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Die USA und der irakische Widerstand

Inhalt


Irak und das globale Gleichgewicht

Von Walden Bello

Die Besatzung des Irak hat Bilder von bleibender Dauer hervorgebracht, die für immer den Treibsand verdeutlichen werden, in dem die US-Politik im Irak steckt. Einige Analysten führen die Probleme auf die Fehleinschätzungen von Donald Rumsfeld zurück. Der US-Verteidigungsminister hat ihrer Meinung nach einfach unterschätzt, was für eine erfolgreiche militärische Besatzung des Irak nötig sein würde. Rumsfeld nahm an, dass 160.000 Soldaten ausreichen würden, um den Irak zu besiegen und zu besetzen. Aber sogar General Anthony Zinnis Schätzung von 500.000 Soldaten, die dem Höhepunkt der US-Truppenpräsenz in Vietnam entspricht, könnte zu niedrig sein angesichts der rasanten Geschwindigkeit, mit der der Aufstand sich in den ländlichen Gegenden wie auch in den Städten des Irak ausgebreitet hat.

Unfähigkeit haben Rumsfeld und die US-Strategen und Kolonialverwalter sicherlich an den Tag gelegt. Aber ihre militärischen und politischen Patzerwaren die unausweichlichen Konsequenzen der kollektiven Selbstüberschätzung George Bushs und der im Weißen Haus dominierenden Neo-Konservativen. Ein Element dieser Selbsttäuschung war der Glaube, dass die Iraker Saddam Hussein so sehr hassten, dass sie jede unbefristete militärische und politische Besatzung, die mit einer Lizenz zum Stümpertum ausgestattet wäre, hinnehmen würden. Ein zweites Element dieser verzerrten Wahrnehmung war die unerschütterliche Behauptung, hinter dem ausgreifenden Aufstand stünden nur übrig gebliebene Anhänger des Saddam-Regimes, während alle Welt sah, dass der Widerstand Unterstützung und eine Basis in der Bevölkerung besaß. Drittens lag die Annahme fehl, dass die Kluft zwischen Sunniten und Schiiten so tief sei, dass sie sich nicht auf einer nationalistischen oder religiösen Grundlage zu einer gemeinsamen Anstrengung gegen die USA zusammenfinden könnten. Mit anderen Worten waren es die Amerikaner selbst, die sich ein Netz aus falschen Grundannahmen spannen, in dem sie nun festhängen.

Die Bushisten sind hoffnungslos realitätsfremd. Aber das sind auch andere in den herrschenden Kreisen von Washington. Ein einflussreicher Kritiker der Regierungspolitik, Fareed Zakaria, Herausgeber der internationalen Ausgabe von Newsweek, hat zum Beispiel folgendes als Ausweg anzubieten: »Die USA müssen verschiedene sunnitische Führer bestechen, beschwatzen und kooptieren, um die Aufständischen von der Bevölkerung zu trennen... Die Stammesscheichs, ehemalige Baath-Mitglieder der unteren Ebenen und regionale Machthaber müssen beharrlich hofiert werden. Und zusätzlich muss Geld anfangen, in irakische Hände zu fließen.«

Nationalismus und Islam: Brennstoff des Widerstandes

Die Wahrheit ist, dass das neo-konservative Szenario einer raschen Invasion, der Befriedung der Bevölkerung mit Schokolade und Geld, der Errichtung einer Marionetten-»Demokratie« unter der Vormundschaft von Washingtons Proteges, dann der Abzug in Richtung ferner Militärbasen, während von den USA ausgebildete Armee- und Polizeikräfte die Sicherheit in den Städten überwachen, von Anfang an eine Totgeburt war. Trotz vieler Risse ist die Anziehungskraft von Nationalismus und Islam durch alle ethnischen Gruppen hindurch stark. Das wurde mir mit aller Deutlichkeit bei zwei Begebenheiten bewusst, als ich den Irak kurz vor der Bombardierung zusammen mit einer parlamentarischen Delegation besuchte. Als wir einen Kurs an der Universität von Bagdad fragten, was sie von der kommenden Invasion dächten, antwortete eine junge Frau mit fester Stimme, dass George Bush, wenn er sich auch nur ein wenig mit Geschichte beschäftigt hätte, wissen müsste, dass die Amerikaner dasselbe Schicksal erwarte wie die zahllosen anderen Armeen, die in den letzten 4000 Jahren in Mesopotamien einmarschiert sind und es geplündert haben. Als wir Bagdad verließen, waren wir überzeugt, dass die jungen Männer und Frauen, mit denen wir gesprochen hatten, sich nicht ohne weiteres einer fremden Besatzung fügen würden.

Zwei Tage später und nur Stunden vor Einsetzen der amerikanischen Bombardements trafen wir an der syrischen Grenze auf eine Gruppe Mudschahedin, die in entgegengesetzter Richtung an uns vorbei fuhren. Sie waren voller Energie und Tatendrang unterwegs, sich den Amerikanern entgegen zu stellen. Sie kamen aus Libyen, Tunesien, Algerien, Palästina und Syrien, und sie stellten die Vorhut von Massen islamischer Freiwilliger, die in den folgenden Monaten in den Irak strömen sollten, um sich an einem Kampf zu beteiligen, in dem sie eine entscheidende Schlacht mit den Amerikanern sehen.

Als die Invasion begann, sagten viele von uns voraus, dass die Amerikaner in Bagdad und anderen Städten auf schwer zu überwindenden Widerstand stoßen würden. Scott Ritter, der ehemalige UN-Waffeninspekteur, prophezeite in berühmt gewordenen Worten, dass die Amerikaner zu einem Rückzug aus dem Irak gezwungen sein würden wie Napoleon aus Russland, versprengt und unter ständigem Partisanenbeschuss. Wir hatten die Zeit unterschätzt, die die Bevölkerung brauchen würde, um sich aus einer unorganisierten, unterwürfigen Masse unter Saddam in eine Kraft zu verwandeln, die ihre Stärke aus Nationalismus und Islam zieht. Aber letztlich sollten wir Recht behalten. Bush spricht ununterbrochen von seinem Traum eines »neuen Irak«. Ironischerweise wird der Irak nach dem Sturz Saddams nun in einem gemeinsamen Kampf gegen eine verhasste Besatzung geschmiedet.

Entwicklung des Widerstandes

Die Amerikaner dachten, sie könnten die Unterwerfung der Iraker erzwingen und erkaufen. Mit einer Sache aber haben sie nicht gerechnet: Kampfgeist. Natürlich reicht Kampfgeist allein nicht aus. Aber was wir im Laufe der letzten Jahre gesehen haben, ist eine Bewegung, die eine steile Lernkurve vollzieht, von ungeschickten und spontanen Akten des Widerstandes hin zu dem Einsatz von Bodenraketen, improvisierten Explosionskörpern (IED), Guerilla-Überfalltaktiken und verbissenen Feuergefechten.

Tragischerweise haben diese Taktiken auch strategisch geplante Autobomben und Entführungen eingeschlossen, deren Opfer neben Soldaten und Söldnern der Besatzungskoalition auch Zivilisten wurden. Es ist fatal, dass die Taktik des Widerstandes Missionen eingeschlossen hat, die - wie die Bombenzündung in der Madrider U-Bahn, die hunderte Menschen tötete - bewusst auf Zivilisten abzielten. Solche Taten sind durch nichts zu rechtfertigen und zutiefst verabscheuenswürdig. Aber Jene, die sie allzu rasch verurteilen, möchte ich darauf hinweisen, dass sich die wahllose Tötung von rund 10.000 Zivilisten durch US-Truppen im ersten Jahr der Besatzung oder die gezielte Kriegführung gegen Zivilisten im Zuge der Belagerung Falludschas moralisch auf der selben Höhe befinden wie diese Methoden des irakischen und islamischen Widerstandes. Tatsächlich ist der »American way of war«, den nicht nur die Amerikaner praktizierten, schon immer verbunden mit der Tötung und Bestrafung der Zivilbevölkerung. Die Bombardierung Dresdens, das Flammenmeer, in das Tokyo, Hiroshima und Nagasaki getaucht wurden, die Operation Phoenix in Vietnam - alle verfolgten das strategische Ziel, Kriege durch gezielte Angriffe auf Zivilisten zu gewinnen. Also bitte kein Moralisieren mehr über die »zivilisierte Kriegführung« des Westens und die islamische »Barbarei«.

Das Problem der regierungstreuen Opposition

Der Widerstand im Irak befindet sich im Aufschwung, aber das Kräfteverhältnis ist weiterhin eindeutig auf Seiten der USA. Der Krieg im Irak hat sich in einen mit vielen Fronten entwickelt, und der Kampf um die öffentliche Meinung in den USA ist eines seiner zentralen Schlachtfelder. Hier hat es bis jetzt keinen Durchbruch gegeben. Die Liberalen bieten keine Hoffnung. Zu einer Zeit, wo sie ein grundlegendes Überdenken der US-Politik fordern und sich für einen Abzug einsetzen sollten, fahren sie einen Kurs, den der liberale Kolumnist der New York Times Gerard Baker folgendermaßen begründet: »Ob Sie glauben, dass der Irak unter Saddam eine reale Bedrohung war oder nicht, Sie können nicht bestreiten, dass eine Niederlage der USA ihn jetzt zu einer machen würde.« Es hilft nicht, Baker und andere darauf aufmerksam zu machen, dass es da keinen zwangsläufigen Zusammenhang gibt. Denn die Liberalen folgen keiner Logik, sondern den Ködern derselben durchgedrehten Rechten, die vor drei Jahrzehnten Chaos, Massaker und Bürgerkrieg für den Fall vorhersagte, dass die USA sich aus Vietnam zurückziehen sollten.

Für die US-Demokraten lautet die Alternative Stabilisierung durch größere Beteiligung der Vereinten Nationen und der europäischen Verbündeten der USA, wodurch sie sich natürlich kaum von Bush unterscheiden, der verzweifelt darum bemüht ist, die UNO und mehr Truppen aus der Koalition der Willigen ins Feld zu führen, um die US-Truppen an der Front zu entlasten.

Einer der Gründe, warum die Führer der Demokraten keinen Abzug fordern, ist ihre Angst, dies könnte ihnen bei den kommenden Wahlen schaden. Aber eine Umfrage des Gallup Meinungsforschungsinstituts vom Juni 2006 belegt, dass 59% der Amerikaner mittlerweile gegen den Krieg im Irak sind. Im Jahr der Invasion, 2003, waren es noch 32%. Aber der tiefere Grund liegt darin, dass sie mit Bakers Position übereinstimmen und meinen, dass der Krieg zwar nicht gerechtfertigt gewesen sei, man aber einen einseitigen Abzug nicht zulassen dürfe, weil das Ansehen und die Führungsrolle der USA damit einen unberechenbaren Hieb versetzt bekämen.
Wo ist die Friedensbewegung?

Die Lähmung, die die Demokraten in der Irakfrage gefangen hält, kann nur durch eines aufgebrochen werden: eine starke Anti-Kriegsbewegung wie jene, die vor und nach der Tet-Offensive 1968 zu Tausenden und täglich auf die Straßen zog. Bis jetzt ist sie noch nicht entstanden, obwohl die Enttäuschung mit der US-Politik im Irak mittlerweile mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung erfasst hat.

Die internationale Friedensbewegung hat tatsächlich gerade zu einer Zeit, da sie dringend gebraucht würde, Schwierigkeiten, in die Gänge zu kommen. Kein Protest hat mehr die Ausmaße der Demonstrationen vom 15. Februar 2003 erreicht, als mehr als 15 Millionen Menschen weltweit gegen die bevorstehende Invasion des Irak protestierten. Die Art internationalen Drucks, die politische Entscheidungsträger wirklich beeinflussen kann - tägliche Demonstrationen von Hunderttausenden in einer Stadt nach der anderen - können wir einfach, zumindest bislang, noch nicht vorweisen. Was die Frage aufwirft: War die New York Times voreilig, als sie im Vorlauf der Demonstrationen vom 15. Februar die internationale Zivilgesellschaft als die »zweitgrößte Supermacht« bezeichnete?

All dies weist darauf hin, dass die dramatischen Ereignisse im Irak noch nicht das Pendant zu den Tet-Ereignissen in Vietnam 1968 darstellen. Die einheimische Opposition gegen den Krieg muss sich in den USA erst noch zu einer kritischen Masse auswachsen. Ohne diese Herausforderung von unten und im eigenen Land wird die Bush-Administration immer mehr Truppen in den Fleischwolf Irak schicken, um eine illusorische militärische Lösung herbeizuführen, die den Konflikt in einen lang gezogenen Zermürbungskrieg verwandelt hat. Sie wird damit fortfahren, bis die Zahl der Gefallenen die Toleranzgrenze der amerikanischen Öffentlichkeit gegenüber einer Politik überschreitet, die nichts einbringt als immer mehr Zinksärge.

Irak und die globale Gleichung

Es ist paradox, dass der irakische Widerstand zwar die Kräfteverhältnisse im Irak noch nicht hat verkehren können, er aber enorm dazu beigetragen hat, die globale Gleichung umzuwandeln. Er hat einem militärisch überdehnten Washington den Mut genommen, sich an Regimewechseln in anderen Ländern wie Syrien, Nordkorea und Iran zu versuchen. Er hat Aufmerksamkeit und Ressourcen abgezogen, die Washington für eine erfolgreiche Besatzung Afghanistans gebraucht hätte. Er hat die USA davon abgehalten, sich auf ihren Hinterhof zu konzentrieren, und so der Festigung lateinamerikanischer Regierungen wie der von Nestor Kirchner in Argentinien, Luis »Lula« Ignazio da Silva in Brasilien und Hugo Chávez in Venezuela Vorschub geleistet, die sich gegen die USA und die neoliberale Politik freier Märkte stellen. Er hat Risse in dem politischen, militärischen und kulturellen Bund vertieft, der als Atlantische Allianz bekannt ist und während und nach dem Kalten Krieg als wichtiges Instrument Washingtons globaler Hegemonie diente.

Ohne die Kampfansage des irakischen Widerstandes hätten die Entwicklungsländer es nie fertig gebracht, das Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO) in Canctin im September 2003 und den US-Plan für eine Freihandelszone der Amerikas (FTAA) in Miami im November 2003 zu torpedieren.

Anti-hegemoniale Bewegungen in der ganzen Welt schulden, kurz gesagt, dem irakischen Widerstand eine Menge, weil er die Überdehnungskrise des amerikanischen Imperiums verschärft hat. Aber er hat kein hübsches Gesicht, und viele in der progressiven Bewegung in den Vereinigten Staaten und im Westen zögern noch, ihn als Verbündeten anzuerkennen. Dies ist wahrscheinlich eines der zentralen Hindernisse für das Entstehen einer dauerhaften Friedensbewegung in den USA und international: Die Mobilisierungsbemühungen der progressiven Kräfte werden durch ihre eigenen Bedenken bezüglich des irakischen Widerstandes geschwächt.

Aber es gibt nie hübsche Bewegungen für nationale Befreiung oder Unabhängigkeit. Viele westliche Progressive fühlten sich auch von den Methoden der Mau Mau in Kenia, der FLN in Algerien, der NLF in Vietnam oder der Irisch-Republikanischen Bewegung abgestoßen. Nationale Befreiungsbewegungen bitten aber nicht um ideologische oder politische Unterstützung. Alles, worauf sie aus sind, ist internationaler Druck zum Abzug einer illegitimen Besatzungsmacht, damit interne Kräfte den Freiraum bekommen, eine wirklich nationale Regierung zu bilden. Ich bin sicher, progressive Menschen auf der ganzen Welt und der irakische Widerstand können sich auf ein so begrenztes Programm einigen.

Walden Bello macht in den letzten Jahren eine Krise der Globalisierung aus, die sich aus dem Scheitern des neoliberalen Modells und der anhaltenden Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft herleitet. Er nennt dies »Crisis of Legitimacy« - die Krise der Legitimität. Diese Krise führt zu wachsenden Spannungen innerhalb des herrschenden Blocks der Industriestaaten und im weltweiten Maßstab zu einer Zunahme bewaffneter Konflikte.
Gleichzeitig eröffnen sich durch das Versagen neoliberaler und neokonservativer Politik sozialen und emanzipatorischen Bewegungen in Entwicklungsländern und anderswo neue Chancen in ihrem Kampf gegen das Vorgehen transnationaler Konzerne und der Staaten, die deren Strategien international den Weg ebnen.
Den Feldzug der Bush-Regierung im Nahen Osten und speziell der Irakkrieg markieren für Bello eine neue imperialistische Phase. Die Widersprüche der Welt genauso wie das Kräftemessen zwischen fortschrittlichen und neoliberalen Kräften betrachtet er aus der Perspektive des globalen Südens.
Dieser Text ist die gekürzte und aktualisierte Version eines 2004 erschienenen Artikels.
Übersetzung und Bearbeitung: David Meienreis.

Inhaltsverzeichnis


Multilaterale Entspannungspolitik statt distanzlose Heroisierung von Gewalt

Von Katja Kipping

Welcher Mittel darf sich Widerstand - sei er gegen eine Besatzungsmacht oder gegen ein System gerichtet - bedienen? Diese Frage ist innerhalb der verschiedenen Akteure, die in der globalisierungskritischen Bewegung aufeinander treffen, umstritten. Der Träger des alternativen Nobelpreises Walden Bello argumentiert bei aller Kritik, die er an den Anschlägen im Irak übt, dass die antihegemonialen Bewegungen in der ganzen Welt dem irakischen Widerstand eine ganze Menge schulden, weil er die Überdehnungskrise des amerikanischen Imperiums verschärft hat.

Zum einen basiert dieses Fazit auf einer sehr umstrittenen Einschätzung der Situation des Widerstandes in Irak. Doch unabhängig von der Bewertung der konkreten Situation vor Ort bezieht Bello damit eine Position, die von ihrem strategischen Ansatz her nicht unwidersprochen bleiben darf. Da diese Konfliktlinie die Linke in der Bundesrepublik noch lange begleiten wird, haben wir uns als Herausgeberinnen entschieden, diesem tief gehenden Konflikt nicht mit Auslassen oder Verschweigen zu begegnen, sondern ihn durch Thematisieren zu bearbeiten. Dies erscheint mir schon deswegen nötig, da diese Auseinandersetzung angesichts des Umstandes, dass der Terror zunehmend auch hier in der Alltagswelt der Menschen ankommt, wohl leider noch an Schärfe zunehmen wird.

Für mich als Pazifistin scheiden jegliche Protestformen aus, die auf die Verletzung oder Tötung von Menschen abzielen - und das ohne Wenn und Aber. Doch selbst wenn man keine strikt pazifistische Grundhaltung einnimmt, gibt es entscheidende Gründe dafür, dass die globalisierungskritische Bewegung klar Partei für Gewaltfreiheit ergreift.

Die Friedensbewegung hat aus gutem Grund immer wieder auf den schrecklichen Mechanismus der Gewaltspirale hingewiesen. Wer erst einmal persönlich Leid erfahren hat, wer womöglich Angehörige und Freunde verloren hat, ist schneller für den Irrweg des Hasses und der Vergeltung als für den Weg der friedlichen Konfliktlösung zu gewinnen. Die Leidtragenden des Irrweges sind dann auf beiden Seiten jeweils unschuldige Männer, Frauen und Kinder. Wenn erst einmal die Waffen sprechen, haben es die Stimmen der Vernunft und des Rechts schwer, sich Gehör zu schaffen. Die Linke darf einfach nicht Teil der Gewaltspirale werden. Schon allein deswegen, weil sie damit zur Legitimierung dieser Methoden beiträgt.

Wer wie die USA über die Instrumente einer wirtschaftlich dominanten und militärisch aggressiven Militärmacht verfügt, der ist nicht angewiesen auf Räume der Verständigung und des Austauschs von Argumenten. Die Kräfte der Zivilgesellschaft hingegen, die Kräfte, die mit der herrschenden Logik und mit der herrschenden Macht brechen wollen, sind darauf angewiesen, dass es Räume gibt für Verständigung. Im Schatten von drohenden Gewaltanschlägen entwickeln sich solche Räume wohl kaum -und zwar unabhängig davon, ob die Gewaltanschläge auf Gesundheit und Leben von Menschen, von Staaten oder von Einzelgruppen ausgehen.

Eine beherzte Solidarität mit Friedensinitiativen weltweit ist heute mehr denn je erforderlich. Aber eine distanzlose Heroisierung von Widerstandsformen, die auch vor Menschenleben nicht zurückschrecken, nur weil es sich um angeblichen antiimperalistischen Widerstand handelt, wird zum Bumerang für die Linke und die Friedensbewegung. Auf unzähligen Friedensdemos haben wir immer wieder deutlich gemacht: Gewalt als Mittel der Politik kommt nicht in Frage. Dies gilt dann aber auch für alle politischen Akteure.

Die USA setzt auf eine unilaterale militärische Dominanz. Dem sollten wir nicht mit einem weiteren Drehen der Gewaltspirale begegnen, sondern dem sollten wir eine multilaterale Entspannungspolitik und die Stärkung des Völkerrechts entgegensetzten.

 

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