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Die ersten Breklumer Missionare in Indien

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Deutsch 152 KB

Inhalt


Ernst Pohl

Quelle: Die dem Ruf folgten. Lebensbilder Breklumer Misssionare. von Ernst Henschen. Herausgegeben im Auftrag des Nordelbischen Zentrums für Weltmission und Kirchlichen Weltdienst Breklum und Hamburg. Breklumer Verlag, Breklum 1980. Seite 22

Missionar Pohl mit Frau

Ernst Pohl in Salur


 

Sein Buch "Aus den Anfängen der Breklumer Mission“ (6. Auflage 1966, Breklumer Verlag Siegel) - ein Bericht von Leben und Erfahrungen der ersten beiden Breklumer Missionare in Indien - zeigt nicht nur etwas vom Glauben und Gehorsam jener beiden jungen Männer auch unter Nöten, Ängsten und Opfern, sondern gerade auch etwas von der Freude am Herrn und vom Lobe Gottes, das durch die Tiefen der Anfechtung hindurchträgt. Es ist uns unvergessen.

Ernst Pohl stammt aus Fraustadt. Hier wurde er am 25.12.1860 geboren. Seine Eltern gehörten der altlutherischen Kirche an. Er besuchte die Realschule und später die Gewerbeschule in Liegnitz. Der junge Pohl wollte Bautechniker werden. Doch eine Missionspredigt hielt ihn so fest, dass ihm deutlich war, er müsse Missionar werden. Die Leipziger Mission nahm (damals jedenfalls) nur Akademiker auf. Aber Theologie studieren? Der Vater des jungen Pohl, Tischlermeister mit sechs Kindern, glaubte dazu nicht die Mittel zu haben. Doch man las damals in Liegnitz das Breklumer Sonntagsblatt, daher wusste man um Jensens neues Missionsseminar, das auch Nichtstudierte aufnahm. So trat Emst Pohl am 13.04.1878 in das Breklumer Seminar ein.

Mit seinem Freunde Bothmann reiste er am 30.12.1881 von Venedig aus nach Indien. Nach vergeblichen Mühen um Jagdalpur und Koraput - fast unter Hingabe des Leben durch Feindschaft der Menschen und Fieber - konnten sie in Salur das erste Missionshaus bauen als Ausgangspunkt für den Weg zurück über Koraput nach Jagdalpur/Bastar.

Beide heirateten in Waltair am 14.09.1885. Emst Pohls Frau wurde eine Jugendbekannte, Martha Schmidt, Tochter des Kirchenältesten und Wagenbauers Schmidt in Liegnitz. Sie hatten acht Kinder. Von 1889 - 1897 wurde Pohl an die amerikanische Mission in Rajahmundry "ausgeliehen", wie er es nennt. Danach übernahm er die Station Parvartipur.

1906 rief ihn der Vorstand aus Indien zurück in die Heimat, der er dann in unermüdlichen Predigt- und Vortragsreisen bis zu seiner fast völligen Erblindung gedient hat. Wir sehen ihn noch vor uns, den fröhlichen Zeugen Jesu, der des Heilands Treue unter uns groß zu machen verstand. Am 16.10.1930 schied Senior Pohl aus der Breklumer Arbeit aus, um noch einige Jahre Krankenhausseelsorger an der Diakonissenanstalt Flensburg zu sein. Am 16.08.1935 holte ihn der Herr in einem stillen Sterben heim. Seine Frau folgte ihm am 25.03.1950.

His book "The beginnings of Breklum mission”, a report of the life and work of the two first Breklum missionaries in India, not only gives an idea of their faith and obedience espatially under hardship, fear and sacrifice but also how those two young men gain happiness in believing in God and praising the Lord, which helps us through the abysses of temptation. Forever we will remember it.

Ernst Pohl was born 25.12.1860 in Fraustadt. His parents belonged to the Altlutherischen Kirche. He attended the junior high school, later the vocational school in Liegnitz. The young Pohl wanted to become a constructional engineer. But a missionary sermon impressed him so much , that he felt, he should become a missionary. The Leipziger Mission at that time only admitted academics. But should he begin a study of theology? The father of the young Pohl, a joiner with six children, was convinced, that he could not raise the necessary money for such a study. But at that time people in Liegnitz were reading the Breklumer Sonntagsblatt. From this paper it was known that Jensen’s new missionary seminar also admitted nonacademics. Taking this chance Ernst Pohl joined the Breklumer Seminar the 13. of april 1878.

Together with his friend Bothmann he started from Venedig to India in 30.12.1881. After fruitless efforts to establish a missionary post in Jagdalpur and Koraput - nearly giving their lives because of hostility of the people and fever - they could construct the first house of mission in Salur as a starting point for the way back to Jagdalpur/Bastar over Koraput.

Both were married in Waltair the 14.09.1885. The wife of Ernst Pohl, Martha Schmidt, was an early female friend; her father, a carriage builder, was presbyter in Liegnitz. They had eight children. From 1889 to 1897 Pohl was lent out, as he described it, to the American Mission in Rajahmundry. Later on he was in Parvartipur.

1906 the directory of Breklum Mission called him from India back to Germany. Back at home he was tireless travelling around, giving reports, lectures or a sermon. He stopped his activities not earlier than to the point he was nearly blind. We still see him before our eyes, the cheerful witness of Jesus, who between us knew to make big the faithfulness of our Saviour. On October tenth in 1930 Senior Pohl withdrew from the Breklum work and changed to the Sisters of Mercy institution in Flensburg, where he was the home clergy-man of the house. On August 16th 1935 God, the Lord took him home in a process of calm decease. His wife followed him the 25.3.1950.


Paul Schulze

Quelle: Die dem Ruf folgten. Lebensbilder Breklumer Misssionare. von Ernst Henschen. Herausgegeben im Auftrag des Nordelbischen Zentrums für Weltmission und Kirchlichen Weltdienst Breklum und Hamburg. Breklumer Verlag, Breklum 1980. Seite 28


Missionar Schulze mit Frau und Kind
1889

Seine 79 Jahre umschließen ein erfülltes Missionsleben voll Hingabe und Tatkraft und zugleich auch voll körperlicher Gebrechen, dass seine Freunde es oft mit Staunen sahen, mit welcher Glaubens- und Willenskraft er das alles überwand oder auch nicht achtete.

Geboren wurde er am 29.07.1865 in Lochau bei Merseburg, wo sein Vater und schon sein Großvater Pastoren gewesen waren. Nach dem Besuch des Gymnasiums bis zur Sekundarreife in der Franckeschen Stiftung in Halle und dem Abschluss des Missionsseminars in Breklum kam er Oktober 1889 nach Salur.

Hier hat er von seinem Eintreffen am 01.12.1889 bis November 1914 und noch einmal von Ende 1928 bis 1934 arbeiten können. Für die Heidenpredigt überzog er den Bezirk mit einem Netz kleiner Distriktshäuser, von denen aus wieder 20 - 25 Dörfer erreichbar waren. Schon 1891 errichtete er eine Tischlerei- und Buchbindereiwerkstatt, wo schulentlassene Christenjungen ein Handwerk lernen und eine Lebensgrundlage finden konnten. Seine ganze Liebe galt der Schule. Christen- und Heidenkinder hingen wie Kletten an ihm. Sein großes Werk aber, das ihm den "Kaiser i Hind“-Orden und den amerikanischen "Dr.“ eintrug, war seine Fürsorge für die Aussätzigen, die er nicht heilen, aber schützen konnte. Zunächst sammelte er sie auf einem Gehöft beim Missionsgrundstück. Dann entstand 1906 sein "Philadelphia" draußen vor Salur, das mit schottischen Geldern finanziert wurde, aber geistlich Schulzes Werk war und blieb.

Ein anderes großes Werk sind seine Anlagen um Tumarelli, Zeugnis seines Mühens und seiner Liebe zu den Konds. Er erforschte als erster ihre Sprache und schuf die ersten Drucke in Kuwi.

Nach der Rückkehr aus Indien fand er am 01.09.1916 eine große Gemeindearbeit in Nürnberg-Lichtenhof, 1923 in Flossenbürg. Doch empfand er die Jahre der Trennung von seinen Telugus und Konds als "Jahre der Gefangenschaft“. Als die Amerikaner unser Telugugebiet noch nicht sobald übernehmen konnten, zog er 1928 noch einmal hinaus. 1934 kam er fast 70-jährig zurück.

Während des Krieges vertrat er den Pastor in Lochau. Am 16.04.1944 starb er in der Diakonissenanstalt in Halle. Er ruht auf dem Friedhof in Lochau. "Ich muss wirken, solange es Tag ist" - das hat er getan.

Er war seit 1894 verheiratet mit Martha von Rath aus Herrnhut; sie hatten drei Kinder.

His 79 years enclose a rich and fulfilling missonary life with a maximum of devotion and energy and at the same time full of bodily defects, so that his friends often were amazed at his power of faith and will with which he overcame all this or often enough neglected it.

He was born the 29.07.1865 in Lochau near Merseburg, where his father and already his grandfather have been a pastor. He left the Gymnasium of the Franckeschen Stiftung in Halle with GCSE and after the termination of the missionary seminar in Breklum he came 1889 to Salur.

From his arrival in 01.12.1889 till November 1914 and then again from the end of 1928 till 1934 he could work in this place. For the pagan sermons he covered the whole region whith a net of little district houses, from which one could reach 20 -25 villages. Already in 1891 he established a joiners and a bookbinders workshop, where Christian boys who had left school could learn a handicraft and find a basis for life. With all his love he looked after the school. Christian and pagan children stuck to him like burs. His biggest work however, for which he got the “Kaiser i Hind”- order and the American doctor degree, was his care for the leprous people, whom he couldn’t cure but protect. In the beginning he gathered them in a farm-stead near the real estate of the Mission. Later, in 1906, his “Philadelphia” came into existence outside from Salur, it was financed with Scottish money, but for the religious spirit it was and remained Schulzes project. Another big work are his constructions around Tumarelli, testimony of his trouble on the Konds and his love for them. He investigated as the first their language and produced the first prints in Kuwi.

After the return from India he found from 01.09.1916 an extensive work in the congregation in Nürnberg-Lichtenhof, 1923 in Flossenbürg. Yet he perceived the years of separation from his Telugus and Konds as “years of imprisonment”. When the Americans couldn’t take over so quickly our Telugu territory he moved out again in 1928. 1934 he came back, nearly 70 years old. During the war he acted as a substitute for the pastor in Lochau. The 16.04.1944 he died in the Sisters of Mercy institution in Halle. He lies in the churchyard of Lochau.“ I have to perform so long as the day lasts” - he has done it.

He was married 1894 with Martha von Rath from Herrenhut. They had three children.

Anmerkungen zu Paul Schulze

Paul Schulze gründete 1928 den Evangelischen Jugendheimverein in Flossenbürg; dessen Ziel war, ein Heim für junge Wandergesellen zu bauen. Daraus wurde Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts der Bau eines Gemeindehauses. Die alten Flossenbürger erinnern sich gerne an den Arzt Paul Schulze. Er zog Zähne und rettete manchen mit Naturheilmitteln das Leben, egal ob Lutheraner oder Katholik.
Vgl. Quelle

Gedenkstätte des KZ Flossenbürg 
deutsch 4,1 MB 
english 4,2 MB

Paul Schulze hat Drawida-Märchen der Kuwi-kond gesammelt und zum ersten Male in das Deutsche übertragen und mit einer Einleitung 1922 herausgegeben. Nachfolgend zwei Märchen.
Vgl. Quelle


Märchen der Kuwi-Khond aus dem Bergland von Orissa in Indien

Der undankbare Tiger

Vor vielen Jahren lebten Kuwi in einem Walddorf, das oft von wilden Tigern heimgesucht wurde. Um sich vor dieser Tigerrplage zu befreien, erbauten die Leute eine mächtige Falle. Es dauerte auch gar nicht lange, als sich ein gewaltiger Tiger in dieser Falle fing. Der schwere Stein war auf ihn gefallen und presste ihn stark zusammen, so dass er sich nicht zu bewegen vermochte, ja, kaum Atem schöpfen konnte. So lag er schon einen ganzen Monat in der Falle eingeklemmt, und sein Stöhnen konnte man in der ganzen Umgebung hören, allein das Leben wollte immer noch nicht entweichen.

Da kam eines Tages ein alter Brahmane von seinem Bettelgang des Weges daher. Der Tiger hatte ihn schon von weitem erblickt und bat ihn flehentlich, ihn doch von seinen Qualen zu befreien. Der Brahmane fuhr aus seinen Gedanken ganz erschrocken auf, als er die Stimme des gefürchteten Tieres vernahm. Er kam jedoch näher, als er erkannte, dass keinerlei Gefahr für ihn bestünde und sagte: "Oh Tiger, seit langer Zeit hast du nun gehungert, wenn ich dich jetzt befreie wirst du mich sicher sofort auffressen, darum kann ich dich nicht aus der Falle befreien."

Darauf erwiderte der Tiger: "Wie könnte ich also handeln? Wäre es nicht eine ungeheure Undankbarkeit von mir gegen dich, der du mich so freundlich aus der größten Gefahr meines Lebens befreit hättest? Könnte ich je meinen Wohltäter und Retter verschlingen? Nein, das könnte ich ganz sicher nicht!"

Der törichte Brahmane glaubte den Worten des Tigers und antwortete: "Ja, ich will dich befreien, doch schwör mir zuvor, dass du mir kein Leid antun wirst; berühre mit deinem Kopf und mit deiner Pfote die Erde und schwöre mir das!"

Ohne sich zu bedenken, leistete der Tiger den gewünschten Eid, und der Brahmane befreite ihn sogleich aus der schrecklichen Falle.

Kaum fühlte sich der Tiger in Freiheit, da stürzte er sich sofort auf den armen Brahmanen, um ihn zu verschlingen. Erschrocken schrie der geängstigte Priester: "O weh, was soll das? Hast du mir nicht unter deinem Eid versprochen, dass du mir kein Leid antun wirst? Willst du deinen Eid brechen? Nein, das könntest du nicht! Wenn dir mein Wort nicht genug ist, dann lass uns unsere Angelegenheit drei Richtern vorlegen, wie diese entscheiden werden, wollen wir dann tun."

Der Tiger stimmte diesem Vorschlag zu und ließ ab von dem Priester. So gingen sie zusammen und kamen zuerst an einen Mangobaum, dem sie ihre Sache zur Entscheidung vorlegen wollten. Nachdem der Baum ihre Geschichte vernommen hatte, sagte er: "Ich sehe durchaus kein Unrecht darin, Tiger, wenn du den Mann auffrisst. Du erweisest ihm nur dieselbe Vergeltung, die er verdient, da er ja selbst nicht anders gegen andere handelt. Sieh zum Beispiel mich an! Menschen wohnen unter meinem Schatten, erfreuen sich an meinen köstlichen süßen Früchten, die ich ihnen spende; meine Blätter und trockenen Zweige nehmen sie als Feuerholz und wärmen sich daran, und dennoch hauen sie mich ab mit Stumpf und Stiel und zeigen nicht die geringste Spur von Mitleid und Erbarmen. Und darum, meine ich, bist du völlig im Recht, wenn du in gleicher Weise mit ihm verfährst."

Als der Tiger dieses Urteil des Mangobaumes angehört hatte, stürzte er sich wiederum auf den Brahmanen, um ihn zu verzehren. Noch hatte dieser Zeit, ihn an sein Versprechen zu erinnern, dass sie noch zwei andere Richter anhören wollten, worauf der Tiger wieder von ihm abließ und sich einverstanden erklärte. So begegneten sie auf ihrem Weg einer Kuh, die sie als zweiten Richter anriefen. Als die Kuh ihre Geschichte angehört hatte, zeigte auch sie sich dem Tiger geneigt, da sie an all das Herzeleid dachte, das ihr die Menschen im Lauf ihres Daseins zugefügt hatten, und sprach: "Was tat der Mensch mir nicht schon alles an! Er trinkt meine Milch, die er meinen Kälbchen raubt, er spannt mich vor seinen Pflug, an dem ich den ganzen Tag in Hitze und Staub mich abplagen muss wie ein armer Sklave, dabei haut er auf mich ein, zerbricht mir meinen Schwanz, dass ich vor Schmerzen zu sterben vermeine, und habe ich dann mein Leben in Mühe und Qual für ihn vergeudet, dann schlachtet er mich zum Schluss und verzehrt mein Fleisch. Der Mensch ist das undankbarste Geschöpf, darum friss ihn auf, Tiger, wie er mich auffrisst. Du handelst ganz im Recht, wenn du ihn vertilgst."

Am ganzen Körper vor Schrecken zitternd, hatte der arme Brahmane das harte Urteil der Kuh mitangehört. Schon versuchte abermals der Tiger, seinen Hunger an ihm zu stillen, doch gelang es dem Brahmanen noch, ihn an das gegebene Versprechen zu erinnern, dass sie noch den dritten Richter anhören müssten.

Ohne jede Hoffnung auf Rettung wanderte der arme Brahmane traurig neben dem Tiger her, bis sie schließlich in einiger Entfernung einen Fuchs erblickten, der sich auf dem Feld sonnte.

"Oh, mein Freund", rief ihn der unglückliche Brahmane an, "komm doch zu uns, oder warte! Mir steht ein großes Unglück bevor. Ich habe diesen Tiger hier aus der Falle befreit, er hat mir versprochen, dass er mir kein Leid antun will, er hat es mir sogar geschworen, doch nun will er mich verschlingen, ist das recht?"

Der Fuchs, dem sie sich unterdessen genähert hatten, blieb ruhig liegen, kratzte sich mit seiner Pfote hinter den Ohren und knurrte: "Was ist los? Ich kann nichts hören, sprich lauter! Ich habe heftige Ohrenschmerzen heute. Erzähl noch einmal - aber ganz langsam ich liebe keine Aufregung!"

Der Tiger und der Brahmane begannen abermals ihre Geschichte zu erzählen, doch der Fuchs sprach: "Ich kann nicht so schnell folgen - langsamer! Kann immer noch nicht recht verstehen! - Wo? Wie war es?"

So redend näherten sie sich immer mehr dem Ort, wo die Falle lag. Wieder erklärten beide, so gut sie es vermochten, die ganze Sachlage, allein, der Fuchs meinte, dass es ihm unmöglich sei, eine so schwierige Sache zu entscheiden. "Wir sind nahe der Falle", begann er, "zeigt mir nun ganz genau, wie sich alles abgespielt hat, dann will ich jedem ein gerechtes Urteil sprechen."

So erreichten sie die Tigerfalle. "Hier ist der Ort", sprach der immer noch zitternde Brahmane, "hier habe ich ihn aus seiner höchsten Gefahr errettet, und hier hat er mir geschworen."

"Nicht so", erwiderte der Fuchs, "um gerecht zu richten, muss ich zuerst recht gesehen haben. Wie war es? Wo lag der Tiger? Wo standst du? Stell dich an den alten Platz, und du, Tiger, leg dich, wie du gelegen hast, und zeig auch, wie der Stein lag."

Darauf hob der Brahmane den Stein wieder hoch, während der Tiger seine Lage erklärte. "Kann nicht verstehen", knurrte der Fuchs, "zeige mir, wie du gelegen hast, krauch wieder hinunter und lass sehen, wie du das Gewicht trugst."

Der Tiger gehorchte und kroch unter den Stein und legte sich genauso, wie er zuvor gelegen. In diesem Augenblick ließ der Brahmane den Stein fallen, und der Tiger war wieder gefangen. Dann befahl der Fuchs dem Brahmanen, noch mehr schwere Steine herbeizuholen, um das Gewicht zu verstärken, und dieser tat, wie ihm befohlen. Dann dankte er mit herzlichen Worten seinem Retter und fragte ihn, womit er ihm eine Freude bereiten könnte. Der Fuchs bat ihn darauf um ein fettes Huhn, welches der Brahmane gern für ihn herbeischaffte. Dann schieden beide in Fröhlichkeit voneinander.

Wir aber sind arme Kuwi und Bettler.


Der große Teich

Vor vielen Jahren lebte einmal ein sehr reicher Dorfhäuptling, der an Schätzen und Gütern alles besaß, wonach sein Herz verlangte. Doch eines fehlte ihm zu seinem vollkommenen Glück: ein Sohn. Bedrückt und traurig gingen Mann und Frau stets einher, denn wie sollte ihr Name auf dieser Erde fortbestehen? Mit ihrem Tod, meinten sie, würde auch ihr Gedächtnis dahinschwinden. Sie überlegten lange, wie sie ihre unermesslichen Reichtümer vielleicht verwenden könnten, um auch nach dem Tode im Gedächtnis der Menschen fortleben zu können. Da kamen sie auf einen guten Einfall: sie wollten einen gewaltigen, großen Teich graben lassen, denn sie meinten, alle Leute würden von dem Anblick desselben erfreut sein, den Namen des Erbauers stets im Munde führen und im Gedächtnis behalten. Schon am nächsten Tag ließ der Häuptling den Priester zu sich kommen und teilte ihm seinen Plan mit. Er forderte ihn auf, alle Bewohner des Dorfes und der Umgegend herbeizuholen, um an dem Werk mitzuarbeiten, wofür er jedem der Arbeitenden doppelten Tagelohn versprach.

Auf seinen Aufruf strömten alle Leute zusammen, brachten ihre Ochsen und Spaten mit und begannen fröhlich die Arbeit. Es wurde gegraben, geschaufelt und gefahren von früh bis spät, und nach nicht langer Zeit konnte man bereits die Umrisse des Walls erkennen, der den Teich umgeben sollte. Vier Stunden Weges sollte jede Seite des Teiches lang werden.

Drei Jahre nun hatten Tausende von Menschen bis zur Fertigstellung des Teiches zu schaffen und zu arbeiten. Doch als der Teich fertig war, bemerkte man an einer Stelle des Walles ein kleines Loch, durch welches das Wasser durchsickerte und den ganzen Wall zu durchbrechen drohte. Man versuchte mit allen Mitteln, dieses Loch zu verstopfen, doch alle Mühe schien vergebens. Tiefbetrübt darüber, wanderte der Häuptling selbst eines Tages zu dieser Stelle, wurde aber unterwegs so müde und schläfrig, dass er sich in dem Schatten eines Baumes niederließ und bald fest einschlief. Da hatte er einen sonderbaren Traum:

Drei kleine Mädchen kamen auf ihn zu, berührten seine Schulter, als wollten sie ihn wecken, und sagten dann zu ihm, dass der Teich nur gerettet werden könne, wenn sich seine eigene Frau den Wassernixen opfere.

Als der Häuptling wieder erwacht und nach Hause zurückgekehrt war, erzählte er sogleich seiner Frau den seltsamen Traum. Die Frau sprach: "Was bin ich denn wert? Nur um das Gedächtnis unseres Namens zu erhalten, ließen wir den Teich graben ; was könnte mir mehr Befriedigung schaffen, als dass ich durch meinen Tod den Wert dieses Andenkens noch erhöhe? Gern will ich mich zu diesem Zweck den Wassernixen opfern."

Darauf legte sie ihre Alltagskleider ab, badete und salbte ihren Körper, schmückte sich mit den schönsten Gewändern, die sie besaß, wand Kränze von frischen Blumen um Haupt und Schultern und zeichnete sich auf die Stirn das heilige rote Mal. Dann begab sie sich singend und betend, langsamen Schrittes zu der gefährdeten Stelle des Teiches und hockte sich dort nieder. Während sie Gebete vor sich hin murmelte, ließ sie sich von den Arbeitern mit Erde bewerfen, bis sie ganz zugedeckt und begraben war.

Kaum hatte sich ein Hügel über ihrem hockenden Körper gewölbt, da hörte das Wasser auf zu rinnen, und das Loch blieb seitdem verstopft. Nun kehrten alle Leute fröhlich in das Dorf zurück, denn ihre Arbeit war beendet.

Eines Tages kamen fünf Frauen an diesen Teich, es war noch früher Morgen, um die Zeit des Zähneputzens, als sie auf dem Wall einherschritten. Sie begannen diese Beschäftigung sogleich an diesem klaren Teich vorzunehmen; sie wuschen zuerst ihr Gesicht und spülten dann ihren Mund, wobei sie häufig ins Wasser spien. Da vernahmen sie plötzlich aus dem Wasser die Stimme der vergrabenen Frau, die drohend und zornig rief: "Große Sünde habt ihr begangen, ihr habt das Wasser und den Wall mit eurem Speichel verunreinigt. Doch eure Sünde kann euch nur dann vergeben werden, wenn ihr die ganze Gegend, die ihr mit eurem Speichel beschmutzt habt, zu einem Teich ausbauen lasst und sie mit diesem verbindet."

Die armen Frauen liefen erschreckt davon. Wie sollten sie diese Arbeit ausführen lassen? Geld besaßen sie nicht, und sie wussten auch niemanden, der ihnen etwas hätte leihen können. Damals lebte aber ein König, der ungeheure Schätze besaß. Dieser pflegte auch Geld zu verleihen, aber nur unter der Bedingung, dass man es ihm in Lakkapur, im Himmel, zurückerstatte.

Zu diesem König begaben sich nun die armen Frauen und baten ihn um Hilfe in ihrer Not. Der König war auch gern bereit, ihnen fünftausend Rupien für diesen Zweck zu leihen, stellte aber die Bedingung, dass ihm das Geld in Lakkapur wieder zurückgegeben werden müsse. Schwerbetroffen von ihrem Unglück kehrten die fünf Frauen wieder in ihr Dorf zurück.

Auf ihrem Weg kamen sie an einem Feld, das mit den schönsten Gemüsen bebaut war, vorüber. Mitten auf dem Feld aber war eine Stange mit einem Ochsenschädel aufgestellt, um die Vögel, Tiere und bösen Geister fernzuhalten. Die Frauen betrachteten den Schädel und fanden, dass er lustig und verschmitzt lächele. Sie blieben stehen und riefen zu dem grinsenden Schädel hinüber: "Was machst du für ein wunderliches Gesicht? Lachst du uns aus, oder weinst du über uns?"

"Ja, lachen möchte ich wohl", erwiderte der Schädel, "allein, die Sache ist zu ernst. Eure Dummheit ist so groß, dass ich euch auslachen möchte, indessen ist euer Elend so gewaltig, dass ich weinen könnte. Was wollt ihr nun mit dem geliehenen Geld machen? Könnt ihr es jemals wieder zurückgeben? Seht mich an! Für mich hat man einstmals neun Rupien gegeben, und welche unerträgliche Last habe ich auf mich geladen! Mein ganzes Leben hindurch musste ich den Acker pflügen, musste den Wagen ziehen, bergauf und bergab, durch dick und dünn. Tag und Nacht ließ man mir keine Ruhe. Und dann ? Man schlachtete mich und fraß mein Fleisch auf! Doch damit nicht genug - noch nach meinem Tode muss mein Schädel hier als Scheuche das Feld bewachen. Wenn ich für diese neun Rupien schon so viel zurückzuerstatten hatte, was wird euch dann widerfahren, die ihr eine so ungeheure Summe zurückzugeben habt?"

Über diese Worte gewaltig erschrocken, kehrten die Frauen sofort wieder um, eilten zum König, fielen ihm Zu Füßen und baten ihn flehentlich, doch das Geld wieder zurücknehmen zu wollen, da sie es ihm doch niemals zurückerstatten könnten, auch nicht einmal nach diesem Leben, in Lakkapur. Doch der König wollte davon nichts wissen und wies sie mit dem Befehl ab, ihm das Geld bis auf den letzten Heller in Lakkapur wiederzugeben.

"Tut, was ihr wollt mit dem Geld", fuhr sie der König an, "werft es meinetwegen in den Fluss, vergrabt es in der Erde oder gebt es den Armen, ich will es erst in Lakkapur wiederhaben." Darauf ließ er die vor Entsetzen zitternden Frauen zum Schloss hinaustreiben.

So zogen die armen Frauen ihrer Heimat zu; sie weinten und schrien und schlugen sich auf die Brust. Sie zerrauften ihr Haar und jammerten den ganzen Weg entlang. Am Weg aber saß ein verwachsener Zwerg, ein Hirtenknabe, der dort seine Ziegen weidete. Als er die schreienden Frauen gewahrte, lief er ihnen entgegen und rief:

"Schwestern, Schwestern, was seid ihr so traurig?"

Die Frauen hielten, über den freundlichen Zuruf überrascht, mit ihrem Jammern inne, setzten sich zu ihm und erzählten ihm ihre lange, traurige Geschichte. Als der Hirtenknabe sie angehört hatte, versuchte er sie zu trösten und gab ihnen folgenden Rat: "Lasst für das erhaltene Geld einen großen Teich graben, und in seiner Mitte stellt eine Tafel auf mit der Inschrift: 'Diesen Teich hat der große König graben lassen', auf diese Weise wird sein Name und seine Tat verherrlicht, der Teich gehört dann nicht mehr euch, sondern ihm, und dann habt ihr auch keine Veranlassung mehr, ihm das Geld zurückzugeben. Hütet euch indessen, auch nur eine einzige Anna für euch selbst zu verwenden, sondern gebt alles für den Teich aus. Lasset auch überall öffentlich im Lande ausrufen, dass der Teich dem König gehöre."

Die Frauen waren entzückt von dem Rat des Hirtenknaben und dankten ihm aufs herzlichste. "Noch eine frohe Nachricht kann ich euch verkünden", fuhr der Zwerg fort, "ihr werdet alle fünf auf der Insel Lanka als Königinnen wiedergeboren werden." Erstaunt fragte die eine: "Woher willst du das wissen?"

"Ich sehe es in euren Gesichtern", erwiderte der Zwerg, "so wie ich euch verkünde, wird es eintreffen."

Nun hatten die Frauen ihre alte Fröhlichkeit wiedererlangt. Sie riefen ihr ganzes Dorf zusammen und ließen für das geliehene Geld den neuen Teich graben. Darauf ließen sie überall verkünden, dass der Stifter des Teiches der König sei, und ließen dies auch noch auf eine Tafel schreiben, die in der Mitte des Teiches aufgestellt wurde.

Nach einem Jahr bereits starben die fünf Frauen und wurden - wie der Zwerg vorausgesagt hatte - in Lanka wiedergeboren, woselbst sie der König des Landes heiratete und einer jeden einen prächtigen Palast bauen ließ.

Wir aber sind arme Kuwi und Bettler.

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