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Klimawandel

  


Klimawandel

69 Prozent der Deutschen sind fest davon überzeugt, dass der Welt eine Klimakatastrophe bevorsteht. Das hat eine repräsentative Umfrage des Emnid-Instituts ergeben. Gleichzeitig warnte in dieser Woche der amerikanische Chemiker und Mediziner James Lovelock, der unter anderem für die US-Raumfahrtbehörde NASA arbeitet, vor den Folgen des Klimawandels. Millionenstädte wie Hamburg und London könnten in einigen Jahrzehnten überflutet werden, sagte er in einem Beitrag für das Magazin "Zeit Wissen". 

Bild aus Wikipedia

Wachstumstrend der wichtigsten Treibhausgase seit den 1970er Jahren bis 2006.

Bei den meisten Forschern stoßen derart drastische Aussagen allerdings auf Widerspruch. Die Vereinten Nationen haben unter der Bezeichnung Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) einen Expertenausschuss eingerichtet, der neue Erkenntnisse zum Klimawandel sammelt. Nach IPCC-Angaben wird der Meeresspiegel bis 2100 um neun bis 88 Zentimeter ansteigen; als Vergleichsgrundlage dient dabei das Jahr 1990. Hamburg liegt im Schnitt jedoch drei Meter über dem Meeresspiegel.

Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf geht von einem Anstieg des Meeresspiegels um bis zu einen Meter aus. Dadurch wären nach Darstellung des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen Städte wie Venedig, Sankt Petersburg, aber auch Teile New Yorks von den Fluten bedroht. Seit 1870 sei der Meeresspiegel weltweit um rund 20 Zentimeter gestiegen.

Der amerikanische Klimaforscher Malte Meinshausen geht davon aus, dass bis 2050 drei Viertel aller Schweizer Gletscher abgeschmolzen sein werden. Solche Aussagen liefern auch einen Anhaltspunkt dafür, was mit den Gletschern in polaren Breiten geschehen könnte. Schmelzen sie ab, steigt zugleich der Meeresspiegel.

Längst befassen sich Experten auch damit, welche Folgen die Temperaturveränderungen für die norddeutsche Region haben könnten. So wies Professor Fritz Tack von der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock darauf hin, dass für Norddeutschland bis zum Ende des Jahrhunderts mit einem Anstieg der Temperaturen um 1,5 bis 3,5 Grad Celsius im Jahresmittel zu rechnen sei. Zu erwarten seien auch ein Rückgang der jährlichen Niederschlagsmenge und häufigere extreme Wetterlagen wie Hitzeperioden, Stürme oder Früh- und Spätfröste. Das gehe aus einer Analyse des wissenschaftlichen Beirats des mecklenburg-vorpommerschen Landesumweltministeriums hervor.

Bild aus Wikipedia

Entwicklung der CO2-Konzentration während der letzten 420.000 Jahre.
Neuere Forschungen erweiterten den erforschten Zeitraum auf über 650.000 Jahre,
veränderten das grundlegende Bild jedoch nicht.

Die erwarteten Veränderungen hätten vor allem Auswirkungen auf Land- und Forstwirtschaft, die Ostsee und ihre Küste sowie die Wasserwirtschaft, sagte Tack. Die Folgen seien allerdings nicht durchweg negativ. Unter anderem könne die Biomasse-Produktion steigen, da verstärkt Pflanzen wie Mais angebaut werden könnten. "Diese gedeihen bei höheren Temperaturen und längeren Vegetationsperioden optimal."

In der Tierhaltung wirken sich die steigenden Temperaturen laut Tack vor allem auf die Stallhaltung aus. Besonders Rinder und Geflügel würden darunter leiden, da sie nur schlecht überschüssige Körperwärme abgeben könnten. Die dadurch erhöhte körperliche Belastung mindere den Ertrag und gefährde die Gesundheit. Um dies zu verhindern, müssten Ställe neu gestaltet werden.

Weser Kurier vom 16.06.2006

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Link


Bilder mit Erklärungen zum Klimawandel

Bilder der ersten Reihe

Zweites Bild

Temperaturkurven bis 2100: Die schwarze Linie in der linken Hälfte des Diagramms zeigt die Messwerte bis zum Jahr 2000. Mithilfe einer Vielzahl von Simulationen wurde daraufhin der zukünftige Verlauf hochgerechnet.

Drittes Bild

Kohlendioxid in der Atmosphäre: Diese Grafik zeigt die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre über die vergangenen 10.000 Jahre bis ins Jahr 2005. Dabei stammt nur der rote Anteil der Kurve direkt aus wissenschaftlichen Messungen. Die Werte für zurückliegende Zeitpunkte haben Klimatologen aus Eisbohrkernen gewonnen. Der grau hinterlegte Kasten illustriert den Verlauf seit 1750 im größeren zeitlichen Rahmen.

 

Bilder der zweiten Reihe

Erstes Bild

Globale Erwärmung: Die Forscher, die am IPCC-Report gearbeitet haben, stellen drei mögliche Szenarien gegenüber. Die Globen zeigen die erwarteten regionalen Klimaveränderungen (Mittelspalte 2020 bis 2029, Rechte Spalte 2090 bis 2099). Die Skala illustriert den Farbcode für die Temperaturveränderung in Schritten von einem halben Grad Celsius.  Szenario B1 geht von der verstärkten Nutzung klimaschonender Technologien aus. Szenario A1B steht hingegen für weiter starken Kohlendioxidausstoß. A2 veranschaulicht den "Worst Case“.

Zweites Bild

Der Temperaturanstieg weltweit: Die schwarzen Linien zeigen die Entwicklung der mittleren Oberflächentemperaturen innerhalb der vergangenen 100 Jahre. Die blauen Schattierungen beschreiben die natürlichen Prozesse, die zum Klimawandel beigetragen haben. Der rote Verlauf kombiniert natürliche und vom Menschen verursachte Einflüsse.

Viertes Bild

Die Winterniederschläge weltweit: Wenn Klimaschutzmaßnahmen nur bedingt zum Tragen kommen, verändert sich auch die Niederschlagsmenge im Winter deutlich. Die Illustration zeigt, wie sie sich 2090 bis 2099 im Vergleich zu den Jahren 1980 bis 1999 entwickeln wird.

Fünftes Bild

Die Sommerniederschläge weltweit: Überschwemmungen und Dürre – wenn der Mensch wirtschaftet wie bisher – kommt es in einigen Teilen der Welt im Sommer vermehrt zu Niederschlägen. In anderen Regionen bleiben Regen (oder Schnee) ganz aus. Aus dieser Illustration gehen die regionalen Unterschiede deutlich hervor. Sie zeigen, wie sich die Niederschlagsmenge 2090 bis 2099 im Vergleich zu den Jahren 1980 bis 1999 entwickeln wird.

 

Bilder der dritte Reihe

Drittes und viertes Bild  sowie erstes und viertes Bild in der ersten Reihe: 290 KB

 


What Can Be Done


Measures -- heavily dependent on teamwork and political will -- can slow the rate of global warming and help the world cope with the climate shifts that occur.

Reducing emissions. Burning oil and coal more efficiently, switching to renewable forms of energy, such as solar and wind power, and developing new technologies for industry and transport can attack the problem at the source.

Expanding forests. Trees remove carbon dioxide, the dominant greenhouse gas, from the atmosphere. The more we have, the better. But deforestation -- the current trend -- liberates additional carbon and makes global warming worse.

Changing lifestyles and rules. The cultures and habits of millions of people -- essentially, whether they waste energy or use it efficiently -- have a major impact on climate change. So do government policies and regulations.

Coping. Steps have to be taken -- and the sooner the better -- to limit damage from consequences of global warming that are now inevitable.

Accomplishments to date. . . and problems. A side effect of the painful economic transition in Eastern Europe was a slight fall in greenhouse-gas emissions among the world's major economies between 1990 and 2000. But making more sustained progress will require overcoming a number of obstacles.

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Leserbriefe im Weser-Kurier vom 10.02.2007

Zum Artikel "Neue CO2-Grenzwerte gelten ab 2012" vom 7. Februar:

Nach uns die Sintflut!

Ob mit Angela Merkels Sturmlauf gegen strengere gesetzliche CO2-Obergrenzen oder gegen ein generelles Tempolimit auf unseren Autobahnen: Ex-Bundeskanzler Kohl wird sich darüber freuen, wie sich sein "Mädchen" die CDU-Parole "Freie Fahrt für freie Bürger" zu eigen gemacht hat. Und das angesichts der drohenden Kilimakatastrophe! Das nenne ich "konsequentes" politisches Handeln unserer deutschen EU-Ratspräsidentin. Ich muss gestehen, dass ich einer Angela Merkel eine solche umweltpolitische Dummheit nicht zugetraut habe.

GEROLD JANSSEN, BREMEN

Zum Artikel "Selbst im besten Falle droht massiver Temperaturanstieg" vom 3. Februar:

Selbstzweifel

Ich begrüße die Feststellung der bedeutendsten Klimaforscher in ihrem neuen UN-Bericht, dass der Mensch die Hauptschuld am Klimawandel trägt, und wie schon so oft frage ich mich, ob der Homo sapiens, der dabei ist, unseren wunderbaren Globus und sich selbst zu vernichten, ein Fehltritt der Natur ist. Ich fürchte, dass der massive Temperaturanstieg mit katastrophalen Folgen nicht zu verhindern sein wird, denn auch in Zukunft werden Wählerstimmen und Interessen der Industrie stärker sein als alle Umweltschutzbemühungen. Nichts zu hören ist von der rigorosen Vernichtung der letzten großen Naturparadiese einschließlich einer faszinierenden Tierwelt. Dabei sind die Regenwälder Lungen für die Menschheit und bedeutende Filter des Kohlendioxyds in der Luft. Aber werden die legalen und illegalen Rodungen dieser Wunder der Evolution jemals aufhören? Auch die rapide Bevölkerungszunahme in Afrika und Asien trägt dazu bei, die Erde zur Wüste zu machen. Leben wir in einer Welt ohne

Notausgang?

DIETRICH GRIMM, HANNOVER

Uneinsichtig

Klimaschutz und Wachstumssehnsucht, zwei Dinge, die nicht zusammenpassen. Die Klimakatastrophe ist nicht aufzuhalten. Die so genannte Krone der Schöpfung, der Homo sapiens (der vernunftbegabte Mensch) zerstört mit wachsender Begeisterung und unstillbarem Anspruchsdenken seinen Lebensraum. Diese so genannte Spezies hat alles, außer Vernunft zum Leben. Mehr ist noch lange nicht genug. Es muss noch mehr sein. Seit 50 Jahren geht aus ständig sich wiederholenden Bilanzen zum Zustand unseres Planeten Erde hervor, dass, wenn man so weiterwirtschaftet und auf immer mehr Wachstum setzt, unser Lebensraum zerstört wird. Aber sämtliche Ermahnungen und Hinweise kümmern die Wirtschaftskonzerne, Politiker und Endverbraucher nicht. Das Motto: "Mehr, schneller, höher, besser" hängt ihnen wie ein Brett vor dem Kopf.

ROSWITHA OVERDICK, BREMEN

Wie nun weiter?

Endlich wird die Welt wach! Aber wie nun weiter, damit sich wirklich etwas verändert? Lothar Meyer hat in seinem Buch "Ausstieg aus dem Crash" schon vor Jahren einen wirksamen und gerechten Vorgang vorgeschlagen: Jeder Mensch erhält sein persönliches CO2-Kontingent, das beim heutigen Durchschnitt anfängt und über etwa 20 Jahre jährlich reduziert wird, bis eine für die Erde erträgliche Grenze erreicht ist. Jede Ware und jede Dienstleistung erhält ihren CO2-Preis. Arme Inder könnten ihren Ausstoß vervielfachen, Europäer müssten ihren auf etwa ein Fünftel reduzieren, Amerikaner auf ein Zehntel. Die Wirtschaft würde sich ganz von selber umstellen. Allein, es fehlt - noch - der politische Wille!

ANGELIKA SCHNEIDER, LILIENTHAL

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Renitente Rasensünderin verhaftet

Die Rentnerin Betty Perry in Orem City (Utah) wollte Wasser sparen. Das brachte ihre eine gebrochene Nase, Prellungen und die Notaufnahme ins Krankenhaus ein. Außerdem Handschellen, den Abtransport ins örtliche Gefängnis, sowie eine Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Erregung öffentlichen Ärgernisses. Und das alles wegen ihrer Weigerung, das Gras in ihrem Vorgarten regelmäßig zu gießen. Seitdem  gesehen hat, ist sie eine engagierte Umweltaktivistin. "In unserer trockenen Gegend in Utah Unmengen von Wasser zu verschwenden, um einen blöden Rasen grün zu halten", weiß die 70-Jährige, "ist unverantwortlich und da mache ich nicht mehr mit". Schon nach ein paar Tagen war ihr Vorgarten verdorrt und die Nachbarn holten die Polizei. Denn nach den Gesetzen der Ortschaft im Schatten des Timpanogos-Berges müssen Vorgärten in einem "ordentlichen und grünen Zustand" gehalten werden. Also kam ein junger Polizist, der Oma Bettys Enkel hätte sein können, er forderte "Wasser marsch" und schrieb eine Anzeige. Worauf ihm Betty Perry mitteilte, dass er sich schnellstens vom Acker machen, und sich gefälligst um Wichtigeres kümmern solle. Damit ließ die Ressourcen schützende Dame den verdatterten Ordnungshüter einfach stehen und wollte ins Haus zurückgehen. Doch dann ging alles blitzschnell. Der Polizist erklärte die Oma für verhaftet, die erwiderte "Du hast sie wohl nicht mehr alle", es kam zum Handgemenge, die polizeilichen Handschellen trafen die Oma mit großer Wucht im Gesicht und es floss Blut. Die nächsten Stationen waren Krankenwagen, Transport in die Klinik, notärztliche Versorgung, anschließende erneute Verhaftung, Fahrt ins Gefängnis und Wegschließen in einer Zelle. Der Polizist schrieb in sein Protokoll, dass die Rasensünderin bei der Feststellung ihrer Personalien gestolpert und dabei sehr unglücklich in die gezückten Handschellen gefallen sei. Weil der vorgesetzte Sheriff an dieser Darstellung "leichte Zweifel" hatte, setzte er die Verhaftete sofort wieder auf freien Fuß und ordnete eine genaue Überprüfung an. Einiges deutet auf ein Happy End hin: Der eifrige Polizist wurde sofort seines Dienstes enthoben, und die Mitglieder der örtlichen Kirchengemeinde meldeten sich zur freiwilligen Gartenpflege. Ob dabei auch Wasser zum Einsatz kommt, steht noch nicht fest.

Weser Kurier vom 10.07.2007

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San Francisco feilt am Image der grünen Muster-Metropole 

CO2-Ausstoß soll bis 2012 um 20 Prozent sinken

Von Anja Ingenrieth

Als Geburtsstätte des "Flower Power" genießt San Francisco Kult-Status. Doch das ist vergangener Ruhm für nostalgische Alt-Hippies. Geht es nach Jared Blumenfeld, macht die Pazifikmetropole künftig mit Umweltbewusstsein von sich reden - führt Amerika als Öko-Trend-Setter in eine grüne Zukunft.

Eigentlich hat der Umweltdezernent nichts gegen Hunde. Doch ihre Hinterlassenschaften stinken ihm gewaltig: In der kalifornischen Stadt leben mehr Vierbeiner als Kinder. 6000 Tonnen nutzlosen Abfall produzieren sie jährlich. "Das ist pure Energieverschwendung", empört sich Blumenfeld. Deshalb will der 37-Jährige die Hundehaufen künftig verheizen. Experten zufolge kann man mit der Energie aus einer Tonne Tierabfall ein Haus im Nordosten der USA zwei Wochen wärmen. Der Hundekot wird in speziellen Bio-Konvertern von Mikroorganismen zersetzt - dabei entsteht Methan-Gas, was sich zur Elektrizitätsgewinnung und Treibstoffherstellung nutzen lässt. Modellversuche sind für das kommende Jahr geplant. Damit wäre San Francisco wieder einmal Vorreiter bei einem Umwelt-Projekt in Amerika. Der nächste Coup ist in Vorbereitung: ein Gezeiten-Kraftwerk unter der Golden Gate Bridge. Die Stadt pumpt derzeit zehntausende Euro in Machbarkeitsstudien.

Verzicht auf Lieblings-Wasser.

Das ist ganz im Sinne des smarten Bürgermeisters Gavin Newsom. Der umtriebige Demokrat würde am liebsten in Washington Karriere machen. Auch deshalb bastelt er eifrig am Image San Franciscos als grüner Muster-Metropole. Jüngst verbannte er Wasser in Plastikflaschen aus den Behörden, verdonnerte die Bediensteten, gefiltertes Leitungsnass zu trinken. Ein Mitarbeiter hatte ihm vorgerechnet, wie viel Millionen Liter Öl für den jährlichen Plastikflaschen-Verbrauch der Amerikaner nötig sind. Da verzichtete auch der "Stadtvater" selbst auf sein Lieblings-Wasser: Es war nicht nur in Wegwerf-Behälter abgefüllt, sondern kam dazu noch von den Fidschi-Inseln.

Doch bei Symbolpolitik will Newsom es nicht belassen. Er bescherte der Westküsten-Metropole eine 70 Mann starke Umweltbehörde. Diese zählt nicht nur zu den größten, sondern auch zu den rührigsten in Amerika. Leiter Jared Blumenfeld ist Überzeugungstäter - fährt Fahrrad, isst nie Fast Food. In seinem Büro hängt eine Computersimulation von San Francisco im Jahr 2100 - bei ungebremster globaler Erwärmung. Der Flughafen ist darauf vom Meer überspült. "Wir müssen beim Kampf gegen den Klimawandel da anfangen, wo die Probleme entstehen - in den Städten", meint der gelernte Jurist. Und zwar mit einer Mischung aus strikten Zielen, Verboten und Spar-Anreizen, die in dieser Form wohl einzigartig in Amerika ist.

Bis 2020 soll kein fester Metropolen-Müll mehr auf der Kippe landen. Mehr als 300 Tonnen kompostierbare Küchen-Garten- und Papierabfälle werden jetzt schon jeden Tag von Privathäusern und der Gastronomie eingesammelt und in Dünger verwandelt. Bester Abnehmer sind die kalifornischen Edel-Winzer im Napa Valley.

Schadstofffreie Busflotte bis 2020

Im Jahr 2012 will San Francisco seine Kohlendioxid-Emissionen um 20 Prozent unter das Niveau von 1990 gesenkt haben. Der Verkehr ist für satte 50 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Ab 2009 soll daher eine City-Maut dafür sorgen, dass weniger Autos in die Innenstadt drängen. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fährt, spart bis zu 40 Prozent bei Bus- und Bahntickets. Drei Viertel der öffentlichen Verkehrsmittel fahren bereits emissionsfrei - auch dank der traditionellen "cable cars". Bis 2020 soll die Bus-Flotte völlig schadstofffrei sein. Über 700 Gas-, Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge zählt San Francisco schon zum Bestand.

Die Versorger müssen drei Prozent ihrer Einnahmen für Energieeffizienz-Maßnahmen einsetzen. Grünes Bauen wird großzügig gefördert. Ein Öko-Vorzeigeprojekt entsteht mit städtischer Unterstützung im Golden Gate Park. Die von Star-Architekt Renzo Piano entworfene neue California Academy of Science hat ein begrüntes Dach, nutzt Solarenergie zum Heizen und aufgefangenes Regenwasser für die Toiletten. So sollen gut 230 000 Euro Betriebskosten pro Jahr gespart werden.

Begünstigt wird San Franciscos Bemühen durch die Gesetzgebung des kalifornischen Gouverneurs Arnold Schwarzenegger. Kalifornien hat in Umweltfragen schon mehrfach neue Standards und Maßstäbe in den USA gesetzt: zuletzt etwa mit einer Milliarden-Offensive zur Förderung von Solarenergie. Im Silicon Valley siedeln sich wegen der günstigen Bedingungen immer mehr Umwelttechnologiefirmen an. San Francisco hat eine Website eingerichtet, auf der sich die Einwohner individuell ausrechnen können, ob sich die Sonnenkraft für ihr Hausdach lohnt. Immer mehr Amerikaner rüsten um oder schließen sich Energie-Effizienz-Programmen von Stadt und Versorgern an.

Weser Kurier vom 13.10.2007

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Sag nein zum Trockner!

Susan Taylor aus dem exklusiven Awbrey Butte im US-Staat Oregon trocknet ihre Wäsche gern draußen an der Leine. Nicht nur, dass Hemden, Handtücher und Bettlaken dann frischer riechen, als es auch das beste Duftmittel im elektrischen Trockner bewirken kann. Hauptsächlich geht es der 55-Jährigen darum, einen Beitrag zum Kampf gegen die globale Erwärmung zu leisten.

Schließlich entfallen ungefähr sechs Prozent des Stromverbrauchs in den US-Haushalten auf die Wäschetrockner. Damit liegen die Trockner in der Liste der Energiefresser hinter den Kühlschränken und Lampen an dritter Stelle. Mehrere gute Gründe für Taylor also, ihre Wäsche im Wind flattern zu lassen.

Aber nun ist es damit vorbei. Denn Taylor gehört zu den 60 Millionen Amerikanern, die in einer von einem gewählten Hauseigentümer-Verband verwalteten Gemeinde leben, zumeist mondäne Siedlungen für Besserbetuchte. Etwa 300 000 gibt es davon in den USA, und in den meisten von ihnen ist das öffentliche Wäschetrocknen auf Beschluss dieser Räte verboten. Wäscheleinen seien hässlich, und der Wert eines Hauses könne um 15 Prozent sinken, wenn in der Nachbarschaft draußen angeklammert werde, sagt zum Beispiel Richard Monson, Präsident des Dachverbandes der kalifornischen Hauseigentümer-Vereinigungen. "Hausbesitzer von heute wollen keine Unterwäsche in der Öffentlichkeit sehen."

So blieb auch der umweltbewussten Taylor nach mehreren Drohungen des örtlichen Nachbarschaftsrates mit rechtlichen Schritten nichts anderes übrig, als ihre Leine in die heimische Garage zu verlegen - bei leicht geöffneter Tür, wie das "Wall Street Journal" berichtete. Wenn ihr die Regeln nicht passten, könne sie ja wegziehen, gab man ihr zu verstehen.

Genau darüber denkt Taylor auch zurzeit nach. Und sie steht damit nicht allein da. Immer mehr Amerikaner schwören, hauptsächlich aus Umweltschutzgründen, dem elektrischen Trockner ab oder wollen es tun, berichtet Alexander Lee. Er ist der Gründer des "Projekts Wäscheliste", der ersten Pro-Wäscheleine-Organisation in den USA, wie er sagt. Immer mehr Bürger wendeten sich an seine Gruppe und fragten nach rechtlichem Rat, das heißt Wegen, die leinenfeindlichen Vereinigungen zum Einlenken zu zwingen, berichtet Lee. Er spricht von einer wahren Wäscheleinen-Bewegung, die zunehmend an Dampf gewinne.

Dem "Wall Street Journal" zufolge gibt es mittlerweile zehn US-Bundesstaaten, in denen die Befugnis der Hausbesitzer-Vereinigungen zum Verbot der Installation von Sonnenenergie-Vorrichtungen eingeschränkt ist. Aber in acht von ihnen ist unklar, ob Wäscheleinen in diese Kategorie fallen. Nur in Florida und Utah ist ausdrücklich festgelegt, dass niemand das Recht habe, die Wäscheleine zu verbannen. In Vermont soll im Januar über einen ähnlichen Gesetzentwurf abgestimmt werden.

Hier, in diesem nordöstlichen Bundesstaat, betreiben Michelle Baker und ihr Mann seit April ein Wäscheleinen-Geschäft. Sie kamen auf die Idee, nachdem sie selbst in Läden vergeblich nach einer Leine gesucht hatten, die auch in den kalten Wintern Vermonts hält und dazu auch noch gut aussieht. So drehten sich die Eheleute ihren eigenen Strick - ein Produkt in Blütenweiß. Inzwischen erhalten die Bakers Bestellungen aus allen Teilen der USA. Nach Medienberichten melden auch andere Geschäfte einen deutlich gestiegenen Absatz.

Aber der Weg bis zum Aus für die elektrischen Trockner ist noch weit. Nach Berechnungen der US-Vereinigung der Haushaltsgeräte-Hersteller gab es 2005 in den USA etwa 88 Millionen dieser Spezies.

Weser Kurier vom 22.10.2007

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Interview mit Ernst von Weizsäcker

Ist Energie nicht viel zu billig? Verbraucher mögen an der Zapfsäule über den hohen Benzinpreis klagen - Energie sei trotzdem immer noch viel zu billig, sagt der deutsche Wissenschaftler und Politiker Ernst von Weizsäcker im Gespräch mit tagesschau.de. Und er weist Wege aus dem Dilemma der Energieverschwendung.

tagesschau.de: Herr von Weizsäcker, die Verbraucher stöhnen weltweit unter immer neuen Preissteigerungen beim Benzin. Sie vertreten aber die These, dass Energie zu billig ist - und mit der Zeit immer teurer werden sollte ...

Ernst von Weizsäcker: Ja. Anfang der 80er-Jahre sind die Energiepreise abgestürzt. Damals wäre ein guter Moment für den Staat gewesen, die Preise zu stabilisieren - und sie dann in kleinen Schritten zu erhöhen. Dann hätten wir heute ungefähr die gleichen Energiepreise, wie wir sie tatsächlich haben. Nur: Der Staat wäre sehr viel reicher, oder er hätte andere Steuern senken können. Alle wären vernünftig angepasst, nirgendwo gäbe es einen Schock, die Energieeffizienz wäre doppelt so hoch wie heute, und die erneuerbaren Energien wären noch weiter gediehen als heute. Mit anderen Worten: Alle wären sehr zufrieden.

tagesschau.de: Wozu brauchen wir eine staatliche Preisregulierung - noch dazu nach oben?

Weizsäcker: Der Staat muss das korrigieren, was der Markt nicht hinkriegt. Der Markt berücksichtigt im Grunde ja nicht die Wertschöpfung aus dem Öl, sondern nur, wie teuer es ist, Öl aus dem Boden zu pumpen und zu vermarkten. Und das war in den 60er- und in den 80er-Jahren schändlich billig. Und entsprechend hat man dann in Saus und Braus gelebt. Die Amerikaner haben eine absurde Autoflotte mit gigantischem Verbrauch aufgebaut. Jetzt jammern sie.

tagesschau.de: Sie sprechen im Zusammenhang mit der bisherigen Preisgestaltung für Energie auch von "Leninismus" - wieso?

Weizsäcker: Lenin hat gemeint, der Kommunismus gedeiht, wenn die Energie nichts kostet und auch das Wasser nichts und auch das Weißbrot nichts. Mit der Folge, dass die Leute dann ihre Schweine mit Weißbrot gefüttert haben, und dass sie ganz unglaublich und unsäglich viel Energie verschwendet haben. Selbst im sibirischen Winter musste man die Fenster aufreißen, damit es drinnen nicht zu heiß wird. Daran zeigt sich: Wenn eine wertvolle Sache keinen entsprechenden Preis hat, dann geht eigentlich alles schief.

tagesschau.de: Sie haben in Ihrem Buch "Faktor Vier" einen Bauplan für umweltschonendes Wachstum vorgelegt. Aus jeder Kilowattstunde Strom, aus jedem Fass Öl könnte demnach das Vierfache herausgeholt werden. Wie das?

Weizsäcker: Das geht sehr wohl. Als wir das Buch geschrieben haben, hatten ja noch alle die klassischen Glühbirnen. Der Übergang auf die heutigen Sparlampen brachte schon allein den Faktor vier. Inzwischen rollt schon die nächste Generation von LED-Lampen heran. Die sind noch mal zweieinhalbmal so gut - das entspricht einem Faktor zehn gegenüber früher.

tagesschau.de: Und bei Autos?

Weizsäcker: Man kann Autos so bauen, dass die nur noch etwa 1,5 Liter auf 100 Kilometer brauchen. Man kann Häuser so bauen, dass sie so gut wie keine Heizung mehr brauchen. Meine Frau und ich haben so etwas gerade gebaut. Der Nachfolger des Buchs kommt nächstes Jahr, das wird dann "Faktor fünf" heißen. Wir sind also noch ehrgeiziger.

tagesschau.de: Warum haben Sie es nicht gleich "Faktor zehn" genannt?

Weizsäcker: Auf Dauer ist auch ein Faktor zehn zu machen. Aber ich denke jetzt noch für unsere Generation der Ingenieure; die sollten den Faktor fünf anpeilen. Und die Politik muss durch entsprechende Förderung dafür sorgen, dass sich das dann auch lohnt.

tagesschau.de: Wie weit ist die Industrie, was Erzeugung von energiesparenden Produkten angeht?

Weizsäcker: Die Industrie kann nicht sehr kühn in die Zukunft planen. Sie muss sich hauptsächlich nach dem Markt richten. Und der Markt hat ihr in den letzten 25 Jahren immer mitgeteilt: Energieeffizienz ist eigentlich nicht wichtig, sondern es muss schick und modern aussehen. Dennoch gibt es ein Umdenken - vor allem in Europa, Japan, China und mittlerweile sogar in den USA. Schon in fünf Jahren werden wesentlich energieeffizientere Technologien auf dem Markt sein. General Electrics prahlt inzwischen öffentlich mit der Energieeffizienz seiner Anlagen.

tagesschau.de: Ist es also mehr als PR, wenn sich Ölkonzerne wie BP einen Imagewandel Richtung Biokraftstoffe, Gezeitenkraftwerke und dergleichen verordnen?

Weizsäcker: Es ist viel mehr als PR. Die großen Ölfirmen sind in Sachen Biomasse und Holz sehr aktiv. Das Energieunternehmen Shell soll inzwischen der größte Waldbesitzer der Erde sein. Nur - das ist nicht unbedingt eine ökologisch gute Nachricht. Wenn man Erdöl durch Öl aus Holz oder gar aus Raps ersetzt, dann ist das ökologisch unter Umständen sogar noch schlechter. Die Effizienz ist also im Grunde viel wichtiger als die Ersatztreibstoffe.

tagesschau.de: Die Renaissance der Atomkraftwerke ist eine Botschaft des G8-Gipfels in Japan. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Weizsäcker: Man sollte nicht die Illusion aufbauen, Kernenergie wäre die Lösung. Uran ist knapper als Erdgas. Im übrigen wissen wir noch nicht, wohin mit den Abfällen. An sich war der deutsche Ausstiegsbeschluss also ganz vernünftig. Denkbar wäre höchstens eine sehr eng begrenzte Laufzeitverlängerung für sehr sichere Kernkraftwerke. Vielleicht ist das am Ende besser als ein sehr rascher Ausstieg.

tagesschau.de: Sie haben es gerade gesagt: In fünf Jahren haben wir dann vielleicht schon eine Verbesserung. Mit welchen Treibstoffen werden wir in zehn, 20 Jahren Auto fahren, fliegen, und womit werden wir heizen?

Weizsäcker: In den USA denken alle, dass der Strom den Sprit ersetzt. Da geht es um den Plug-in-Hybrid. Das ist ein Hybrid-Auto, bei dem der Strom aus der Steckdose kommt. Das könnte theoretisch mit Windenergie zu betreiben sein, wäre ökologisch relativ vernünftig. Aber das wichtigste ist wie gesagt die Effizienz. Wenn ein Auto nur noch 1,5 Liter auf 100 Kilometer schluckt, dann braucht man sozusagen drei Saudi-Arabiens nicht mehr und kann trotzdem eine vernünftige Mobilität haben.

Zur Person: Ernst Ulrich von Weizsäcker (*1939 in Zürich) ist Klimaforscher und SPD-Politiker. Der Neffe von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker leitete u.a. verschiedene Klimaforschungsinstitute und saß dem Umweltausschuss des Bundestages vor. Seit 2006 ist er Dekan der Bren School of Environmental Science and Management der University of California in Santa Barbara.

Das Interview führte Christian Radler, tagesschau.de

tagesschau.de vom 10.07.2008


Loske fordert Abkehr vom Wachstum

Interview Radio Bremen

Von Michael Brandt

Reinhard Loske (Grüne) eckt an, seit er 2007 den Job als Umweltsenator übernommen hat. Mit unpopulären Entscheidungen, wie zum Beispiel der Bevorzugung von Fahrrädern im Verkehr, mit der Umweltzone und mit Naturschutzplänen für Industriegelände. Jetzt legt der Klimapolitiker eine Denkschrift vor, die weit über diesen Rahmen hinausgeht. Er fordert, um die Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen, eine Abkehr vom Wachstum. Ein Modell, das die 20-Stunden-Woche ebenso umfasst wie die Zerschlagung großer Kapitalgesellschaften im Namen der Nachhaltigkeit.

Bei den eisigen Wintern in diesem und im vergangenen Jahr mag man Zweifel bekommen an der Botschaft von der Erderwärmung. Bei einer dicken Schneedecke und Temperaturen um minus zehn Grad genügt eigentlich ein Blick aus dem Fenster, um vom Gegenteil überzeugt zu sein. Und doch: In seiner Denkschrift "Abschied vom Wachstumszwang" warnt der Klimawissenschaftler Loske davor, alles so laufen zu lassen wie in den vergangenen Jahren.

Seine These: Wenn der Temperaturanstieg wenigstens so gebremst werden soll, "dass wir uns vielleicht noch an ihn anpassen können", bedeutet dies, den CO2-Ausstoß weltweit um den Faktor drei zu reduzieren. In den Industriestaaten um den Faktor zehn. Das sind massive Einschnitte in alle Bereiche, die mit Verbrennung zu tun haben, bei der Mobilität genauso wie in der Produktion. Die Rechnung setzt aber voraus, dass die Weltbevölkerung nicht weiter wächst... Tut sie aber, von jetzt sieben auf neun Milliarden Menschen im Jahr 2050. Ein Szenario mit leichtem Gruselfaktor.

Erneuerbare Energien reichen nicht

Denjenigen, die allein auf die Kraft der technischen Innovation setzen, erteilt Loske eine Absage. "Was nutzt die Halbierung des Spritverbrauchs, wenn sich die Zahl der Autos verdoppelt?" Und der Umweltsenator, der auf Wind- und Solarenergie setzt, räumt wenige Seiten später ein: Auch erneuerbare Energien könnten den wachsenden Energieverbrauch nicht klimaneutral decken. Er warnt: Wer allein auf Innovation der Technik vertraut, begibt sich in eine Effizienz-Diktatur.

Hält es Loske überhaupt für machbar, die Aufgabe zu lösen und den Klimawandel zu bremsen? Gibt es überhaupt eine Chance? "Man kann sich nicht täglich die Größe des Problems vor Augen halten", räumt er ein. Deshalb orientiert er sich an dem Spruch: "Pessimismus in der Analyse, Optimismus im Handeln." Zwischen den Zeilen, so ist der Eindruck beim Lesen, überwiegt allerdings die Skepsis. Auf den 64 Seiten der Denkschrift skizziert Loske aus seiner Warte einen möglichen Ausweg.

Abkehr vom Überfluss und vom ständigen "immer mehr"

Kernaussage: Eine Abkehr vom Wachstum ist zwingend. Loske fordert unter dem Strich, dass die Menschen ihre Wertvorstellungen bewusst und grundlegend ändern. Eine neue Ethik. Eine Abkehr vom Überfluss und vom ständigen "immer mehr". Das hört sich zwar zunächst esoterisch an, ist für den Senator aber ganz konkret: Ein neues Gesellschaftmodell mit Grundrente für alle, kürzeren Arbeitszeiten, mehr sozialem Engagement und Werbeverbot im Kinderfernsehen. Und Aktienkurse haben nach Ansicht von Reinhard Loske im Fernsehen auch nichts zu suchen. Seine Rechnung in verkürzter Form: Weniger Konsum und weniger Arbeit sorgen für weniger Produktion und für weniger Schadstoffe.

Das ist nicht unbedingt neu, in den vergangenen zehn Jahren aber eindeutig aus der Mode gekommen. Jetzt ist die Diskussion wieder in vollem Gange. Bereits 1972 legte ein Forscherteam unter der Leitung des US-Wissenschaftlers Dennis Meadows einen Bericht an den Club of Rome vor. Mit Hilfe von Computermodellen machten die Autoren damals deutlich, dass exponenzielles Wachstum und endliche Ressourcen zwangsläufig zum Zusammenbruch führen. 2004 wurde die letzte Überarbeitung des Berichts vorgelegt. Und auch damit wird eine eindeutige Warnung transportiert: Ein "weiter so" wie bisher würde ab 2030 zum Kollaps führen.

Es gibt eine Gegenbewegung

Nicht alle glauben daran, es gibt eine Gegenbewegung. So bezeichnet Michael Miersch in einem Kommentar der "Welt" das Wiedererstarken der Wachstumskritik als "Retro-Welle". Seiner Ansicht nach ist der "Club of Rome" widerlegt und die Wachstumskritik lediglich der Ausdruck einer alternden Gesellschaft und ihrer perspektivlosen Elite. Seine Argumente: Als Folgen des Wachstums gibt es heute weniger Arme, eine höhere Getreideproduktion, mehr Demokratien.

Das nun wieder hält der Bund für Umwelt und Naturschutz für gefährlich. Auf einer Internetseite des BUND aus Süddeutschland wird davor gewarnt, dass heute Indien und China dabei sind, "unser zerstörerisches Modell einer Raubwirtschaft nachzuahmen." Exponentielles Wirtschaftswachstum von drei oder fünf Prozent führe zwangsläufig zur Selbstzerstörung. Loske hat in der jüngeren Vergangenheit zwei Vorträge über die Frage gehalten, wie die Verbindung zwischen Klimawandel und Wachstum aussieht. "Ich habe festgestellt, dass sich unglaublich viele Menschen mit diesem Thema beschäftigen." Selbst der damalige Bundespräsident Horst Köhler hatte im Oktober 2009 in einer Rede erklärt, es gehe angesichts des Klimawandels um mehr als um Wachstum. Köhler wird zitiert: "Der Wandel wird auch unseren Lebensstil verändern - wir werden lernen, mit weniger Verbrauch glücklich und zufrieden zu sein."

Kulturwandel aus purer Einsicht

Das ist ganz dicht bei Loske. Der Kulturwandel aus purer Einsicht ist seiner Ansicht nach dringend notwendig. Die Alternative wäre seiner Ansicht nach, dass Umweltkrisen und Konflikte um Ressourcen die Menschen schließlich auf einen noch wesentlich radikaleren Kurs zwingen, wenn sie sich nicht rechtzeitig besinnen.

Er umreißt neun Handlungsfelder für seine "Politik der Mäßigung" und entwickelt daraus Forderungen. Eine negative Verzichtsdebatte möchte der Senator dabei augenscheinlich vermeiden, um nicht als Miesmacher abgestempelt zu werden. Er argumentiert stattdessen, dass mehr Besitz und mehr Konsum ab einem bestimmten Niveau nachweisbar nicht glücklicher machen. Er vertritt aber die These, dass die Menschen Freiräume, die durch Konsumverzicht entstehen, sinnvoll nutzen können.

Keine Aktien-Nachrichten mehr

Beispiele aus dem Forderungskatalog:

  1. Das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab für gesellschaftliche Entwicklung muss um mehrere Komponenten wie Gesundheit, Bildung und Umweltqualität erweitert werden. Der rein ökonomische Maßstab muss in ein Gesamtbild eingebettet werden.

  2. Konsum mit Augenmaß, Schluss mit Gier - um dies zu erreichen hat Loske zwei Beispiele parat. Er schlägt ein Ende der Aktien-Nachrichten im Fernsehen vor und ein Aus für Werbung im Kinderfernsehen. Denn: "Schon früh soll eine Konditionierung auf Konsum stattfinden."

  3. Eine Verkürzung der Arbeitszeit und gleichzeitig eine Stärkung sinnvoller Tätigkeiten in der Freizeit. So kann der Wachstumsdruck gedämpft werden. Loske konstruiert daraus ein "neues Gleichgewicht" aus Arbeit und Leben". Perspektivisch sei die "20-Stunden-Woche für alle" wünschenswert, zunächst müsse es aber flexible Modell geben.

  4. Jeder erhält ein "Bürgergeld", das die Existenz sichert und seitens des Staates an keine Bedingungen geknüpft ist.

  5. Konsequente Umsetzung einer Ökosteuer. Die Steuer muss sich an Energie-, Rohstoff-, Flächen- und Wasserverbrauch orientieren. "Die Potenziale dieses Konzeptes sind bei weitem noch nicht ausgereizt."

  6. Handel regionalisieren und unnötige und unökologische Wege vermeiden.

  7. Loske fordert eine Neuausrichtung von Unternehmen. Große Kapitalgesellschaften, so lautet seine Kritik, unterliegen in der Regel einem hohen Wachstumsdruck. Politik muss seiner Meinung nach kleine, regional handelnde Unternehmen fördern. Außerdem verlangt er tiefe Einschnitte in das Markt-System: Der Staat muss sicherstellen, "dass dem Größenwachstum klare Grenzen gesetzt werden."

Wachstum als Selbstzweck, zu diesem Schluss kommt der Senator, kann nicht gut sein. Wachstum muss einem Ziel dienen. Er möchte seine Denkschrift als Teil der Diskussion darüber verstanden wissen, welche Ziele die richtigen sind.

Reinhard Loske: "Abschied vom Wachstumszwang - Konturen einer Politik der Mäßigung" ist in der Basilisken-Presse erschienen (ISBN 978-3-941365-11-7) und kostet 14 Euro.

Weser Kurier vom 05.01.2011


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