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Eine Ölfrucht hilft armen Bauern

Von Klaus Sieg

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In Indien wird mit Unterstützung aus Deutschland Biodiesel aus Jatropha gewonnen. Die genügsame Pflanze soll langfristig helfen, Devisen zu sparen, Emissionen zu senken und ländliche Regionen zu entwickeln.

"Wir können mit diesem Ödland kaum etwas anfangen." Vallhaba Bhai zeigt auf die ausgedorrte Steppe. Eine hagere Kuh steht einsam auf weiter Flur. Träge rupft sie einige dürre Grashalme aus. "In Zukunft werden wir das Land vielleicht nutzen können", fügt der Dorfvorsteher hinzu, lächelt und streicht sich entschlossen über den schwarzen Schnauzbart.

Vallhaba Bhai ist der Vorsteher von Chorvadla, einem Dorf mit 1200 Einwohnern im indischen Bundesstaat Gujarat. Der Grund seiner freudigen Erwartung ist rund, grün und erinnert im getrockneten Zustand an eine Walnuss. In Inneren der Frucht befinden sich drei schwarze Samen. Diese sehr ölhaltigen Kerne sind es, die Jatropha zur neuen Cash Crop indischer Bauern machen könnte. Denn aus ihnen lässt sich hochwertiger Biodiesel herstellen.

"Um unser Dorf herum gibt es rund 500 Hektar Ödland, das sich für den Anbau von Jatropha eignet", sagt Vallhaba Bhai. Die Männer um ihn herum nicken. Sie sitzen auf einer grünen Plane, trinken süßen Tee oder rauchen Bidies, die nach verbranntem Laub riechen. Die Männer machen Pause von ihrer Arbeit auf einer Versuchsplantage mit Jatrophapflanzen. Auf rund zehn Hektar stehen lange Reihen meist noch kleiner Pflanzen. Ihr Grün bildet einen auffälligen Kontrast zu der ausgetrockneten Umgebung.

"Wir testen, unter welchen Bedingungen der Jatrophastrauch die höchsten Erträge bringt" erklärt Jinabhai Sambhubhai Patolia, Wissenschaftler vom Central Salt and Marine Chemicals Research Institut (CSMCRI). Das renommierte indische Institut ist der lokale Partner einer deutsch-indischen Entwicklungszusammenarbeit. Biodiesel aus Jatropha soll helfen, den wachsenden Kraftstoffbedarf Indiens zu befriedigen, CO2 Emissionen zu senken und degradiertes Land wieder zu kultivieren. Die Pflanze soll außerdem indischen Kleinbauern eine neue Einkommensquelle erschließen. Zwar wächst Indiens Wirtschaft mit acht Prozent rasant, doch muss ein Viertel aller Inder mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. Viele der armen Inder leben auf dem Land.

Beteiligt an dem Projekt sind die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), die Universität Hohenheim und DaimlerChrysler. Die Stuttgarter unterstützen die Forschung mit 750 000 Euro und stellen drei Testfahrzeuge der C-Klasse zur Verfügung. Die im indischen DaimlerChrysler-Werk in Pune gefertigten Modelle, sind schon 10 000 Kilometer mit Biodiesel aus Jatropha kreuz und quer durch Indien gefahren. "Selbst auf der höchsten Straße der Welt in Leh beim Himalaya gab es keine Probleme", freut sich Manas Dewan von DaimlerChrysler in Pune.

Gedeiht auch auf Stein

Flächen für den Anbau der äußerst genügsamen Ölpflanze gibt es mit etwa 170 Millionen Hektar Ödland auf dem Subkontinent genug. "Auf gut 30 Prozent davon könnte Jatropha angebaut werden", erklärt Jinabhai Sambhubhai Patolia vom CSMCRI. Vor allem kleinbäuerliche Betriebe, die häufig nur minderwertiges Land besitzen, haben durch Erosion und Klimawandel große Teile ihrer Ackerflächen verloren.

Die Jatrophapflanze ist ein Strauch aus der Familie der Wolfsmilchgewächse und stammt ursprünglich aus Mittel- und Südamerika. Mittlerweile wächst die Pflanze aber weltweit in subtropischen und tropischen Gebieten. Der Strauch gedeiht in sehr trockenem Klima mit nur 250 mm Niederschlag pro Jahr, aber auch in Regionen mit Niederschlägen bis zu 2500 mm. Jatropha wächst selbst auf nährstoffarmen, steinigen Böden. Ihr Anbau konkurriert deshalb nicht mit dem von Nahrungsmitteln, sondern hilft im Gegenteil Erosionsschäden zurückbauen oder zu verhindern. "Wir haben die Büsche immer schon zwischen den Feldern gepflanzt." Vallhaba Bhai kneift die Augen zusammen, als ein Windstoß eine Staubwolke herüber treibt. Der Dorfvorsteher zieht die Ärmel seiner Kurta herunter. Die meisten Bauern in Nordindien tragen das traditionelle, weiße Hemd. Zusammen mit dem Turban schützt es gegen die sengende Sonne.

Genügsam muss die Pflanze sein

Selbst zur Monsunzeit regnet es wenig in Gujarat. Nördlich des Bundesstaates beginnen die Wüsten von Rajastan. Aber bereits in vielen Gegenden von Gujarat herrscht akuter Wassermangel. Nur Kakteen und einige Sträucher Prosopis sorgen für etwas Grün in der weiten, staubigen Hügellandschaft. Die Flussläufe sind die meiste Zeit des Jahres trocken. Seit kurzem wird der Bundesstaat mit Wasser aus den umstrittenen Staudämmen am Namada versorgt. So können Vallhaba Bhai und die anderen Bauern aus Chorvadla auf ihrem besseren Land Sesam, Hirse und Baumwolle anbauen, aber nur mit Hilfe massiver Bewässerung. Einige besitzen auch kleine Plantagen mit Limonenbäumen. In den Gärten an den einfachen Steinhäusern des Dorfes gedeihen außerdem Chillies, Zwiebeln und anderes Gemüse für den Eigenverbrauch.

Eine genügsame Energiepflanze könnten sie also gut gebrauchen. Doch bis die Bauern Jatropha im großen Stil anbauen, muss das Verhalten der Wildpflanze erst einmal genau erforscht werden. "Die Pflanze kann sehr viel, ist züchterisch bisher aber kaum bearbeitet worden." Klaus Becker von der Universität Hohenheim beschäftigt sich seit fünfzehn Jahren mit Jatropha. Es gab Pilotprojekte zur Gewinnung von Biodiesel aus der Ölfrucht in Mali oder Nicaragua. Doch erst seit kurzem sorgt die Pflanze weltweit für Aufsehen. So kündigte etwa Brasiliens Präsident Lula an, mit der Produktion von Biodiesel aus Jatropha die Armut im Nordosten des Landes bekämpfen zu wollen. Auch in China laufen Versuche mit der Ölpflanze. "Noch gibt es weder standardisiertes Saatgut, noch berechenbare Erträge oder genügend erforschte Anbaumethoden", warnt Klaus Becker: "Aber nirgendwo wird das alles so intensiv untersucht, wie in unserem Projekt."

Der indische Forschungspartner CSMCRI hat über Jahre verschiedene Arten der Pflanze gesammelt und einige Eliteexemplare selektiert. Sie bringen das drei- bis vierfache an Erträgen der durchschnittlichen Varianten.

Auf der Plantage bei Chorvadla und auf einer weiteren Anpflanzung im Bundesstaat Orissa, werden diese nun weiter getestet. Wie viel Wasser und Platz brauchen sie? Bei welcher Düngung liefern sie die besten Erträge? Der Untergrund bei Chorvadla ist felsig, die Humusschicht nur rund zwanzig Zentimeter dick. "Die Pflanze kann auch hier ohne Düngung oder künstliche Bewässerung überleben, wir wollen aber die Erträge optimieren." Jinabhai Sambhubhai Patolia holt einige Kerne aus einem der Plastikbeutel, die zur Dokumentation an jedem Busch hängen, und legt sie in seine Handfläche. Auf den ersten Blick sehen sie aus, wie getrocknete, schwarze Bohnen.

Sprit und Seife

"Um gute Erträge zu erhalten, müssen wir die Pflanze in den vier Monaten Trockenzeit mit etwa100 Litern bewässern", erklärt der Wissenschaftler. In der Anfangsphase muss außerdem das Unkraut aus der Plantage entfernt werden und die Farmer müssen die Pflanzen beschneiden. Alle Pflanzenteile sind giftig und werden von Ziegen oder Kühen nicht gefressen. Die Plantagen kommen also ohne Zaun aus. Dennoch ist die Anfangsinvestition für die Farmer recht hoch. Denn ökonomisch sinnvolle Erträge wirft die Pflanze erst nach fünf Jahren ab - dafür aber dreißig Jahre lang. Auf den Böden bei Chorvadla erwarten die Wissenschaftler Erträge von etwa zwei Tonnen pro Hektar. Daraus lassen sich rund 500 Liter Biodiesel gewinnen.

"Um den wirtschaftlichen Nutzen für die Farmer zu optimieren, müssen wir eine Verwertung für die gesamte Pflanze finden", sagt Pushpito Ghosh, Direktor des CSMCRI in Bhavnaghar. Auf der Straße in die Kleinstadt knattern überladene Rikschas. Kamele ziehen schwere Lastkarren. Das Institut befindet sich in einem alten Maharadscha-Palast. Zwei alte "Ambassador" parken vor dem Eingang mit den hohen Säulen.

Neben der Biodieselherstellung forscht das Team von Wissenschaftlern und Ingenieuren auch an der Verwendung der Nebenprodukte. Aus dem Ölkuchen, der beim Pressen der Früchte anfällt, wollen sie Viehfutter gewinnen. Dafür muss aber das Gift der Pflanze neutralisiert werden. Bei der Umesterung des Pflanzenöls zu Biodiesel entsteht außerdem ein hoher Anteil Glyzerin. Das Institut stellt daraus unter anderem Seife her, versucht aber auch mit Hilfe von Bakterien Biopolymere aus der Masse zu gewinnen, die etwa für die Herstellung von Autositzen verwendet werden könnten.

In der hauseigenen Pilotanlage wurden im letzten Jahr 8000 Liter Biodiesel gewonnen, die den Anforderungen der Europäischen DIN-Norm 14214 entsprechen. Die Emissionen sind denen von Biodiesel aus Raps vergleichbar. Die Anlage ist für die Produktion von 250 Litern am Tag ausgerichtet und kostet etwa dreißigtausend Euro. Sie könnte also auch von einer Bauernkooperative betrieben werden.

Alternativen müssen her

Doch um den großen Markt für Biodiesel zu bedienen, braucht es andere Strukturen. Unter anderem sollen sich BP und der indische Megakonzern Reliance für die Forschung in Bhavnagar interessieren. Unabhängig von der Forschung am CSMCRI sind aber auch schon Biodieselanlagen anderer Hersteller in Betrieb gegangen, etwa in den Bundesstaaten Maharastra und Rajastan. Der Preis für Wildsamen der Jatrophapflanze hat sich vervierfacht. Indien muss den Großteil seines Erdöls importieren und teuer bezahlen. Im vergangenen Jahr wurden 40 Tonnen Diesel verbraucht. Für 2006 wird ein Verbrauch von 52 Millionen Tonnen erwartet. Alleine die Beimischung von 5 % Biodiesel würde also einen Bedarf von über 2,5 Millionen Tonnen verursachen. Ein Markt für den es sich also lohnt, über Alternativen nicht nur nachzudenken.

Das sieht auch Dorfvorsteher Vallhaba Bhai so. "Wir können es kaum abwarten, Jatropha anzupflanzen." Die anderen nicken wieder und lächeln. Dabei erinnern ihre hageren Gesichter mit den tiefen Falten an das ausgedörrte Land, das sie täglich bebauen.

Weser Kurier vom 21.10.2006

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