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Auszüge aus 30 Jahre Berlin

1956 - 1986

John Arnold

Kurzpredigt in einem Fernsehgottesdienst in der Kathedrale in Rochester am 7. September 1986

Ich werde Ihnen nicht die ganze Geschichte erzählen, auf welche Weise Gott mich gerufen hat ein Priester in seiner Kirche zu werden; ich werde aber mit Ihnen den Wendepunkt teilen, den Moment als, wie Paulus den Ephesern schrieb: 'Das Licht schien und Dinge die unsichtbar waren, wurden sie sichtbar; und Ich erwachte und es wurde mir klar, dass Ich aufstehen und die Zelt nutzen musste, denn es war böse Zeit.'

Es war vor dreißig Jahren, im Jahr 1956. Ich nahm an einem internationalen ökumenischen Arbeitslager In Berlin teil. Die Stadt lag noch In Ruinen, dort wo sie zehn Jahre früher gefallen waren. Sie war geteilt in Ost und West; und empfindlich für jeden kleinen Druckwechsel in den dunkelsten Tagen des kalten Krieges. Sic war des Barometer der Welt. Was in Berlin passierte zeigte, in welche Richtung der Wind wehen wurde. Sie war das Symbol einer geteilten Welt und der Friedhof unserer Hoffnungen nach dem zweiten Weltkrieg auf eine bessere friedvollere Welt.

Das Arbeitslager war ungewöhnlich. Es war des einzige mit Teilnehmern aus Ost und West. Wir arbeiteten mit einfachen Werkzeugen, sogar mit bloßen Händen um einen Trümmerhaufen in einen Kinderspielplatz zu verwandeln.

John Arnold 2002Natürlich hielten wir Gottesdienste zusammen; und am Ende des Arbeitslagers wollten wir einen Abendmahlsgottesdienst in einer der Ostberliner Kirchen feiern. Das war zu einer Zelt, als Glieder der Kirche von England keine Abendmahlsgemeinschaft mit anderen Kirchen hatten. Obwohl es jetzt sehr lange her scheint, erinnere ich mich noch an das innerliche Ringen, bis es mir klar wurde, dass meine Verweigerung teilzunehmen weder der Wirklichkeit noch dem Ernst der Lage entsprach. Also sagte ich zu. "Gut" sagten sie, "dann wirst Du den Kelch austeilen" . Das ging zu weit - aber ich fühlte mich verpflichtet. Dann hatte ich eine damals äußerst seltsame Erfahrung - ein großes Privileg für einen jungen anglikanischen Laien, - den Kelch des Lebens in den Händen zu halten, und den Kelch einer Gemeinde unserer ehemaligen Feinde zu geben in einer halbzerstörten Kirche Im Osten und zu sagen: "Nimm hin und trink. Dies ist das Blut unseres Heilandes Jesu Christi, für Dich vergossen". Tränen standen In meinen Augen und ich wusste, wusste aus Erfahrung - nicht durch rätseln oder spekulieren - dass das das Richtige für mich war - das was Not war, wofür ich alles andere freiwillig aufgeben würde und dem ich mein Leben widmen müsste. Andere Leute finden sich, finden ihren Ruf, den Sinn ihres Lebens auf andere, wahrscheinlich einfachere Weise; aber damit Gott mich mit seinem Wort erreichte, war jene bestimmte Mischung von Umständen in vielen verschiedenen sich gleichzeitig überschneidenden Ebenen nötig, in der Weltgeschichte, am Kreuzweg von Europa, in persönlichen Beziehungen und persönlicher Entwicklung, in der Überwindung von Hemmungen und von Verstocktheit und dem Ungehorsam meines Herzens.

Erstaunlicherweise waren alle Dinge, die seitdem besonders wichtig in meinem Amt für mich gewesen sind, schon in dieser ersten Erfahrung der Berufung vorhanden: Versöhnung, Beziehungen mit den Christen In Ost-Europa, der Idealismus und die Hoffnung der Jugend, die Einheit der Kirchen, die Zentralität der Sakramente als der von Gott selbst bestimmte Ort der Gnade, die Wichtigkeit der Anbetung in Gottesdiensten, die die Bibel bewahren als Wegweiser für unser Leben unter Gott, und die und die uns die Möglichkeit gibt, dem Herren in unserem Herzen in Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern zu singen und zu spielen, allezeit Dank sagend für alles, Gott dem Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

Glücklicherweise, durch eine jener Zufälligkeiten die der Glaube Vorsehung nennt, verbringt der Bischof von West-Berlin dieses Wochenende bei uns. Und in einigen Minuten, wenn wir miteinander den Friedensgruß tauschen, werde ich diese Gelegenheit benutzen zu ihm zu gehen und ihm zu danken für alles was seine Kirche und seine Stadt für mich auf meiner Pilgerfahrt durch das Leben bedeutet haben - besonders für die Gabe aller Gaben - der Ort gewesen zu sein, wo ich Gottes Ruf hörte und folgte. Deshalb tat diese Stadt für mich eine heilige Stadt - obgleich sie geteilt ist durch einen Zaun dazwischen und mit einem Heer belagert (Epheser 2.14, Lukas 21.20). Es gibt also noch etwas im Dienste den Friedenfürsten zu tun. Darum werden wir, in der Kraft von der Versicherung des Friedens, die uns der Auferstandene gibt, unser Gebet sprechen: Herr, mache mich zu einem Werkzeug Deines Friedens.

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Bert Hanekamp

Über den christlichen Glauben - Wolf-Dietrich Gutsch gewidmet

Die moderne Kommunikation überläuft den Menschen mit einem unendlichen Strom von Informationen im Bezug auf das tägliche Elend:

Kriege, Unterdrückung, Terrorismus, Diskriminierung, Hunger, Hungersnot und Naturkatastrophen. Die einzige Konstante in allen diesen Varianten scheint, dass die Unschuldigen nahezu immer die Schlachtopfer sind. Dass heißt, Menschen die auf keine Weise den Verlauf der Dinge haben beeinflussen können. Dazu kommt dann noch die Drohung der immer fortschreitenden nuklearen Aufrüstung. Der Selbstvernichtungsdrang des Menschen kommt zum Ausdruck in dem dauernd weiter füllen der Welt mit lebensbedrohenden Waffen. Und dies Alles unter dem wichtigen Geplauder von Politikern, die dam Gleichgewicht zur beherrschenden Weisheit erhoben haben. Die Mannigfaltigkeit und Massenhaftigkeit unsrer täglichen Portion Nachrichten droht uns mutlos oder sogar noch schlimmer gefühllos zu machen.

Im Lichte dieser Aktualität fährt die christliche Kirche im Allgemeinen damit fort, die traditionelle Botschaft zu verkündigen. Faktisch sollte die Welt schon gerettet sein durch das Auftreten von Jesus. Obwohl dieses in einer modernen Zeit schon schwierig zu erkennen ist, wird Gott oder die Gottesahnung in einem fast endlosen Zeremoniell außerdem versehen mit traditionellen Adverbien. Im Vordergrund stehen darin "allmächtig" und "barmherzig". Zwei Begriffe die schwierig zu reimen sind mit dem anfangs Erwähnten. Es sieht aus, als ob die Kirche insgesamt keine Sicht hat auf die paradoxen Seiten der traditionellen Verkündigung. Es handelt sich nämlich um die prinzipielle Pluriformität der jüdisch-christlichen Tradition. Die Tradition und die weitere Geschichte der christlichen Kirche enthalten nicht nur Aktivismus, Vitalität und Ethik, sondern auch unter anderem Beruhigung, Trost und Spiritualität. Daher handelt es sich für uns innerhalb dieser pluriformen Tradition um eine Wahl, die natürlicher Weise bestimmt wird von der Persönlichkeit der Situation und der Zeltgebundenheit.

Es wundert mich, dass regelmäßig mehr oder weniger verkleidete (Damen und) Herrn andauernd ihre schönen Worte sprechen ohne den Zuhörern über die Bedeutung Rechenschaft zu geben. Die Ehrlichkeit gebietet mir zu sagen dass die musikalische Tradition der Kirche bei mir Gefühle der Rührung erweckt, mir ab und zu ein Schönheitserlebnis bietet und zum Mindesten Gefühle von Nostalgie anregt.

Durch die wachsende Schicht bepanzerter Gefühllosigkeit hindurch und durch die von Zeit zu Zeit erstickende Gefühle der Machtlosigkeit leuchten manchmal Gedanken auf, die uns zurufen: "Es soll anders", "Es kann anders". Das heißt: Schlachtopfern von Katastrophen und Kriegen muss geholfen werden, der Hunger soll beseitigt und die Aufrüstung soll herabgesetzt werden. Dass dam Machtverhältnis in der Welt strukturell so verändert wird, dass nicht immer Unschuldige leiden, bleibt ein Ruf aus der Ferne. Realität ist, dass Mitmenschlichkeit ab und zu gezeigt wird, dass aber von strukturellen, andauernden Änderungen nicht die Rede ist. Auf vielen Ebenen wird deutlich, dass die politischen Führer in der Welt - unter Zustimmung ihrer Bevölkerung - allererst sich selbst und ihr Land schützen wollen. Der Begriff "Solidarität" wird in der Politik nur verwendet, wenn es gut passt; er hat immer eine beschränkte Verwendung. Das wird aus der politischen Praxis deutlich in den internationalen Verhältnissen, ebenso in dem Mikrokosmos von Nachbarschaft, Wohnvierteln und Familienverhältnissen. Also doch Mutlosigkeit, Resignation und Gefühllosigkeit für ein Leben in Routine?

Es ist das große Verdienst von Wolf-Dietrich Gutsch, dass er unerschütterlich und fanatisch festgehalten hat an der gesellschaftlichen Dimension von der Heiligen Schrift, Tradition und Kirchengeschichte. Das stellt sich zum Beispiel heraus in der in 1980 geschriebenen Meditation (Über "den Lobgesang der Maria" aus Lukas 1.50 bis 55 (Evangelische Monatsschrift Standpunkt, September 1980). Damit gab er uns eine schwierige, herausfordernde Arbeit, womit er den Protestcharakter von diesem Lobgesang aufgedeckt hat. Dietrich hat in dieser Weise fest gehalten an seiner Wahl. Er schrieb u.a. "Nehmen wir dann doch so an, wie es gesagt ist: ‚Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllet er mit Gütern und lässt die Reichen leer?' Haben wir dam nicht längst abgeschwächt und verharmlost zum ‚Lobgesang der Maria', weil wir uns anders nicht mehr mit ihr identifizieren können? Unsere soziale Stellung verhindert Marias Protest zu verstehen oder gar zu übernehmen. Sie protestiert gegen die ‚geordnete' Unordnung in ihrer Welt - jene Einordnung in Satte und Hungernde, Unterdrücker und Unterdrückte. Nicht von Sinneswandel, sondern von Enteignung und Veränderung der Besitz- und Machtverhältnisse spricht sie. Arme verstehen Maria unmittelbar, erkennen hier ihre eigene Hoffnung. Reiche sind am Status quo interessiert, nicht an Veränderung, die zu ihren Ungunsten ausgehen."

Wenn ich, manchmal zu wenig, gereizt werde durch "Es soll anders", habe ich das zum größten Tell Dietrich zu verdanken. Wie schwierig es auch ist im hektischen Alltag, aber auch in der oft anreizlosen, luxuriösen Praxis des Lebens solche Ideen zu verwirklichen, halte ich für bekannt.

Eine zutreffende Frage ist natürlich, ob bei einer Haltung von Protest gegen Unrecht, Unterdrückung und drohender Aufrüstung etwas herauskommt. Oft scheint es als ob Protest sinnlos ist und Aktionen keinen Erfolg haben, sodass Resignation die meist vernünftige Lebensweise zu sein scheint. Zu dieser Haltung möchte ich drei Randbemerkungen machen:

  • der Nutzeffekt von Protest usw. ist schwierig zu messen.

  • das Verhältnis zwischen Machthaber und öffentlicher Meinung ist in allen Regimen (sicher auf die Dauer) eine delikate Angelegenheit.

  • Vereinter Protest oder gemeinsame Initiative liefern manchmal Gefühle von Solidarität, die von unschätzbarem Wert sein können.

Außerdem bin ich der Meinung, dass es notwendig ist, möglichst viel sich bewusst zu werden und zu wissen von allen Elend, das die Menschheit bedroht. Nur auf diese Weise sind die, meist kleinen, Perspektiven zu unterscheiden.

Es kommt mir also so vor, dass die Resignation im Grunde genommen in Widerspruch steht mit der Menschenwürde.

Aus den Vorhergehenden wird wahrscheinlich klar, dass es mir egal ist ob jemand zu einer Konfession gehört oder nicht und ob er sich darin aktiv ist. Es ist Zeitverlust und bürokratisch, sich mit diesen Fragen zu ausführlich zu beschäftigen. Andere damit zu belästigen traue ich mich heute nicht. Es handelt sich um das Wissen von der größten Wichtigkeit, ob man sich dazu herausgefordert fühlt, das "Es soll anders". Wie man das verwirklicht, ist eine private Sache.

"Vorwärts und nicht vergessen: die Solidarität"

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Britta Lissner Nicholsen

Macht und Ohnmacht des Menschen als Buerger eines modernen Staats

Die ökumenischen Treffen in Berlin über zehn Jahren in meiner Jugend, die vielen Themen die wir damals und später besprachen, und die ganze Gemeinschaft im Glauben und Freundschaft hat für mich bedeutet:

  • das Christsein hat eine gesellschaftliche Seite und Bedeutung bekam, wo ich früher nur die individuelle erkannt hatte,

  • dass der Mensch eine Leistung zu bieten hatte und damit

  • eine Befreiung von der sozialen und individuellen Lähmung dem Dasein gegenüber,

  • dass die Erlösung der Welt schon begonnen war und

  • dass es darum ginge, nach den Spuren des Herrn Christus in der Welt zu schnuppern.

Für Dietrich, der für die Treffen und für uns allen so viel bedeutete, war es so wichtig, dass unsere Gespräche nicht Sentimentalität sondern verbindlich im Alltag wurden.

Verbindlichkeit bedeutet, die konkreten Aufgaben im Alltag zu finden, mit ihnen ringen. Deshalb ist es auch richtig, dass wir hier zum dreißigsten Jahrestag zukunftgewandt darüber zu reden versuchen.

Britta Lissner Nicholson 2002Konkret und alltäglich stehe ich in meiner Arbeit einer Sozialverwaltung. Wenn man in einer Sozialverwaltung arbeitet, sieht man die Gesellschaft von einem ganz bestimmten Gesichtspunkt. Es wird da sichtbar, wo die Schwächen und Belastungen der Gesellschaft liegen, und wer von der soziologischen, ökonomischen Strukturen überfordert werden. Die Arbeitslosen sind die, die im Moment von den Produktionsleitenden nicht gewünscht sind. Die Geschiedenen sind die, wo der Leistungsdruck und Erwartungsdruck auf der Familie zu groß geworden sind. Die Kranken, die Alkoholsüchtigen, die Jugendlichen Kriminellen zeigen alle Mangelerscheinungen verschiedenster Art.

Die Sozialverwaltung steht im Treffpunkt der gesellschaftlichen und der persönlichen Verantwortung. Die konservativen Kräfte sagen: der Einzelne schmiedet sein eigenes Glück. Die Linksorientierten meinen, die Gesellschaft sei an allem schuld und deshalb soll alles kompensieren. Das erste führt zur Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit; das zweite leitet zur unkritischen entmündigenden Solidarität, die auch zerstörend wirken kann.

Das Wohlfahrtswesen Dänemarks, das geschichtlich gesehen einmalig ist und sehr viel Gutes in sich hat, ist ein verwirrender Kompromiss der beiden oben erwähnten Gesichtspunkten. Es ist außerdem mit einer modernen überentwickelten Bürokratisierung überbaut worden. Der Mensch, der schon von seinem Unglück belastet ist, kommt hinein und erlebt noch seine Ohnmacht m großen System.

Was können wir als Angestellten da tun? Wir sind angestellt um die Sozialgesetze zu verwalten - und diese sind eine Mischung von guten Absichten und Machtinteressen. Gerade diese Mischung macht es so schwer, wenn nicht unmöglich für die Sozialempfänger sich zu wehren, insbesondere wenn sie von der Hilfe abhängig sind. Und gerade diese Mischung macht es schwer für uns Angestellten, denn wir können sic weder verleumden, verlassen noch die guten Möglichkeiten unterlassen. Diese Dilemma war lange und ist meistens immer noch so peinlich, dass wir als Sozialarbeiter uns einsichtig als Helfer der Menschen betrachteten und die Augen zumachten für die Machtperspektive unserer gesellschaftlichen Funktion.

Aber gerade wo Du bist, soll Deine Verbindlichkeit sich zeigen. Da soll die Auferstehung, die Befreiung der Menschen zum Schein kommen. So war unser "Berlinerbotschaft". Da unsere Treffen früher immer zu Ostern stattfand, war und ist die Auferstehung so zentral in unseren Bewusstsein. Dorothe Soelle beschreibt die soziale Dimension der Auferstehung als Befreiung der Menschen, "weil unser fundamentalstes Bedürfnis nicht die persönliche Unsterblichkeit, sondern ein Leben vor dem Tod für alle Menschen ist".

Deshalb geht es darum, Tag für Tag das Wohlfahrtssystem als Werkzeug, als Mittel für den Mensch zu verwenden und ein Kampf gegen die vielen, vielen großen und kleinen Tendenzen den Menschen zum Objekt des Systems zu machen. Das heißt, nicht nur die Leute mit Respekt zu behandeln, sondern z.B. auch gute Informationen zu vermitteln, so dass die Empfänger besser wissen, wie sie ihre Interessen begutachten können und sich verhalten. Es heißt oft und fleißig sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie ihre eigenen Akten lesen dürfen, sollen und den Inhalt kontrollieren, dass man die Entschlüsse gründlich mit den gesetzlichen Grundlagen erklären und nicht vergessen, das Berufungsrecht zu erwähnen, das man als Hauptregel sie einlädt, an den Sitzungen teilzunehmen, wo Beschlüsse ihres Daseins gefasst werden, und sic gründlich dazu vorbereiten u.s.w., u.s.w. Nicht das ich etwas Großartiges für den Anderen damit tue - dann wird er auch Objekt. Sondern das ich meine Arbeit so tue, das sie oder er die Möglichkeit bekommt, handelndes, befreites Subjekt zu werden in so großen Maß wie möglich. Ich wende mich an ihn als ein Mensch mit Möglichkeiten und Selbstverantwortung und stelle wo möglich einige Mittel zur Verfügung in Hoffnung und Erwartung. Noch sind wir beide unerlöst und unfrei, und unsere Handlungen zeigen es oft. Aber schon ist auch die Befreiung eine Möglichkeit, ob wir sie ergreifen und wagen. Die unterdrückte Frau wagt es, ihr Leben in der Hand zu nehmen und selbst es Gestalt zu geben. Der Mutlose und Verzagte wagt es, an sich ein wenig zu glauben und bietet sich als potentieller wertvoller Arbeiter an. Der Alkoholsüchtige, die Familienmitglieder entscheiden sich, dem gemeinsame Leben noch eine Chance zu geben.

Auf beiden Seiten des Schreibtisches ist die Aufforderung zu Mut und Hoffnung da. Auf beiden Seiten des Schreibtisches und in unserem Leben überhaupt versagen wir manchmal, und der Tod siegt. Oder das Wunder geschieht, und neues Leben wächst. Wir leben in der Wiese mit Korn und Unkraut, und die Sünde ist, von der Verzweiflung von dem Unkraut überwältigt zu werden. Vielleicht darf ich, kann ich die Fußstapfen des Herrn Jesu darin sehen, dass unsere Gesellschaft es als Gesetz gemacht hat, dass alle die Hälfte und meistens mehr von ihrem Einkommen für das gemeinsame Wohl abgeben sollen - auch wenn ich die Zweideutigkeit dieses Verhaltens einsehe: es wäre ja besser, dass wir so eine Gesellschaft schaffen, wo keine Mensch es brauchte hinzugehen.

So lebe ich mit meinem Kollegen und unsere Kunden in der Sozialverwaltung jeden Tag auf einem haarscharfen Rand zwischen den Kräften des Lebens und denen des Todes. Und zu jeder kleiner Handlung steht die Frage: Wird der Mensch gestärkt, mehr lebendig und hoffnungsvoll? Oder wird die Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit verstärkt? Manchmal sieht man keine Möglichkeit anders als Werkzeug des Todes zu handeln. Manchmal muss man mit den Menschen fast einstimmen: es sieht zu hoffnungslos aus.

Und dann kommt irgendwie von hinten die Botschaft, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, dass das Leben siegen wird. Und auf beiden Seiten des Schreibtisches sind wir gerufen zu sagen: aber doch - und das einen konkreten Gestalt zu geben.

So habe ich nie klar meine Arbeit gesehen - nur oft wage Gefühle in dieser Richtung gehabt. Und als ich jetzt so für diese Gelegenheit schreibe und diesen "Berlinerglauben" verbindlich durchdenke - so geschieht es noch einmal: Der Glaube wird gesellschaftlich. Ich sehe wieder eine wichtige menschliche Leistung zu geben, werde von sozialen und individueller Lähmung befreit und sehe, dass die Erlösung begonnen hat und alltäglich lebt, und die Spuren des Herrn Jesu Christi werden geahnt. Und ich kriege eine riesige Lust denen noch mehr nachzuschnuppern.

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Kurt Stellwag

Kurt Stellwag 2002Vor 30 Jahren, im Sommer 1956 fand das 1. Ökumenische Aufbaulager in der DDR in Zusammenarbeit mit der Jugendabteilung des Ökumenischen Rates der Kirchen und dem Nationalen Aufbauwerk der DDR statt. Wenn ich auch nicht zu den Teilnehmern dieses ersten - heute fast schon legendären - Aufbaulagers gehöre, so möchte ich doch hier einige meiner Gedanken zusammentragen zum Thema Ökumenische Aufbaulager und den daraus für mich resultierenden Folgen. Wie fing es denn nun bei mir an mit den Aufbaulagern und der Ökumene? Als junger Ingenieur aus der Provinz in die Großstadt Hamburg gezogen, nahm ich teil am Herbstfest 1960 der Jungen Gemeinde Hamburgs. Im Laufe des Festes ergab sich ein Gespräch mit einem Mädchen, das sehr begeistert und ausführlich über ihre Teilnahme an einem vom Ökumenischen Rat der Kirchen ausgeschriebenen Aufbaulager in Griechenland berichtete.

Was bedeutet ökumenisch? Was ist ein ökumenisches Aufbaulager? Diesen Fragen bin ich damals nachgegangen, und schon im Jahre 1961 konnte ich in einer internationalen Gruppe junger Menschen verschiedener Herkunft, Rassen und Konfessionen im Ökumenischen Aufbaulager Rasimaecki in Finnland meine ersten ökumenischen Erfahrungen sammeln.

Ich habe diesen ersten Schritt in Richtung Ökumene nie bereut, und mein Leben nach 1961 sowie später das Leben unserer Familie sind in vielfältigster Weise von den Erfahrungen aus den Aufbaulagern, später von den Ostertreffen und Herbstkonferenzen nachhaltig geprägt worden.

Ich war seinerzeit sehr froh, in den Aufbaulagern eine Gemeinschaft anzutreffen (und ich durfte ein Teil dieser Gemeinschaft sein), die als kleine Christliche Gemeinde miteinander lebte und durch ihrer Hände Arbeit -. aus dem Wissen im ihre Verantwortlichkeit - einem Notstand abhelfen wollte.

Welch eine Fülle von Möglichkeiten gab es in den Lagern (für mich 1961 in Rasimaecki/Finnland, für Anne und mich 1962 in Flond (Graubünden in der Schweiz) und bei allen anderen späteren ökumenischen Begegnungen, sich in Diskussionen mit interessanten und strittigen Fragen auf sozialem, politischem. religiösen und kulturellem Gebiet auseinander zusetzen.

Willibald schrieb in seinem damaligen Gespächsbeitrag: ,,Unsere Begegnung oder Ökumene heute" (13, Mg. 1980) meiner Ansicht nach sehr richtig: ,,... - 'unsere' Begegnung war meines Ermessens der Beginn einer permanenten und kontinuierlich sich ausweitenden Begegnung mit den Problemen anderer Menschen und Völker und denen der eigenen Gesellschaft. Die damalige Begegnung war ein Anfang und hat bis heute ihre stimulierende Wirkung behalten, auch deshalb, weil das Gespräch zwischen einzelnen Personen nie völlig abriss oder immer wieder erneuert werden konnte.

In den Jahren 1956 ff waren wir fasziniert von der Möglichkeit, mit Christen aus anderen Ländern zusammen zu sein. Die Textlesungen im Gottesdienst in mehreren Sprachen waren eine Offenbarung z.B. englisch, tschechisch, niederländisch. ungarisch, deutsch). Die weltweite Kirche war erlebbarer geworden..."

Über das finnische Aufbaulager 1961 - Lauri war dort ,,local leader''. Elfriede und Willibald waren ,Mitcamper' - führte mein Weg zum Hamburger Kreis und darüber hinaus zu der einmaligen und noch heute bestehenden europäischen ökumenischen Gemeinschaft, in der schon so viele ehrliche und offene Begegnungen stattfanden und hoffentlich noch weiterhin stattfinden werden. Welche Auswirkungen haben nun diese in 25 Jahren gemachten ökumenischen Erfahrungen. Begegnungen und langjährigen persönlichen Freundschaften für mich gehabt? Welche Konsequenzen habe ich daraus gezogen? Was ist mir bewusster geworden?

In Kürze: Offene Augen und Ohren zu haben für Verhältnisse außerhalb der eigenen Orts- und Kirchengemeinde. Ermutigung und Übernahme von Verantwortung.

Besonders durch Dietrich Gutsch und seine aktive Mitarbeit bei der Christlichen Friedenskonferenz ab Anfang der sechziger Jahre und Dietrichs Einsatz für eine Weit des Friedens bin ich auf die Friedensproblematik hingewiesen worden, lange bevor dieses Thema auch bei uns in der Bundesrepublik sehr akut ist (Nachrüstungsbeschluss, Friedensdemonstrationen usw.).

Sehr langsam, d.h. über viele Jahre hinweg vollzog sich die Herauslösung aus antikommunistischen Denk- und Verhaltungszwängen, nicht zuletzt durch die Beschäftigung mit dem Abbau von Feindbildern. Die Verkettung von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen ist mir bewusster geworden durch die Beschäftigung mit den Ergebnissen der 6. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1983 in Vancouver - hier besonders die Erklärung zu "Frieden und Gerechtigkeit'' auch im Hinblick auf das Thema unserer Ökumenischen Herbstkonferenz 1984 "Gerechtigkeit und Frieden" - von der Weltchristenheit gefordert - im Alltag gelebt". Meine persönliches Engagement lag vor allem in den letzten zwei Jahren in der aktiven Mitarbeit im Kirchenvorstand meiner Wohngemeinde und in der Synode unseres Kirchenkreises Alt-Hamburg. Besonders im Kirchenvorstand habe ich versucht, die Glieder des KVs dazu zu bewegen, dass sie sich ausführlich mit den einzelnen Ergebnissen der verschiedenen ökumenischen und kirchlichen Tagungen (6. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen - Erklärung zu Frieden und Gerechtigkeit - 7. Vollversammlung des Luth. Weltbundes - Forderungen an die Mitgliedskirchen, Deutscher Evangelischer Kirchentag 1985 - Aufruf zu einem Konzil des Friedens und Düsseldorfer Erklärung) beschäftigen. Eine nicht immer leichte Aufgabe bei der sehr unterschiedlichen Zusammensetzung unseres Kirchenvorstandes.

Welche Hoffnungen haben wir für die nächsten Jahre? Persönlich: Dass wir unsere offenen und ehrlichen Begegnungen in unseren besonderen ökumenischen Gemeinschaft werden fortsetzen können.

Weltweit: Dass die für das Jahr 1990 vorgesehene "Ökumenische Weltkonferenz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung" stattfinden möge. Der Weg dorthin wird schwierig werden, und es wird viel Engagement erforderlich sein.

Allen ökumenischen Weggefährten sage ich Dank für die erlebte Gemeinschaft miteinander und für manche erfahrene Hilfe.

 

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