Gaebler Info und Genealogie

Home neu • Genealogie • Christoph Gäbler • Hannelore  Schwedes • Indien • Ökumene • Politik • Bildung • Kunst • Was noch? • Privat • Kontakt • Suchen
 

Research fields
Analogous Learning
Teacher Education
Teamteaching
Lehrerkompetenzen
Halbjahrespraktikum 1
Halbjahrespraktikum 2
Denken durch Tun
Wie Kinder lernen
Thema Zeit
Umwelterziehung
Goethe contra Newton
Affektive Erziehung
Bilder
Isidor - der Seehund
Menton
Cap Martin

Teamteaching - ein Ausbildungselement im Halbjahrespraktikum

Von Hannelore Schwedes Universität Bremen

 Hannelore Schwedes 2003In Bremen wurde zum 13.01.1999 eine neue Lehrerprüfungsordnung erlassen, die verbindlich für alle Lehramtsstudierenden ein halbjähriges Vollzeitpraktikum im Winterhalbjahr an einer Schule im Lande Bremen vorsieht. Es soll im 5. Studiensemester durchgeführt werden und der weltweit kritisierten Praxisferne in der Lehrerbildung entgegenwirken. Ein Ausbildungsmodell für ein solches Halbjahrespraktikum existiert bislang nicht. Hospitieren, selbst einige Stunden unterrichten, am Schulleben teilnehmen und reflektieren sind die vorgegebenen Tätigkeiten der PraktikantInnen. W.- M. Roth kritisiert diese Art, wie Studierende und vor allem ReferendarInnen bei uns in die Praxis des Unterrichtens eingeführt werden. Hospitieren, ohne dabei selbst aktiv werden zu können, ermöglicht Praktikantinnen nicht die Innensicht von Unterricht und die Verknüpfung mit ihren eigenen Potentialen. Es verweist sie auf dessen Sichtstruktur, auf die Beurteilerrolle. Der darauf folgende, selbst gehaltene Unterricht nach eigener Planung wird dann in der Regel wie "ins kalte Wasser springen" erlebt und führt häufig genug zum sogenannten Praxisschock (Merzyn 2000), vor allem aber zu Überlebensstrategien und die lassen wenig Raum, die Umsetzung eigener Ideen zu betreiben. Zu viele Schritte müssen auf einmal organisiert und bedacht werden.

Bewährt hat sich demgegenüber das Teamteaching als Einführung in das Unterrichten. Es wurde im Rahmen des Halbjahrespraktikums erprobt. Zwei Jahrgänge haben in Bremen inzwischen das Halbjahrespraktikum absolviert, der dritte hat gerade im September in den Schulen begonnen. Im ersten Jahrgang gab es eine Piloterprobung mit zehn freiwilligen Studierenden, im zweiten, jetzt verpflichtenden Praktikum waren 69 Studierende beteiligt, von denen sich 56 an einer Evaluation mit einem sehr umfangreichen Fragebogen beteiligt haben. Alle 10 Studierenden des ersten Durchgangs und 10 Studierende des zweiten Durchgangs wurden außerdem zu ihren Erfahrungen im Halbjahrespraktikum anhand eines Leitfadens, der auch Fragen zum Teamteaching enthielt, interviewt. Welchen Beitrag Teamteaching zur Ausbildung von LehrerInnen und speziell Studierenden im Halbjahrespraktikum leisten kann wird im folgenden erörtert.

Was heißt zunächst einmal Teamteaching? Zwei oder mehr Personen unterrichten gemeinsam eine Lerngruppe. Idealer Weise planen sie zusammen den Unterricht, führen ihn gemeinsam (Ellbogen an Ellbogen) durch und reflektieren ihn danach ausgiebig ("cogenerative dialoguing" W.-M. Roth 2002). Sie arbeiten gleichberechtigt, auch wenn sie außerhalb des Unterrichts unterschiedlichen Status haben. Sie stellen sich im Unterricht nicht gegenseitig bloß, sie respektieren sich und vertrauen einander. Sie sind gemeinsam für gelungenen oder weniger gelungenen Unterricht verantwortlich und lassen sich durch die SchülerInnen nicht gegeneinander ausspielen.

Was kann Teamteaching für die Ausbildung leisten? Es ermöglicht PraktikantInnen wie ReferendarInnen ein allmähliches Hineinwachsen in die LehrerInnenrolle dadurch, dass sie einerseits viele unterschiedliche Aufgaben übernehmen und einüben können und andererseits mehr und mehr Verantwortung und immer komplexere Aufgaben für den gemeinsamen Unterricht übernehmen (Vgl. Lave 1996). Vor allem von anderen Lehrpersonen in lernintensiven Arbeitsumgebungen lernen LehrerInnen besser zu unterrichten (Rosenholz 1989).

Teamteaching übt in die Kooperation unter Lehrenden ein und wirkt damit einem gravierenden Problem des Lehrerdaseins, dem Einzelkämpfertum, entgegen. Bei einer paarweisen Zusammenarbeit in Form von Tandems werden Auseinandersetzungen als persönlich weniger belastend empfunden. Durch regelmäßigen Austausch mit der TandempartnerIn werden Schwierigkeiten eher erkannt und können schneller bearbeitet werden. Durch die Arbeit in Tandems erhalten die betreffenden LehrerInnen die Möglichkeit zu einem Verhaltensfeedback. Dabei handelt es sich manchmal nur um Kleinigkeiten, die der Wahrnehmung der Betroffenen jedoch, bedingt durch eigene blinde Flecken, nicht zugänglich sind, im Unterricht jedoch eine große Wirkung haben können.

Teamteaching wirkt Stress mindernd aufgrund seines Potentials für konstruktives Feedback und ist damit zugleich lernförderlich. Feedback ist eine notwendige Voraussetzung für professionelle Entwicklung im Lehrberuf, für eine angemessene Leistungsmotivation und Arbeitszufriedenheit. Umgekehrt geraten LehrerInnen ohne Feedback eher in Stress, sie bleiben unsicher darin, ob und wie weit sie in Ihrem Beruf überhaupt erfolgreich sind. Damit fehlt es Ihnen an Gelassenheit für die Bewältigung der alltäglichen Probleme in der Schule.

Innovative Impulse von Seiten der Universität können durchaus in das Teamteachingmodell der Ausbildung eingebracht werden, indem sich nämlich die UniversitätsdozentInnen und LehrerausbildnerInnen in das Teamteaching integrieren und mit Hilfe des zugehörigen dualen Ausbildungselementes, des "cogenerative dialoguing" Innovationen einbringen, die konkreten Fortschritt für den laufenden Unterricht bringen und allen Beteiligten ein besseres Verständnis für die komplexen Abläufe im Unterricht ermöglicht.

Wesentlich - auch für die Ausbildungsfunktion - ist, dass die LehramtskandidatIn von Anfang an als LehrerIn gemeinsam mit der MentorIn auftritt. PraktikantIn und MentorIn arbeiten gleichberechtigt, auch wenn die PraktikantIn anfangs nur kleine Aufgaben übernimmt. Teamteaching ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, es setzt voraus, die Fähigkeiten des/r anderen wahrzunehmen und wertzuschätzen. Dies bedeutet in der Regel, dass sich die unterschiedlichen Fähigkeiten der PartnerInnen gut ergänzen und sie voneinander lernen können. Teamteaching lässt es zu, dass die beiden PartnerInnen nicht gleichzeitig gleichermaßen in das Unterrichtsgeschehen involviert sind, d. h. eine/r kann eine eher beobachtende Funktion einnehmen, aber eingreifen, wenn er/sie aus einer beobachtenden, analysierenden Position eine bessere Idee hat, wie der Unterricht bzw. die Lernsituation weitergeführt werden kann; auch kann sich der/die Aktive explizit Rat bei ihrer PartnerIn holen.

Erste Erfahrungen

In der Pilotphase haben 7 von 10 Studierenden Teamteaching erprobt, in der Hauptphase waren es 31 von 56. alle haben diese Form des Unterrichtens und ihre Erfahrungen damit als sehr positiv bewertet. Die Studierenden erprobten unterschiedliche Modelle des Teamteachings, so unterrichteten sie gemeinsam mit ihrer MentorIn, sie unterrichten gemeinsam mit einer andern PraktikantIn, sie unterrichteten als PraktikantInnenpaar gemeinsam mit ihrer MentorIn und sie entwickelten gemeinsam mit der MentorIn Projekte, die auch andere Personen in die Projektarbeit mit einschlossen.

Die Studierenden beschrieben das Teamteaching als äußerst entlastend für ihr Unterrichten, dadurch dass sie abwechselnd aktiv waren, konnten sie immer wieder den Lerngang der SchülerInnen in der Klasse beobachten und neue Handlungsimpulse setzen, wenn der Unterrichtsablauf etwas ins Stocken geriet, wenn Schüler etwas nicht verstanden hatten oder noch eine genauerer Erklärung brauchten oder auch, wenn schlicht etwas vergessen wurde, was zum (reibungslosen) Unterrichtsablauf benötigt wurde, seien es Materialien oder darzustellende Inhalte. Zwei Studierende erklärten, dass sie nach 90 Minuten gemeinsamen Unterrichtens längst nicht so gestresst waren, wie nach 45 Minuten Unterricht allein in der Klasse. Aber auch die MentorInnen wussten von der stressmindernden Wirkung des Teamteachings mit PraktikantInnen zu berichten.

Beim Teamteaching konnten PraktikantInnen die erfahrenere KollegIn beobachten und auch nachahmen, wie er/sie sich im Klassenzimmer bewegt, wie er/sie SchülerInnen anspricht, wartet, sich zuversichtlich fühlt, und dann und wann mit schwierigen Situationen umgeht. Die PraktikantIn lernt so mit ihrem ganzen Körper, wie man sich sicher fühlt, wenn man den SchülerInnen gegenüber tritt, Anforderungen oder Fragen stellt. "Dieses Selbstvertrauen ist nicht nur ein affektiver Aspekt ihres Wissens, es ist selbst aktives Wissen, das Wissen, was jetzt zu tun oder zu sagen ist, und was man jetzt vermeiden sollte zu tun oder zu sagen." (Roth, W.-M. 1998)

Alle Studierenden mit Teamteaching Erfahrung beschrieben diese Gelegenheiten als äußerst ertragreich für die Verbesserung ihrer Fähigkeiten zu unterrichten. Es half ihnen, sich ein Verhaltensrepertoire anzueignen, das sie in ihrer Rolle als LehrerIn brauchten. Alle hatten in hohem Ausmaß Classroom-management-Fähigkeiten entwickelt, sie folgten einem klaren Konzept von Regeln und Vereinbarungen mit den SchülerInnen, die im Unterricht auch von allen befolgt wurden.

Der wichtigste Gewinn für die PraktikantInnen lag in der Entwicklung eines lehreradäquaten Habitus (Bourdieu 1992), was auch den notwendigen Rollenwechsel vom Studierenden zur LehrerIn mit einschließt, sowie in der Entwicklung allgemeiner pädagogischer Fähigkeiten. Aus den Interviews und den Fallstudien sowie aus den Berichten von MentorInnen, konnten wir eine deutlich wahrnehmbare, auf den Beruf bezogene positive Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden feststellen. Sie übernahmen mehr Verantwortung für ihre Schulklassen und deren Organisation, sowohl für das Lernen der SchülerInnen als auch ihr eigenes Lernen in der Schule und in der Universität. Sie akzeptierten die Führungsrolle in der Klasse und sie stellten sich als selbstbewusste, zuversichtliche und vertrauensvolle Personen dar, die ihren Weg und ihren Platz in diesem Leben gefunden haben. Die SchülerInnen akzeptierten ihre Autorität. Bezüglich des Teamteachings kann allerdings nur gesagt werden, dass die Studierenden mit Teamteaching-Erfahrungen in obigen Dimensionen stärker zugelegt hatten als die übrigen.

Literatur

Bauer, Karl-Oswald und Kopka, Andreas (1996): "Wenn Individualisten kooperieren. Blicke in die Zukunft der Lehrerarbeit", In: Klemm, K./ Pfeiffer, H./ Rolff, H.-G. u. Bauer (Hrsg.) "Jahrbuch der Schulentwicklung" Band 9 Weinheim/München 1996

Bourdieu, P (1992) "Language and symbolic power" Cambridge, MA: Havard University press

Lave, J. (1996) "Teaching as Learning in Practice." In: Mind, Culture and Activity, 3, pp 149 - 164

Merzyn, Gottfried (2000): "Der Praxisschock bei jungen Lehrern." In: CD zur Frühjahrstagung des Fachverbandes Didaktik der Physik in der DPG Dresden 2000 Redaktion: V. Nordmeier, Münster

Rosenholtz, Susan J.: Workplace Conditions and the Rise and Fall of Teachers' Commitment: Implications for Teacher Induction Programs. In: Elementary School Journal vol. 89 No. 4; pp 421 -439

Roth, Robert A., Who will teach our Teachers? In: Educational Forum; vol. 59 No. 3, 1995 pp 258 - 64

Roth, W.-M., Becoming-in-the-Classroom: A Case Study of Teacher / Development through Coteaching In : Teacher and Teacher Education vol. 15, No. 7, 1999, pp 771 - 784

Roth, W.-M. andTobin, K. (2002) "At the Elbow of Another : Learning to Teach by Coteaching" Peter Lang: New York, Berlin

Link

 onmousedown="ET_Event.link('Link%20auf%20www.gaebler.info',