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PISA
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PISA-Studie der OECD 2003

Zusammenfassung der Ergebnisse zu PISA 2003 218 KB

Bei Pisa 2000 erreichte Deutschland im Fach Mathematik Rang 20. Unter den damals vertretenen Ländern würde Deutschland heute Rang 16 belegen. Im Fach Lesen damals Rang 21, heute Rang 18. In den Naturwissenschaften damals Rang 20, heute Rang 15.

     

      

Analyse der PISA-Ergebnisse

Besser, aber ungerechter

Eine Analyse der jüngsten Pisa-Ergebnisse zeigt: Deutschlands Schulen haben sich im internationalen Vergleich verbessert. Gleichzeitig ist das Bildungssystem jedoch sozial ungerechter geworden.

Lernen für die Welt von morgen" heißt die aktuelle Pisa-Studie der OECD, und genau diese Fähigkeit 15-jähriger Schüler wurde in 40 Staaten untersucht. Wie sicher können die Nachwachsenden am Ende der Pflichtschulzeit lesen und rechnen? Wie weit reicht ihr naturwissenschaftliches Grundverständnis? Mit anderen Worten: Wie gut wurden sie von ihrer Schule für eine globalisierte, in ständigem Wandel begriffene Arbeitswelt präpariert?

Mit "Pisa 2003" liegt der mit Spannung erwartete zweite Teil des "Programme for International Student Assessment" vor. Denn nun können nicht nur die Schülerleistungen der Länder miteinander verglichen werden. Jetzt lässt sich auch erkennen, wie sich diese Leistungen im Gefolge des Pisa-Schocks verändert haben.

Als strahlender Sieger im Schwerpunktfach Mathematik erweist sich indes ein Teilnehmer, der bei der ersten Pisa-Untersuchung gar nicht dabei war: Die Neueinsteiger aus Hongkong lassen die vormaligen Spitzenreiter Japan und Südkorea hinter sich, mehr als die Hälfte der Schüler aus der Ex-Kronkolonie rechnet auf hohen Kompetenzstufen. In den Naturwissenschaften belegt Hongkong den dritten, im Lesen immerhin den zehnten Platz.

Das Ergebnis der deutschen Schüler fällt diesmal nicht ganz so schlecht aus wie vor drei Jahren. Zwar hat sich ihr Platz in der Rangliste der Nationen nur unmerklich verändert: Im Lesen bleibt Deutschland auf dem 21. Platz, in Mathematik kletterte es auf den 19., in den Naturwissenschaften auf den 18. Rang. In beiden Disziplinen lag Deutschland zuvor auf Platz 20.

Doch mit dem Pisa-Ranking, das im Jahr 2001 die deutsche Bildungslandschaft in Aufruhr versetzte, ist der neue Länderwettstreit nur bedingt zu vergleichen. Denn damals wurden nur 31 Staaten bewertet, unter den zehn Kandidaten, die nun neu dabei sind, befinden sich auch Aufsteiger wie Hongkong und Macau; die durchgängig im oberen Viertel platzierten Niederländer konnten bei Pisa 2000 nicht eingerechnet werden.

So fällt beim vordergründigen Blick auf die Platzierung kaum auf, dass die Deutschen an einigen Staaten vorbeiziehen konnten: Überholt haben die Schüler im Fach Mathematik die USA, Irland und Norwegen, im Lesen Österreich, Tschechien und Italien; in den Naturwissenschaften zogen die Deutschen sogar gleich an fünf Konkurrenten vorbei: den USA, Island, Österreich, Norwegen und Spanien.

Ein Grund zum Jubeln? Dem Kieler Bildungsforscher Manfred Prenzel, der die Untersuchung in Deutschland ausgewertet hat, kommt es mehr auf die Punktwerte an als auf die Platzierung im Länder-Ranking: "Wir vergleichen nicht die Positionen, die Deutschland auf den Rängen erzielt hat."

Gerade bei den Punktwerten aber, so geht aus dem 480 Seiten starken Pisa-Bericht hervor, haben sich die deutschen Schüler leicht nach vorn gearbeitet. In Mathematik etwa, dem Schwerpunktfach des aktuellen Pisa-Zyklus, lagen die Deutschen mit ihren Leistungen im Jahr 2000 noch merklich unter dem OECD-Durchschnitt, diesmal schafften sie es knapp darüber.

Auch in den Naturwissenschaften liegen die Deutschen nun über dem Mittel - eine signifikante Leistungssteigerung, die allerdings vor allem der Spitzengruppe zu verdanken ist: Die ohnehin guten Schüler wurden im Vergleich zur letzten Pisa-Studie noch besser. Einzig im Bereich der Lesekompetenz ist die Leistung weiterhin unterdurchschnittlich: Hier bleibt Deutschland immer noch 9 Zähler unter den als Mittelwert festgelegten 500 Leistungspunkten.

Anlass zum Aufatmen ist das alles noch nicht - zumal das Urteil der OECD über das deutsche Schulsystem, wie schon vor drei Jahren, streckenweise vernichtend ausfällt:

  • Trotz der leichten Verbesserung deutscher Schüler beträgt ihr Leistungsrückstand gegenüber den Siegerländern in Mathematik ein ganzes Schuljahr.

  • Chancengleichheit und Integration kommen im deutschen Bildungssystem weiterhin zu kurz: Nur in Ungarn, Belgien und Portugal haben Ausländerkinder und Kinder aus sozial schwachen Familien schlechtere Bildungsaussichten als in Deutschland. Die Autoren sprechen von einem "beunruhigenden" Befund. Erfolgreichen Pisa-Ländern gelingt es erheblich besser, Zuwandererkindern den Weg zu höherer Bildung zu ebnen. In Hongkong etwa, aber auch im Einwanderungsland Kanada erzielen Kinder von Ausländern ähnlich gute Leistungen wie einheimische.

  • Noch immer gelingt es in Deutschland kaum, die schwachen Schüler zu fördern. Im Schwerpunktfach Mathematik zeigt sich, dass die Leistungen starker und schwacher Schüler extrem weit auseinander klaffen. "Deutschland und Irland sind beide um den Mittelwert herum platziert", heißt es in der OECD-Studie. "Doch während Irland eine der geringsten Leistungsstreuungen hat, zeigt sich in Deutschland eine der größten."

  • Bei der Lesefähigkeit ergibt sich ein ähnliches Bild. Einzig in Belgien öffnet sich die Schere zwischen guten und schlechten Schülern ähnlich weit wie in Deutschland. Dagegen liegen bei den Lese-Siegern Finnland und Südkorea die durchschnittlichen Leistungen der Schüler sehr eng beieinander.

  • Deutsche Schüler fühlen sich nicht ausreichend von ihren Lehrern unterstützt. In den Fragebögen zum Mathematikunterricht gaben nur 43 Prozent an, ihr Lehrer interessiere sich für ihren individuellen Lernfortschritt (OECD-Durchschnitt: 58 Prozent). Weit besser betreut fühlen sich etwa die jungen Australier, Dänen und Kanadier.

  • Auch zwischen den einzelnen Schulen sind die Leistungsunterschiede gewaltig. In Kanada, Island oder Macau - allesamt bei Mathe im oberen Bereich - können Eltern darauf vertrauen, dass die Schule um die Ecke genauso gute Arbeit leistet wie jede andere. Die Matheleistungen von Lehranstalten, die in unterschiedlichen sozialen Milieus angesiedelt sind, klaffen nur in der Türkei und in Ungarn noch weiter auseinander als in Deutschland.

An Selbstvertrauen zumindest mangelt es den Deutschen trotzdem nicht. Denn auch das haben die Pisa-Prüfer erkundet. Fast 60 Prozent der deutschen Schüler sind demnach davon überzeugt, dass sie "schnell Mathematik lernen". Immerhin 42 Prozent gaben an, dass sie selbst schwierigste Aufgaben meistern. Ganz anders dagegen die erfolgreichen Asiaten. Nur jeder vierte Japaner zum Beispiel hält sich für einen schnellen Rechner, wirklich schwierige Aufgaben zu lösen, traut sich gerade einmal jeder zehnte zu.

Spiegel vom 04.12.2004

PISA: Die Schlacht um die Deutungshoheit hat begonnen

Von Jochen Leffers

... Bei der zweiten weltweiten Pisa-Studie haben sich deutsche Schüler sachte verbessert, finden aber keinen Anschluss an die Spitze. Was muss geschehen? Wie lassen sich schwache Schüler besser fördern, braucht Deutschland Gesamtschulen oder gar die Einschulung von Vierjährigen? Politiker und Bildungsexperten fahnden nach Antworten.

Armutszeugnis für Deutschland?

Die deutschen Schulen müssten umdenken, "wir dürfen nicht länger Kinder aussortieren und den schlechten Schülern keine Chance geben", so Bulmahn. Es könne nicht sein, dass "wir uns Jahr für Jahr von Pisa bestätigen lassen, dass wir bei der Bildung im Mittelfeld stehen", sagte auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), "wir müssen wieder auf einem der ersten drei Plätze in der Welt sein."

Der Weg ist weit. Beim gegenwärtigen Reformtempo rechnet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit 20 Jahren, bis die Bundesrepublik Anschluss an die Pisa-Spitzengruppe findet. Die neuen Ergebnisse seien "die Quittung für eine Politik der Hektik und richtungsloser Werkelei", sagte Vorstandmitglied Marianne Demmer und wies auf die Sparpolitik in den Bundesländern hin. So seien die Klassen größer und die Lehrerarbeitszeit erhöht worden.

Die frühe Aufteilung der 10-Jährigen auf Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien führe geradewegs "ins Elend", so Demmer. Die Kultusminister sollten sich über ein längeres gemeinsames Lernen verständigen, wie dies in allen Pisa-Siegerstaaten üblich sei. Die schleswig-holsteinische Kultusministerin Ute Ersiek-Rave (SPD) warb für eine Gemeinschaftsschule für Kinder bis zum 10. Schuljahr. Auch Grünen-Chef Reinhard Bütikofer hält die Sortierung nach der vierten Klasse für "den Fehler im System". Kinder müssten bis zur Jugend gemeinsam lernen und dabei individuell gefördert.

Der Bayerische Elternverband forderte ebenfalls eine Diskussion über "eine Schule für alle" ohne ideologische Scheuklappen. Längst sei erwiesen, dass "gerade die leistungsstarken Kinder vom Unterricht in heterogenen Gruppen profitieren", so die Vorsitzende Ursula Walther. Jugendliche aus bildungsfernen Schichten hätten weit schlechtere Chancen als Akademikerkinder, "das ist eine Zeitbombe", warnte Walther.

Damit läuft die bildungspolitische Debatte auf zwei für Unionspolitiker unangenehme Punkte hinaus: das dreigliedrige Schulsystem und die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern. Zum einen nämlich könnte es zu einer Neuauflage des ideologisch aufgeheizten Dauerstreits über Gesamtschulen kommen, für CDU-Bildungspolitiker ein absolutes Reizthema. Zum anderen kommen die Pisa-Ergebnisse just zum Höhepunkt des Föderalismusstreits auf den Tisch. Die Unionsländer pochen auf ein Ländermonopol für die Bildung, Bundesministerin Bulmahn wehrt sich energisch und warnt vor Kleinstaaterei. Und der Zustand deutscher Schulen ist ein nicht gerade überzeugendes Argument, den Bundesländern weitere Kompetenzen in der Bildungspolitik zu übertragen.

Zum dreigliedrigen deutschen Schulsystem hat der internationale Pisa-Koordinator Andreas Schleicher eine klare Meinung: "Anreize werden dort so gesetzt, dass die Verantwortung für Erfolg allein auf die Lernenden geschoben wird." Wer nicht mithalte, müsse ein Jahr wiederholen oder werde in niedrigere Bildungsgänge abgeschoben. Das gebe es in erfolgreicheren Bildungsnationen nicht, und damit werde man "das Problem der Chancengerechtigkeit nicht lösen".

Werden Knirpse zu spät eingeschult?

In Deutschland vermisst Schleicher individuelles Fordern und Fördern statt starrer Selektion. Seit Jahrhunderten sei Deutschland "Exportweltmeister in Pädagogik und Didaktik - aber wir müssen uns doch fragen, warum diese deutschen Konzepte in Ländern wie Finnland, Japan oder Kanada verwirklicht werden, aber in Deutschland allenfalls an Einzelschulen zum Tragen kommen", sagte der streitbare "Mr. Pisa".

Unterdessen ortet FDP-Politikerin Ulrike Flach die späte Einschulung in Deutschland als Grund für das mäßige Pisa-Ergebnis. Im Alter von vier Jahren solle ein Test erfolgen, mit fünf Jahren dann die Einschulung. Kinder mit Defiziten müssten eine kostenlose und verbindliche Sprachförderung erhalten. Dieter Lenzen, Präsident der FU Berlin, plädierte sogar für eine Unterrichtspflicht für Vierjährige. "Im besten Fall wäre das eine neue Primarschule vom vierten bis zum zehnten Lebensjahr", so der Professor; auch ein viel enger verzahntes System aus Kindergarten, Vorschule und Grundschule würde weiterhelfen. Wichtig sei, dass "Grundschullehrer auch schon bei der Betreuung von Vierjährigen mit eingebunden werden".

Nach dem Ende der neuen Primarstufe soll es laut Lenzen nur noch zwei weiterführende Schulen geben: das Gymnasium und eine Sekundarschule. Deutschland müsse künftig erheblich mehr für die Bildung ausgeben: "Es besteht extremer Handlungsbedarf, das ist die Zukunftsfrage schlechthin." Allein für eine neue Primarschule rechnet Lenzen bundesweit mit zusätzlichen Ausgaben von 12,9 Milliarden Euro jährlich.

Spiegel vom 06.12.04

Beispiel-Aufgaben aus PISA II

Für die Fragen in der jüngsten internationalen Pisa-Studie haben sich die Bildungsforscher maßgeblich an Fragen des täglichen Lebens orientiert. Die Netzeitung dokumentiert eine Auswahl von Aufgaben für die 15-jährigen Schülerinnen und Schüler.

A. Mathematik

Die Austauschstudentin Mei-Ling aus Singapur wechselt für ihren Aufenthalt in Südafrika 3000 Singapur Dollar (SGD) in Südafrikanische Rand (ZAR) bei einem Kurs von 1 SGD = 4,2 ZAR.

Erste Frage: Wie viele ZAR händigt die Bank ihr aus?

Bei ihrer Rückkehr nach Singapur hat Mei-Ling noch 3900 ZAR übrig. Diese tauscht sie zum neuen Wechselkurs von 1 SGD = 4,0 ZAR in ihre Heimatwährung zurück.

Zweite Frage: Wie viele Singapur Dollar bekommt sie?

Außerdem sollten die Schüler erklären, ob der neue Wechselkurs für die Studentin von Vorteil war.

Die Lösung

Mei-Ling erhält zunächst 12.600 Südafrikanische Rand; später bekommt sie 975 Singapur Dollar zurück. Der neue Wechselkurs ist günstiger für die junge Frau, weil sie durch den niedrigeren Wechselkurs (für ein SGD) mehr Singapur Dollar für ihre ZAR eintauschen konnte.

B. Naturwissenschaften

Die Schüler mussten sich mit einem Zeitungsartikel über das Klonschaf Dolly befassen. Der Autor berichtet, dass der schottische Wissenschaftler Ian Wilmut dem Schaf 1 ein «sehr kleines Stück» vom Euter entnahm und daraus den Zellkern entfernte, den er in eine Eizelle von Schaf 2 einpflanzte. Zunächst entsorgte er aber aus dieser Eizelle «das ganze Material, das Eigenschaften von Schaf 2 in einem aus dieser Eizelle entstehenden Lamm bestimmt hätte». Dann verpflanzte Wilmut die manipulierte Eizelle von Schaf 2 in Schaf 3. Dieses weibliche Schaf wurde trächtig und gebar Lämmchen Dolly.

Erste Frage: Mit welchem Schaf ist Dolly identisch?

Zweite Frage: Was ist das «sehr kleine Stück»?

Die Lösung: Dolly ist mit Schaf 1 identisch, und das «sehr kleine Stück» ist eine Zelle.

Außerdem sollten die Schüler einschätzen, ob zwei Argumente gegen das Klonen «wissenschaftlich» sind oder nicht: «Geklonte Menschen könnten für gewisse Krankheiten anfälliger sein als normale Menschen» und «Menschen sollten nicht die Rolle des Schöpfers übernehmen».

Die richtige Antwort lautet

Argument eins ist wissenschaftlich, Argument zwei nicht.

C. Problemlösungen

Die Schüler wurden in ein Ferienlager versetzt: Sie mussten 26 Mädchen, 20 Jungen sowie 4 weibliche und 4 männliche Betreuer auf 7 unterschiedlich große Zimmer mit insgesamt 56 Betten verteilen (1 x 12 Betten, 4 x 8 Betten, 2 x 6 Betten). Dabei durften nur Kinder und Erwachsene des gleichen Geschlechts in einem Schlafsaal einquartiert werden. Auch musste in jedem Raum mindestens ein Erwachsener schlafen. Die Schüler hatten für jeden der 7 Räume die genaue Anzahl der Jungen und Mädchen anzugeben und jedem Raum eine Frau «Betreuerin» oder einen Herrn «Betreuer» zuzuordnen.

Lösung

Man verteilt die Mädchen auf drei 8er-Zimmer und ein 6er-Zimmer. Die Jungen schlafen im 12er-Zimmer, einem 8er-Zimmer und einem 6-er-Zimmer. In einem der Jungen-Zimmer schlafen zwei Lehrer.

Netzeitung vom 06.12.2004

Wichtige PISA-Einzelergebnisse im Überblick

Deutsche Schüler etwas cleverer als der Durchschnitt, aber nur mittelmäßig in Mathematik - Soziale Kopplung zum Teil sogar enger

Mathematische Kompetenz

Deutschland: 503 Punkte, OECD-Durchschnitt: 500; Siegerländer Finnland (544), Korea (542), Niederlande (538), Japan (534). Ganz unten: Mexico (385) Türkei (423), Griechenland (445), Portugal, Italien (466), USA (483). Dabei hat Deutschland durchschnittlich viele Top-Schüler der Kompetenzsstufe 6 (4,1 Prozent) und Risiko-Schüler auf Stufe 1 oder darunter (21,6 Prozent).

Gute Problemlöser

Deutsche Schüler können ihre kognitiven (geistigen) Fähigkeiten etwas besser als der Durchschnitt nutzen, um reale, fächerübergreifende Probleme zu lösen. Nur sechs der 29 teilnehmenden OECD-Länder erreichen in diesem Feld bessere Werte, teils allerdings deutlich bessere (Korea: 550; Finnland: 548, Japan: 547 Punkte). Diese Fähigkeit hängt OECD-weit eng mit den Mathematik-Ergebnissen im Test zusammen. Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, in denen die kognitiven Fähigkeiten der Schüler stärker sind als ihre mathematischen. Schlussfolgerung im Kurzbericht: Schulen schöpfen also die vorhandene Intelligenz nicht aus, um sie in mathematische (und naturwissenschaftliche) Kompetenzen umzusetzen.

Verbesserung gegenüber PISA 2000

In einem Teilbereich der Mathematik ("Veränderung und Beziehungen") hat Deutschland bessere Ergebnisse als im ersten Durchlauf. Nach dem damals deutlich unterdurchschnittlichen Wert von 485 Punkten liegt Deutschland nun mit 507 Punkten im OECD-Mittelfeld. Die Leistungen in den Naturwissenschaften verbesserten sich von 487 auf 502 Punkte. Lese-Leistungen und drei weitere Mathematikfelder zeigen zwar leicht nach oben, allerdings nur so wenig, dass das auch auf Fehler in den Erhebungen zurückgehen könnte.

Gymnasiasten haben dazugelernt

Die besseren Ergebnisse wurden im wesentlichen an den Gymnasien erzielt. Dort holten die schwächeren Schüler deutlich bessere Ergebnisse in allen Bereichen - außer im Lesen. Auch in die Spitzengruppe kam etwas Bewegung. Real- und Gesamtschulen verbesserten ihre Ergebnisse leicht, vor allem im unteren Leistungsbereich. Hauptschulen schnitten noch etwas schlechter ab als 2000.

Soziale Kopplung verstärkt

Die Verbindung zwischen Herkunft und Schulleistung ist in einigen Bereichen deutlicher hervorgetreten. So haben 15-Jährige aus dem oberen gesellschaftlichen Viertel zwischen 26 und 39 Punkten aufgeholt (40 Punkte entsprechen einem Schuljahr). Schüler aus dem unteren Viertel dagegen waren nur sechs bis neun Punkte besser. Einzige Ausnahme: Im Lesen stieg der Wert um 13 von 421 auf 434 Punkte. Im oberen gesellschaftlichen Viertel wurde nur ein Punkt gewonnen - allerdings vom ohnehin überdurchschnittlichen Niveau von 538 Punkten. "Es muss darauf geachtet werden, dass sich die Kopplung zwischen sozialer Herkunft und Kompetenz nicht verstärkt", heißt es in dem Kurzbericht, den die KMK jetzt vorlegte.

Herkunft entscheidet

In Deutschland ist der Einfluss der Herkunft auf die mathematischen Fähigkeiten nach wie vor sehr viel deutlicher als in allen anderen OECD-Staaten außer Ungarn und Belgien. Je nach Herkunft können 15-Jährige der selben Schulform Lernunterschiede von einem bis zwei Jahren haben. Besonders breit ist die Streuung an Gesamtschulen: Dort liegen im Schnitt 76 Punkte zwischen Schülern aus dem oberen und dem unteren Viertel der Gesellschaft. Am Gymnasium beträgt der Unterschied 24 Punkte, an Hauptschulen 50, an Realschulen 44 Punkte.

Bildungsbeteiligung

In Hauptschulen kommen fast 45 Prozent der Schüler aus dem unteren Viertel der Gesellschaft, in Gymnasien die Hälfte der Schüler aus dem oberen Viertel. Bei gleicher Intelligenz und gleichen Mathe-Ergebnissen ist die Chance, auf ein Gymnasium zu kommen, unterschiedlich. Für Kinder aus dem oberen Viertel der Gesellschaft ist sie achtmal so hoch wie aus dem unteren Viertel.

Zuwanderer

In Deutschland geborene Jugendliche, deren Eltern im Ausland geboren sind, haben schlechtere Ergebnisse als Jugendliche, die mit ihren Eltern gemeinsam nach Deutschland übergesiedelt sind.

Andere Länder, bessere Chancen

Zitat aus dem Kurzbericht, den die KMK gestern vorlegte: "Der internationale Vergleich belegt, dass es in einigen Staaten offensichtlich besser gelingt, Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Sozialgruppen zu einem sehr hohen Niveau mathematischer Kompetenz zu führen."

Unterrichtsstunden

Die reine Zahl der Mathe-Stunden hat keinen systematischen Einfluss auf das Ergebnis. In Deutschland sind drei Stunden Mathe Durchschnitt, in der OECD 3,6. OECD-Sieger Finnland unterrichtet 2,6 Stunden, die Nummer 2, Korea, 4,1 Stunden.

Sitzenbleiberquote

Auswirkungen auf das Ergebnis hat die hohe Sitzenbleiberquote. Viele 15-Jährige in Deutschland sind oft noch in niedrigeren Klassenstufen als ihre Mitschüler in anderen Ländern.

Unterstützung durch Lehrer

Mehr als fast überall sonst in der Welt haben Deutschlands Schüler den Eindruck, sie werden durch ihre Lehrer zu wenig unterstützt.

Schlechte Arbeitshaltung

Deutsche Schulleiter beklagen auffallend häufig die Arbeitshaltung der Schüler. Ihre Lehrer beurteilen sie dagegen wie im Durchschnitt der OECD-Staaten.

Weser Kurier vom 07.12.2004

Kritische Worte über das Schulsystem

OECD sieht die Bildungslandschaft problematischer als das Deutsche PISA-Konsortium und die Minister

Eine Studie, zwei Abschlussberichte, zwei Pressekonferenzen - das ist die Situation nach Pisa 2003. Neben der Kultusministerkonferenz (KMK) hat die OECD die Ergebnisse in einem eigenen Abschlussbericht vorgestellt, der an einigen Stellen deutlich kritischere Töne enthält, besonders zum gegliederten Schulsystem mit Hauptschule, Realschule, Gymnasium.

Deutsche Schulen gleichen soziale und familiäre Nachteile schlechter aus, heißt es in dem OECD-Bericht. Das gelte für alle Systeme, die Schüler nach ihren Leistungen aufteilen - Österreich, die deutschsprachige Schweiz, Tschechien, Ungarn und Deutschland. In all diesen Ländern sei der Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungsstand enger als in Ländern, die auf diese Aufteilung verzichten. Das gegliederte System habe also "erheblichen Einfluss auf die ungleiche Verteilung von Bildungschancen" heißt es. Es lasse "das Leistungspotenzial eines großen Anteils junger Menschen ungenutzt". Mehr Bildungs-Chancengleichheit "allein durch die Optimierung des gegliederten Systems" - das dürfte kaum zu erreichen sein, so der Bericht, den Andreas Schleicher, Leiter der OECD-Abteilung für Bildungsindikatoren und Analysen, gestern vorstellte.

Bemerkenswert, so sein Bericht weiter: Anderen Ländern gelinge es, Bildungsnachteile auf hohem Niveau auszugleichen. Sie schaffen "ausgezeichnete Bildungsergebnisse" bei deutlich schwächerer Kopplung mit sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Status.

Geringe Leistungsunterschiede zwischen den Schulen auf hohem Niveau, so Schleichers Bericht, seien ein Garant für ein Bildungssystem, auf dessen Qualität Eltern sich verlassen könnten. Zwischen deutschen Schulen seien die Leistungsunterschiede aber erheblich, in nur fünf OECD-Ländern seien sie größer. In vielen Ländern dagegen - Finnland, Island, Dänemark, Irland, Kanada, Polen - betragen die Unterschiede zwischen den Schulen ein Zehntel bis zur Hälfte des OECD-Mittelwerts. "In diesen Ländern brauchen sich Eltern weniger Gedanken bezüglich der Wahl einer geeigneten Schule zu machen", heißt es. Sie könnten "auf hohe und einheitliche Leistungsstandards in allen Schulen des Bildungssystems vertrauen." Staaten mit gegliedertem Bildungssystem könnten das nicht bieten, wie der Vergleich zeige.

Was der OECD-PISA-Bericht auch zeigt: Gemessen am "überdurchschnittlichen Bildungsstand" der Deutschen und dem "gesamtgesellschaftlichen Hintergrund" sind die Schüler-Leistungen in Mathe zu schlecht. Sie liegen "weiterhin deutlich unter dem Erwartungswert", heißt es. Einer der Gründe ist der sehr hohe Anteil an sehr schlechten Schülern: Kein zweites west- oder nordeuropäisches Land (außer Luxemburg) habe auch nur annähernd so viele Schüler der Kompetenzstufen eins und darunter (22 Prozent). Wer diese Stufen nicht übersteigt, hat kaum Chancen, an der Wissensgesellschaft teilzuhaben.

Auch die vorschulische Bildung ist in Schleichers Blickfeld gerückt. Dort zeigt sich: Kinder, die vor der Einschulung länger als ein Jahr im Kindergarten waren, erzielen noch im Alter von 15 Jahren bessere Ergebnisse. Und: Privatschulen schneiden in Deutschland zwar besser ab - überwiegend allerdings, weil sie im Schnitt Schüler aus einem günstigeren Umfeld unterrichten.

Weser Kurier vom 07.12.2004

Wenn der Direktor seinen Job verliert

Britische Schulen werden von Inspektoren untersucht

Von Frank Herrmann

London. Neulich, ein Leserbrief im "Guardian": Wortreich klagt eine Lehrerin über die "Ofsted-Hölle", das große Zittern, bevor die Schulinspektoren anrücken. Wochenlang Akten wälzen. Wie Schauspieler für die Unterrichtsstunde üben, die eine, an der alles hängt. Arbeit, Arbeit, Arbeit, nicht mal ein Gläschen Wein schmecke mehr, "alles ist überschattet von diesem O-Wort."

Ofsted, Office for Standards in Education, heißt die Behörde, die einschätzen soll, wie gut eine britische Schule ist oder wie schlecht. Alle sechs Jahre, so die Faustregel, stehen die Prüfer vor der Tür. Eine Woche, die man sich grellrot im Kalender anstreicht als Pädagoge. Inzwischen gibt es sogar Agen-turen, besetzt mit ehemaligen Inspektoren, die Lehrer speziell trainieren, damit sie die Ofsted-Woche gut überstehen.

Gerd Köhncke hat ihn freiwillig auf sich genommen, den Stress. Er leitet die Deutsche Schule London (DSL), die untersteht nicht dem britischen Erziehungsminister, sondern der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln. Sie muss sich nicht untersuchen lassen. Aber aufschlussreich war es schon.

Der Direktor, Schüler, Eltern, alle haben sie Fragebögen ausgefüllt. Wie ist die Atmosphäre? Holen die Lehrer das Beste aus meinem Kind heraus? Wie werden Neue aufgenommen? Solche Sachen. Dann verteilte sich das Ofsted-Trio auf die Klassenzimmer.

"Anspruchsvoller Lehrplan", "zivilisierte Atmosphäre", "attraktives Schulgelände", stand später im Prüfbericht. Zufall oder nicht, das Ofsted-Papier war kaum erschienen, da meldete Andrew Adonis seinen Sohn an der DSL an. "Blairs Guru schickt Sohn auf deutsche Privatschule", titelte die "Sunday Times", als sie Wind von der Sache bekam. Adonis ist nicht irgendwer, sondern der Bildungsberater Tony Blairs, ein aufstrebender Star. Damals, im Sommer 2003, wurde Köhncke förmlich überschwemmt von Anfragen englischer Mütter und Väter.

"Ofsted, das ist eine Art Industrienorm, ein Gütesiegel. Englische Schulen machen ganz offensiv Werbung damit", erzählt der DSL-Direktor. Die Analysen der Gutachter stellt man ins Internet. Zusammen mit der Landestabelle, die alle Schulen nach ihren Prüfungsergebnissen einordnet, entscheidet der Ofsted-Report über den Ruf. Keineswegs brotlose Kunst: Die Besten können es sich leisten, die begabtesten Schüler auszusieben, die engagiertesten Lehrer anzustellen. Im negativen Fall kann sie drastische Konsequenzen haben, die oft so gefürchtete Inspektion. Schlechte Schulen werden unter Aufsicht gestellt. Bessert sich nichts, verliert der Schulleiter in der Regel seinen Posten, meist nach ein bis zwei Jahren. Es kann sogar passieren, dass eine Schule geschlossen wird.

Aus Köhnckes Sicht hat das strenge Regime, seit es 1992 eingeführt wurde, vor allem eines erreicht: "Das Niveau ist einheitlicher geworden, ein großer Vorteil". Und, was kann man sonst noch lernen von den Briten? "Sie haben es besser verstanden als wir Deutsche, Zuwanderer zu integrieren." Es gibt Klassen in London, in denen sitzen zur Hälfte Kinder von Immigranten, Kinder mit Stammbäumen, die nach Indien, Pakistan oder Jamaika zurückreichen, in die früheren Kolonien des Empire. Ob es am Englischen liegt, der Sprache des Commonwealth? Daran, dass die Briten schon früh zu tun hatten mit fremden Völkern? Schwer zu sagen, meint Köhncke. "Jedenfalls haben sie uns gegenüber einen klaren Integrationsvorsprung."

Er muss es wissen, er kennt ja beide Seiten. Im niedersächsischen Bad Sachsa leitete er das Pädagogium, ein Internatsgymnasium, ehe er 1998 nach London ging. Was ihn am meisten stört an den deutschen Zuständen, ist der schlechte Ruf, den Lehrer genießen. Pauschal. "In Deutschland sind sie die Prügelknaben der Nation, hier in England sind sie Respektspersonen."

Weser Kurier vom 07.12.2004

Ranglisten sollen Orientierung geben

Britische Schüler stehen unter großem Leistungsdruck - Schulleiter haben viele Freiheiten

Von Frank Herrmann

London. Das britische Bildungssystem setzt vor allem auf Wettbewerb. Vergleichbare Standards sollen Eltern Orientierung geben, großen Stellenwert genießt auch die finanzielle Entscheidungsfreiheit der Schulleiter.

Rachel Jones hat umgeschichtet in ihrem Budget. Weil es mit der Disziplin hapert an der Grey Court School in London-Ham, stellte sie einen Sozialarbeiter ein, zunächst nur halbtags. Der Mann soll sich um Problemkinder kümmern. Außerdem heuerte die neue Direktorin einen IT-Spezialisten an, auf dass die Computer der Schule vernünftig vernetzt werden. Dazu brauchte sie kein Amt um Zustimmung zu bitten, bei keinem Stadtkämmerer um Geld zu betteln, Rachel Jones verwaltet ihren Haushalt in Eigenregie.

Dabei ist die Grey Court keine Privatschule, keine der elitären Public Schools, an denen rund sechs Prozent der britischen Pennäler lernen. Sie wird durch die öffentliche Hand finanziert, sowohl vom Erziehungsministerium als auch aus Mitteln der Kommune. Doch darüber, wie sie das Geld verwendet, entscheidet die Direktorin selbst. Nur ihre Governors (Elternsprecher, Lehrervertreter, lokale Bildungspolitiker, interessierte Ortsbewohner) haben noch ein Wörtchen mitzureden. Freiheiten, von denen deutsche Schulleiter nur zu träumen wagen. Sie kennzeichnen das britische Bildungssystem, das vor allem auf eines setzt: Wettbewerb.

Wettbewerb, das heißt Ranking. Ranglisten, so genannte League Tables, listen sämtliche Schulen der Insel auf, geordnet nach ihrer Leistungsstärke. Wenn sie im November erscheinen, liegen sie den großen Tageszeitungen als dicke Sonderteile bei, die Ten O’Clock News der BBC berichten ausführlich, etwa über den neuen Tabellenführer oder auch über einen Ex-Primus, der unerwartet abgesackt ist.

1992 wurden die Landestabellen eingeführt, mit dem Ziel, die Qualität des Unterrichts zu messen. Die Plätze ergeben sich bei den höheren Jahrgängen nach dem Abschneiden bei den A-Levels, dem englischen Abitur, und den GCSE-Prüfungen, quasi der mittleren Reife. Bei den Grundschulen geht es nach landesweit einheitlichen Tests in Englisch, Mathematik und Naturwissenschaften.

Die Folge: mehr Transparenz. Eltern entscheiden anhand der League Tables, wohin sie ihre Kinder schicken. Oft ziehen sie extra um, um im Einzugsbereich einer guten Staatsschule zu wohnen. Lehrer kämpfen um gute Noten, Schüler stehen unter verstärktem Leistungsdruck, mit positiven wie auch negativen Effekten.

Dabei wundern sich Außenstehende oft, dass der Prüfungsdurchschnitt seit 1992 nur einen Trend kennt: bergauf. Die Resultate werden ständig besser, nie schlechter, zumindest auf dem Papier nähern sich viele Schulen immer mehr an. Was David Hart, den Generalsekretär des Verbandes der Schulleiter, nachdenklich sagen lässt: "Die meisten Direktoren stellen den Sinn der Landestabellen inzwischen in Frage." Wenn irgendwann alle nahezu gleich gut seien, gehe der Wert der Information gegen null.

Weser Kurier vom 07.12.2004

Die große Freiheit der Schulen

Niederländer schneiden in Vergleichstests gut ab

Von Silke Wortel

Den Haag. Die niederländischen Schüler landeten in der zweiten PISA-Studie in der Spitzengruppe. Gut schnitten sie bereits in früheren Vergleichen ab - etwa beim IGLU-Test für Grundschulen im Frühjahr und beim TIMSS-Test für Mathe und Naturwissenschaften in den 90er Jahren.

Als vor drei Jahren in Deutschland nach dem schlechten Abschneiden beim ersten PISA-Test die Panik ausbrach, konnten die Niederländer gelassen bleiben - wenn auch nur inoffiziell. Denn weil sich zu wenig Schulen an der ersten Studie beteiligt hatten, tauchte Holland in keiner Rangliste auf.

Die niederländische PISA-Koordinatorin Erna Gille und ihre Kollegen vom CITO-Institut, dem Zentralen Institut für Test-Entwicklung in Arnheim, rechneten die vorhandenen Daten jedoch hoch. Ergebnis: In Mathe hätten die niederländischen Schüler an erster Stelle gestanden, bei der Lesekompetenz an dritter und bei den naturwissenschaftlichen Fächern wären sie Sechste geworden.

Das Erfolgsrezept ist die Unabhängigkeit der niederländischen Schulen, glaubt Erna Gille: "Jede darf selbst bestimmen, wie sie den Unterricht gestaltet, wie die Stundenpläne aussehen und mit welchem Material sie arbeitet." Diese Freiheit hat eine lange Geschichte: Seit 1917 sind in den Niederlanden private und öffentliche Schulen vollständig gleichgestellt. Dadurch haben auch Privatschulen einen Anspruch auf 100-prozentige staatliche Subvention. Ursprünglich nutzten vor allem konfessionelle - kalvinistische oder katholische - Schulen dieses Recht. Heute gibt es auch jüdische, islamische und hinduistische Schulen, dazu kommen zahlreiche "Lebensanschauungs-Schulen", wie Montessori oder Waldorf. Inzwischen haben 70 Prozent der niederländischen Schulen private Träger.

Sie alle - ob privat oder öffentlich - unterstehen direkt dem Bildungsministerium in Den Haag. "Es gibt keine Zwischeninstanz, die meisten Entscheidungen stehen den Schulen frei. So können sie sich ganz auf die regionalen und individuellen Bedürfnisse ihrer Schüler einstellen", sagt Gille. Das sei gut für die Schüler, aber auch die Lehrer fühlen sich weniger bevormundet, können eigenverantwortlich handeln. Die Schulverwaltung liegt bei den Trägern vor Ort. Flache Hierarchien bringen mehr persönliche Betroffenheit.

Natürlich kann nicht jeder Niederländer einfach eine Schule gründen. Es müssen drei wichtige Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens müssen sich die Schulen bei der Einstellung ihrer Lehrer an arbeitsrechtliche Bestimmungen halten. Zweitens: Sowohl für die Grundschulen als auch für die weiterführenden Schulen gibt es landesweit einheitliche Abschlusstests. Die Tests führt das CITO-Institut durch, das zusätzlich alle fünf Jahre den Leistungsstand der holländischen Grundschüler erhebt - eine Art nationales Dauer-PISA, "zur Orientierung für Schüler und Lehrer". Und drittens müssen die Schulen alle fünf bis sechs Jahre eine staatliche Inspektion akzeptieren. "Die Inspektoren aus dem Ministerium sind aber nicht gefürchtet, sondern werden als Hilfe erfahren", erklärt Andrea Sparka. Die junge Wissenschaftlerin vergleicht in ihrer Doktorarbeit die Schulsysteme der Niederlande und Deutschlands. Ein Ergebnis: Während die Schulaufsicht in Deutschland fast immer nur mit der Schulleitung in Kontakt steht, untersuchen die niederländischen Inspekteure das "Gesamtsystem Schule": "Sie sprechen auch mit Lehrern, Schülern und Eltern. Und sie gehen in die Klassen." Den Abschlussbericht stellen die Kontrolleure ins Internet - hauptsächlich, damit die Eltern sich informieren können. Denn die Eltern sind bei der Schulwahl gefordert.

Sie können sich von der ersten Klasse an aussuchen, wo ihr Kind zum Unterricht gehen soll.

Weser Kurier vom 07.12.2004

PISA 2003: Mittelmaß - soziale Ungerechtigkeit - über 20 Prozent "Risikoschüler"

GEW fordert: Bildungspolitischen Kurswechsel und Sofortmaßnahmen

Zwei zentrale Befunde der PISA-2003-Erhebung bescheinigen dem gegliederten deutschen Schulsystem erneut Versagen:

  1. Das gegliederte Schulsystem produziert soziale Ungerechtigkeit. In keinem anderen OECD-Land hängt der Bildungserfolg so sehr von der Herkunft ab wie in Deutschland.

  2. Erneut ist der Anteil der "Risikoschüler" erschreckend hoch. Fast jeder Vierte kann einfache Texte nicht lesen und verstehen und allenfalls auf Grundschulniveau rechnen.

Wir brauchen eine grundlegende Neuorientierung unseres Schulsystems und kein weiteres Herumdoktern an den Symptomen. Das dreigliedrige Schulsystem hat ausgedient. Es produziert Versager und führt zu Mittelmaß. PISA-Sieger Finnland zeigt eindeutig: Ein integriertes System, das den Fokus auf individuelle Förderung statt auf Auslese legt, arbeitet in jeder Hinsicht erfolgreicher.

Dass die Bildungssenatorin ausgerechnet die neuen PISA-Ergebnisse als Ansporn begreift für ihre bzw. die Schulpolitik des CDU-Senats, hinterlässt einen zumindest ratlos:
Da wird die Dreigliedrigkeit festgeschrieben und integrative Systeme werden abgebaut. Es werden die Hürden für die Übergänge auf weiterführende Schulen erhöht. Es wird die Sprachförderung gekürzt und Förderstunden werden abgebaut. Die Schulen werden mit Vergleichs- und Abschlussprüfungen überzogen, ohne, dass Bedingungen dafür geschaffen werden, dass auch alle SchülerInnen die Mindeststandards erreichen. Und gleichzeitig werden die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte sowie die Lernbedingungen der SchülerInnen durch Erhöhung der Klassenfrequenzen und Abbau von Förderstunden verschlechtert.

Das ist ein bildungspolitischer Kurs, der die Auslese und Ausgrenzung weiter verschärft, der die in PISA 2003 beschriebenen Kernprobleme nicht löst, sondern weiter zuspitzt. Hamburg braucht einen grundlegenden Kurswechsel in der Bildungspolitik. Die Bildungssenatorin und der CDU-Senat müssen ihre ideologisch motivierte Tabuisierung der Schulstrukturdebatte aufgeben. Es ist höchste Zeit, den Umbau des Schulsystems in Angriff zu nehmen - auch in Hamburg!

Angesichts der erschreckend hohen Anzahl der sog. "Risikoschüler" - fast jeder 4. gehört dazu - muss sofort etwas geschehen. Es darf nicht sein, dass eine ganze Schülergeneration einfach abgeschrieben wird.

Deshalb fordert die GEW als Sofortprogramm:

  • Ein umfassendes Programm zur Entwicklung und Stärkung der Lese- und Sprachkompetenz von den Kitas bis einschließlich Klasse 10 der Sekundarstufe I.

  • Ausbau der besonderen Sprachförderung von der Kita bis zur Sekunarstufe I.

  • Rücknahme der Entscheidungen zur Abschaffung der Integrativen Regelklassen.

  • Stärkung und Weiterentwicklung aller integrativen Systeme in Hamburg.

  • Senkung der Klassenfrequenzen und Einstellung der dafür notwendigen Lehrkräfte.

GEW Hamburg vom 07.12.2004

GEW: „Schulen sollen sich auf Weg zu integrativem System machen“

PISA zeigt: eine neue Bildungsunterschicht entsteht

Als Konsequenz der Ergebnisse der neuen PISA-Studie hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Überwindung des gegliederten Schulsystems angemahnt. „Ohne einen Systemwechsel werden wir die doppelte Benachteiligung von Schülern aus sozial schwächeren Haushalten und Kindern aus Einwandererfamilien nicht ausgleichen können“, sagte GEW-Schulexpertin Marianne Demmer am Dienstag in Frankfurt a.M.. Am System herumzuwerkeln, helfe nur bedingt viel weiter.

Das auf Auslese ausgerichtete Schulsystem verdopple die Nachteile, die diese Kinder bereits von zu Hause mitbringen. „Unter dem Druck, die Schüler früh in Haupt-, Realschulen und Gymnasien einsortieren zu müssen, kommt die individuelle Förderung viel zu kurz. Wenn Mama und Papa nicht bei den Hausaufgaben helfen können, geht die Leistungsschere immer weiter auseinander“, betonte Demmer.

„Wir können und wollen das gegliederte Schulsystem nicht von heute auf morgen abschaffen. Wir müssen aber jetzt die ersten Schritte in Richtung eines integrativen Schulwesens bis Klasse 10 machen“, sagte die GEW-Schulexpertin. „Das längere gemeinsame Lernen allein ist zwar nicht ausreichend, aber notwendig, wenn Deutschland in den Kategorien Qualität der Leistungen und Chancengleichheit in die Weltspitze vorrücken will.“ Demmer unterstützte die Position von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), die die Abschaffung des gegliederten Schulsystems auf lange Sicht für notwendig hält.

Insbesondere die Hauptschulen müssten schnell grundlegend reformiert werden. Wenn der Befund des deutschen PISA-Koordinators Manfred Prentzel richtig ist, dass Kinder in den Hauptschulen fachlich nicht vorankommen, weil die Lehrer insbesondere soziale Probleme lösen müssen, dürfe das nicht folgenlos blieben. „Es ist verantwortungslos, sehenden Auges eine neue Bildungsunterschicht entstehen zu lassen: Fast ein Viertel der jungen Menschen hat wegen mangelhafter Lese- und Rechenkompetenzen keine Chance auf einen Arbeitsplatz“, sagte die Gewerkschafterin.

GEW vom 07.12.2004

Ehrenrunde bleibt erhalten

Busemann: Sitzenbleiben als Chance für Schüler - Kritik an SPD-Bildungsplänen

Von Peter Mlodoch

Hannover. Das Sitzenbleiben bleibt. Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann (CDU) hat Forderungen von SPD und Grünen zurückgewiesen, die "Ehrenrunden" in den Schulen abzuschaffen. "Die Nichtversetzung sollte nicht nur als Sanktion, sondern auch als Chance für die Schüler gesehen werden", sagte Busemann gestern unserer Zeitung.

Der Minister weiß, wovon er spricht. Der gelernte Rechtsanwalt und Notar musste die zehnte Klasse des Gymnasiums in Papenburg wiederholen, weil er sich in Mathematik und Physik eine Fünf einfing. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) erwischte es ebenfalls in der zehnten Klasse, seine Leistungen waren in Englisch und Französisch mangelhaft. Auch Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), die soeben für die Abschaffung der Hauptschule plädiert hat, drehte eine Ehrenrunde wegen Latein. Als Jugendliche, gibt sie heute zu, seien ihr Diskobesuche wichtiger als die Schule gewesen.

SPD-Landeschef Wolfgang Jüttner hatte sich am Dienstag für ein Ende des Sitzenbleibens ausgesprochen. Die Nichtversetzung sei "pädagogisch und ökonomisch unklug". Statt Schüler zu sanktionieren solle man sie lieber gezielt fördern, forderte Jüttner, der in der zwölften Klasse kleben blieb - wie Wulff wegen Englisch und Französisch.

Einig ist sich der SPD-Chef mit den Grünen, die sich schon länger ein Ende des Sitzenbleibens wünschen. "Das ist überhaupt nicht effektiv", sagte Schulexpertin Ina Korter unserer Zeitung. Die betroffenen Schüler müssten schließlich den kompletten Stoff wiederholen, also auch die guten Fächer. Das sei langweilig und demotivierend. "Sitzenbleiben reißt sie außerdem aus den sozialen Zusammenhängen raus", meinte Korter. Besser sei es, die Schwächen mit gezieltem Förderunterricht zu beseitigen. Dafür könne man die Lehrerstellen einsetzen, die sonst für die Sitzenbleiber benötigt würden.

21 700 niedersächsische Schüler wurden nach einer amtlichen Statistik des Kultusministeriums nicht zum Schuljahr 2003/04 versetzt. Bei knapp 900 000 Schülern macht das eine Quote von 2,4 Prozent. Geringer ist diese in der Grundschule, wo es in den ersten beiden Klassen kein Sitzenbleiben gibt und danach nur bestimmte Fächer versetzungsrelevant sind. Relativ mehr Ehrenrunden gibt es an den weiterführenden Schulen, insbesondere an der Sekundarstufe II. Zwei Fünfen führen hier zum Sitzenbleiben, sofern der Schüler diese nicht durch entsprechend gute Leistungen in anderen Fächern ausgleichen kann.

An diesem System will Kultusminister Busemann festhalten. Das Sitzenbleiben sei eine "gewachsene Tradition" des deutschen Bildungssystems. "Wenn man so tief im PISA-Tal steckt, sollte man keine Experimente machen." Ebenso falsch sei es, Zensuren abzuschaffen. Für eine leistungsorientierte Schule seien Noten unabdingbar.

Es gehe auch ohne, meinen dagegen SPD und Grüne - zumindest bis zur Klasse acht. Zensuren brauche es erst beim Abschluss, um diesen vergleichbar machen zu können. Jüttner und Korter verweisen auf Länder wie Schweden, Finnland, England oder Japan. Dort ist das Sitzenbleiben weitgehend abgeschafft, im internationalen Vergleich schneiden diese Länder dennoch gut ab.

Weser Kurier vom 09.12.2004

 

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