man merkt den Unterschied des Tages im ganzen Orte, Nicht nur die zur Mission gehörige Gemeinde, auch die europäischen Handelshäuser und alle, die mit ihnen zusammenhängen, feiern den Tag. Wir besuchten den Gottesdienst im Betsaal der Mission. Es ist ein schlichter, aber geräumiger Saal, der etwa 250 Zuhörer fasst. An der einen schmalen Wand, deren zwei Fenster die Aussicht auf das Meer gestatten und den kühlenden Seewind einlassen, steht das Predigtpult, darüber ein Christusbild, auf der entgegengesetzten Seite ein Harmonium. Die Holzbänke, die den ganzen Raum füllen, waren im Vormittag-Gottesdienste vollbesetzt, ja es mussten sogar Kirchgänger in der Türe und draußen vor den Fenstern stehen. Nach dem zweiten Glockenläuten versammelte sich schnell die Gemeinde, in der nur wenige weiße Gesichter zu bemerken waren. Die Eingebornen kamen nur ganz vereinzelt in der Landestracht, zwei großen viereckigen Stücken Zeug, die sie malerisch umzunehmen verstehen. Die meisten hatten europäische Kleidung angelegt. Man gewöhnt sich bald an den anfangs etwas komischen Anblick, da man ihm in Keta auf Schritt und Tritt begegnet. So hatte z. B. der Gebrauch unsrer Kleidungsstücke bei den christlichen Lehrern der Gemeinde, die alle sieben dem Gottesdienste beiwohnten, gar nichts Anstößiges für uns, da ihre verständigen Gesichter ihnen sozusagen etwas Europäisches gaben. Unangenehmer fielen schon einige junge Burschen auf, die auf den vorderen Bänken saßen. Die engen Beinkleider und der bunte Stoff, aus dem sie gefertigt waren, ließen die Vermutung aufkommen, dass man es bei einigen derselben wohl mit schwarzen Stutzern zu tun habe. Leider fehlten auch wirkliche Karikaturen nicht. Ein Mann, seines Zeichens ein Schneider, kam erst nach Beginn des Gottesdienstes und erregte durch sein Äußeres allgemeines Aufsehen. Er hatte sich offenbar soeben einen neuen Anzug gefertigt. Die Schuhe, die er sich erst kürzlich in der Faktorei gekauft haben mochte, knarrten noch laut, als er durch den Saal schritt. In der linken Hand trug er ein kleines Ledertäschchen, in dem sich Gesangbuch und Bibel befanden, in der rechten einen eleganten Spazierstock. Ein buntes Sträußchen aus künstlichen Blumen im Knopfloch vervollständigte seinen Schmuck. Wir hatten Mühe, ein mitleidiges Lächeln über den schwarzen Gecken zu unterdrücken, und nicht nur wir. Auch mancher der ernsten Kirchenbesucher auf den Bänken der Eingebornen schüttelte den Kopf zu dieser Erscheinung, ein Zeichen, dass man das Törichte seines Auftretens wohl verstand.

Der Trieb, die Europäer nachzuäffen, hat sich besonders von der Sierra Leone-Küste her eingeschlichen. Wenn es schon Männer gibt, die sich in solcher Weise gebärden, so können natürlich ähnliche Frauengestalten erst recht nicht ausbleiben. Es erschienen einige mit prächtigen Hüten aus Samt und wirklich feinem Federschmuck. Sogar Schleppkleider waren zu sehen. Die kleinen Kinder, die mit ihren Müttern kamen, waren entsprechend herausgeputzt.

Die Haltung der Gemeinde während des Gottesdienstes, den ein Missionar leitete, kann nicht anders als würdig bezeichnet werden. Der Gesang wurde von einem Lehrer auf dem Harmonium begleitet. Er hätte uns mit seinen vielen Anklängen an die heimischen Kirchenlieder sicher noch besser gefallen, wenn er nicht so näselnd gesungen worden wäre. Die Predigt wurde still und andächtig gehört; einige Mütter hatten wegen der mitgebrachten kleinen Kinder, die den Ernst der Situation noch nicht begreifen konnten, vorsorglicherweise auf der Veranda draußen Platz genommen, sodass ihr Geschrei keine große Störung verursachte. Nachmittags war Kinderlehre, bei der sich auch eine Anzahl Erwachsene einfanden; hin und wieder wurde auch an sie eine Frage gerichtet. Die krausköpfigen Knaben und Mädchen schienen in den biblischen Geschichten recht gut beschlagen zu sein.

Keta hat auch ein Stück christlicher Liebestätigkeit aufzuweisen, das man nur an wenigen Punkten der afrikanischen Westküste findet: eine Diakonissenstation. Sie liegt in der Bremer Straße unmittelbar hinter der Vietorschen Faktorei, die den Grund und Boden für dieses Hilfswerk der Mission abgetreten hat. Die hier wohnenden Schwestern haben eine schwere, aber dankbare Aufgabe. Keta ist ein ungesunder Ort. Das zeigt in erschütternder Weise der alte Friedhof neben dem Missionshause, in dem wir wohnten. Obwohl die europäische Kolonie des Ortes nicht sehr groß ist, findet man doch dort eine Gräberreihe neben der andern. Wir nahmen uns die Zeit, ein Stündchen im Schatten seiner Palmen und Akazien, der Eukalyptus und Oleander zu verweilen und die Inschriften zu lesen. Die Kreuze und Marmorplatten weisen viele deutsche Namen auf: Däuble, Schaufler, Schlegel, Plessing, Hornberger, Tolch ... lauter Missionare, die in ihrem Beruf gestorben und neben Kaufleuten, Schiffskapitänen und Regierungsbeamten begraben sind. Auch eine treffliche Diakonisse, Charlotte Rohns, hat hier ihre letzte Ruhestätte auf Erden gefunden. Alle Weißen haben unter dem Einfluss des bösen Klimas zu leiden; ihre Kinder können nicht länger als bis zum vollendeten zweiten Lebensjahre im Lande bleiben. Es ist ein seltener Fall, dass Erwachsene das Klima zwei Jahrzehnte lang ertragen. Bei den Missionaren, deren Dienst anstrengender ist, als der der Kaufleute, hat man vier bis fünf Jahre als durchschnittliche Arbeitszeit gefunden, und alle, welchem Berufe sie auch angehören mögen, finden es nötig, nach einem Aufenthalt von drei bis fünf Jahren einige Zeit zur Erholung nach Europa zu gehen. Das Fieber ist der tückischste Feind des Europäers und wer die Behandlung der ersten Anfälle vernachlässigt, muss es schwer büßen.

Da brachte der Eintritt der Diakonissen, die sich durch Vermittelung des heimgegangenen Pastor Ninck in Hamburg der Bremer Mission zur Verfügung stellten, eine hochwillkommene Hilfe. Sie haben freilich selbst unter den ungünstigen klimatischen Einflüssen schwer zu leiden; Keta ist ihnen noch stärker als einige benachbarte Küstenplätze ausgesetzt, weil sich hinter ihm eine schlammige Lagune ausbreitet. Da ihrer aber immer drei oder vier am Orte sind, hat ihre segensreiche Tätigkeit bisher noch nie wieder ganz unterbrochen werden müssen.

Ihre Aufgabe ist in erster Linie die Krankenpflege. Wer ihre Haustüre einen Tag lang beobachten wollte, würde eine große Zahl von Mühseligen und Beladenen aus dem Orte und seiner Umgehung feststellen können, die das Diakonissenhaus zu einer Art Tagesklinik machen. Die Neger haben keinen Begriff von einer vernünftigen Behandlung der Wunden, darum ist ein reinliches Auswaschen und Verbinden, wie es die Schwestern vornehmen, eine wahre Wohltat für sie. Auch in dem am Orte befindlichen englischen Regierungshospital haben die deutschen Diakonissen zeitweilig den Ärzten willkommene Dienste geleistet. Dass sie an den Krankenbetten der Europäer, mögen es Missionare, Kaufleute oder Pflanzer fein, nicht fehlen, versteht sich von selbst. Am liebsten aber nehmen sie sich der armen Eingebornen an, denen sonst niemand hilft. Sie haben schon manchen durch Vermittelung ärztlicher Hilfe und treuer Pflege vom Tode errettet. Sie rühmen dabei das opferwillige Entgegenkommen des deutschen Arztes, Dr. Wicke in Kleinpopo, der es sich manche Tagereise hat kosten lassen, um besonders schwere Patienten der Schwestern zu besuchen. Die Neger wissen diese selbstlosen Liebesdienste wohl zu würdigen. Sie lernen dabei das Christentum von seiner praktischen Seite kennen und ehren. So wird diese Pflege der Kranken auch zu einem Stück Missionsarbeit.

Aber Krankenpflege ist nicht die einzige Aufgabe der Schwestern. Sie sind zugleich Erzieherinnen für das weibliche Geschlecht. Die heidnische Negerin steht auch an der von europäischen Einflüssen schon so lange berührten Westküste auf einer unbeschreiblich tiefen Stufe; sie macht einen noch roheren Eindruck, als der Mann. Jedes zarte Gefühl scheint ihr abzugehen und man möchte sich bei ihrem Anblick manchmal fragen, ob ein solches Wesen den Namen "Frau" verdient. Ihr Stumpfsinn hat der Mission von Anfang an schwere Hindernisse bereitet. Es liegt in den afrikanischen Verhältnissen begründet, dass die Frauen und Mädchen viel seltner eine Heidenpredigt hören, als die Männer, denn bei öffentlichen Versammlungen der Heiden sind sie nicht zugegen; es werden also auch weniger von ihnen getauft. Das führt zu Schwierigkeiten bei der Verheiratung christlicher Jünglinge, die zuweilen heidnische Mädchen nehmen müssen. Eine solche Mischehe wird natürlich von den Missionaren nicht gern gesehen. Das Christentum kann erst dann recht im Volke einwurzeln, wenn christliche Familien da sind. Nun sind die Schwestern gekommen und nehmen sich der Mädchen an. Wir fanden sie eines Tages auf der Veranda ihres Hauses inmitten einer Schar ihrer Pfleglinge sitzend. Jedes der Kinder hatte ein Nähzeug vor sich und wir waren verwundert, wie geschickt sie mit Nadel und Zwirn umzugehen wissen. Die älteren unter ihnen trugen schon selbstgefertigte Kleider. Es hat freilich viel Mühe gekostet, ehe sich die kleinen wilden Dinger ans Stillsitzen gewöhnten. Einen Schulzwang kennt man selbstverständlich in Keta nicht und auch an den Eltern haben die Lehrerinnen meist keinen Rückhalt. Sie lassen ihren Kindern allen Willen und sind nur allzu bereit, sie in Schutz zu nehmen, wenn sie einmal wegen Ungehorsam bestraft werden sollen. Der Anfang war daher recht schwer. Eine Zeit lang kamen die Mädchen allerdings aus Neugierde ganz eifrig. Als die Sache aber den Reiz der Neuheit verloren hatte, kostete es nicht geringe Mühe, die wilde Schar alle Tage zusammenzubringen. Nicht selten musste die Schwester selbst erst am Morgen von Haus zu Haus gehen und die Kinder auffordern, ihr Landeskleid umzunehmen und zur Schule zu kommen. Allmählich hat sich doch eine gute Ordnung herausgebildet. Einige der Kinder zeigen eine geradezu rührende Anhänglichkeit. Die Schwestern wussten uns manchen schönen Zug davon zu erzählen, auch von der Art, wie das Gewissen bei ihnen erwacht und geschärft wird. Es sei hier nebenbei erwähnt, dass die schwarzen Kinder durchgängig sehr hübsch sind, der unangenehme Zug, den das Negergesicht für unser europäisches Gefühl oft hat, kommt erst in den spätern Lebensjahren.

Der Unterricht im Diakonissenhaus besteht natürlich nicht nur in aller Art für Afrika passender weiblicher Handarbeiten, wie Nähen, Waschen und Reinemachen in Haus und Hof, sondern auch in Lesestunden und biblischer Geschichte. Ein Teil der Kinder besucht außerdem den Taufunterricht bei den Missionaren; manche von den Mädchen, die aus christlichen Familien stammen, gehen auch in die Elementarschule der Mission. Bei unserm Besuch wohnte etwa ein Dutzend ganz bei den Schwestern, ihre Zahl ist aber sehr dem Wechsel unterworfen. Es fehlt leider nicht an solchen, die nach einiger Zeit die Zucht im Hause satt haben und wieder in ihre heidnische Umgebung zurückgehen. Umso größer ist die Freude der Schwestern über einige ihrer Pfleglinge, die mit ihrer Anhänglichkeit einen empfänglichen Sinn für den ausgestreuten guten Samen verbinden.

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Lomé

Die Bedeutung von Keta als Ausgangspunkt und Mutterstation der Evhemission hatte uns veranlasst, schon hier den Boden Afrikas zu betreten und nicht erst in Lome, der nächsten Dampferstation an der deutschen Togoküste. Nachdem wir uns aber in Keta genügend umgesehen hatten, drängte es uns doch, möglichst bald allen evangelischen Missionsstationen im deutschen Gebiet einen Besuch abzustatten. Wir gingen zuerst an der Küste entlang. Der Weg ist nicht weit, denn Keta liegt nur einige Stunden von der deutschen Grenze entfernt. So machten wir uns eines Tages auf, um zunächst Lome kennen zu lernen.

Obwohl ein reger Verkehr zwischen dem deutschen und dem englischen Gebiet besteht, ist es doch um die Wege, wie überall in Afrika, schlecht bestellt. Wir wanderten daher auf dem Strande, der zwar sandig, aber leidlich fest ist, zumal wenn man bei Ebbe auf dem nassen Sande gehen kann. Bis zur deutschen Grenze reicht die Lagune von Keta, sodass wir auf einem schmalen Landsaum gingen. Zur Rechten rauschte das Meer, zur Linken glänzte das stille Lagunenwasser. Die Landschaft, die sonst an der Küste recht steril erscheint, zumal wenn es lange Zeit nicht geregnet hat, ist hier verhältnismäßig grün. Es reiht sich ein Palmenhain an den andern, in dessen Halbschatten kleine Fischerdörfchen mit leichtgebauten Hütten zerstreut liegen. Wir kehrten in einem derselben ein und waren freudig überrascht, als uns ein Eingeborner freundlich aufforderte, bei ihm zu rasten. Er ließ von seinem Knaben Kokosnüsse holen, öffnete sie und bot uns ihre Milch zum Trinken an. Es war ein erfrischender Labetrunk, der uns umso wohler tat, weil der Mann nicht einmal eine Bezahlung annehmen wollte. Solche Gastfreundschaft ist eine Seltenheit bei den an europäischen Durchgangsverkehr gewöhnten Negern. Einen recht traurigen Eindruck machten dagegen die elenden Götzenbilder, die wir hier und da auf unserm Wege sahen, meist am Eingänge der Dörfer. Da steht z. B. ein aus rohen Stangen erbautes Schattengerüst, ganz notdürftig mit trocknen Palmblättern bedeckt. Darunter sieht man einen Lehmklumpen, in dessen Form man erst bei längerem Betrachten die Nachahmung einer menschlichen Gestalt erkennt. Davor liegt ein kleines geschnitztes Boot, ringsumher Kaurimuscheln, die bei den Eingebornen die Stelle des Geldes vertreten, einige Nahrungsmittel und allerlei nichtssagende Dinge. Das ist eine Stätte der Anbetung. Wenn man die Neger fragt, erfährt man weiter nichts, als: "das ist Fetisch". Hier opfern die Fischer ihre Gaben und erwarten, dass nun der Fetisch auch das Seine tun, ihnen beim Fischfang Glück senden und in Gefahren Hülfe leisten soll. Man lernt hier das Heidentum in seiner ganzen Armseligkeit kennen. Wenn diese wacklige Hütte und der verwitternde Lehmklumpen das einzige Bollwerk des Heidentums wäre, das bei diesen Evhenegern zu überwinden ist, so könnte der Sieg des Christentums nicht schwer fallen. O wie viel reicher werden diese niedlichen Fischerdörfchen sein, wenn an Stelle der Fetischhütte erst eine Kapelle und Lehrerwohnung dasteht, wo den Eingebornen die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit gelehrt wird. Leider aber wird noch lange Zeit vergehen müssen, ehe es dahin kommt. Die Kräfte der Norddeutschen Missionsgesellschaft reichen nur eben hin, die wichtigsten Orte zu besetzen. Wenn wir die vielen Opferstellen am Wege ansahen und hielten die Tatsache daneben, dass wir auf der stundenlangen Wanderung nur ein einzigesmal drüben jenseits der Lagune eine kleine Außenstation von Keta, Agbosome mit Namen, erblickten, wo ein eingeborner Lehrer stationiert ist und im November 1896 die Erstlinge getauft hat, so wollte uns in der dichtbevölkerten Landschaft das Wort des Heilandes nicht aus dem Sinn kommen: "Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende." Aus den brandenden Wogen des Ozeans wie aus dem Rauschen der Palmenkronen glaubten wir immer wieder die mahnende Stimme zu hören: "Bittet, betet für das arme, finstre Afrika!" Und wir baten den Herrn, dass er mehr Arbeiter in dieses Feld sende, das zur Ernte reif ist.

Als wir die deutsch-englische Grenze überschritten hatten, begegneten wir den deutschen Postboten. Ein wunderlicher Aufzug! Es waren fünf oder sechs kräftige Negergestalten. Einige von ihnen waren in eine Art Postuniform gesteckt und hatten ein verschließbares Felleisen um. Die andern trugen Briefsäcke mit deutschen und englischen Signaturen, deren große Buchstaben schon von weitem zu lesen sind. Also auch an diesem heißen Strande und durch tiefe namenlose Fischerdörfer läuft einer von den Fäden, die sich in den zivilisierten Ländern zu dem Gewebe des Weltpostverkehrs verdichten. Die uniformierten Leute kamen sich übrigens sehr wichtig vor und wurden von den gewöhnlichen Schwarzen, die ihnen begegneten, mit gebührender Scheu betrachtet.

Von der Lagune zu unsrer Linken, die den Küstenstreifen vom eigentlichen Festlande trennt, war nur noch das ausgetrocknete Bett zu sehen, als wir uns der Stadt Lome näherten. Das reichliche Grün, das die feuchte Niederung auszeichnet, gibt auch hier der Landschaft einen etwas höheren Reiz. Lome selbst ist der größte Ort an der deutschen Küste: es zählte anfangs 1896 nicht weniger als 2.084 Einwohner. Weil es keine Lagune als Verkehrshindernis hinter sich hat, wird es von den Händlern bevorzugt. Außerdem kommt seiner Entwickelung auch der Umstand zu statten, dass es gesünder ist, als die andern Hauptorte, z. B. Kleinpopo. Beides wird die Veranlassung gewesen sein, dass vor kurzem der Sitz der deutschen Regierung von Sebbe bei Kleinpopo hierher verlegt worden ist.


Lomé

Die Stadt ist nicht in einer langen Linie am Strande hingebaut, wie die meisten andern Küstenplätze, sondern in einem geschlossenen Viereck, das von vielen regelmäßigen Straßen durchschnitten wird. Man erkennt schon an ihren Namen den deutschen Ort. Da gibt es eine Hamburger und Bremer Straße, eine Bismarck- und Misahöhstraße, eine Missions- und Marktstraße. Zunächst am Strande liegen auch hier die Faktoreien der Kaufleute, die meist in deutschen Händen sind, sowie die Regierungsgebäude. Das Kommissariat ist ein neuer stattlicher Bau, in welchem alle Fäden der Militär- und Zivilverwaltung aus dem Togogebiet zusammenlaufen. Das Leben in der Stadt, besonders auch in dem belebten Haußaviertel zwischen Puttkamer- und Küas-Straße, ist dem von Keta sehr ähnlich. Die Marktstraße ist die schönste und hat den meisten Verkehr. In ihr liegen zu beiden Seiten offene Kaufläden, die meist in den Händen eingeborner Händler sind. Die Straße wird als Marktplatz benutzt. Vor den Kaufläden sind kleine Zeltchen für die Marktleute errichtet. Etwa in der Mitte der Stadt gibt es aber auch einen größeren freien Platz, der neuerdings mit Schattenbäumen bepflanzt ist. Hier geht zu gewissen Zeiten der Verkauf von Palmkernen vor sich. Wenn die Bäume erst größer sind, wird wohl der ganze Marktverkehr sich hierher ziehen. Gegenwärtig wird die Marktstraße noch bevorzugt. Auf ihr befindet sich auch ein gepflasterter Ort mit einem Pfosten, wo erwischte Diebe angebunden und durchgeprügelt werden.

Die Niederlassung der Bremer Mission liegt gleich am Eingange der Stadt in der Marktstraße. Sie macht einen recht stattlichen Eindruck. Die beiden Hauptgebäude (Europäerhaus und Lehrerwohnung) sind in Hamburg hergestellt, dort wieder auseinandergenommen, aufs Schiff gepackt und hier aufgebaut. So verfährt man bei den Holzbauten an der Westküste fast allgemein. Es ist die billigste Art, zu einer gesunden Wohnung zu kommen. Das Europäerhaus ist ganz in der leichten, luftigen Art der Tropenhäuser gehalten, wie sie bei uns durch Ausstellungen und Abbildungen neuerdings so bekannt geworden sind. Breite Veranden umgeben das Gebäude auf allen Seiten und halten die glühenden Sonnenstrahlen von den Wänden ab. Im oberen Stockwerk sind die Wohnungen der Missionare. Wir fanden dort im gemütlichen deutschen Heim des Missionar Oßwald und seiner Frau herzliche Aufnahme. Außer ihnen wohnte noch Missionar Beck im Hause. Als wir uns in ihrer Gesellschaft von der Reise erholt hatten, galt unser erster Besuch dem eingebornen Lehrer Andreas Aku, dessen Wohnung unmittelbar hinter dem Missionshause liegt. Er hatte soeben seine Schüler entlassen, an denen kein Mangel ist. Die in ständigem Verkehr mit den Europäern lebenden Neger lernen den Schulunterricht immer mehr schätzen und schicken gern ihre Kinder, besonders die Jungen. Seit einiger Zeit will alles deutsch lernen, um dann einen einträglichen Posten bei den Regierungsbeamten oder Kaufleuten zu erlangen. Die Bremer Mission geht aber gerade in diesem Punkte mit Mäßigung vor. Sie hält streng an der Evhesprache als Unterrichtssprache fest und gibt nur den fortgeschrittenen Schülern deutsche Stunden. Es ist ihr darum zu tun, die Missionsschüler ihrem Volke nicht zu entfremden. Man kann diesen gesunden Grundsatz nur billigen.

In dem schwarzen Lehrer Andreas Aku, der natürlich des Deutschen mächtig ist, lernten wir einen trefflichen Mann von guter Bildung kennen. Er hat das Vertrauen verdient, das die Missionsleitung in ihn setzte, als sie ihn von Keta vor einigen Jahren nach Lome schickte, um die Erhebung des nach der deutschen Besitzergreifung aufblühenden Küstenplatzes zur Hauptstation vorzubereiten. Er erzählte uns, wie bescheiden es im Anfang zuging, als er die kleine Diaspora von Evhechristen hier sammelte, die erste Schule gründete und seine Gottesdienste noch in dem schlechtventilierten, niedrigen Betsaal hielt, wo die Kirchgänger dicht unter dem Wellblechdache am Sonntag Vormittag oft eine fürchterliche Hitze auszuhalten hatten. Aber noch ärger war die Hitze der Anfechtung, die ihm von Seiten der römischen Patres widerfuhr, die sich gerade damals in das Gebiet der Bremer Mission eindrängten und sich nicht entblödeten, seine Predigten in abscheulicher Weise zu stören. Sie haben seitdem in Lome, wie an vielen andern Küstenplätzen, ihre Niederlassungen errichtet. Aber Akus Gemeinde gedieh trotz dieser Anfeindungen sichtlich. Er sah sich wegen des Zudrangs seiner Zuhörer zu wiederholten Erweiterungen des gottesdienstlichen Raumes genötigt, bis im Herbst 1896 Lome zur Hauptstation erhoben und der geräumige Neubau auf dem jetzigen Missionsgrundstück errichtet wurde.


Verladen von Baumwollballen in Lomé

Wir ließen uns später vom Missionar Oßwald die Einzelheiten aus den für Lome so bedeutungsvollen Tagen erzählen. Da erfuhren wir, dass es die Freunde der Bremer Mission in Hamburg und Altona gewesen sind, die durch eine außerordentliche Liebesgabe von 10.000 Mark die Gründung der Station ermöglichten. Auch das Vermächtnis der in Keta verstorbenen Diakonisse Ch. Rohns brachte einen willkommenen Beitrag. Von andrer Seite kamen die Mittel zur innern Ausstattung. So schenkte die Anschargemeinde in Hamburg eine Glocke, die bei dem Neubau ihres Turmes überflüssig geworden war, die Christen von Lome sammelten für ein Harmonium u. s. w. Der Weihetag der neuen Station, es war der 28. Februar 1897, ist wohl der schönste Festtag gewesen, den Lome bisher gesehen hat. Mit den Bremer Missionsgeschwistern kam eine große Menge Christen von Keta herüber. Natürlich war ganz Lome auf den Beinen und auch die Weißen der Stadt beteiligten sich fast ausnahmslos. So wurde es ein stattlicher Zug, der unter Vorantritt der anwesenden Missionare im Talar von dem alten Gottesdienstlokal sich durch die Straßen zum neuen Missionsgehöft bewegte. Unter Gesang und Glockengeläut zogen sie in den schönen Betsaal ein, der im Missionshaus fast das ganze untere Stockwerk einnimmt. Es ist bezeichnend für das an der Küste herrschende Sprachengemisch, dass der erste Teil des Gottesdienstes mit Rücksicht auf die vielen anwesenden Deutschen in deutscher Sprache gehalten wurde; darauf folgte ein Evhegottesdienft, vom Lehrer Aku geleitet, und am Nachmittag eine Feier, bei der englisch gepredigt wurde. Auch die Lieder wurden in verschiedenen Sprachen gesungen, aber alle nach deutschen Melodien; es waren die bekannten, lieben Weisen: "Tut mir auf die schöne Pforte", "Die wir uns allhier beisammen finden" und das auf der ganzen Erde so gern gesungene "Nun danket alle Gott". Von dieser gesegneten schönen Feier, an der mehr als 400 Personen teilnahmen, ist in Lome noch lange geredet worden. Die geistliche Arbeit, die seitdem im Betsaal und dem daran stoßenden Lehrzimmer getan wird, nehmen die Eingebornen der Stadt, Große und Kleine, dankbar auf. Die erste hiesige Taufe hat Andreas Aku um die Mitte des Jahres 1896 vollziehen können, seitdem hat sich die Feier schon mehrere Male wiederholt und auch jetzt fehlt es an Taufbewerbern nicht.

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Kleinpopo

Die Bremer Mission hat nach Osten hin über Lome hinaus bis jetzt weiter keine Station an der Küste. Wir entschlossen uns aber noch zu der etwa 10stündigen Reise bis Kleinpopo, das an der östlichen Grenze der deutschen Togoküste liegt, um auch die Missionstätigkeit der Wesleyaner dort kennen zu lernen. Sie sind seit etwa 40 Jahren im Lande, haben aber das Schwergewicht ihrer Arbeit in das benachbarte, unter französischem Protektorat stehende Dahomereich gelegt. Ihre Stationen an der deutschen Küste, wo erst seit 1880 ein weißer Missionar wohnt, sind nur als die Ausläufer anzusehen, während ihre Hauptkraft im französischen Porto Novo und dem noch weiter östlich gelegenen Norubalande zur Entfaltung kommt. Sie hatten auch in Lome schon eine Zweigniederlassung, als Andreas Aku dahin kam, zogen sich jedoch bei der Erhebung der Stadt zu einer Hauptstation der Bremer Mission zurück und wiesen ihre Christen in freundschaftlicher Weise an Missionar Oßwald. Kleinpopo ist ihre wichtigste Station im deutschen Gebiet. Nicht weit davon, jenseits der Lagune, liegt die Zweigstation Gridschi. Dazu kommt noch eine zweite in Porto Seguro, etwa halbwegs zwischen Lome und Kleinpopo gelegen. So ist also jetzt der ganze Küstensaum von Keta bis zur Ostgrenze des deutschen Gebietes mit evangelischen Stationen besetzt. Leider haben sich die Katholiken überall dazwischengesetzt und machen den evangelischen Bestrebungen eine unliebsame Konkurrenz. Lome, Porto Seguro, Togo, Adjido und Gridschi (beide nahe bei Kleinpopo) sind die Namen ihrer Niederlassungen. Sie dürfen sich glücklicherweise unter dem deutschen Regiment keine solchen Übergriffe erlauben, wie jüngst in Madagaskar, so dass von evangelischer Seite hier keine besondern Klagen gegen sie zu erheben sind, so sehr sie auch z. B. in Kleinpopo der wesleyanischen Mission auf dem Nacken sitzen. Letztere nimmt bei den Weißen, wie bei den Schwarzen eine sehr geachtete Stellung ein. Ihr Missionar Ulrich, ein Deutscher, ist überall gern gesehen. Seine Station liegt an einem hervorragend günstigen Platze am Westende von Kleinpopo und hat eben jetzt in der neugebauten Kirche eine schöne Zierde erhalten. Es ist ein stattlicher massiver Backsteinbau, der eine dominierende Stellung in dem Bilde des Ortes einnimmt, wie es sich den vorüber fahrenden Schiffen darstellt. Zu dieser Kirche halten sich die angesehensten Eingebornen von Kleinpopo. Zugleich ist es aber auch an besondern Festtagen der Sammelpunkt der evangelischen Deutschen, für die der gewinnende Missionar von Zeit zu Zeit einen deutschen Gottesdienst veranstaltet.

Nicht unerwähnt darf hier das am andern Ende des langgestreckten Ortes liegende Nachtigalkrankenhaus bleiben. Es ist eine Wirkungsstätte der Krankenpflegerinnen, die vom Frauenverein für Krankenpflege in den deutschen Kolonien ausgesandt und unterhalten werden. Hauptsächlich durch die Bemühungen des Stabsarzt Dr. Wicke zustande gekommen ist es dem Gedächtnis des Afrikaforschers Nachtigal geweiht. Wenn die Pflege der hier wirkenden Schwestern - es sind keine Diakonissen, sondern Angehörige anderer deutscher Krankenpflegevereine - auch in erster Linie den erkrankten Europäern zugute kommt, so werden doch auch bereitwillig Eingeborne verpflegt und der im Hause herrschende Ton ist im allgemeinen ein christlicher, so dass auch dieses Krankenhaus ungesucht dazu beiträgt, den Kindern Afrikas die Augen für den Wert unsres Glaubens zu öffnen.

Alles in allem, es ist ein seltsames Gemisch von afrikanischem und europäischem Wesen, von Heidentum und Christentum, was uns an der Togoküste überall entgegentritt. Das ist unverkennbar, seit einigen Jahrzehnten ist eine neue Zeit für dieses Küstenland angebrochen. Die Gegensätze stoßen hart aufeinander und es kann nicht zweifelhaft sein, wohin der Sieg sich neigt. Die alten Sitten und Anschauungen der Evheneger gehen ihrem sichtlichen Verfall entgegen, das fremdländische Wesen beherrscht schon jetzt das tägliche Leben, wenigstens an den großen Handelsplätzen. Nun ist zwar einer massenhaften Einwanderung der Europäer ein Riegel vorgeschoben; das Fieber liegt als Türhüter vor der Eingangspforte und bewahrt diesen Teil Afrikas vor einer dauernden Ansiedelung vieler deutscher Kolonisten. Aber trotz alledem greift der Einfluss der Weißen immer weiter um sich. Für die Missionstätigkeit ergibt sich daraus ein gewisser Vorteil. Das bei der eingebornen Bevölkerung vorhandene Bestreben, sich den Europäern zu nähern, führt sie auch in die Gottesdienste und Schulen der Mission und diese gute Gelegenheit werden sich die Missionare und ihre Gehilfen nicht entgehen lassen. Andrerseits übt der Verkehr und die Lebensweise vieler Europäer auch einen verderblichen Einfluss auf die Neger aus, denen es nicht entgehen kann, wie verschieden die Lehre des Missionars vielfach von dem Wandel seiner namenchristlichen Landsleute ist, ganz zu schweigen von der Zerstörung des afrikanischen Volkstums, die sich leider nicht aufhalten lässt, wenigstens in dem Streifen längs der Küste. Den Missionaren und ihren Gehilfen erwächst aus alledem an diesen Küstenplätzen eine besonders schwierige Aufgabe. Sie müssen Licht und Salz sein für beide, für die Europäer und die Afrikaner.

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2. Auf der alten Missionsstrasse im Togolande

Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Matth. 13, 3.

Um die Stationen der Bremer Mission im Innern des Landes kennen zu lernen, wo der eigentliche Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt, kehrten wir zunächst wieder nach Keta zurück. Es führen zwar auch einige vielbegangene Handelswege von Kleinpopo und Lome ins Hinterland und wir hätten hier einen etwas kürzern Weg gehabt. Aber es lag uns daran, den Spuren der altern Missionsgeschichte nachzugehen und dazu mussten wir die alte Missionsstrasse des Evhelandes ziehen, die von Keta aus fast genau nördlich führt und dort nach einer Tagereise die deutsche Grenze überschreitet, denn im Innern reicht unser Togogebiet viel weiter nach Westen, als an der Küste.

Man kann, streng genommen, nicht von einem Evheland, sondern nur von einem Evhevolke reden. Letzteres, das zwischen Dahome im Osten und Asante im Westen eingeschoben ist, besteht aus sehr vielen Stämmen und Stämmchen, Es hat, soweit uns bekannt ist, nie einen einheitlichen politischen Verband gehabt und wird wohl auch nie dazu kommen. Die drei europäischen Mächte, die ihre Hand jetzt auf die Sklavenküste gelegt haben, zerrissen es bei ihrer Grenzregulierung in ebenso viele Teile. So gibt es nun ein deutsches, englisches und französisches Evhegebiet. Die Stationen der Bremer Mission wurden von Anfang an auf den Mittelpunkt des ganzen Volkes hin angelegt und kamen darum bei den Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und England am 1. Juli 1890 fast alle ins deutsche Gebiet zu liegen. Das Evhevolk soll nach einer zuverlässigen Schätzung etwa zwei Millionen Menschen umfassen und auf einem Gebiet wohnen, das dreimal so groß ist, wie das Königreich Sachsen. Daraus ergibt sich, dass die Dichtigkeit der Bevölkerung ungefähr dieselbe ist, wie bei Mecklenburg-Strelitz. Für afrikanische Verhältnisse ist das sehr viel; das Togoland ist von allen unsern afrikanischen Kolonien bei weitem am dichtesten bevölkert.

Das Land war noch durchaus heidnisch, als die ersten Bremer Missionare im Jahre 1847 ankamen. An der Küste wohnten zwar schon einzelne namenchristliche Neger, die zum Teil aus Amerika in ihre Heimat zurückgekehrt waren, zum Teil von frühern katholischen Missionsversuchen in Westafrika herrührten. Aber es gab keine christlichen Gemeinden in diesem Teile Afrikas. Auch von Norden her waren schon früher, man weiß nicht, seit wie langer Zeit, die Vorboten einer andern Religion eingerückt, nämlich mohammedanische Händler, die das Land gelegentlich durchzogen und von denen manche sogar an der Küste sesshaft wurden. Aber von einer Propaganda des Islam konnte nicht die Rede fein; die Mohammedaner scheinen eine Bekehrung der Evheneger nicht einmal angestrebt zu haben. Das Volk lebte noch ganz in den rohen Formen des afrikanischen Heidentums, das auch hier mit der Vielweiberei und der Sklaverei im Bunde steht. Die charakteristischen Kennzeichen desselben entziehen sich leicht dem flüchtigen Beobachter, zumal an der Küste, wo der europäische Verkehr zersetzend auf die heidnischen Anschauungen und Gebräuche gewirkt hat. In ganz Keta ist z. B. auf der Straße schon seit langer Zeit nichts vom Götzendienst zu sehen. Weiter landeinwärts aber, wo die ursprüngliche Art des Volkes mehr erhalten ist, macht man andere Beobachtungen. Da stehen am Eingange der Dörfer fast immer solche Lehmfiguren, wie wir sie in den Fischerdörfern zwischen Keta und Lome kennen lernten und die dort erwähnten Zeichen der Anbetung sind auch dabei. Auf den Märkten bekommt man noch andere Götzenbilder zu sehen. Dort werden kleine buntbemalte Holzfiguren verkauft, die hernach einen Ehrenplatz in den Hütten der Eingebornen erhalten. Mit diesen seltsamen Figuren, die bald Menschen- bald Tierform haben und womöglich recht grässlich aussehen müssen, hängt ein Teil des berüchtigten Fetischdienstes zusammen. Der Fetischpriester, Zauberer oder Medizinmann, spielt im Leben des Evhenegers eine wichtige Rolle, aber die verschmitzten Auguren im alten heidnischen Rom haben das Volk sicher nicht so unverschämt betrogen, wie es diese Fetischmänner tun. Der Gedanke an die Trowo (Geister), mit denen sie angeblich in Verbindung stehen, gibt den unheimlichen Gesellen eine unerhörte Gewalt über ihre Landsleute. Dazu kommt die Furcht vor dem Einfluss der Geister der Verstorbenen, die Angst vor dem bösen Blick, vor Hexen und grausigen Waldteufeln, sowie vor dem Zorn unzähliger Erb- und Wanderfetische; lauter Dinge, die von jenen schlauen Betrügern benutzt werden, um sich bei wichtigen Familienereignissen, ganz besonders bei Krankheiten und Viehsterben, unentbehrlich zu machen.

Das ist es, was dem forschenden Europäer von der Religion der Eingebornen am ersten bekannt wird. Es gibt aber auch noch ein Stück tieferliegende Religiosität im Volke, von der man bei einer flüchtigen Berührung mit den Evhenegern freilich nichts gewahr wird. Erst die Missionare, die auf vertrautem Fuße mit dem Volke leben und bei den bekehrten Eingebornen gründlicher nachforschen können, haben sie entdeckt. Sie fanden, dass diese Neger auch eine dunkle Vorstellung von einem höchsten Wesen haben, auf das sie Donner und Blitz und andre Naturerscheinungen zurückführen, das sie auch bei ihren häufigen Schwüren anrufen. Selbst Anklänge an die Lehre von der Seelenwanderung finden sich, ja sogar die Reste einer Sage vom verlornen Paradies, wo ihre Vorfahren in einem Garten hinter Mauern gelebt und Essen die Fülle gehabt hätten. Von besonderer Bedeutung für die Erhaltung des religiösen Besitzes im Volke ist das Vorhandensein einer geheimen Priestergesellschaft, der fast an allen Orten einige Männer und Frauen angehören; sie üben einen unglaublichen Terrorismus auf die Neger aus und erhalten sie in beständiger Furcht.

Die Erlösung von dem Bann, den der Aberglaube auf das Volk gelegt hatte, bahnte sich an, als die ersten Boten der Norddeutschen Missionsgesellschaft sich in Keta niederließen und zugleich nach dem Innern vordrangen, um an die Stelle des Fetischdienstes und der Geisterfurcht die Religion der Liebe und des Friedens zu setzen. Sie haben unter außergewöhnlichen Schwierigkeiten ihre Tätigkeit begonnen. Unerhört waren die Opfer an kostbaren Menschenleben, zumal in der ersten Zeit, wo sie sich noch mit schlechten Wohnungen begnügen mussten, wenig Erfahrungen über gesunde und ungesunde Lebensweise besaßen und das heimtückische Fieber noch nicht zu behandeln wussten. Von 1847 bis 1890 wurden von der Gesellschaft 79 Männer und 49 Frauen, zusammen 128 Personen ausgesandt, von denen 56, also fast die Hälfte, nach kurzer Dienstzeit gestorben sind. Einer, der von der Heimat aus um die Opfer der Mission mit Leid getragen hat, schreibt davon: "Mit Wehmut sah man hier in Bremen oft diese kräftigen, freudigen Männer und edlen Frauen, die meist dem Schwabenlande entstammten, vor dem Altar knien, um die Weihe zu ihrem Missionsberuf zu empfangen. Es war in der Regel die Weihe zu ihrem Tod, Ach, wie bald kam meistens die Kunde, dass sie, kaum eingetreten in die Arbeit, dem tückischen Fieber erlegen seien! Lautlos, klaglos sanken sie ins Grab dort in ferner, fremder Erde. Wenige waren's, die über ihnen weinten. Die Neger stierten ihre Särge an. Sie konnten nicht fassen, was diese wunderlichen Menschen bewogen hatte, unter den Glutstrahlen der tropischen Sonne tausend Entbehrungen und Schmerzen auf sich zu nehmen. Und die Brüder und Schwestern, die an ihren Gräbern weinten, grüßten zum Himmel hinauf mit feuchten Augen und bebenden Lippen: "Heil dir, o Jesus Christus, wir grüßen dich als die Hinsterbenden." Zu dem mörderischen Klima kam das schwere Missgeschick, dass verheerende Kriege die Arbeit störten, am schlimmsten der Asantekrieg von 1869 - 74. Die Nachrichten vom Missionsfelde lauteten oft so erschütternd und entmutigend, dass in Bremen mehr als einmal die Frage erwogen wurde, ob man das schwere Arbeitsfeld nicht mit einem leichteren vertauschen sollte. Man hat trotz aller Schwierigkeiten mit Selbstverleugnung und Heroismus ausgehalten und erkennt jetzt, wo sich die Früchte der langen Geduldsarbeit zeigen, dass es wohlgetan war.

Auf dem soliden Grunde, der unter viel Gebet und Tränen gelegt ist, baut sich gegenwärtig in fröhlichem Wachstum die junge Evhekirche auf. Es ist gelungen, die Volkssprache zur Schriftsprache zu erheben, in die schon das ganze Neue Testament und ein Teil des Alten übersetzt worden sind.6) Zu den Erbauungs- und Schulbüchern ist neuerdings sogar die erste Evhe-Zeitung gekommen. Sie wird von einem Missionar unter Beihilfe einiger eingeborner Lehrer herausgegeben und führt den Titel "Evhe-hame-gbale". d. h. Evhe-Gemeindeblatt. Es versteht sich bei der eben bezeichneten Redaktion von selbst, dass das Blatt keine politische Tendenz hat und seinen Lesern nur Gutes bringt. Auf den vier Hauptstationen Keta, Lome, Ho und Amedschovhe, haben die europäischen Missionare, deren die Bremer Mission gegenwärtig 19 im Dienst hat, ihren engern Wirkungskreis, doch so, dass sie auch die 23 Außenstationen beständig unter ihren Augen und Händen haben. Ihnen zur Seite steht eine stattliche Schar eingeborner Gehilfen. Sie sind zum Teil mit der mehr oder weniger selbständigen Leitung der Außenstationen betraut, von denen einige der Erhebung zu einer Hauptstation entgegensehen, ähnlich wie es bei Lome ging. Solcher eingebornen Helfer hat die Mission zurzeit 45. Sie bilden ein überaus wichtiges Glied in der Organisation des ganzen Missionswerks. Nicht nur, dass sie den Gefahren des Klimas viel besser gewachsen sind, als die Europäer und also auch unbedenklich auf den Stationen verwandt werden können, die infolge ihrer Lage oder weil noch keine gesunden Wohnungen da sind, den weißen Missionaren zunächst verschlossen bleiben. Noch wichtiger ist ihr völliges Vertrautsein mit dem Denken und Fühlen des Volkes, aus dem sie selbst hervorgegangen sind, so dass, wenn sie erst selbst im christlichen Glauben fest gegründet sind, ihr Einfluss ein viel mächtigerer werden kann, als der der fremden weißen Männer. Es ist schon seit langer Zeit das Bestreben der Missionsleitung gewesen, den begabtesten unter den eingebornen Gehilfen eine möglichst gründliche Ausbildung zu geben. Zu diesem Zwecke lässt man sie nach Europa kommen und in Westheim (Württemberg) beim dortigen Pfarrer Binder die hohe Schule durchmachen. Dieser ihr Lehrmeister ist ein ehemaliger Evhemissionar, der aus Gesundheitsrücksichten in die deutsche Heimat zurückkehren musste, aber seine Afrikaner so lieb gewonnen hatte, dass er jetzt den besten Teil seiner Kraft darauf verwendet, tüchtige Lehrer und Prediger für sie auszubilden. Von den obenerwähnten 45 Gehilfen ist ein Teil durch sein Haus gegangen. Einen davon, A. Aku, haben wir in Lome kennen gelernt. An Frauenkräften sind gegenwärtig acht in der Mission beschäftigt, zumeist auf der Station Keta. Das Schulwesen, dem die Missionsleitung ihre besondere Aufmerksamkeit schenkt, hat sich stetig und kräftig entwickelt. Es gibt insgesamt 34 Schulen mit 873 Schülern. Darunter befindet sich das Seminar in Amedschovhe und die Mittelschulen in Keta und Amedschovhe. Die Seelenzahl aller Gemeinden beläuft sich zurzeit auf 1.844. Diese Zahlen und ihren jetzigen jährlichen Zuwachs kann man erst dann recht würdigen, wenn man die Geschichte und die Anfangszahlen zum Vergleich herbeizieht. Es ging zuerst sehr, sehr langsam. Im Jahre 1869 waren nach 22-jähriger Arbeit erst 126 Getaufte gesammelt, im nächsten Jahrzehnt stieg die Zahl auf 206. Seitdem ist es aber mit wachsender Schnelligkeit vorwärtsgegangen. Im Jahre 1896 wurden allein 310 getauft, wobei 254 Heidentaufen waren, und die Gesamtseelenzahl beträgt jetzt, wie gesagt, 1.844. Hier ist viel Grund zum Loben und Danken. Die ersten Arbeiter sind schon längst dahingegangen. Sie und ihre ersten Nachfolger haben nur wenig Frucht ihrer mühseligen Arbeit gesehen. Nun aber wird das Wort wieder einmal wahr: Der eine säet, der andre schneidet.

Während Keta seine Bedeutung als Ausgangs- und Stützpunkt an der Küste hatte und noch hat, sind Ho und Amedschovhe, die jenseits der Küstenebene auf den Ausläufern des Berglandes im Innern von Deutsch-Togoland liegen, die wichtigsten Stationen im Herzen des Landes und haben die Mutterstation in mancher Hinsicht bereits überflügelt. Die ganze Entwickelung der Evhemission drängt hinüber nach dem deutschen Gebiet. Einige Außenstationen von Ho liegen zwar in der englischen Interessensphäre. Es sind die im Tale von Peki liegenden Orte Anum, Dzake, Blengo, Tschito, Wudome und Tschibu. Aber obwohl hier die Mission gleich in ihrer ersten Zeit Fuß gefasst hat, sind diese Gemeinden doch etwas zurückgeblieben. Wir verzichteten auf einen Besuch daselbst und wählten die gerade Reiseroute von Keta nach Ho und Amedschovhe.

Die Sonne ging eben am wolkenlosen Himmel auf, als sich unsre kleine Reisegesellschaft im Gehöft des gastfreien Missionshauses zusammenstellte. Durch Vermittelung unsrer Gastgeber hatten wir leicht eine genügende Anzahl Träger bekommen; es waren meist Christen aus Keta und der Nachbarschaft. Zunächst wollte aber noch keine rechte Ordnung in unsere Karawane kommen. Man muss unmittelbar hinter Keta die Lagune überschreiten, deren Wasserstreifen sich bald breiter, bald schmäler meilenweit als Verkehrshindernis den landeinwärts Ziehenden in den Weg legt, während er andrerseits für die Küstenorte den Verkehr erleichtert. Wir trafen einen verhältnismäßig niedrigen Wasserstand an, weil die Regenzeit erst kürzlich wieder begonnen hatte. Trotzdem dauerte es ziemlich lange, bis wir in den schmalen Kanus der Eingebornen, die in einem Stück aus dem Stamme des Seidenbaumwollenbaums gezimmert sind, hinübergebracht waren. Die Zeit wurde uns aber nicht lang, denn wir hatten überall etwas Neues zu sehen. Keta hatte gerade Markttag. Da kamen unzählige Boote von Westen und Osten her gesegelt. Unter den Schattenbäumen am Ufer entwickelte sich bald ein reges Leben. Der ganze Platz füllte sich mit schwatzenden und kreischenden Negerweibern, welche Mais, Fische, Pfeffer, Zuckerrohr, Erdnüsse, Öl, Perlen, Zeuge, Holz, Hühner u. a. m. verkaufen oder kaufen wollten. Dann fanden wir wieder beim Übersetzen ein ganz interessantes Tierleben auf der Lagune. Es halten sich in ihr viele Krokodile auf, die sich an einsamen Ufern gern in die Sonne legen, an den verkehrsreichen Stellen aber, wo sie oft geschossen werden, nur hin und wieder mit dem breiten Kopfe ein wenig auftauchen. Eine zahlreiche Vogelwelt belebt das Landschaftsbild. Strandläufer, Schnepfen und Reiher laufen am Strande auf und ab und stoßen von Zeit zu Zeit auf die im Wasser spielenden Fische, während Raben, Habichte und Falken im hohen Grase der kleinen Inseln ihr Wesen treiben und reichliche Beute finden.

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Anyako

Jenseits der Lagune liegt Anyako, eine der Außenstationen von Keta. Hier nahmen wir noch einmal Abschied von der Küstenstadt, deren weiße Europäerhäuser hell durch die Palmen herüberschimmerten. Nun mussten wir die Straße des Weltverkehrs und all die kleinen Bequemlichkeiten der europäischen Kultur verlassen, an die man sich so gewöhnt hat, dass man ihren Wert erst erkennt, wenn man einige Tage auf afrikanischen Negerpfaden gereist ist. Wir nahmen aber die kleine Entbehrung gern mit in den Kauf, denn nur so war es uns möglich, das afrikanische Leben in seinem ursprünglichen Zustande kennen zu lernen. Da wir übrigens überall auf Missionspfaden zogen, die schon fast ein halbes Jahrhundert lang von weißen Männern und Frauen betreten worden sind, fanden wir doch immer von Zeit zu Zeit ein Haus, in dem man ganz vergessen konnte, dass es im Innern von Afrika liegt.

Gleich hinter Anyako bestiegen wir die Hängematten. Es lag uns daran, binnen drei Tagen in Ho zu sein und unterwegs immer in einer christlichen Niederlassung zu übernachten. Das wäre nicht gut möglich gewesen, wenn wir den Weg hätten zu Fuß zurücklegen wollen. Auch hatten wir eine der Schwestern von Keta mitgenommen, die zur Erholung nach dem kühlen Amedschovhe gehen wollte, und für sie wäre selbst eine langsame Fußwanderung zu anstrengend gewesen. So bedienten wir uns der Hängematten, die von kräftigen Schwarzen getragen werden. Wenn man sich erst an die schwankenden Bewegungen des neuen Vehikels gewöhnt hat, findet man diese Reisebeförderung ganz angenehm. Wir bildeten mit unsern drei Hängematten und den nachfolgenden Lastträgern einen ziemlich langen Zug, weil alles im Gänsemarsch geht. Der Neger lässt sich von dieser Art zu marschieren nicht abbringen. In der Nähe der europäischen Niederlassungen werden neuerdings überall breitere Straßen gebaut, es muss aber sehr darüber gewacht werden, dass sie nicht wieder zuwachsen, weil es keine Wagen gibt und die Eingebornen eben nur ihren Fußpfad einhalten. Bis zu unserm ersten Nachtquartier konnten wir einen solchen von der englischen Regierung breit angelegten Weg benutzen.

Bild aus Wikimedia Commens

Die hinter der Lagune liegende Landschaft ist eben und einförmig. Es ist zwar kein unwirtlicher, aber doch sehr reizloser Teil des afrikanischen Festlandes, den wir bei den ersten Tagereisen kennen lernten. Wir kamen sogleich in die Savanne, eine ausgedehnte, steppenartige Grasfläche, die hin und wieder von dornigem Gebüsch oder einzelnen Bäumen unterbrochen wird. Wer etwa in der Erwartung hierher kommt, die wunderbare Vegetation einer tropischen Landschaft zu finden, sieht sich bitter enttäuscht. Es fehlt nicht nur die Üppigkeit des Pflanzenwuchses, die man in einer schönen südlichen Landschaft sucht, selbst das frische Grün deutscher Wälder und Wiesen sucht man im Togolande und den Nachbargebieten vergebens, wenigstens an der Küste. Merkwürdigerweise ist der Landstreifen am Meere hier der trockenste, je weiter man landeinwärts kommt, umso reichlicher sind die Regenfälle und umso grüner das Land. Wir sollten später in Amedschovhe und seiner Umgebung noch recht anmutige Gegenden kennen lernen. Aber zuerst hatte die Umgebung unsres Pfades, wie gesagt, wenig landschaftlichen Reiz. Es wäre noch schlimmer gewesen, wenn wir in der trockenen und heißen Zeit gereist wären. Da gleicht das Land, dem die großen, schattenreichen Bäume fast ganz fehlen, einem Glutofen, und selbst das Strauchwerk oder die Kaffeebäume in den Plantagen der Europäer am Küstensaum drohen zu verdorren. Wir trafen es aber günstiger. Die eine der beiden jährlichen Regenzeiten hatte schon begonnen und kräftige Gewittergüsse waren niedergegangen. Daher schmückte sich die Savanne wieder mit ihrer bescheidenen Frühlingsvegetation. Zwischen den alten, fahl gewordenen Grasstengeln sprosste längs des Weges das junge Grün. Von Wild bekamen wir wenig zu sehen, obwohl es keinen Futtermangel gehabt hätte. Die alten Gräser waren so hoch, dass sie bis zum Schattendach der Hängematte reichten. Mit ihnen kann man sich noch leicht auseinandersetzen, aber recht unangenehm wird die Engigkeit des vielfach gewundenen Pfades im Busch, wo dornige Zweige dem ahnungslosen Reisenden übers Gesicht fahren.

Von Zeit zu Zeit passierten wir ein Dorf. Wir bemerkten die Annäherung in der Regel an den Pflanzungen der Eingebornen, die vorher am Wege sichtbar werden. Dem Stande der Felder nach muss es ein guter, fruchtbarer Lehmboden sein, den sie bebauen; schade, dass nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des Landes kultiviert ist. Unter den angebauten Früchten überwiegt der feinkörnige Perlenmais und die Yamswurzel. Die Dörfer liegen fast immer im Schatten hoher Bäume und haben regelmäßig Anpflanzungen von Kokospalmen in der Nähe; seltener trifft man die ähnlich geformten, aber niedriger bleibenden Ölpalmen. Was bei europäischen Gehöften die Obstgärten, das sind bei afrikanischen Dörfern die Palmen. Die menschlichen Wohnungen machen meist einen ärmlichen und unsauberen Eindruck. Es gehört hier nicht viel zu einem Hausbau: da wird ein Fachwerk von Pfählen und Stangen gebildet, der Zwischenraum mit Lehm ausgefüllt und die Wände sind fertig. Ein Dach aus trockenem Gras vollendet den Bau. Vor den Hütten sieht man immer viele Hühner, auch fielen uns ganze Schwärme kleiner, rotbrüstiger Tauben auf, die halbwild in der Nähe der menschlichen Wohnungen zu nisten scheinen. Im Buschwerk der Savanne gab es obendrein viele Holztauben, braune und isabellenfarbige, die mit ihrem lauten Girren und Lachen an ihre Schwestern im deutschen Laubwalde erinnern.

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Vhute

Unser erstes Nachtquartier fanden wir in Vhute. Hier steht ein der Mission gehöriges Rasthaus. Bei dem lebhaften Verkehr zwischen Keta und den Stationen im Innern ist sein Bau eine wirkliche Notwendigkeit gewesen. Früher war die Herberge hier nichts weniger als angenehm. Die Missionare fürchteten sich jedes Mal vor dem Orte. Wenn sie ermüdet ankamen, stand ihnen nur ein schmutziger, raucherfüllter Raum in einem Negergehöft zur Verfügung, wo sie von Neugierigen begafft und durch freiumherschweifende Schweine belästigt wurden. Nachts konnten sie nur schwer Ruhe finden, weil sie zu der schlechten Lagerstätte noch den Lärm betrunkener Angloer, der Händler, die von der Küste nach dem Innern ziehen, mit in Kauf nehmen mussten. Jetzt sind sie so glücklich, ein kleines, einstöckiges Häuschen zur Verfügung zu haben. Es ist in leichtem Fachwerk gebaut und mit Wellblech gedeckt, so dass man gegen die stärksten Regengüsse gesichert ist. Die Behausung ist zwar immer noch bescheiden genug, reicht aber doch zum Übernachten völlig aus. Als uns im Dämmerlicht des Abends die alte Herberge gezeigt wurde, wussten wir erst das saubere Häuschen mit Türe und Fensterladen, Tisch und Stühlen, ja sogar einer ordentlichen Matratze recht zu schätzen. Es hat lange gedauert, ehe sich auf dieser Reisestation eine kleine, christliche Gemeinde sammeln ließ. So oft ein Missionar den Ort berührte, pflegte er zwar den Heiden zu predigen, aber diese vereinzelten Anregungen hatten nur wenig Erfolg. Der ausgestreute Same fiel auf den Weg und ward zertreten. Erst in jüngster Zeit ist ein kleiner Fortschritt zu verzeichnen. Es wurde ein eingeborner Evangelist, Stefano Hiob, hier stationiert, der die Eindrücke der Reisepredigten zu vertiefen suchte. Ihm ist es denn auch gelungen, einen kleinen Kreis von empfänglichen Leuten um sich zu sammeln. Er hat auch schon einige taufen können. Das sind freilich keine Leute von Vhute, sondern zugezogene Fremdlinge. Aber es ist doch ein Anfang.

Hinter Vhute kamen wir bald wieder in eine ähnliche Savanne, wie gestern. Sie machte fast noch mehr den Eindruck einer Wildnis. Der Weg wurde sehr sandig. Man erkennt das schon von weitem am Überhandnehmen der Palmen. Wir kamen durch ganze Palmenhaine, die freilich der idyllischen Vorstellung, die man in Europa mit diesem Namen verbindet, wenig entsprechen. Einem solchen Haine fehlt gerade das, was wir in Deutschland bei einer Waldlandschaft als ganz selbstverständlich voraussetzen, und was in Afrika eigentlich noch wünschenswerter wäre, als in unserm kühleren Klima, der Schatten. Die Kronen der Fächerpalmen sind nicht einmal so dicht, wie die unsrer heimischen Kiefern. Außerdem stehen die Bäume ziemlich weitläufig, sodass man weithin durch die Stämme sehen kann. Wenn ein Windstoß durch die Kronen fährt, schlagen die lederartigen Blätter laut aneinander - ein einförmiges, reizloses Waldkonzert, das durch das Kreischen der Affen, die beim Nahen der Reisegesellschaft auseinanderstieben, nicht gerade verschönert wird. Wir ruhten an diesem Tage einige Zeit in Kpeve aus, wo der Marktplatz wie für den Fremdenverkehr eingerichtet schien. Unter einem mächtigen Schattenbaume hielten wir Rast und kauften Fleisch, Fische, Mais und Bohnen, auch etwas Palmwein, den wir nach der heißen Partie ganz erfrischend fanden. In der Nähe überschreitet man die deutsch-englische Grenze; so geben es wenigstens die Karten an, in Wirklichkeit ist von einer Abgrenzung hier noch nichts zu sehen.

Von Kpeve ab war das Land noch einige Zeit recht steril; stundenlang konnten wir kein Wasser erhalten, was uns die Hitze des Tages doppelt empfinden ließ. Dagegen wurde unser Weg anmutiger und die Vegetation etwas üppiger, als wir uns dem Todschie näherten, einem kleinen Flüsschen, das unsern Pfad kreuzte. Da es das ganze Jahr Wasser hält, wird sein Lauf von einem Streifen dichten Waldes eingesäumt, der in etwas an die Urwälder andrer afrikanischer Gegenden erinnert. Die hohen Stämme der vielen Agobäume, die man im Innern mit Vorliebe als Bauholz benutzt, waren mit endlosen Schlinggewächsen bezogen, die den Boden zur Seite des Weges und das Unterholz geradezu übersponnen haben. Wir fanden den Fluss, der in der trockenen Zeit leicht zu durchwaten ist, schon ziemlich angeschwollen. Das schmutzig gelbe Wasser stießt aber in trägem Laufe dahin, ein Zeichen, dass das Land hier nur unmerklich abfällt. Eine Brücke, und wäre es nur die landesübliche eines umgefallenen Baumstammes gewesen, war nicht zu sehen, dafür stellte sich aber bald nach unsrer Ankunft ein freundlicher Eingeborner ein, der uns für ein bescheidenes Fährgeld in seinem schmalen Kahne übersetzte.

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Waya

Bald darauf erreichten wir unser zweites Nachtquartier, die Station Waya. Unsre Träger schienen hier wie zu Hause zu sein; sie banden mit den meisten Leuten an, denen wir begegneten. Der Ort ist von ziemlicher Größe und war uns dem Namen nach schon lange bekannt, weil es eine der ersten Missionsniederlassungen im Innern gewesen ist. Die Nähe des Missionshauses war bereits zu vermuten, als wir es selbst noch gar nicht sehen konnten. Unser Weg führte nämlich zuletzt an einem Stacheldrahtzaun hin, hinter dem Brotbäume und Apfelsinensträucher stehen. Bald lag auch das weißgetünchte Haus vor uns, umgeben von Kokospalmen und Mangos, Orangen und Fieberheilbäumen. Wenn das Gebäude auch nicht mehr neu ist und schon manchen Angriff der weißen Ameisen hat aushalten müssen, fanden wir es doch recht wohnlich; auch gaben uns die hohen Bäume, von denen es umgeben ist, einen hochwillkommenen erquickenden Schatten.

Waya hat zurzeit keinen weißen Missionar, der eingeborne Lehrer Johannes Akama besorgt die Gemeinde. Sobald er unsre Ankunft erfahren hatte, eilte er herbei, wies uns eine Wohnung an und suchte uns den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen. Auch die zahlreichen Christen des Ortes kamen am Abend und sangen einige geistliche Lieder zu unsrer Begrüßung. Dies und noch manches andre ließ uns Waya als eine geistliche Oase erscheinen, in der wir uns so wohl fühlten, dass wir gern länger geblieben wären. Wie schön war der Spaziergang, den wir durch das Christendörflein machten! Es mag etwa 109 Seelen zählen und ist ganz nahe beim Missionsland und etwas abgesondert von dem heidnischen Dorfe aufgebaut. Hier kann man, rein äußerlich angesehen, die veredelnde Wirkung des Christentums beobachten. Während die heidnischen Wohnstätten unordentlich und unsauber aussehen, und die Bewohner desgleichen, machen die Häuser der Christen durchschnittlich einen viel netteren und reinlicheren Eindruck. Ihre kleinen Gehöfte, die dicht aneinanderstoßen und durch niedrige Zäune von einander getrennt sind, werden in guter Ordnung gehalten. Die Gärtchen am Hause erfreuten uns besonders, weil wir eine Menge bekannter deutscher Blumen darin fanden, deren Samen sie von den Missionaren erhalten haben. Nimmt man dazu die freundlichen offenen Gesichter der Christen, die auch in diesem Punkte sich nicht unmerklich von ihren heidnischen Landsleuten unterschieden, so erklärt es sich leicht, dass der kurze Aufenthalt unter diesen schwarzen Christen zu unsern schönsten Reiseerinnerungen gehört.

Es ist nicht immer so gut um Waya bestellt gewesen. Der Ort war, wie oben erwähnt, einer der ersten, der von der Predigt des Evangeliums erreicht wurde, aber alle Arbeit der Missionare schien vergebens zu sein. Nur ganz wenige von den Bewohnern konnten in den ersten Jahrzehnten getauft werden, und bei diesen wenigen zeigte sich auch noch fast gar kein inneres Leben und Wachstum. Die Gleichgültigkeit und Herzenshärtigkeit war groß. Da sich in dieser Zeit andre, hoffnungsvollere Plätze auftaten, zog die Missionsleitung mit der Zeit die Missionare ganz weg und endlich sogar den eingebornen Lehrer, sodass es schien, als müsste die Station eingehen. Aber gerade in dieser Zeit wachte Waya auf. Die geistliche Hungerkur, die die verlassenen Christen durchzumachen hatten, ließ ihnen die Augen darüber aufgehen, was sie am Worte Gottes gehabt hatten. Nun verlangten sie wieder nach geistlicher Pflege und waren für die christliche Lehre und Predigt dankbarer, als je zuvor. Der neue eingeborne Lehrer, der bei ihnen angestellt wurde, fand die wärmste Aufnahme und so oft jetzt ein Missionar die Station berührt, ist es ein Freudentag für die ganze Gemeinde. Missionar Fies, zu dessen Sprengel sie gehört, stellt ihr das schöne Zeugnis aus: "Von allen unsern Gemeinden im Innern hat Waya nicht nur den größten Zuwachs nach außen gehabt (im ganzen Orte ist bereits jeder dritte Einwohner ein Christ), sondern es zeigt sich auch ein erfreuliches Wachstum nach innen, in der Erkenntnis des göttlichen Wortes und der Gnade Gottes. In der Gemeinde herrscht Leben und Liebe. Wenn man einige Tage unter ihnen weilt, so wird einem wohl ums Herz." Sehr erfreulich ist auch, was derselbe Missionar über ihre Opferwilligkeit schreibt. Früher ließen sie es sich eben gefallen, dass ein Missionshaus unter ihnen auf fremde Kosten gebaut wurde, jetzt aber bauen sie selber. "Für Gemeindezwecke arbeiten sie gerne, einige geben auch Gaben an Geld. So sägen z, B. die Christen Odumbalken und Bretter für die Kapelle, die repariert, vergrößert und mit einem Wellblechdach versehen werden soll. Dieses Wellblech muss in Europa gekauft werden und wird durch den Transport teuer. Aber die Christen haben durch Tragen von Missionslasten von Keta nach Ho bereits die Summe von 400 Mark für diesen Zweck aufgebracht." Einen interessanten Einblick in das religiöse Leben der eingebornen Christen gewährt die Beschreibung eines Tauffestes, das der genannte Missionar kürzlich in Waya anstellte; es wurden 26 Personen zugleich getauft. Nach beendetem Gottesdienste stand der Gemeindeälteste Josua Lunkui auf und erzählte als ein Beispiel für erfahrene Gottesgnade folgendes: "Liebe Brüder und Schwestern! Wie ihr alle wisst, kamen in diesem Jahr die Heuschrecken in großen Scharen und wurden unsern Maisplantagen sehr gefährlich. Eines Sonntags kamen sie auch wieder, alles lief auf die Felder, ich ebenfalls. Wie ich so draußen bin, wird mir das Vertreiben der Heuschrecken doch gar sauer und ich gelobe meinem Gott, am Sonntag der Heuschrecken wegen nicht wieder auf die Plantage zu gehen. Er ist ja der Allmächtige und kann mir meinen Mais wohl bewahren. Wird er es tun, so werde ich am Schluss des Jahres als Dank zwei Mark fürs Kapellendach geben. Die Heuschrecken kamen wieder an einem Sonntag, ich aber ging nicht wieder auf die Maisplantage. Auf den Pflanzungen der Heiden war der Schaden groß, mein Korn aber blieb unversehrt. Für die Erhörung meines Gebets gebe ich hiermit vor euer aller Augen als Dank die zwei Mark."

Die Gemeinde von Waya wächst zusehends und es scheint sich in der Umgebung des Ortes allmählich eine ähnliche Anschauung herauszubilden, wie sie in dem mittelalterlichen Sprichwort offenbar wurde: Unterm Krummstab ist gut wohnen. Das Christendorf von Waya bekommt allerlei Zufluss von außen. Hier nur noch ein Beispiel dafür. In dem Dorfe Sovha, das einige Stunden entfernt liegt, traf der eingeborne Lehrer eines Tages auf einer Predigttour ein. Er sah bei dieser Gelegenheit einen Mann, der am Oberarm eine große, vernachlässigte Wunde hatte. Alle Mühe der heidnischen Doktoren war vergebens gewesen. Da sagte der Lehrer, der arme Patient möchte zu ihm nach Waya kommen, er wollte versuchen, ihn zu heilen. Darauf kam Nanevi, so hieß der Mann, er erhielt Medizin, und in kurzer Zeit war er vollständig geheilt. Während seines Waya-Aufenthalts hatte er im Christendorf gewohnt und fleißig die Morgen- und Abendandachten, sowie die Sonntags-Gottesdienste besucht. Schließlich gewann er die Christen und das Wort Gottes so lieb, dass er erklärte: Ich gehe nicht mehr nach Sovha zurück, ich bleibe bei euch und werde Christ. Er baute sich nun ein Haus, wobei ihm die Christen treulich halfen. Eines schönen Tages versammelte sich die ganze Gemeinde und fasste den Entschluss, auf das Feld zu gehen und dem Nanevi eine Plantage neben den andern anzulegen. So ist er ein Einwohner im Christendörflein geworden, bald darauf zum Taufunterricht gekommen und bei Gelegenheit des vorhin erwähnten schönen Tauffestes feierlich in die Gemeinde aufgenommen worden.

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Ho

Doch zurück zu unsrer Reise. Ein kräftiger Tagesmarsch brachte uns von Waya nach Ho. Die Landschaft nimmt von hier aus einen ansprechenderen Charakter an. Die einförmige Ebene, die wir unter dem Sonnenbrand herzlich satt bekommen hatten, geht allmählich in ein welliges Hügelland über. Links von unserm Wege tauchte sogar ein einzelstehender stattlicher Berg, der Adaglu auf, dessen stumpfe Kegelgestalt von unten bis oben in saftiges Grün gehüllt ist, soweit nicht sein Felsenkern zu Tage tritt. Wir kamen ganz nahe an ihm vorüber. Hier wohnt der erst neuerdings von der Mission berührte Adaglustamm. Wir fanden leider nicht Zeit, der jungen Zweigstation Abuadi, die am Berghange liegt, einen Besuch abzustatten. Es soll noch sehr wenig Erfolg von den Predigten der Missionare und eingebornen Gehilfen dort zu sehen sein. Nach den Erfahrungen von Waya ist das nicht zu verwundern, kann aber ebenso wenig vom geduldigen Auswerfen des Missionsnetzes abhalten.

Von jetzt ab zeigte sich vor uns im Norden ein zusammenhängendes Bergland, der schönste Teil unsres Togogebiets, der aber bis jetzt noch wenig bekannt ist. Es ist der Gebirgszug, auf welchem die deutsche Regierungsstation Misahöhe und die rühmlichste bekannte Missionsstation Amedschovhe, das auch als Gesundheitsstation des Togogebiets gilt, liegt. Wir waren ganz in Betrachtung der in blauen Duft gehüllten Höhen versunken, als unsre Neger plötzlich riefen: "Dort liegt Ho!" Sie zeigten dabei auf ein weißes Gebäude, das von einem grünen Hügel herüberleuchtete. Es war die vor einigen Jahren gebaute Kapelle von Ho, ein für uns alle hocherfreulicher Anblick. Der Marsch dorthin dauerte zwar noch einige Stunden, aber wir achteten der Schwüle nicht, die auf der schattenlosen Savanne lag. Näherten wir uns doch dem vorläufigen Ende unsrer Reise, wo wir längere Zeit zu rasten gedachten. Auch die Träger, die ziemlich schlapp geworden waren, schlugen zuletzt wieder ein frischeres Tempo an, so dass man unsrer Karawane keine große Ermüdung anmerkte, als wir endlich wohlbehalten in der Ho-Station ankamen.

Die Missionsniederlassung liegt auf einem schönen fruchtbaren Hügel etwas abseits von den Dörfern des Hostammes, von dem sie ihren Namen hat. Von allen Seiten führen gut gehaltene Wege hinauf. Wir fanden dieselben mit Rosenhecken eingefasst, die einen prächtigen Eindruck machen, wenn sie mit ihren roten Blüten übersäet sind. Hat man die Pforte hinter sich, die sich mittels einer praktischen Einrichtung von selbst schließt, so empfängt man den Eindruck, als ob man in einen weiten, wohlgepflegten Garten käme. Wir gingen auf einem schnurgeraden, breiten Wege rechts an einer Kaffeeplantage, links an einem Gebüsch mit allerlei Fruchtbäumen vorbei. Dann bogen wir in eine schöne Kokospalmenallee ein, die gerade im schönsten Stadium ihrer Entwickelung steht und kamen auf ihr mitten in das Missionsgehöft hinein: vor uns die Kirche, rechts und links zwei Wohnhäuser. Hier begrüßte uns der Vorsteher von Ho und Leiter der ganzen Evhemission, Missionar Spieth, und führte uns in das ältere der beiden Häuser, wo uns die Wohnung bereitet wurde. Unsre Träger fanden auch inmitten der christlichen Niederlassung, die noch eine ganze Anzahl von Nebengebäuden umfasst, ein Unterkommen.

Die Station hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Es war im Jahre 1859, als die ersten Missionare zu den Holeuten kamen und den Missionshügel kauften. Die damals gegründete Niederlassung, von der schon lange nichts mehr steht, war noch größer angelegt als die gegenwärtige; sie zählte über zwanzig große und kleine Gebäude und erhielt nach dem nahegelegenen Königssitz des Stammes den Namen Wegbe. Die Arbeit forderte aber gleich im Anfang schwere Opfer. Nicht weniger als elf weiße Männer, Frauen und Kinder mussten in den ersten zehn Jahren hier begraben werden. Die erste Taufe von Erwachsenen aus dem Hostamme verzögerte sich bis zum 3. Advent 1868. Nun schien endlich eine bessere Zeit für die treuen Arbeiter auf dem Missionshügel zu kommen. Es war alles in einer gesunden, schönen Entwickelung begriffen, da aber brach plötzlich ein Sturm über die junge Mission herein, der das ganze Werk wieder vernichtete. Die Asantekrieger fielen im Jahre 1869 über das Land her und zerstörten neben zahllosen Ortschaften der Eingebornen die Station Wegbe gleicherweise, wie die Niederlassungen der Baseler Mission, die in der Nachbarschaft gen Westen bestanden. Die beiden gefangenen Baseler Missionare Ramseyer und Kühne, deren Geschichte neuerdings bei der Wiedereröffnung der Asantemission viel besprochen worden ist, hörten beim Einzuge der Sieger in ihrer Hauptstadt Kumase zu ihrem Schmerze das Missionsglöckchen von Wegbe als Triumphsignal läuten. Nun blieb eine zeitlang auf dem verwüsteten Hügel alles still und tot. Aber 1875 kamen die vertriebenen Bremer Missionare wieder. Sie ließen sich nicht durch die geistliche Verwilderung der zersprengten Gemeinde und noch viel weniger durch die Naturwildnis auf dem Missionshügel abschrecken. Unten in der Königsstadt bauten sich die Brüder ein kleines Negerhaus mit Strohdach, um ein notdürftiges Unterkommen zu haben. Von dort aus begannen sie den Busch auf der Höhe wieder zu lichten. Die Station, die man jetzt Ho nannte, wurde dann Schritt für Schritt in der Weise ausgebaut, wie sie jetzt dasteht.

Sie macht einen geradezu imposanten Eindruck auf jeden Ankömmling, mag er nun die solid gebauten Häuser oder die große angebaute Fläche mit den mannigfaltigen Frucht- und Zierbäumen in Augenschein nehmen. Es ist eine christliche Oase und zugleich ein Kulturzentrum mitten im heidnischen Afrika. Hierher sollten jene Kritiker der evangelischen Mission einmal gehen, die den Wert derselben nicht nach ihrer eigentlichen, geistlichen Arbeit, sondern nach äußerlichen Erfolgen zu beurteilen lieben. Sie würden hier beides vereinigt finden und ohne Weigerung die Missionstätigkeit als eine Kulturmacht ersten Ranges anerkennen. Um ihretwillen kann man es bedauern, dass Ho nicht so am Wege der gewöhnlichen Afrikareisenden liegt, wie etwa das katholische Bagamoyo in Ostafrika, das von Ho in äußerlicher Hinsicht entschieden erreicht, in geistlicher aber übertroffen wird. Vielleicht wird bald einmal eine Eisenbahn nach dem Innern des Togolandes gebaut, dann wird sicherlich auch Ho öfter genannt und gelobt werden.

Wir hatten Zeit genug, sowohl die äußere Anlage der Station, als auch die geistliche Arbeit gründlich kennen zu lernen. Das ganze Grundstück umfasst eine Fläche von etwa 20 Hektar und ist durch vier Baumreihen eingefasst. Es ist ein großes, sorgfältig abgemessenes, regelmäßiges Viereck. Ein Teil davon harrt noch der Bebauung. Inmitten des großen Rechtecks befindet sich aber ein kleineres, das mit Stacheldraht eingehegt ist und unter Kultur steht. Einen Teil davon bedeckt die Kaffeepflanzung der Station, die vortrefflich gedeiht und den schwarzen Zöglingen gute Arbeitsgelegenheit bietet. Es mögen gegen 3.000 Bäume darin stehen, die bereits einen guten Ertrag geben. Daneben findet man viele edlere Gewächse angepflanzt, die alle menschlicher Pflege bedürfen, wenigstens in ihrer Jugend: Eukalyptus, Ölpalmen, Kokospalmen, Orangen, Mangos und andere Fruchtbäume. Auf der Ostseite des Vierecks, das von zwei im rechten Winkel sich kreuzenden Straßen durchschnitten wird, führt eine kurze Allee zu dem stillen Friedhof, unter dessen Hügeln schon mancher Missionar ein frühes Grab gefunden hat. Genau in der Mitte aber liegt das Missionsgehöft mit seinen zahlreichen Gebäuden. Von Norden her kommend tritt man in den Hof und hat alles vor sich. Unmittelbar rechts und links liegen die beiden Lehrerwohnungen mit ihren Nebengebäuden und anderem, was in Afrika immer außerhalb des Hauptgebäudes sich befindet. Geradeaus stehen die Europäer-Wohnhäuser; beide haben wiederum ihre Nebengebäude um sich. Geht man aber zwischen ihnen hindurch, so trifft man auf die Kapelle, die erst vor einigen Jahren erbaut ist und bei ihrer Weihe ungeheures Aufsehen in der ganzen Umgegend machte, weil sie das erste massive Kirchengebäude von solchen Dimensionen im Innern war. Sie ist auch wirklich ein stattliches und würdiges Bauwerk, das für die Christengemeinden in diesem Teile Afrikas vielleicht einmal dieselbe Bedeutung erlangt, wie der alte Dom von Aachen für die Christen Westdeutschlands. Das Gebäude ist 25 Meter lang und 9 Meter breit. Die Mauern sind ganz in Quarzstein ausgeführt, die Tür- und Fensteröffnungen aber, die gotische Bogen haben, wurden aus Backsteinen gemauert, von denen nicht weniger als 40.000 Stück nötig waren. Eingeborne haben sie unter Anweisung des bauführenden Missionars an Ort und Stelle hergestellt. Die Mauer reicht, wie das bei Bauten in den Tropen meist der Fall ist, nur bis ans erste Stockwerk, der obere Teil wird von Holzwerk gebildet und trägt ein Wellblechdach. Es befinden sich dort oben über dem gottesdienstlichen Raume schöne luftige Wohnzimmer, die teils als Wohnungen, teils als Unterrichtsräume Verwendung finden. Eine breite, schattige Veranda zieht sich rings um diese Zimmer. Die Beschaffung des nötigen Bauholzes, das zum Teil stundenweit herzuholen war, hat den Bauherren und ihren Gehilfen nicht wenig Sorge und Mühe gemacht, weil alles getragen werden musste; ebenso die 400 Stücken Wellblech, die als Trägerlasten von Keta herausgebracht wurden.

Das Innere macht einen durchaus ansprechenden, edlen Eindruck. Die Spitzbogenfenster haben sogar buntes Glas aufzuweisen. Gerade das war der Gegenstand der höchsten Bewunderung für die Neger, die so etwas zum ersten Male sahen. Altar und Kanzel sind einfach, aber würdig gehalten. Zu beiden Seiten des Altarplatzes befinden sich Sitze, auf der einen für die Missionare, auf der andern für die Gemeindeältesten. Der übrige Teil des Raumes ist zu zwei Drittel mit Bänken ausgefüllt, dahinter befindet sich ein leerer Platz für die den Gottesdienst besuchenden Heiden. Alles Holzwerk ist vom Odumbaume genommen; es ist mit Leinölfirniß gestrichen und macht wegen seiner dunklen Farbe ganz den Eindruck von schönem, altem Eichenholz.

Wenn diese Kirche, wie es bei festlichen Gelegenheiten der Fall ist, im Schmuck von frischen Palmzweigen dasteht und den noch viel schöneren Schmuck einer vollzähligen Gemeinde hat, die das Gotteshaus bis in seine Ecken und Winkel füllt, dann muss es wirklich ein erhebender Kirchgang in Ho sein. Wir sahen die Leute nur an einem gewöhnlichen Sonntage zur Kirche gehen und waren auch da schon durch die große Zahl der Kirchgänger überrascht. Es mochten etwa 300 sein, worunter eine Anzahl Heiden waren, teils aus den Hodörfern, teils Fremde, die auf einer Reise begriffen gerade auf der Station verweilten. Sehr angenehm fiel dabei im Gegensatz zu der Gemeinde in Keta die Erhaltung der kleidsamen Landestracht auf. Ganz fehlten zwar auch hier die europäischen Röcke und Beinkleider nicht, aber man merkte es ihren Trägern an, wie ungewohnt ihnen diese Kleidung war. Die meisten blieben erfreulicherweise bei der alten afrikanischen Mode und sahen in den bunten, togaähnlichen Gewändern, die musterhaft reinlich gehalten waren, wirklich recht nett aus.

Hier ist noch eine von den äußeren Errungenschaften der Missionsstation zu nennen, die seiner Zeit das größte Aufsehen gemacht hat, ein tiefer, wasserreicher Brunnen. Die Landschaft um Ho ist wasserarm. Fließendes Wasser gibt es fast gar nicht; wie aber das in der Regenzeit gesammelte Trinkwasser durch die Einwirkung der afrikanischen Sonne verdorben wird, lässt sich denken. Die Station war bis vor einigen Jahren ganz auf solches Zisternenwasser angewiesen. Da bedeutete die Anlegung eines Brunnens einen wirklichen Fortschritt, der von der ganzen Station freudig begrüßt wurde. In Innerafrika kennt man Brunnenanlagen nicht, man hat also auch keine Brunnenbauer. Deshalb musste einer der jungen Missionare, der von Jugend auf in praktischer Arbeit geübt war, die Bohrarbeiten anstellen. Das Werk hat lange Zeit beansprucht. Weil die Station auf einer Anhöhe liegt, musste der Brunnen sehr tief werden. Auch kamen die Arbeiter bald auf hartes Gestein, so dass man zum Steinbohrer und Dynamit greifen musste. Endlich konnte Missionar Holzäpfel, so hieß der Brunnenbauer, den Negern, die das seltsame Werk immer mit Kopfschütteln betrachtet hatten, schönes klares Brunnenwasser zu trinken geben. Die Neuerung machte solchen Eindruck in der ganzen Umgegend, dass das in der Nähe liegende Christendorf Achlicha auch schleunigst zur Anlage eines Brunnens schritt. Holzäpfel war wiederum ihr Berater und Bauaufseher, ist aber leider unmittelbar darauf im Juli 1896 gestorben; es war ihm nur eine kurze Tätigkeit in der Mission beschieden.

In geistlicher Hinsicht steht Ho hinter seiner stattlichen äußeren Erscheinung nicht zurück. Es ist eine in schönster Entwickelung begriffene Pflanzstätte evangelischer Lehre und christlichen Lebens. Das Missionspersonal besteht aus vier Europäern, von denen zwei verheiratet sind, zwei weißen Missionarinnen und sechs eingebornen Gehilfen. Ihre Tätigkeit ist eine überaus mannigfaltige. Von den Missionaren ist dem einen die pastorale Versorgung der gesammelten Gemeinde zugeteilt, während die andern ihre Kraft vorzugsweise auf die Heidenpredigt in der näheren und weiteren Umgebung von Ho verwenden. Die Missionarinnen widmen sich auch hier der Erziehung der weiblichen Jugend und ihrem Unterricht, wobei ihnen auch schon eine eingeborne Gehilfin zur Seite steht. Ein Teil der schwarzen Mädchen sind Kostschülerinnen, die ganz in der Station leben, andre kommen nur zum Unterricht aus den umliegenden Dörfern. Wenn das neue Schuljahr beginnt, werden im Gottesdienst die Namen derjenigen Christenkinder verlesen, die vor sechs Jahren geboren sind und daraufhin werden sie von den Eltern meist zur Schule geschickt. Ein wirklicher Schulzwang wird nicht ausgeübt. Wenn man bedenkt, wie fremdartig den Heiden der Gedanke ist, gerade ihren Töchtern eine Schulbildung zu geben, lernt man erst die Bedeutung einer Mädchenschule mitten im Heidenlande recht schätzen. Der Unterricht der Knaben liegt ganz in den Händen der eingebornen Lehrer. Bis vor kurzem war außer der Elementarschule, die nahe an 100 Schüler zählt, auch noch eine bessere, sogenannte Mittelschule in Ho, sie ist aber nach Amedschovhe verlegt, wo wir sie noch kennen lernen werden. Unter den eingebornen Gehilfen der Station sind einige ganz treffliche Männer. Die meisten von ihnen überragen die andern Gemeindeglieder sowohl an christlicher Erkenntnis, wie an Lauterkeit des Wandels weit. Ihr Familienleben ist von dem Geiste der Liebe erfüllt und in ihren Häusern herrscht gute Ordnung. Was ihre Frauen anbetrifft, so stehen sie freilich im Allgemeinen noch hinter ihnen zurück und nehmen auch bei sonst ganz gutem Charakter keinen oder nur verschwindend wenig Anteil an den Aufgaben der Männer, immerhin aber heben auch sie sich zu ihrem Vorteil von der übrigen Frauenwelt ab.

Einen tieferen Einblick in das Leben eines eingebornen Gehilfen empfingen wir, als wir einen Rundgang durch die der Station benachbarten Dörfern machen wollten. Als kundiger Führer wurde uns der pensionierte Katechist Stephan Kwami empfohlen, der lange Zeit treulich bei der Stationsarbeit geholfen hat. Wir holten ihn in seiner Wohnung ab und freuten uns an der gemütlichen, von christlichem Geiste erfüllten Häuslichkeit, wo wir ihn unter seinen Kindern und Kindeskindern fanden. Aus seiner Familie sind eine ganze Reihe von Missionsarbeitern hervorgegangen. Sein Sohn Robert bereitet sich in Westheim für das geistliche Amt vor, sein Stiefsohn ist Lehrer an der Mittelschule in Keta, und auch Schwiegersöhne von ihm stehen im Amte. Das greise Ehepaar ist ein beredtes Zeugnis dafür, welche Fortschritte das Christentum in diesem Teile Afrikas während der letzten Jahrzehnte gemacht hat. Sie stehen beide seit etwa 25 Jahren mit der Mission in Verbindung, Als junge Leute wurden sie von den Missionaren aus der Sklaverei losgekauft, er als halbwüchsiger Knabe in Anyako, sie in noch zarterem Alter in Waya. Später, als beide getauft waren, haben sie sich gefunden und in den Dienst der Mission gestellt.

Die vier Hauptdörfer des Hostammes, die nahe bei der Station liegen, machen durchaus nicht den Eindruck einer afrikanischen Wildnis, obwohl die Mehrzahl der Bewohner noch heidnisch ist. Die Eingebornen haben auch hier eine gewisse Kultur, mögen sie auch im Vergleich mit der europäischen recht minderwertig erscheinen. Wenn also die Mission weiter nichts zu bringen hätte, als Kultur, so käme sie bei den Evhenegern zu spät. Aber die Kulturfrüchte sind ja nur als ein Nebenprodukt der Missionsarbeit anzusehen, allerdings als ein solches, das niemals und nirgends ausbleibt, denn jede heidnische Kultur ist noch der Veredelung durch das Christentum fähig und bedürftig. Wenn das schon von Indien und Japan gilt, wie viel mehr von den Verhältnissen, unter denen die Evheneger leben. Aber dass auch diese schon eine Kultur haben, steht außer Frage. Sie sind durchaus keine faulen Menschen, die nur darauf warten, dass ihnen die Früchte in den Mund wachsen. Wir sahen auf unserm Rundgange viele in ihren Pflanzungen arbeiten. Es ist wahr, ihre Werkzeuge sind meist von recht primitiver Art. Während man in der Missionsstation europäische Karren, Hacken und Spaten benutzt, sahen wir bei den Eingebornen, soweit sie nicht in unmittelbarem Zusammenhange mit der Mission stehen, fast nur ihre alten, meist hölzernen Geräte. Aber sie erreichen damit doch auch ihren Zweck, das Land aufzubrechen und für die Saat vorzubereiten. Nur dass es ihnen mehr Zeit kostet, ein Begriff, für den der Neger noch kein Verständnis besitzt.

Die Wohnungen in den Dörfern fanden wir bescheiden, aber doch nicht so elend, wie bei der fluktuierenden Bevölkerung an der Küste. Hier hat doch jede Familie ihr eigenes, abgeschlossenes Gehöft. Viel Baumeisterkunst haben sie freilich an ihren selbsterrichteten Häusern nicht angewendet; es ist ein und derselbe immer wiederkehrende Baustil, der oben beschrieben wurde. Die Fensteröffnungen, deren Wert man im Gegensatz zu andern afrikanischen Gegenden doch schon erkannt hat, werden nur durch Läden verschlossen. Zum Luxus von Glasfenstern, wie sie sich in den Missionshäusern finden, versteigt sich der Eingeborne noch nicht, es müsste denn gerade ein christlicher Lehrer sein, der auch bei schlechtem Wetter gutes Licht zum Lesen seiner Bücher braucht. Letzteres ist wohl zu beachten; auf ähnliche Weise führen sich in den christlichen Negerhäusern die Tische und andre europäische Hausgeräte ein. Jedes Schulkind wird eben mehr oder weniger zu einem Träger europäischer Kultur.

Für uns war der Unterschied zwischen heidnischen und christlichen Häusern besonders interessant. Die Wohnungen der Christen tragen in vieler Hinsicht die Zeichen eines guten Fortschritts an sich. Man findet in ihnen vor allem eine größere Reinlichkeit und Ordnung, so sehr die Bewohner auch sonst am Landesbrauch festhalten. Unser kundiger Führer überraschte uns dabei durch die Bemerkung, man könne es meist schon an der äußern Haltung des Hauswesens sehen, wenn ein Christ oder eine Christin lau würde und wieder heidnische Anwandlungen bekäme: dann bräche die alte heidnische Unsauberkeit im Hause wieder durch.

Auch in Bezug auf die Kleidung fanden wir einen Unterschied zwischen Heiden und Christen. Die Nacktheit oder vielmehr Halbnacktheit verschwindet bei dem wachsenden Einfluss der Mission mehr und mehr. Es ist das zurzeit weniger bei der Arbeit zu sehen, wo sich auch die Christen mit der notwendigsten Verhüllung um die Lenden begnügen; aber anders im Hause. So oft wir in ein Christenhaus traten, kamen uns die Frauen in Röcken und Blusen entgegen, oder sie legten dieselben doch schnell an, wenn der unerwartete Besuch sie bei der Arbeit überraschte. Die christlichen Mädchen gewöhnen sich schon in der Schulzeit an die reichlichere Kleidung, denn dort wird darauf gehalten. Es soll freilich vorkommen, dass mancher kleine Wildfang, sobald er ein Stück vom Schulhause entfernt ist, das lästige Kleidungsstück auszieht und unter dem Arme nach Hause trägt, aber je mehr die Kinder heranwachsen, umsomehr wird ihnen das Kleid selbst zum Bedürfnis. Erfreulicherweise wird das, was zur landesüblichen Kleidung gehört, von den Eingebornen selbst gefertigt. Sie verstehen Garn zu spinnen und Zeuge zu weben; manche fangen allerdings an, die billigen und gleichmäßigeren Maschinengarne aus Europa zu kaufen, aber das Weben wird im Lande selbst besorgt. Es ist ein Verdienst der Missionare, dass die Landestracht in und bei Ho noch nicht verschwunden ist; sie lassen nichts unversucht, der Einführung europäischer Kleidungsstücke entgegenzuwirken.

Wir kehrten auch eine Weile beim Hokönige in Wegbe ein. Derselbe stellt sich zwar ganz freundlich zur Mission, denkt aber für seine Person anscheinend noch nicht an einen Übertritt. Wir sollten bei ihm einige hässliche Zeichen des afrikanischen Heidentums sehen. Er zeigte uns mit Stolz seine Staatstrompete, die mit 16 Kinnbacken von erschlagenen Asantekriegern geschmückt ist und eine große Trommel, an der, wie er mit Bedauern erklärte, gerade noch ein Schädel fehlt, um die gewünschte Zahl voll zu machen.

Ho ist von einem Kranze mehr oder weniger weit entwickelter Zweigstationen umgeben, auf denen zurzeit sechs eingeborne Gehilfen tätig sind. Einige von ihnen sind hervorragend tüchtige Leute. Wir hatten nicht Zeit, alle diese Außenorte aufzusuchen. Aber eine der entfernteren Zweigstationen haben wir doch kennen gelernt, das im Peki-Bezirk liegende Tschito-Awudome. Ein dort gerade stattfindendes Fest führte viele Christen aus der Nachbarschaft zusammen: die Weihe der neuen Schulkapelle.

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Tschito

Schon am Sonnabend zogen wir in Tschito ein. Der starke Verkehr auf den Zugangswegen ließ uns ahnen, wie stark die Beteiligung an der sonntäglichen Feier werden würde. Das stattliche neue Gebäude, von dessen Dachfirst ein Kreuz winkt, wurde gerade von den christlichen Bewohnern des Ortes mit Palmzweigen und Blumen aufs schönste geschmückt. Die Christenhäuser waren schon so überfüllt, dass es für die am späteren Abend kommenden Gäste fast unmöglich wurde, einen Herbergsraum zu beschaffen. Denn nicht nur aus allen benachbarten Stationen der Bremer Mission waren sie gekommen, auch von der Baseler Station Anum erschien ein Missionar mit vielen Christen. Es sei den Heiden von Tschito zur Ehre nachgesagt, dass sie sich ebenfalls sehr gastfreundlich bezeigten und einen guten Teil der Festgäste bei sich beherbergten. Missionar Spieth aus Ho hielt am Abend mit den Lehrern noch eine Konferenz. Hier wurde das umständliche Festprogramm gründlich durchgegangen und erweitert, auch galt es die Gaben, die aus Anlass der Kapellenweihe geschenkt wurden, in Empfang zu nehmen. Alle Nachbargemeinden, auch die der Baseler Brüder, hatten recht beträchtliche Summen aufgebracht, selbst die Heiden von Tschito überreichten 54 Mark und zwei Lasten Yams. Nach der Konferenz versuchten wir, zu Bett zu gehen, aber an ein baldiges Einschlafen war nicht zu denken. Die schöne Vollmondnacht ließ die Eingebornen in ihren dichten Quartieren lange nicht zur Ruhe kommen. Die Christen von nah und fern trugen bis tief in die Nacht hinein ihre Lieder vor. Die von Anum sangen sogar vierstimmig. Das klang so feierlich in die stille Nacht hinaus. Wie ganz anders war dieser Vorabend des Festes, als man sich daheim eine Nacht im Heidenlande denkt. Sonntag früh um vier Uhr fing der Gesang von neuem an. Die jungen Mädchen gingen Wasser schöpfen und gaben dabei ihrer Freude Ausdruck, dass der Festtag gekommen sei. Die kirchliche Feier begann um neun Uhr. Als es zum dritten Male läutete, kam der Festzug der Gemeinde, von den Ältesten geführt, mit Gesang zu dem Hügel gezogen, auf dem die Kapelle erbaut ist. Der Posaunenchor von Ho stimmte das Lied an: "Tut mir auf die schöne Pforte" und alle Christen fielen ein.

Nun schloss Missionar Spieth die Türe auf, und bald war das große Gotteshaus zum Erdrücken voll, ja es mussten wenigstens zwei Drittel der Anwesenden draußen bleiben, um dem Gange der Feier durch Tür und Fenster zu folgen. Vorsorglicher« weise war vor dem Hause ein leichtes Gerüst mit einem Dach aus Palmblättern gebaut, damit die Zuhörer doch im Schatten stehen konnten. Unter ihnen waren viele Heiden; manche hatte vielleicht mehr die Neugierde getrieben, als das Verlangen, Gottes Wort zu hören. Doch auch sie haben gehört und gesehen, dass die Christen in ihrem Heiligtum besser daran sind, als sie bei ihren Götzen, Als der Gottesdienst eben begonnen hatte und die große Versammlung ruhig geworden war. horte man plötzlich einen großen Lärm und starkes Trommeln. Was war's? Der König und die Häuptlinge von Tschito, Anyirabase, Kuanti und Avemi kamen verspätet an, teils in Tragstühlen mit Schirmen, teils in feinen Hängematten. Um ihretwillen wurde die schon begonnene Predigt unterbrochen, bis man ihnen ganz vorne bei der Kanzel einen Platz verschafft hatte. Da sie ihre Stühle selber mitbrachten, waren die Festordner wenigstens nicht um eine Sitzgelegenheit verlegen. Sie mussten nun aber bis zum Schluss der ganzen Feier aushalten, denn an ein Hinauskommen durch die dichte Menge war nicht zu denken. Und kurz war der Gottesdienst nicht. Es ist erstaunlich, wie viel die Neger an so einem Festtage vertragen können. Sie werden nicht müde zu singen und zu hören. Auf die Vormittagsfeier folgte noch eine ausgedehnte Versammlung am Nachmittag, wobei viele Eingeborne zu Worte kamen, die recht beredt sind und eine merkwürdig bilderreiche Sprache reden.

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Amedschovhe

Nach unsrer Rückkehr zur Hauptstation lag uns nur noch eins am Herzen: ein Besuch in Amedschovhe. Es ist von Ho noch eine mäßige Tagereise bis dorthin. Ein von den Missionsleuten neu angelegter Richtweg führt direkt auf die Station zu. Hier wurde die Landschaft immer bergiger und grüner, ja als wir Amedschovhe und seine Umgebung kennen lernten, sahen wir, dass auch unser Togogebiet seine Naturschönheiten hat. Im Gegensatz zu der an fließendem Wasser armen Küste ist der Gebirgszug, der das Hinterland des Togogebiets quer durchschneidet, reichlich mit Quellwasser versehen und fast das ganze Jahr von frischen, kühlen Lüften umweht. Wie wohltuend ist ferner für den Wanderer, der aus der ziemlich waldlosen Küstenregion kommt, eine Wanderung durch den köstlichen, dunklen Wald! Es war ein durchaus glücklicher Gedanke der Missionsleitung, auf diesen Bergen eine Gesundheitsstation für die in der Ebene matt und fieberkrank gewordenen Europäer zu errichten. Das ist nämlich Amedschovhe in erster Linie und erst nach und nach haben sich die Schulanstalten dazu gefunden, die jetzt der Station eine solche Bedeutung auch für die direkte Missionsarbeit geben. Der Ausblick, den man vom Missionshause genießt, hat bisher noch jedem, mochte er Missionar, Forschungsreisender oder Offizier sein, einen Ausruf des Entzückens entlockt. Bei hellem Wetter genießt man eine großartige Aussicht und Fernsicht, die sich über einen großen Teil des westlichen Togogebiets erstreckt. Gegen Norden ist der Blick am meisten beschränkt Hier erhebt der naheliegende Gemiberg sein felsiges, aber von üppigem Grün umhülltes Haupt, noch zwei bis 300 Fuß höher als unser Standort auf der Missionshöhe. Der Einblick in das zwischenliegende Tal ist ganz köstlich. Man schaut von oben auf die Straßen und Häuser des Bergdorfes Amedschovhe hinab und beobachtet das Leben und Treiben des schwarzen Völkchens. Zur Rechten des Gemi dehnt sich eine mehrere Tagereisen weite, flache Ebene, durchzogen von dunklen Schlangenlinien; es sind die mit kräftigem Baumwuchs eingesäumten Bachläufe des Dayi, Achavo und wie diese Gewässer, die in den Todschie münden, alle heißen mögen. Hinter der Ebene erhebt sich wieder ein hohes Gebirge, die Fortsetzung des Höhenzugs, auf dem wir selbst stehen. Dort liegt die deutsche Militärstation Misahöhe, mit der ein freundschaftlicher Verkehr von der Missionsstation unterhalten wird. Im Süden ruht das Auge auf den dunklen Wäldern der nahen Hügelketten, wo noch so mancher Baumriese steht, der auf die Axt des Holzfällers wartet, und wo sich neben den Kautschukpflanzen die wunderbare Palmliane findet. In kolossalen Bogen windet sich der verhältnismäßig dünne Stamm dieser Palme hin und her und man muss oft lange suchen, bis man den Standort erspäht, während der Wipfel ganz wo anders die schönsten aller Palmzweige hoch in die klare Luft streckt. Im Westen schweift das Auge bis hinüber ins englische Gebiet, über die Peki- und Nyangboberge bis in die Gegend, die der Voltafluss bespült. Ja, damit auch das, was jedem Landschaftsbild den höchsten Reiz gibt, nicht ganz fehle, erblickt man diesen Fluss gerade an einer Stelle, wo er einen Wasserfall bildet.

Das der Mission gehörige Grundstück ist ungefähr ebenso ausgedehnt, wie das in Ho. Auch hier ist ein Teil zu einer Kaffeeplantage und andern Anpflanzungen benutzt. Die Gebäude sind alle noch ganz neu und sehr solid aufgeführt. Da fällt vor allem das schöne Missionshaus in die Augen, das für acht bis zehn Europäer bequem Raum bietet. Es wurde im Jahre 1889 gebaut. Ein Stück davon steht auf der einen Seite das Seminar, auf der andern die Mittelschule, beides ganz neue, praktisch angelegte Gebäude, Außerdem ist eine kleine Kapelle da. Über die Anlage der Station hat ein Mann, der Erfahrung mit afrikanischen Bauten besaß, Premierleutnant Herold von Misahöhe folgendes Urteil gefällt: "Die Missionare haben geschickt benutzt, was die allgütige Natur ihnen freigebig gewählte und haben ihre Erfahrung mit Klugheit praktisch verwertet, indem sie in den Grenzen ihrer leider beschränkten Mittel alle Hilfsmittel der Technik heranzogen, um das gleiche zeitig gesündeste, aber auch stolzeste Bauwerk des Togogebietes hier aufzuführen, welches deshalb ein Muster für alle neu zu errichtenden Massivbauten in den Tropen zu nennen ist. Herr Missionar Seeger hat in diesem Bau der Mission und sich ein bleibendes Denkmal gesetzt. Da der ganze Bau grundsätzlich mit tunlichst ausschließlicher Benutzung einheimischen Materials durch eingeborne Handwerker und Arbeiter von einem Missionar ausgeführt wurde, liefert dieser Umstand den glänzendsten Beweis dafür, dass die evangelischen Missionare die Eingebornen mit großem Erfolge zur Arbeit gewöhnten und sich einen tüchtigen Stamm erprobter Handwerker erzogen."

Dieses Urteil aus sachkundiger Feder kann die Missionsleitung mit umso größerer Genugtuung verzeichnen, als es ihr bei der Errichtung des Missionshauses, zu dem seit Herolds Urteil die oben erwähnten drei weiteren Gebäude gekommen sind, nicht um einen Pracht- und Reklamebau zu tun gewesen ist, sondern lediglich um die Herstellung gesunder und praktischer Wohnungen. Dass die von der Mission gebildeten Handwerker und Arbeiter etwas Ordentliches gelernt haben und unter verständiger Anleitung solide Arbeit liefern, war denen, die das Leben auf den Missionsstationen etwas gründlicher kennen gelernt haben, schon lange bekannt.

Aber wichtiger, als diese äußeren Errungenschaften, sind die geistlichen Erfolge der Arbeit in Amedschovhe. Bei der Anlage der Station kam es in erster Linie auf eine gesunde Lage an, weil das Haus als Erholungs- und Genesungsheim dienen sollte. Man konnte daher nicht allzu viel Rücksicht darauf nehmen, ob in der unmittelbaren Nähe auch viel Gelegenheit zur Heidenbekehrung wäre. Die Verhältnisse haben sich jedoch auch in dieser Hinsicht zur Zufriedenheit entwickelt. Nachdem Paulo Tumitse, ein eingeborner Gehilfe, der selbst aus der Gegend stammt, die erste Arbeit zur Sammlung einer Gemeinde getan hatte, wurde die Station im Jahre 1889 definitiv mit einem Europäer besetzt. Schon damals machte sich unter den Bewohnern des Dörfleins Amedschovhe und in der Nachbarschaft eine Bewegung zum Christentum geltend. Obwohl für die Gottesdienste nur die frühere Ziegelhütte zur Verfügung stand, kamen doch regelmäßig 80 - 100 Zuhörer. Die inzwischen gebaute bescheidene Kirche, die sobald als möglich durch einen größeren und schöneren Bau ersetzt werden soll, wird jetzt von einer viel zahlreicheren Gemeinde besucht. Die Seelenzahl der Station beläuft sich zwar nur wenig über 100, es kommen aber regelmäßig viele Heiden zum Gottesdienst. Auch lassen es die Missionare an Predigtreisen im Distrikt, in dem die drei Außenstationen Wodze, Angfoe und Leklebi liegen, nicht fehlen. Sie lassen sich dabei gern von einer zur Gemeinde gehörige Frau helfen, die man geradezu eine Evangelistin nennen kann, eine seltene Erscheinung in Westafrika. Es ist Maria von Gbadzeme, eine ehemalige Priesterin des Jevhe-Dienstes, die sich vor einigen Jahren bekehrt hat und jetzt oft von der Macht des christlichen Glaubens Zeugnis ablegt. Man kann sich denken, welchen Eindruck es auf die heidnischen Hörer machen muss, wenn sie von der Torheit des Götzendienstes redet, in dem sie selbst einst eine hervorragende Rolle gespielt hat.

Der wichtigste Zweig der auf der Station getanen Arbeit ist die Schultätigkeit. In Amedschovhe befindet sich die Hochschule der christlichen Evheneger, das Seminar. Das Schulwesen der Mission ist hier natürlich nicht so vielgestaltig, wie etwa in dem alten Kulturlande Indien, aber im Laufe der Jahre haben sich immerhin verschiedene Anstalten entwickelt, von denen immer eine auf den Schultern der andern steht. Alle Stationen, auch die Außenplätze haben ihre von eingebornen Lehrern bedienten Schulen. Wenn nun ein begabter Knabe eine solche gewöhnliche Dorfschule durchgemacht hat und Lust bekommt, mehr zu lernen, zieht er auf die Hauptstation, wo die Schüler einen etwas weitergehenden Unterricht erhalten. Hier wird wieder eine Auswahl getroffen; die besten von ihnen treten in die sogenannten Mittelschulen ein, wo ihnen neben einem vertieften religiösen Unterricht eine gute weltliche Bildung gegeben wird, die sie befähigt, der Mission oder der Regierung zu dienen, oder bei den europäischen Kaufleuten einen lohnenden Posten einzunehmen. Sie lernen auch eine fremde Sprache. Bisher war es das Englische, für die im deutschen Gebiet liegenden Schulanstalten tritt jetzt aber die deutsche Sprache an dessen Stelle. Solcher Mittelschulen hat die Evhemission jetzt zwei, eine in Keta, die andre in Amedschovhe. Zur Ausbildung der eingebornen Pastoren aber reicht das, was die jungen Leute in der Mittelschule lernen, auch noch nicht ganz aus. Darum griff man seit längerer Zeit zu dem Aushilfsmittel, die begabtesten Mittelschüler nach Europa zu rufen, wo sich, wie oben schon erwähnt, der Pfarrer Binder in Westheim ihre Einführung in das theologische Wissen angelegen sein lässt. Seit einer Reihe von Jahren ist aber als oberste Spitze des Schulwesens im Lande das Seminar entstanden, mit dessen Hilfe man die ganze Ausbildung der eingebornen Gehilfen in Afrika vollenden zu können hofft. Anfangs befand es sich in Keta. Aber der schlechte Einfluss, den das unchristliche Leben vieler Europäer auf die jungen Leute übte und die beständige Versuchung zum Eintritt in gutbesoldete Stellen bei den Handelshäusern, in denen die reiferen Missionsschüler sehr begehrt sind, gaben Anlass, das Seminar nach Amedschovhe zu verlegen, das den weißen Lehrern obendrein den Vorteil eines gesunderen Klimas und größerer Arbeitskraft gewährt. Infolgedessen stellt jetzt die Station mit ihrer Mittelschule und dem Seminar sozusagen die wissenschaftlichste Stätte in der Evhemission dar. Zurzeit ist die Zahl der Seminaristen noch gering. Als der letzte Kursus abgeschlossen wurde, konnten sechs junge Männer entlassen werden. Es waren aber so viele offene Lehrerstellen angemeldet, dass der Bedarf kaum zur Hälfte gedeckt werden konnte. Möge die treffliche Anstalt, deren Unterricht wir eines Tages beiwohnten, unter Gottes Segen fortfahren, einen tüchtigen Lehrer- und Pastorenstand aus den Eingebornen heranzuziehen. Die wirkliche Christianisierung eines afrikanischen Volkes kann nicht durch die fremden weißen Lehrer, sondern nur durch seine eigenen Söhne geschehen. Man darf hoffen, dass das Bild der Evhemission nach einigen Generationen ein ganz andres sein wird, als jetzt. Dann wird viele Arbeit, die gegenwärtig noch von Europäern getan werden muss, von ihren schwarzen Schülern und Nachfolgern geleistet werden können. Wie aber die Dinge zurzeit liegen, können die eingebornen Gehilfen der Führung und Aufsicht seitens der weißen Missionare nicht entbehren, ja die Zahl der letzteren muss noch sehr vermehrt werden, wenn im ganzen deutschen Togogebiet ein so solider Grund zur künftigen Evhekirche gelegt werden soll, wie wir ihn längs der alten Missionsstraße von Keta nach Amedschovhe kennen gelernt haben. Die bisher getane Arbeit gleicht doch nur einem vereinzelten Lichtstrahl, der von der Küste her ins finstre Heidenland fällt. Wie viel noch zu tun bleibt, lehrt ein flüchtiger Blick auf die Karte des jetzt in seinen Grenzen festgelegten Gebiets. Wenn man bis Amedschovhe vorgedrungen ist, hat man doch nur etwa erst den fünften Teil der Strecke zwischen der Küste und der nördlichen Grenze des Hinterlandes unsrer Kolonie durchwandert. Da liegt noch eine Riesenaufgabe vor den im Togogebiet arbeitenden Missionaren. Hinter dem Evhevolk finden sich andre Stämme, bei denen wahrscheinlich das Heidentum noch viel fester sitzt, als in den verkehrsreichen Küstengebieten. Zu einem derselben, der mit den jenseits des Voltaftusses wohnenden Asante verwandt ist, dringen jetzt eben die Baseler Missionare aus dem benachbarten englischen Gebiet vor. Sie haben schon eine Niederlassung in Bismarckburg (Landschaft Adele) errichtet, eine andere in dem der Küste etwas näher liegenden Lande Boem ist im Entstehen begriffen. Möchte es den vereinigten Bestrebungen der Norddeutschen und der Baseler Mission gelingen, in die schaurige Nacht des heidnischen Fetischdienstes immer mehr das helle Licht des evangelischen Glaubens hineinstrahlen zu lassen.

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Anmerkungen

1)
Die ersten römischen Missionare trafen 1892 an der Togoküste ein. Das deutsche Gebiet ist inzwischen schon zu einer Apostolischen Präfektur erhoben worden, die sich in den Händen der "Missionäre vom göttlichen Wort" (Steyl) befindet. Ihre Stationen Lome, Porto Seguro, Togo, Adjido und Gridji liegen alle dicht an der Küste, Es wirken hier 7 Priester und acht Laienbrüder und acht weiße Schwestern, Nach der letzten Statistik von "Gott will es" haben sie zwölf Knaben- und zwei Mädchenschulen mit 510 Schülern; das schwarze Lehrpersonal besteht aus 18 Lehrern und zwei Lehrerinnen.

2)
Die Katholiken haben in ihrer Apostolischen Präfektur Kamerun die Sendboten der Genossenschaft der Pallotiner aus den Missionshäusern in Limburg a. d. L. Der Präfekt verfügt über sechs Priester, zwölf Laienbrüder und acht weiße Schwestern. Ihre Hauptstationen sind Kribi, Marienberg, Edea (Edie) und Engelberg. In den Schulen werden etwa 980 Kinder unterrichtet. Über Taufen und Gemeindeseelenzahl liegen keine Meldungen im "Gott will es" vor. Beginn der Arbeit: Ende 1890.

3)
Bis vor kurzem hatte Deutsch-Südwestafrika noch keine römische Konkurrenzmission, die Freude hat aber nicht lange gedauert. Im Mai 1896 kamen römische Missionare über den Orangefluss, die sich unter dem Vorwand geistlicher Fürsorge für die deutschen Soldaten und Ansiedler ihrer Konfession in Windhoek (Grenze zwischen Nama- und Hererogebiet) niedergelassen haben. Da ihnen die Erlaubnis zur Heidenmission von der Regierung unter Hinweis auf die genügende Besetzung durch die Rheinische Mission unter den Nama und Herero versagt wurde, haben sie im Ovambolande eine erste Niederlassung gegründet.

4)
Die römische Propaganda unterscheidet in Deutsch-Ostafrika die fünf Apostolischen Präfekturen: Süd-Nyanza, Unyanyembe, Tanganjika, Nord- und Südsansibar unter je einem Bischof. Insgesamt werden 29 Stationen aufgezählt, auf denen 116 Missionare, 43 weiße Schwestern und 62 Katecheten tätig sind. Was die Zahl der Katechumenen und der Getauften betrifft, so ist daraus bei der merkwürdigen Statistik der römischen Berichte nicht klug zu werden. Mit der Erteilung der Taufe scheinen die Römischen jetzt etwas vorsichtiger zu werden, seitdem der "kritische" D. Warneck den Finger auf diesen faulen Fleck gelegt hat.

5)
Römische Missionare gibt es in der deutschen Südsee seit 1891, wo sich die Sendboten "Vom Herzen Jesu" nahe bei der deutschen Station Herbertshöh auf Neupommern niederließen. Dort besteht jetzt ein apostolisches Vikariat mit acht Stationen, auf denen zehn Missionare wirken. Der Bischof Couppé zeichnet sich durch ein besonders hässliches Benehmen gegen die evangelische Mission aus. Kaiser Wilhelmsland erhielt 1896 die ersten römischen Missionare, die sich im Nordwesten des Schutzgebiets bei Berlin-Hafen anbauten.

6)
Vom Neuen Testament ist bereits die dritte Auflage gedruckt. Außerdem gibt es in der Evhesprache ein biblisches Geschichtsbuch, ein Liederbuch, ein Konfirmandenbüchlein, sowie einige Lese- und Rechenbücher und eine Weltgeschichte.

Woermann-Linie

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Vietor, Johann Karl ("J.K.")

Auszug aus Wiebke Hoffmann "Auswandern und Zurückkehren", Waxmann, 2009, Seite 48/49

"Geboren 1861 in Bremen, gestorben 1934 in Hude; nach der Schulzeit: dreieinhalbjährige kaufmännische Lehre in Firma Warnecken & Sohn; Militärzeit; danach Berufstätigkeit bei einem Onkel, August Stachow, Teilhaber der Firma Schröder, Gebrüder & Co. in Hamburg; ab Januar 1883 Stellung in Firma Rodatz in Liverpool; im August 1884 wechselte er zu seinem Onkel in die Firma Friedrich M. Vietor Söhne nach Westafrika; wurde Leiter der Niederlassung in Klein-Popo; mit Kredit seines Onkels Fritz Vietor Gründung eines eigenen Überseegeschäfts. Von 1884-1894 lebte er ständig in Westafrika, danach unternahm er bis 1914 etwa im Zweijahresrhythmus monatelange Überseeaufenthalte.

Eltern: Pastor und Vorsitzender der Norddeutschen Missionsgesellschaft in Bremen, Dr. theol. Cornelius Rudolf Vietor (1814-1897), der aus drei Ehen siebzehn Kinder hatte; J.K. Vietor war das zehnte aus der zweiten Ehe mit Adelheid Henriette, geb. Luce (1831-1865).

Eheschließung: 1894 mit Hedwig Henriette, geb. Augener (1875-1955), Tochter des Überseekaufmanns Friedrich Christoff Augener (1832-1888) und Helene (1841-1878), geb. Augener; in zweiter Ehe mit Meta Gesine, geb. Augener (1841-1932). Der Vater war von 1887 bis zu seinem Tod Geschäftspartner von Friedrich Köper in Guatemala.

Hedwig Vietor verbrachte als Kind einige Jahre in Guatemala; ihre Brüder waren Kaufleute; drei von ihnen waren zeitweise in J.K. Vietors Firmenkonsortium in Afrika beschäftigt. Otto Augener schloss sich nach seiner Rückkehr aus Afrika einem Onkel in Guatemala an, Enrique Augener baute zusammen mit Vietor ein Handelshaus in Las Palmas auf; Andres Augener wurde 1912 Vietors Geschäftspartner in Accra/Westafrika.

Hedwig Vietor unterrichtete Kinder in der "Sonntagsschule" der Stephaniegemeinde und engagierte sich in zahlreichen wohltätigen Vereinen: Missionsverein. Frauen Erwerbsverein; Gustav-Adolf-Verein; Stephanie-Frauen-Verein; Verein Verschämte Arme; Kleiner Frauenverein von 1814 usw. sowie im Kolonialer. Frauenbund Rotes Kreuz, Mädchen-Bewahr-Verein. Zusammen mit ihrem Mann J.K. Vietor reiste sie erst 1926 nach Westafrika.

Neun Kinder: Hedwig Henriette Meta ("Hedi"), geb. 1894; Johann Karl (1899-1917); Claus Otto Emil, geb. 1901-1955; Irmgard Annemarie Erna, geb. 1904; Helene Catharine Adelheid ("Alli"), geb. 1906; Gertrud Helene Luise, geb. 1907; Wilhelm Hermann Friedrich (1910-2001); Richard (1912-1943); Siegfried (geb. ca. 1913/1914, gest. 1944). Seit 1922 arbeitete der älteste Sohn Claus auch in Westafrika.

Informanten: Ekkehart Meyer, Bonn; Wilhelm Vietor, Bremen."

Auszug Seite 104

"J.K. Vietor begann seinen Arbeitstag morgens um vier oder fünf Uhr, wenn die 'Leute aus dem Busch mit ihren Produkten' kamen. Die Afrikaner klopften ans Tor, Vietor öffnete und bis acht Uhr hatte er schon den größten Teil der angebotenen Landesprodukte für den Export aufgekauft, wie er schrieb. Von den aus Europa importierten Waren konnte er nur sehr wenig absetzen, 'aber an dem Wenigen wurde ganz kolossal schwer verdient. [...] Es war ein wahres Herrenleben für mich'. 1888, d.h. nach vierjährigem Aufenthalt in Westafrika, machte er sich mit einem Kredit seines Onkels Fritz selbständig. 1894 hatte er den Betrag zur Hälfte zurückgezahlt.

Nach seiner Heirat 1894 hielt er sich nicht mehr ständig in Afrika auf, sondern pendelte zwischen seinen Geschäften in Bremen und den Niederlassungen in Togo, Dahomey, Kamerun, Liberia, Deutsch-Südwest und Las Palmas und machte Mitarbeiter zu Teilhabern. 1912 unternahm er seine letzte Inspektionsreise, und 1927 reiste er zusammen mit seiner Frau ein letztes Mal nach Afrika.

In den Korrespondenzen an seine Frau bekannte er sich zu seiner christlichen Einstellung. Er glaubte sich von der Kraft seines Glaubens geführt, da er bei seiner Arbeit gesund blieb und erfolgreich war. Bis zum Ersten Weltkrieg entwickelte sich unter Vietors Leitung mit zuverlässigen, tropentauglichen Teilhabern ein weit verzweigtes Firmenkonsortium. Er investierte u.a. in Gummi- und Kaffeeplantagen sowie zusammen mit englischen Kapitalgebern in Afrika in Gold- und Diamantbergbau. Diese Investitionen konnte er über die Kriegsjahre retten."

Auszug Seite 155

"Wenn Vietor mit seinem Tross durch den Busch zu Marktplätzen marschierte, nahm er auch Umwege auf sich, um Schuldner an ihren Wohnorten aufzusuchen. Doch meistens waren sie nicht zu Hause. Es musste ein "günstiger Zufall" sein, wenn er jemand "überhaupt zu fassen kriegen sollte." Ihm war bewusst, dass er auf einen Teil des Schuldbetrages verzichten musste. Er hoffte, dennoch genug verdient zu haben. Mit seinem Gewinn beabsichtigte er 1894, der Norddeutschen Mission 10.000 Mark zu spenden, ein Haus auf einer der Plantagen und eins in Quidah zu bauen sowie einen großen Wassertank am Strand zu errichten."

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Lebensbeschreibung von Henriette Tolch

Auszug aus "Reise in das Land des Todesschattens" von Ilse Theil, 2008, Seite 228 - 229

"Henriette Tolch, geb. Klefenhusen wurde 1845 in Bremen geboren. Sie wird 1866 ausgesandt. Am 28. Dez. 1866 heiratet Henriette Klefenhusen in Anyako Winand Tolch.

Inspektor Zahn hatte sie für ihn ausgesucht. Im März 1867 haben beide ihr 'Erstlingsfieber' durchgemacht. Der Herr hat sich über sie erbarmt und geholfen. Im Juli hat seine Frau 'viele Schwachheiten', besonders durch häufiges Fieber und Krankheiten auch im Leib, gespürt. Doch ist es ihnen durch Gottes Gnade gut ergangen, so dass sie fröhlich rühmen dürfen 'Dem Herrn sei Dank, der so wohl an uns thut.' Am 4. Sept. 1867 wird nach schwerem Fieberanfall das erste Kind, ein gesunder Knabe geboren. Am 13. Dez. 1867 stirbt das Kind. Der Herr hat die kostbarste Gabe seiner Liebe und Barmherzigkeit aus ihrer Hand zurückgefordert. Die kleine Leiche wurde auf dem Friedhof beigesetzt. Seine Frau ist noch recht leidend und braucht Erholung, 'da die Anfälle zur Ruhr oder wie ich es nennen soll - sie immer wieder belästigen.' Sie hat heftige Schmerzen in der rechten Unterleibsseite. Seit 11 Tagen ist sie im Bett. Im Febr. 1868 bittet er um Erlaubnis, dass sie nach Aburi oder Akropong gehen kann. Er will sie begleiten. Seine Arbeit und die Arbeiter übernimmt für die Zeit Br. Rottmann. Am 5. Febr. 1869 wird eine Tochter geboren, Maria, Frida, Henriette. Seine Frau ist noch schwach, doch kann sie ihren Berufspflichten nachkommen. 1869 reisen sie zur Erholung nach Europa. Er hat vor, eine Traubenkur zu machen. Die kleine Marie leidet an einer Augenkrankheit. Am 13. 8. 1873 wird das dritte Kind, Tochter Anna Louise geboren. Im Nov. 1873 schreibt Henriette, dass sie (mit anderen) auf Wunsch ihres Mannes, wegen des Krieges zur Sicherheit von Keta nach Aburi gezogen ist. Ihr Mann würde auch noch darüber berichten. Anfang 1874 besucht Winand seine Frau auf der Basler Station. Sie hat ein 'weibliches Leiden, welches die Hülfe eines Arztes dringend erfordert. Dieterle wagte es nicht hier mit eingreifenden Mitteln zu helfen das sei die Sache eines erfahrenden Arztes' Im Juni 1874 schreibt er, dass die kleine Anna sehr durch Zahnen und an Dysenterie und Entkräftung leidet. Durch den Untergang des Steamers hat er den Brief des Arztes nicht erhalten, in dem dieser die Meinung über die Krankheit seiner Frau berichten wollte. Im Mai 1875 leidet seine Frau sehr unter Durchfall der in rothe Ruhr übergegangen ist. Auch Fieber und Milzbeschwerden habe sie. Sie vermuten ein 'tieferes Leiden'. Es wird zur Heimreise geraten, doch die Reise würde über ihre Kräfte gehen. Im Juni ist seine Frau noch immer leidend. Vor 14 Tagen ging sie ohne Kind und Dienstboten zur Erholung nach Keta. Obwohl sie Ruhe hatte, stellten sich Stiche in der linken Seite ein, 'welche ein vorgeschrittenes Milzleiden bekunden'. Er bittet um Erholung in Europa. Im Aug. 1875 reisen sie. Am 27. Febr. 1879 schreibt er, dass am 25. Ernestine Katerine im Alter von 16 Monate und 16 Tage gestorben ist. Sie litt an Ruhr, die chronisch wurde. Das Kind liegt auf dem hiesigen Friedhof eingesenkt, 'und wir Fremdlinge hier sind betrübt über die Gabe die der Herr wieder von unserer Seite genommen. (...) In Folge der Veränderung, bitte ich wenn noch möglich, die 2 Paar kleinen Schuhe, von der Februar-Bestellung zu streichen und nicht zu senden.' Im Febr. 1881 reisen sie wieder zur Erholung nach Europa. Am 17. 3. 1881 Ankunft in Bremen. Am 12. 11. wieder in Keta.

Am 24. 8. 1882 stirbt Winand Tolch in Keta an Gallenfieber. Im gleichen Jahr kehrt Henriette nach Bremen zurück. Henriette Tolch stirbt am 27. 7. 1925 in Bremen."

Quellen:
  • Becker Lina, Das kleine Poesiealbum der Lina Becker. o.O., o.J..

  • Schreiber A.W., Bausteine zur Geschichte der Norddeutschen Missions-Gesellschaft, Bremen 1936; 215, 220, 221, 228, 233.

  • Staatsarchiv Bremen, 7.1025, 57/1, 7/6, 7/7.

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Lebensbeschreibung von Margarethe Oßwald

Auszug aus "Reise in das Land des Todesschattens" von Ilse Theil, 2008, Seite 282 - 283

Margarethe Oßwald, geb. Hesse geboren in Rönnebeck bei Bremen.
Im März 1889 reist Carl Oßwald zur Erholung nach Europa... 1889 wird Margarethe zusammen mit ihrem Mann Carl Oßwald ausgesandt...

Im Nov. 1891 sind sie nach Amedzofe gezogen. Seine Frau ist schwer krank, Schüttelfrost, Fieber und Erbrechen. Sie muss bei der Übersiedlung 2/3 des Weges in einer Hängematte getragen werden. Es ging bergauf und bergab, über Bäume und Felsen, vier Flüsse mussten überquert werden. In dem neuen Haus haben sie zwei Zimmer belegt. Seiner Frau geht es inzwischen etwas besser. Sie haben die Kisten ausgepackt, und sich 'mollig' eingerichtet. In einer Nacht starb ein Einheimischer. Es wurde die ganze Nacht geschossen. In einer Ruhepause sangen die Klageweiber. Im Jahresbericht von 1896 schreibt er, dass er abends Hausbesuche macht, weil tagsüber alle bei der Arbeit sind. Es freuen sich alle, wenn er seine Frau mitbringt. Margarethe beklagt sich aus Keta über das sündige Verhalten der Kaufleute. Sie verkehren mit Leuten, 'die Sünde nicht Sünde nennen, sondern Alles erlaubt, ja natürlich und notwendig finden. Wenn ein junger, noch unverdorbener Mann hierher kommt und muss häufig solche Reden anhören, wie wir sie sogar zu hören bekommen, (obgleich man sich doch in unserer Gegenwart noch etwas geniert, alles zu sagen, was man denkt) so ist es kein Wunder, wenn er allmählig die Ansichten der älteren, erfahrenen Leute zu den seinigen macht, zumal das Klima auf allerlei Weise erregend einwirkt, nicht nur in der Art, dass die Menschen, wenigstens die Europäer, leicht ärgerlich oder zornig werden.'

Im Okt. 1897 ist sie in Deutschland. Weil Margarethe Malaria-Siechthum hat, schickt Carl sie mit Geschw. Spieth zurück. In Weener/Emsland besucht Margarethe mit Schwester Anna die dort bestehenden drei Missionsvereine, um von Afrika zu erzählen. Carl Oßwald ist auch mit seiner Frau auf Gesprächsreisen. Sie regt überall die Pastorenfrauen an, Missionsvereine zu fördern. Teilweise sieht er das Mitreisen seiner Frau als Nutzen an. Nachteil ist, dass die Reisen doppelt so teuer sind. Auch muss sie für Afrika wieder vieles herrichten...

Zu Weihnachten 1902 haben sie in Weener drei arme Kinder und zwei ihrer Angehörigen eingeladen. Er sprach bei einer Bescherung vor 30 Handwerksburschen. Seine Frau spielte bei der Feier auf dem Harmonium. 1904 ist seine Frau in Leer/Ostfriesland, um in Missionsvereinen von der Missionsarbeit zu erzählen.

Carl Oßwald stirbt am 15. 5. 1905 in Lome. Margarethe kehrt 1905 zurück. Sie schreibt aus Neuenkirchen bei Farge/Bremen. Der Abschied von Lome ist ihr nicht leicht geworden. Es wäre ihr wohler gewesen, wenn man sie neben ihren Mann gebettet hätte. Da sie sich elend fühlte wäre es ihr recht gewesen, auch zur Ruhe zu kommen...  Margarethe Oßwald stirbt am 2. 5. 1945 in Gandersum/Ostfriesland. Carl und Margarethe Oßwald haben 'An den Herrn geliebte Freunde!' einen

40seitigen Reisebericht, 'Von Hamburg bis nach Ho", geschrieben. Margarethe schreibt auf 20 Seiten an 'Liebe Kinder! Etwas von den Kindern im deutschen Togoland."

Quellen
  • Schreiber A.W., Bausteine zur Geschichte der Norddeutschen Missions-Gesellschaft, Bremen; 1936; 216, 217, 222.

  • Schreiber A.W., Heimatgeschichte der Norddeutschen Mission, Bremen 1936, 42.

  • Staatsarchiv Bremen, 7.1025, 6/1, 57/1, 70/1, 73/1.

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Lebensbeschreibung von Theodora Binder

Auszug aus "Reise in das Land des Todesschattens" von Ilse Theil, 2008, Seite 230 - 231

Theodora Binder, geb. Lufft wurde am 1. 4. 1844 in Wilhelmsdorf geboren. Im September 1865 reist Johann Conrad Binder zur Erholung nach Europa. Nachdem nun die Lebensgeister wieder frischer bei ihm geworden sind, tritt das Bedürfnis ein, wieder eine Lebensgefährtin zu haben. Er wäre dem Herrn dankbar, solange er noch in Europa ist, eine für ihn und der afrikanischen Mission entsprechende Person zu finden. Er bittet um Erlaubnis der Wiederverheiratung. Einen Schritt in der so wichtigen Sache hat er noch nicht getan. Im gleichen Schreiben dankt er für die Heiratserlaubnis, und teilt mit, dass der Herr ihm 'in Theodora Lufft, Tochter des HE. Dr. Lufft von Wilhelmsdorf, eine liebe Braut geschenkt hat. Die Eltern bringen dieses große Opfer mit Freuden, was mir eine große Stärkung meines Glaubens und eine neue Bürgschaft dafür ist, dass der Herr mich noch länger in Afrika gebrauchen will.'...

Am 1. 4. 1867 heiratet Theodora Lufft Johannes Binder. Sie ist seine zweite Ehefrau. Er dankt für die Glückwünsche zur Hochzeit. Die Feier war "lieblichernst". Seine Braut war 'Gott sei Dank recht gefasst, während die Ihrigen in der Kirche schluchzten, als wenn sie ihrer Leiche gefolgt wären.' Noch im gleichen Jahr wird Theodora an der Seite ihres Mannes ausgesandt... Am 8. 8. 1871 kehren Johannes und Theodora Binder zurück (nach Deutschland). Er gründet die Schule für Ewe-Jünglinge in Westheim...

Johann Binder stirbt am 15. 2. 1912 in Westheim. In seiner Grabrede heißt es, 'Schwer war der Anfang in dem ungesunden Lande, wo der Tod in Gestalt des Fiebers mit unheimlichem Auge umherschlich. Sein bestes musste er ihm als Beute lassen, die junge ihm erst 1 1/2 Jahre vorher angetraute Gattin. (...) Nach dreijährigem Alleinsein schloss er die 2te Ehe mit Theodora, Tochter des praktischen Arztes Dr. Lufft in Wilhelmsdorf. In dieser glücklichen auf Glaubenseinheit ruhenden Verbindung sind 6 Kinder hervorgegangen. (...) Draußen auf dem Missionsfeld durfte ihm die 2te Gattin 4 Jahre in fröhlicher Mitarbeit an die Hand gehen. Nachdem die beiden noch die Schrecken eines Einfalls der benachbarten blutgierigen Asanteer miterlebt, mussten sie aus Gesundheitsgründen in die Heimat zurück.' Theodora Binder stirbt am 16.12.1917 in Kircheim."

Quellen
  • Schreiber A.W., Bausteine zur Geschichte der Norddeutschen Missions-Gesellschaft, Bremen 1936; 220, 233.

  • Staatsarchiv Bremen, 7.1025, 57/1, 60/2.

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Karte der Norddeutschen Mission von 1911

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