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Christa Goetsch: Bewertungen und Folgerungen - Zum Kommissionsbericht "Reform der Lehrerbildung in Hamburg" 

Dass sich etwas bei der Ausbildung der LehrerInnen ändern soll, darüber gibt es bundesweit breite Einigkeit - doch das "Wie" ist umstritten. Eine Kommission, eingesetzt von der Kultusministerkonferenz (KMK), hat hierzu bereits 1999 verschiedene Empfehlungen erarbeitet. Hamburg hat nun als erstes Bundesland die konkrete Umsetzung der Ergebnisse der KMK-Kommission in Angriff genommen.

Die wichtigsten Empfehlungen der Hamburger Kommission aus meiner Sicht:

  • mehr Wissenschaftlichkeit im Studium;

  • mehr Klarheit durch Kerncurricula;

  • neue prioritäre Querschnittsthemen: "Neue Medien", "Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität" und "Schulentwicklung";

  • mehr Systematik bei den Praktika;

  • Verkürzung der Ausbildungsphase im Studienseminar - dafür ein fünfjähriger "Berufseinstieg", mit zusätzlichen Weiterbildungsphasen, der gleichzeitig den Einstieg ins Lebenslange Lernen ebnet.

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1. Zur Bewertung der Empfehlungen

Christa GoetschDer nun vorgelegte Bericht benennt die Defizite der jetzigen Ausbildung und setzt deutliche Zeichen für die dringende Reform der Hamburger Lehrerbildung. Die wichtigsten möchte ich im Folgenden kurz kommentieren und bewerten:

Die Verlagerung von Ausbildungszeiten von der 2. Phase (Studienseminar) hin in einen fünfjährigen "Berufseinstieg" ist eine sinnvolle Neuerung. Mit den zusätzlichen Weiterbildungsphasen in den ersten Berufsjahren wird damit der Einstieg ins Lebenslange Lernen geebnet. Dies wird einen wichtigen Beitrag zur Schaffung einer Kultur des Lebenslangen Lernen in der Wissensgesellschaft leisten. Gleichzeitig kann damit die vielzitierte Verzahnung 1., 2. und 3. Phase der LehrerInnen(aus-)bildung verbessert werden. Eine "Muss" in Zeiten der ständigen Erneuerung und auch Neuordnung und Neubewertung des gesellschaftlichen Wissens. 

Die Empfehlung, statt eines Praxissemesters ein systematisiertes Halbjahrespraktikum einzuführen, eröffnet neue Handlungsperspektiven. Es geht doch schließlich nicht darum, dass die Studierenden bereits ein vorgezogenes Referendariat in der ersten Phase absolvieren. Wichtig ist bei der Umsetzung eines Halbjahrespraktikum das ausgewogene Verhältnis von theoretischer Reflexion und erfahrener Praxis.

Die geforderte Einführung von prioritären Querschnittsthemen ist ein echter Fortschritt: Die Fragen neuer Medien, der kulturellen und sozialen Heterogenität sowie der Schulentwicklung spiegeln zentrale Inhalte des schulischen Alltags. Deshalb gehören sie auch in die Aus- und Weiterbildung der LehrerInnen. Ich denke, dass diese Themen sogar verbindlich für alle Studiengänge gemacht werden sollten. In jedem Fall sollten sie für die Ausbildung in allen Phasen einen entsprechenden verpflichtenden Stellenwert erhalten. Besonders hat mich der Paradigmenwechsel im Kontext "kulturelle und soziale Heterogenität" erfreut. In einer Einwanderungsstadt wie Hamburg ist die Auseinandersetzung mit Differenz und Vielfalt eine vorrangige pädagogische Aufgabe zur Überwindung der Monokultur.

Interessant und wichtig aus fachlicher Sicht sind die Empfehlungen einer verstärkten Wissenschaftlichkeit des Pädagogikstudiums für alle Schulformen. LehrerInnen müssen heute mehr denn je wissen, wie gelernt wird und wie sie ihre eigene Lehrtätigkeit - oder besser Lernberatungstätigkeit - reflektieren können. Dies gilt insbesondere für die Frage von Methodik und Didaktik im Gymnasium: Bis heute gibt es in der Prüfungsordnung das Fach Grundschulpädagogik, aber kein Fach Gymnasialpädagogik. Für die Sekundarstufe II wird z.B. eine neue "Didaktik der Oberstufe" empfohlen, die auf das Lernen junger Erwachsener in einer Ausbildung mit wissenschaftspropädeutischer Schwerpunktsetzung abzielt.

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2. Grün will mehr... 

Fairerweise muss an dieser Stelle vorausgeschickt werden, dass der Auftrag an die Hamburger Kommission sich an den Eckpunkten "Effizienz", "Professionalisierung" und v.a. "Lebenslanges Lernen" orientierte. Dabei sollte grundsätzlich die Struktur der Dreiphasigkeit der Lehrerbildung nicht verlassen werden.

Grüne Ideen zur Reform der LehrerInnenbildung gehen hier z.T. weiter. Grundlage hierfür bildet der Paradigmenwechsel: "Vom Lehrenden zur Lernbegleitenden". Dieser muss in alle Ausbildungsphasen Eingang finden.

Wir treten außerdem für eine grundlegende Erweiterung des beruflichen Tätigkeitsspektrums von LehrerInnen ein. Viele KollegInnen mit Staatsexamen finden ihr berufliches Tätigkeitsfeld außerhalb der Staatlichen Schule, z.B. in der Weiterbildung und verwandten Tätigkeitsfeldern.

Umgekehrt muss es möglich sein, mit beruflichen Qualifikationen anderer Professionen in ein modularisiertes Lehrerbildungssystem einzusteigen und sich pädagogisch zu qualifizieren. Interessierte mit den unterschiedlichsten Berufskompetenzen, gerade auch in Bereichen aus IT/Technik, aber auch in künstlerischen und handwerklichen Bereichen könnten  so Zugang zur LehrerIntätigkeit bekommen: Warum nicht den Schriftsteller für Deutsch? Zukunftsweisend ist daher die Forderung für die "Aufteilung" der Ausbildung:

  • Erstes "Modul" ist ein berufsqualifizierender Abschluss (Diplom/Bachelor/Master) oder eine Ausbildung in Handwerk/Industrie, entsprechende Weiterqualifikation und Berufserfahrung (MeisterIn u.a.);

  • ein zweites "Modul" umreißt dann die wissenschaftliche Ausbildung zur LernbegleiterIn;

  • im Sinne einer "dritten Phase" werden in der Weiterbildung in verschiedenen Modulen sowohl pädagogisch-didaktische, als auch fachspezifische Qualifikationen erneuert, erweitert oder verändert.

In letzter Konsequenz bedeutet dies: Auch Menschen anderer Profession bekommen die Möglichkeit, sich zu spezialisieren, um Lernprozesse zu begleiten.

Weiter Ergänzungen für die konkrete Umsetzung möchte ich im folgenden aufzeigen: Im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses (Europäischer Lehrerarbeitsmarkt!) muss es jedoch noch mehr Möglichkeiten geben, die Anerkennung beispielsweise von Studiengängen und Abschnitten aus anderen Ländern zu gewährleisten. Auch für die Aquise von neuen Lehrkräften für Hamburger Schulen wird dies notwendig werden - ich denke an den enorm wachsenden Bedarf in den nächsten Jahren.

An dieser Stelle noch ein für uns wichtiger "Querverweis": Die Kommission verweist immer wieder auf den Kommissionsbericht zur Neugestaltung der Lehrerarbeitszeit in HH (1999 unter der Leitung von Prof. Klaus Klemm). Die Empfehlungen dieser Kommission "ruhen" bisher leider noch in der Schublade der BSJB. Die Oelkerskommission sieht aber nur mit neuen Arbeitszeitmodellen die entscheidenden Rahmenbedingungen gegeben, zu einer Kultur der lebenslangen Fort- und Weiterbildung zu kommen. Wir haben deshalb einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht (Drs. 16/4993), mit dem wir die Umsetzung neuer Arbeitszeitmodelle vornan bringen werden.

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3. Zügige Umsetzung tut Not

Die Empfehlungen der Kommission zur Umsetzung einer neuen LehrerInnenbildung sind nicht ausreichend. Das von der Kommission vorgeschlagene "Kuratorium" wird in meinen Augen nur eine Alibifunktion ausfüllen und ist viel zu schwerfällig. Um es kurz zu sagen: Ein solches Gremium ist eher eine Reformbremse. Eine mögliche Geschäftsstelle des Kuratoriums hätte für die anstehende Arbeit wenig Rückendeckung. Gebraucht werden:

  • Klare Aufgaben

  • Klare Kompetenzen

  • Klare Verantwortung

Deshalb müssen die beteiligten Institutionen Verantwortung abgeben, sonst wird ein dauerhaft unfruchtbares Gerangel vorherrschen. Universität, Studienseminar, IfL, Lehrerprüfungsamt, BSJB und BWF sind zwar miteinander verbunden, führen jedoch alle ein institutionelles Eigenleben. Deshalb sind mutige Schritte nötig. Nur ein handlungsfähiges Projektmanagement, auf höchster Ebene angesiedelt (Staatsräte und Institutsleiter), wird das Vorhaben zum Gelingen bringen.

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4. Forderungen der GAL

Mein Fazit zu den Empfehlungen der Kommission: Keine Revolution - aber die Grundlage für die dringend benötigte Reform. Wir werden diese Ideen deshalb aufgreifen und deren Umsetzung vorantreiben. Ein Antrag dazu ist bereits in der Bürgerschaft eingebracht (Reform der Ausbildung der LehrerInnen und Lehrer vom 05.04.00; Drs. 16/4084). Der Senat wird darin aufgefordert, bis Januar 2001 über die Umsetzung der Empfehlungen zu berichten. Unsere wichtigsten Forderungen sind dabei klar umrissen:

  • Zügige Konstitution eines zentralen Projektmanagements;

  • Öffnung der Ausbildung und des Lehrberufs für QuereinsteigerInnen aus andern Berufskarrieren und Bildungsbiographien;

  • Entwicklung der erziehungswissenschaftlichen Studiengänge zu "LernbegleiterInnen";

  • Entwicklung von verpflichtenden Kerncurricula;

  • die verbindliche Aufnahme der Querschnittsthemen "Neue Medien", "Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität" und "Schulentwicklung" in die jeweiligen Curricula;

  • Umsetzung der systematisierten Halbjahrespraktika;

  • die Verlagerung von Bildungszeiten aus dem Studienseminar in einen fünfjährigen "Berufseinstieg" mit zusätzlichen Weiterbildungsphasen;

  • last but not least: begleitende Entwicklung adäquater Arbeitszeitmodelle für LehrerInnen.


Der neue Weg ins Klassenzimmer

Von Bernd Schneider

Lehramt studiert und erst im Referendariat gemerkt: Das ist kein Job für mich. Und dann 35 Jahre grauen Schulalltag vor sich? Das soll es in Bremen künftig nicht mehr geben. In einer gemeinsamen Sitzung wollen Bildungs- und Wissenschaftsdeputation heute eine Reform der Lehrer-Ausbildung beschließen. Geradezu revolutionär: Das Studium soll gezielt auch für andere Berufe qualifizieren. So wird das Lehramt nicht mehr zum unausweichlichen Schicksal.

„Wir wissen nicht erst seit PISA, dass wir die Lehrerausbildung erneuern müssen“, sagte Bildungssenator Willi Lemke. „PISA hat aber den Handlungsdruck weiter erhöht.“ Die neue Generation von Lehrern soll sich schon im Studium das praktische Handwerkszeug aneignen, das sie im Schulalltag braucht. Lemke: „Wir wollen die Inhalte so gestalten, dass gerade auch die durch PISA erkannten Defizite behoben werden.“

Lehrer, das hatte die Studie gezeigt, waren kaum in der Lage, das Leseverständnis ihrer Schüler auch nur annähernd einzuschätzen. Ihre Trefferquote lag im Bereich der Zufallswahrscheinlichkeit. Künftig sollen angehende Lehrer schon im Studium lernen, die Leistung ihrer Schüler realistisch zu beurteilen, sollen Lernprobleme und besondere Begabungen erkennen können – und das schon vom kommenden Semester an.

Schwache Schüler nicht ständig überfordern und gute nicht dauernd unterfordern – wenn sie in derselben Klasse sitzen: Auch das gehört zur reformierten Lehrer-Ausbildung. Genau so wie der Umgang mit Computern und neuen Medien sowie die Fähigkeit, zu selbstständigem Lernen anzuleiten.

Ganz grundlegend soll daneben die Struktur der Lehrer-Ausbildung umgekrempelt werden. Entsprechende Pläne sind – abgestimmt mit der Kultusministerkonferenz – weit gediehen und liegen den Deputierten vor. Danach werden Studenten, die sich ab Wintersemester 2004/2005 für das Lehrerstudium einschreiben, vor dem Referendariat zwei akademische Studienabschlüsse erwerben: Nach drei Jahren den Bachelor, zwei Jahr später den Master.

Angelehnt an internationale Standards soll dabei schon der Bachelor zum Beruf führen. Wer eingesehen hat, dass er nicht weiter studieren und Lehrer werden will, kann einen anderen Job anstreben. Mögliche Berufszweige, so die Deputationsvorlage: Medien, Öffentlichkeitsarbeit, Erwachsenen- und Weiterbildung, Marketing, Vertrieb oder Forschungseinrichtungen.

Bachelor-Studenten pauken mindestens zwei Fächer. Von Lehrern wird ein drittes verlangt. Das können sie aber auch im anschließenden Masters-Studium anhängen. Im fünften Semester sollten Studenten sich entscheiden: Wer Lehrer werden will, geht für ein halbes Jahr zum Unterricht in die Schule. Alle übrigen spezialisieren sich anderweitig. Nur angehende Lehrer machen weiter in einem spezifischen Masters-Studiengang. In den Vordergrund rücken dabei mehr die praktischen Fertigkeiten, die sie im Klassenzimmer brauchen, weniger das Fachwissen für den Unterricht.

Das anschließende Referendariat verkürzt sich von bislang zwei auf anderthalb Jahre, weil Praxisanteile schon im Studium eine größere Rolle spielen. Insgesamt soll so die Ausbildung „praxisnäher, flexibler und straffer“ werden, sagt der Bildungssenator.

Weser Kurier  vom 29.01.03

Die Pflicht zu einer eleganten Tugend machen

Uni Oldenburg verspricht sich von Bachelor- und Masterabschlüssen kürzere Studienzeit

sms Oldenburg. Eine „effektive Studienzeitverkürzung“ erwartet Professor Dr. Ulrich Kattmann, Direktor des Didaktischen Zentrums an der Universität Oldenburg, durch die Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen im Lehrerstudium – obwohl sich durch die Neuregelung, die ab dem Wintersemester 2004/2005 eingeführt wird, die Regelstudienzeit von neun auf zehn Semester verlängern wird. „Die Aufteilung in das breit angelegte Bachelor- und das zur Spezialisierung gedachte Masterstudium hilft den Studenten, sich frühzeitig zu orientieren, während sie jetzt durchschnittlich 14 Semester bis zum Abschluss brauchen“, sagte Kattmann gestern am Rande einer Tagung zum Thema „Lehrerbildung“ an der Uni Oldenburg.

Zwar betonte er, dass die jetzige Lehrerausbildung alles andere als schlecht sei. Aber da sich die deutschen Universitäten ohnehin den europäischen Ausbildungsstandards anpassen müssten, sei es nur konsequent, die erzwungenen Änderungen für Verbesserungen zu nutzen. Als „große Chance“ bezeichnet es Kattmann, dass das sechs Semester dauernde Bachelor-Studium Lehrenden und Studierenden die Möglichkeit biete, zu prüfen, ob sich jemand als Lehrer eigne. Sei dies nicht der Fall, könne er im Anschluss an das Bachelor-Studium den eher wissenschaftlich orientierten Master-Studiengang aufnehmen, statt den Master-Abschluss für Lehrer anzustreben.

Die Inhalte des Bachelor-Studienganges sollen stärker als das bisher übliche Grundstudium auf die Lehramtsstudenten zugeschnitten werden: „Zurzeit wird in den ersten Semestern nur Fachwissen gelehrt, künftig soll auch das Erlernen von Vermittlungskompetenz im Zentrum stehen – diese Fähigkeit braucht man in fast allen Berufen“, sagt Kattmann, der den Plan des designierten CDU–Kultusministers Bernd Busemann, das Lehramt für Quereinsteiger zu öffnen, für einen Fehler hält: „Wer nicht fundiert die Vermittlung von Wissen gelernt hat, kann auch mit der besten fachlichen Ausbildung keinen sinnvollen Unterricht machen“, ist er überzeugt.

Die Uni will auch die Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Referendaren noch stärker als bisher verzahnen. So könne das während des Master-Studiums vorgesehene Forschungspraktikum sich mit konkreten Problemen an Schulen beschäftigen: „Die Lehreranwärter müssten dann zum Beispiel konstruktive Lösungen für den Umgang mit dauerhaft den Unterricht störenden Kindern finden“, so Kattmann.

Nordwest Zeitung, 21.02.03

Selbstbewusst! - Lehrerinnen in den ersten Berufsjahren

Von Regina Malz-Teske

Ich fühle mich sehr wohl an meiner Schule und fand es schön, dass ich gleich Klassenlehrerin einer 5. Klasse geworden bin«, sagt Ina Senkpiel, seit zwei Jahren an der Gesamtschule Bergedorf neu eingestellt. »So kann ich mich selbst ausprobieren, das Gelernte umsetzen und sehen, was ich langfristig bewirken kann. Mitunter fehlt mir allerdings schon das Feedback von Anleitern. So anstrengend es war, wenn während des Referendariats immer jemand mit im Klassenraum saß, so waren die anschließenden Besprechungen doch eine Hilfe. Unterstützung bekomme ich jetzt bei der gemeinsamen Unterrichtsplanung in Koordinationstreffen. Am meisten hat mir noch geholfen, dass mich Fachkolleginnen ermuntert haben, sie bei Problemen direkt anzusprechen, >auch wenn sie gestresst aussehen würden<. Diese Tipps von erfahrenen, älteren Kolleglnnen in mir noch fremden Gebieten oder Jahrgängen waren sehr wichtig. Ebenso der Rückhalt bei ihnen, wenn ich mit schwierigen Schülern nicht zurecht kam. Dazu kam noch viel positive Bestätigung und die gute Aufnahme ins Kollegium.«

Als eine erfahrene, ältere Kollegin, die ich mit Ina zusammen arbeite, kann ich sagen, dass ich auch von der Zusammenarbeit mit Ina profitiert habe, z. B. durch Anregungen bei Chemieversuchen, durch schön gestaltete Arbeitsblätter und ihren Elan, »Stationenlernen« im Chemieunterricht bei uns einzuführen. Gerade das letzte Beispiel zeigt aber auch die Probleme junger Kolleginnen auf: Ina ist bereit, dem Chemiekollegium in einer Nachmittagsveranstaltung ihre Materialien vorzustellen und ihr Vorgehen zu erläutern. Diese schulinterne Fortbildung ist bis jetzt wegen Arbeitsüberlastung aller Beteiligten nicht zustande gekommen. So ist die Methode bisher nur in Ansätzen vom Chemiekollegium aufgegriffen worden, und Ina ist auf sich selbst gestellt, wenn sie Stationen für die nächsten Jahrgänge entwickeln will.

Maja Dammann, zuständig für die Berufseingangsphase am Landesinstitut (LI), stellt fest, dass der Berufseinstieg in Zeiten des Arbeitszeitmodells (AZM) für die Neuen an vielen Schulen belastend ist. Zum einen sind sie z.T. mit einer schwer zu bewältigenden Unterrichtsverpflichtung konfrontiert, da an vielen Schulen die Funktionsstunden schon vor den Sommerferien unter den zu diesem Zeitpunkt an der Schule arbeitenden KollegInnen verteilt worden waren. Für die Neuen blieben da kaum F Zeiten übrig, so dass ihre Unterrichtsverpflichtung deutlich höher lag als zu Zeiten des Pflichtstundenmodells. Die »Hamburger Kommission Lehrerbildung« hatte in ihrem Konzept zur Reform der Lehrerbildung noch formuliert. dass den Berufseinsteigern in den ersten Jahren Pflichtstunden erlassen werden sollten, damit sie Zeit für den Erwerb von Routinen, für Korrektur und Unterrichtsplanung und für Fortbildungen zum Berufseinstieg hätten. Diese Überlegungen wurden durch die Situation am Beginn des Schuljahres praktisch konterkariert. Zum zweiten steckten viele junge KollegInnen in einem großen inneren Dilemma. Gerade als Neue hatten sie Lust ihre pädagogischen Überzeugungen und Ideen umzusetzen. Aber etliche ihrer Vorstellungen (Projektwochen, Werkstattunterricht. Kennenlern-Klassenreisen, internationaler Austausch. Beteiligung an Wettbewerben) fielen kollegialen Boykottbeschlüssen gegen das AZM zum Opfer. Die Kolleglnnen mussten sich nun entscheiden, ob sie sich kollegial unbeliebt machen wollten - oder ob sie ihren Vorstellungen untreu werden sollten. Solche Dilemmata erschwerten die schulische Integration und erzeugten Frust. Auch die Anrechnung der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen im Rahmen der Berufseingangsphase brachte etliche KollegInnen in Konfliktsituationen. Wer nämlich an einer kollegialen Austauschgruppe teilnimmt, die 30 Stunden im Jahr umfasst, hat damit schon seine gesamte Fortbildungsverpflichtung laut AZM abgedeckt. Was ist aber, wenn nun die Schulleitung schulinterne Fortbildungen ansetzt? Soll die junge Kellegin / der junge Kollege sich dann verweigern unter Hinweis auf die schon vollständig er brachte Fortbildungsverptlichtung oder soll er oder sie an diesen Schilf Maßnahmen zusätzlich teilnehmen und sich auch hier eine Überlast aufbürden? Das Dilemma wird nicht kleiner, wenn man weiß, dass die jungen KollegInnen natürlich im Regelfall gerne an schulinternen Fortbildungen teilnehmen, schließlich sind auch diese ein wichtiger Bereich der Integration ins Kollegium. Hier muss dringend eine Lösung gefunden werden!

Das Berufsverständnis der Berufsanfängerinnen hat sich nach Aussage von Renate Luca, Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Uni Hamburg, in den letzten 20 Jahren verändert. Frau Luca hat 2001 in Hamburg qualitative Befragungen zum Professionsverständnis von Lehrerinnen und Lehrern durchführen lassen und kam zu dem Ergebnis, dass die neue Lehrerinnengeneration in ihrem Verhältnis zu den Schülern »die Bedeutung von Abgrenzung, Strenge und Konsequenz betonen« würde, während in den Achtziger Jahren die jungen Lehrerinnen sich stärker als Person gefordert fühlten, Trennendes zu ignorieren versuchten und Misserfolge stark auf sich selbst bezogen hätten. Dieser Generation von Lehrerinnen, die damals neu eingestellt wurden, fiel es offensichtlich schwer, die institutionelle Lehrerinnenrolle zu akzeptieren und sich gegenüber emotionalen Ansprüchen der Schülerinnen und Schüler abzugrenzen. Wenn ich zurückblicke, kann ich das durchaus bestätigen. Mit anderen Worten, die jungen Frauen in der Schule von heute treten selbstbewusster auf und scheinen sich besser abgrenzen zu können als wir damals. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Lehrer - damals wie heute - für Misserfolge im Unterricht eher die SchülerInnen oder die institutionellen Bedingungen verantwortlich machen, weniger sich selbst.

Ob sich auch in der Karriereorientierung der jungen Lehrerinnen etwas geändert hat, werden wir wohl erst in einigen Jahren erfahren. Es wäre sehr zu wünschen, weil der Anteil der Frauen an Funktionsstellen in Hamburg im Jahr 2002 immer noch nur knapp 40 % betrug, während ihr Anteil an den Beschäftigten 60 % ausmachte. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sicherlich liegt aber immer noch eine wesentliche Ursache darin, dass Kind und Karriere unter den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen für Frauen weiterhin sehr schwer zu vereinbaren sind. Die Kita Gutschein-Misere in Hamburg hat zum Beispiel dazu geführt, dass viele junge Kolleginnen mit Kind die Angebote des LI zur Berufseingangsphase nicht nutzen konnten, da sie nachmittags ihre Kinder betreuen mussten.

Die jungen Kolleginnen bringen heute andere Erfahrungen und Erwartungen mit als wir vor 20 Jahren. Durch die Studentenbewegung und die Politisierung an den Hochschulen war bei vielen von uns ein Bewusstsein über die Notwendigkeit sich zu engagieren und zu organisieren entstanden, sei es im Fachschaftsrat oder in Studentenorganisationen. Einige traten sogar noch während des Studiums in die Gewerkschaft ein. Heute ist der Organisationsgrad unter den jungen Kolleginnen und Kollegen eher gering.

Wir haben auf dem 13. Bundeskongress »Frauen und Schule« 2002 in Hamburg gesehen, dass die jüngeren Frauen nicht entsprechend ihrem Anteil vertreten waren. Liegt es daran, dass sich die jungen Kolleginnen mit einem Frauenkongress nicht mehr identifizieren können? Oder ist die Individualisierung auch in den Schulen so weit fortgeschritten, dass jede nur für sich kämpft? Das sind Fragen, über die wir nur spekulieren können, da im Moment keine von den jungen Kolleginnen bei uns mitarbeitet. Das Referat Frauen arbeitet seit einigen Jahren daran, unsere eigenen Arbeitsbedingungen frauenfreundlicher zu gestalten. Unsere gemeinsame Arbeit und unsere Aktionen haben auch ihren Teil dazu beigetragen, zumal viele Frauen aus den Hamburger Personalräten regelmäßig mitarbeiten. »Frauen in Gewerkschaften (sind) progressiver als der Bevölkerungsdurchschnitt. Trotzdem - oder gerade deswegen - werden die Interessen von Frauen in der gewerkschaftlichen Interessenvertretung oft vernachlässigt.« Der letzte Teil der Aussage trifft für die Hamburger GEW wohl auch immer noch zu. Aber hier hat sich durch unsere Beharrlichkeit und die Veränderungsbereitschaft in der GEW in den letzten Jahren einiges getan. Das Ganze ist ein langer Prozess, der nur mit Hilfe der jungen Kolleginnen und Kollegen weitergeführt werden kann.

Das Referat Frauen will sich in den nächsten Monaten mit den Problemen der jungen Kolleginnen beschäftigen. Um herauszufinden, wo ihnen der »Schuh am meisten drückt«, haben wir eine nicht repräsentative Befragung in den Schulen vorgenommen, in denen wir selbst unterrichten. Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass folgende Themen besonders gefragt waren:

  • Ruhe bewahren im Klassen- und Lehrerzimmer

  • Balance zwischen Arbeitsbelastung und Gesundheit

  • Zeitmanagement

  • Schwierige Schüler/Jungen

  • Berufliche Gestaltung und Karriere

Wir planen im April eine Veranstaltung durchzuführen, in der eins oder mehrere der Themen behandelt werden. Wir sind sehr daran interessiert, dass junge Kolleginnen die Veranstaltung mit vorbereiten. Es gibt schon einige, die sich dafür interessieren, aber es können gern noch mehr sein. Der nächste Termin unserer Treffen kann in der Geschäftsstelle erfragt werden.

Hamburger Lehrerzeitung vom 21.02.04