29.09.1909
Wir fassten den
Entschluss übermorgen nach Walega
überzusiedeln.
30.09.1909
Bin am zurüsten, für Hanni noch ein dunkles Höschen gemacht
und backe noch Plätzchen.
01.10.1909
Gegen
½ 7 Uhr gehen die Schulkinder und unsere Kostschüler mit unseren Habseligkeiten
voraus, auch Wilhelm. Bruder Eiffert kommt mit seinem Pferd nach. Buschmann
bringt Hanni und mich mit seinem Wagen soweit es geht. Dann gingen wir eine
Strecke durch den Urwald bis an den Goria-Fluss. Von da ab tragen mich einige
Jungen auf einem Longär den Berg hinan. Es ging schließlich so steil, daß ich
bat mich doch gehen zu lassen. Walega liegt wunderschön, es weht ein kühles
Lüftchen. Gleich wurden Betten aufgeschlagen, die eine noch nicht fertige Seite
des Zimmers mit Segeltuch bespannt.
Das Haus machte den Eindruck einer Scheune, der Fußboden war
Mutter Erde, erst in den nächsten Tagen hat Wilhelm mit unseren Jungen es noch
ein wenig gemütlicher ausgebaut, auch rundum den Urwald abgeholzt, so dass wir
eine herrliche Aussicht genießen, wir sehen selbst das Meer. Hanni vermisst nur
die große Veranda. Das nötige Wasser wird in Bambusrohren aus dem Tal an einer
Quelle geholt.
03.10.1909
Herr Peuker (Angestellter der
Neuguinea-Kompagnie, später selbständiger Pflanzer) machte mir einen
Besuch, tranken ein Fläschchen Selterswasser und hernach noch Kaffee, dann zog
er wieder ab. Am Morgen versammelten sich die Leutchen vor unserer Hütte und
Wilhelm erzählte ihnen von der Schöpfung.
06.10.1909
Die Woche ging, jeder Tag brachte dasselbe. In der
Morgenfrühe mussten 2 Jungen den Berg hinunter und Milch holen. Eiffert schickte
uns von unserem Gemüse ab und zu, auch ein Herr der Neuguinea-Kompagnie schickte
einmal Möhren. Vorm Haus kocht Katige auf einem offenen Holzfeuer. Ich sticke
noch die letzten Namen in meine Wäsche. Von Sonntag auf Montag die Nacht ging
Wilhelm um 2 Uhr mit einer Reihe Jungen nach Balai, selbige hatten Frauen
gestohlen in einem entfernten Dorf. In der letzten Zeit kommen mehrere Männer
aus dem Dorf nach Stephansort und wollen für Europäer schießen. Die Gewehre
hatten sie dann für den Frauenraub benutzt. Das erste war, dass Wilhelm sich
durch einige Jungen die Gewehre holen ließ. Dann mussten sie die Frauen
herausgeben, natürlich hatten sie allerlei einzuwenden, auch sollten sie 2
Schweine hergeben. Des Nachmittags kam er dann mit den Leuten hier an.
Anderntags kam dann Wal mit 2 Schweinen. Natürlich waren auch zwei Liebhaber der
Frauen mitgekommen und dachten, letztere würden ihnen ausgehändigt. Als das nun
nicht geschah, zogen sie zornig weg und hatten noch gesagt, sie würden sie des
Nachts stehlen. Sie sollten nur kommen, sagte Wilhelm, hier wären die Frauen im
Hause, aber an verschiedenen Stellen stünden auch Jungen mit Gewehren. Dann
hatten sie gesagt, sie wollten Männer aus dem Dorfe der Frauen holen. Nach
einigen Tagen kommen sie dann auch wirklich mit drei Männern von da an.
Trotzdem bekamen sie die Frauen doch nicht mit, dreien wurde
gesagt, wenn sie noch viel sagten, würden sie festgenommen und zum Assessor
gebracht. Da wollten sie noch ein Schwein bringen. Doch es wurde ihnen gesagt:
ihr bekommt die Frauen nicht, die bringe ich selbst in ihr Dorf. Seitdem hat
sich keiner mehr blicken lassen. Ich war in den Tagen doch recht bange. Zu dem
Festessen der beiden Schweine wurden alle, die am Hause und Wege geholfen haben,
eingeladen. Sie bekamen Reis und Tabak dazu und Wilhelm lieh ihnen die Trommeln
zu einem Festspiel.
10.10.1909
Nachmittags waren Herr Elmies und Rhadez hier, es regnete in
Strömen, es war mir ordentlich ungemütlich, gingen schon um ½ 8 Uhr zu Bett.
Morgens war wieder Gottesdienst vor der Hütte.
11.10.1909
Hanni hat Schnupfen.
12.10.1909
In aller Frühe packen wir unsere Sachen. Die Leutchen werden
noch mit Tabak, Perlen, Streichhölzern und Fischhaken ausgelöhnt. Auch gebe ich
ihnen das Brot und Salz, was noch da ist. Als wir um 7 Uhr loszogen weinten die
Frauen. Auf unsere Bitte kam Buschmann, soweit der Weg fahrbar war, uns mit dem
Wagen entgegen und brachte Hanni und mich schnell nach Hause. Das kam uns nun
nach den 10 Tagen im Busch ganz fein vor, besonders Hanni freute sich, dass sie
wieder mehr Spielraum hatte.
...
10.06.1910
kam Assessor Berghausen (Ernst
Berghausen, auf Jaluit (Marshallinseln) und in Herbertshöhe tätig, später
Bezirksamtmann und Richter in Friedrich-Wilhelmshafen) nach Bogadjim um
die ersten Steuern zu erheben. In Born sind sie in Unruhe wegen eines Mannes,
der am 4. des Monats mit seiner Frau ins Feld gegangen ist, gegen Abend lässt er seine
Frau nach Hause gehen und sagt, er gehe noch in ein Bergdorf. Dadurch dass
Steuern gehoben werden sollten, wird man aufmerksam auf ihn.
11.06.1910
Der Assessor Berghausen hebt keine Steuer, da er Fieber hat.
Jedenfalls haben sie bei Baron von Spiegelfeld gestern Abend gezecht. Wilhelm
ging zu ihm, um für die Leute zu fragen, die den Vermißten suchen wollen.
12.06.1910
Heute Sonntag. Morgens während des Gottesdienstes erhebt er
Steuern, doch es ist auch kein Mann in der Kirche. Gegen 11 Uhr kam er und
machte uns seinen Besuch. Es ist lächerlich, wie ein Mann, der erst einige
Monate im Lande ist, alles besser wissen will wie einer, der fast 8 Jahre im
Lande ist. Als die Rede auf den Häuptling kommt, der Frauen stiehlt und Schweine
erpresst, meint er, das sind solche, mit denen wir arbeiten können, solche
Gauner, die schon was auf dem Kerbholz haben. Man war sprachlos ob seiner
Ansichten.
13.06.1910
Fährt er nach Bongu. Alle Männer aus dem Dorfe an 100 ziehen
los, um den Mann (Der Vermisste hieß Bonsi.
Tagebuch Wilhelm Diehls vom 14.6.1910.) zu suchen. Als wir am essen sind,
kommen zwei Männer zurück und sagen, sie haben ihn mit zwei Speerwunden in der
Schulter im Bache liegend gefunden. Gegen 2 Uhr kamen sie dann mit der Leiche im
Dorfe an. An einer dicken Stange in Blätter gebunden. Worauf gleich große
Totenklage beginnt. Er war schon tüchtig verfault, der Heilgehilfe, der auch
gerufen war, konnte keine Speerwunde feststellen, da meist nur Knochen zu sehen
waren.
Auf ein Schreiben an den Assessor bei der ersten Nachricht
kam selbiger gegen 5 Uhr mit seiner Pinasse hier an. Er konnte aber auch nichts
machen, da keine genauen Angaben gemacht werden konnten. Als wir beim Abendessen
sind, kommen einige Jungen von den unsern aus dem Bandje
(Männerhaus) und sagen ganz erregt, 2
Balaileute (Zwei Männer aus dem Gebirgsdorf Balai,
Labua und Koti, besuchten das Teildorf Born. Dort wird Koti des Mordes an Bonsi
verdächtigt und flüchtet sich zur Familie Diehl.) seien gekommen, der
eine sei ins Dorf gegangen. Natürlich waren auch wir gespannt, was es noch gab,
da die Leute im Dorfe doch sehr erregt waren und auch gerade die Balai-Leute im
Verdacht der Täterschaft stehen. Beide gingen ins Dorf, dem Koti hat man gleich
gesagt davon, der kam nun in großer Angst auf unsere Veranda.
Wilhelm sprach in seinem Zimmer mit ihm, aber er schielte
immer zur Tür. Beteuerte natürlich ihre Unschuld. Wenn sie in Balai das gewusst
hätten, hätten sie wohl nicht den Jungen allein heruntergehen lassen. Der zweite
Mann soll ein früherer Mann aus Born sein und des Verstorbenen Was
(Bruder). Kotis Angst wird noch gesteigert, als 2 Tultuls
(Tultul waren in der Regel frühere Polizeisoldaten, die in ihr
Dorf zurückgekehrt waren und dort im Auftrag der deutschen Kolonial Verwaltung
Polizeiaufgaben wahrnahmen.) aus dem Dorf kommen und noch mehrere Jungen,
um ihn zu fassen und dem Bezirksamt zu überliefern. Doch Wilhelm sagt ihnen:
Wisst ihr bestimmt, dass es die Balai-Leute gewesen sind? Nein! Nun dann gebe ich
diesen, der wohl unschuldig ist, auch nicht heraus. Er schlief dann mit noch 2
anderen Jungen im Postzimmer. Bruder Eiffert schloss von außen zu, es wurde ihnen
noch erst gesagt, keine Angst zu haben. Ich habe aber wohl die meiste Angst
ausgestanden. Bis 2 Uhr kein Auge zugemacht, immer sah oder hörte ich etwas.
(Wilhelm Diehl berichtet über den Vorfall an das
Bezirksamt: "Des Abends kommt Jamai aus Born und Labua aus Balai zu mir und
teilen mir mit, was ich wie folgt an das Bezirksamt berichtete: .Wohllöbliches
Kaiserliches Bezirksamt Friedrich-Wilhelmshafen: Am 7.d.M. war der Eingeborene
Labua aus Balai, früher in Born wohnhaft, bei mir und erklärte, der alte Mann
Kadjani in Balai habe ihm erzählt, Weba, Ubua, Umabia, Olelu und Molea hätten
Bonsi aus Born ermordet. Nachdem sie Bonsi am Flussbett getroffen hätten, habe
ihn Weba mit einem Speer am Bein verwundet. Darauf sei Bonsi auf einen kleinen
Hügel gelaufen, wo er durch Ubua ergriffen und ins Flußbett geschleppt worden
sei. Hier habe ihn Ubua durch einen Speer in die eine und Umabia einen Speer in
die andere Schlüsselbeinhöhle gestoßen. Olelu habe ihn dann mit einem Messer die
Kehle durchschnitten. Molea habe der Tat zugesehen. Obige Angabe wurde mir heute
durch den Eingeborenen Olelu von Walega bestätigt. Dieser befand sich in der
Nähe des Tatortes und eilte auf das Geschrei des verwundeten Bonsi herbei,
wodurch er Zeuge der weiteren Bluttat wurde. Die Balai-Leute, die Olelu
bemerkten, hielten ihn fest und ermahnten ihn nichts zu verraten. Nach Olelus
Aussage wurde dem Bonsi nicht der Hals, sondern mit einem kleinen Messer der
Leib aufgeschnitten. Bogadjim, den 10. Juli 1910 Ergebenst Wilhelm Diehl,
Missionar.")
...
04.05.1912
Es ist ziemlicher Aufruhr unter unseren Leuten im Dorfe.
Malus, ein abgefallener Christ, hat eine große Nummer bei unseren Leuten. Ist
jemand krank, der lässt Malus rufen. Mitternacht trommelt er die Frauen aus den
Häusern, die müssen sich um ihn herum setzen und dann wird alles ausgekramt, die
Verfehlungen der Mädchen usw. Er sagt, ich bin Jehova. - Wir haben den Christen
gesagt, nicht hinzugehen, wenn er sie ruft. Das ist ihm nun nicht passend. Gumbo
hat uns das Treiben des Malus verraten, dafür ist er von Frauen und Männern
tüchtig ausgeschimpft. Gestern Nacht hat er seine Frau zu Gumbo geschickt, er
solle kommen. Daraufhin geht er nicht, es kommen noch 1 Mann und 2 Frauen und
schimpfen, warum er nicht käme. Auf Umwegen geht er nun nach Born, da sieht er,
wie der Malus vor seiner Hütte auf- und abgeht. Gumbo ruft, komm ich habe
mit dir zu reden, erst will Malus nicht, komm ruft er, bis er dann auch kommt,
er sagt ihm dann seinen Standpunkt, worauf Malus erwidert: seine und Diehls Rede
sei gleich.
05.05.1912
Wilhelm hat in der Kirche ein offenes Wort über Malus und
sein Treiben geredet, er kam ordentlich dabei ins Feuer. Er hat sie gewarnt vor
ihm, sein Weg sei nicht gleich mit unserem, wenn er gleich sei, könnte er sich
von jedem hören lassen. Nachmittags kam Anag, Namui und Abai. Ersterer meinte,
ob er zum Assessor gehen sollte wegen des sing-sing der fremden Leute in ihrem
Dorfe (Leute von der Dorfinselspitze machen jeden Sonnabendabend im Dorfe Lou,
dagegen hat Bruder Eiffert auch in der Kirche geredet). Wilhelm fragte Anang,
was er denn zu seiner Rede wegen Malus meinte. Sein Herz, meinte er, habe nichts
gesagt, Gumbera bole kir (Sinngemäß: "Es ist eine
gute Sitte). So fest hat sich die Geschichte eingewurzelt und so schauen
sie an seiner Größe herauf. - Der Malus hatte zu Gumbo gemeint, er wolle es
nicht mehr machen. Gumbo solle es jetzt machen.
...
08.07.1912
Wir
packten uns die nötigsten Sachen zusammen und gingen für 8 Tage auf den 120 m
hohen Berg Walega. Bruder Eiffert hatte das Haus mit den Kostschuljungen
ausgebessert. Der Morgen ist wunderschön hier oben, so kühl, ein wollnes Kleid
hab ich angezogen. Die Ruhe bekommt gut, meist sitze ich in der Hängematte.
10.07.1912
Hanni hat viel Vergnügen. Macht immer Feuer unter dem
hängenden Kessel und fegt in der Hütte. Wilhelm geht früh nach Balai. Wir kochen
das Nötigste auf einem Petroleumkocher, die Milch lassen wir holen.
13.07.1912
Wilhelm geht nach Bogadjim. "Manila" ist da, ankert in Erima.
14.07.1912
Herr Meier, Tenzer, Gronau und Eiffert waren bei uns
(Friedrich Heinrich Tenzer war Leiter der
Pflanzung der Neuguinea-Kompagnie in Erimahafen, Felix Hans Gronau Angestellter
in Stephansort).
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Hinten die
Herren Paul Mayer, Felix Gronau und Friedrich Tenzer sowie ganz
rechts Missionar Georg Eiffert.
Vorn Johanna Diehl geb. Bleidorn, Tochter Hanni
und Missionar Wilhelm Diehl. |
15.07.1912
Fing ein sing-sing in Walega an, wozu sich die beteiligten
Christen alle gründlich eingeschmiert hatten ohne Ausnahme. Sogar unser Tomi
tanzte mit, den holte sich Wilhelm dann gleich aus der Mitte heraus. Wir waren
sehr niedergedrückt, das zu sehen.
16.07.1912
Gingen wir wieder nach Bogadjim. Ich habe geritten, konnte am
anderen Tag kaum sitzen. |