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Christ und Politik

Beitrag von Christoph Gaebler im Rahmen einer Podiumsdiskussion anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 22. Juni 1967 in Hannover

20.06.02Wir können immer wieder bei uns in der Jugendarbeit die Meinung feststellen, dass Politik ein schmutziges Geschäft ist. Darüber hinaus stehen wir in der Gefahr, uns lieber an Prinzipien zu halten, statt zu erkennen, dass heute Politik nur durch Kompromisse zu treiben ist. Nur auf diesem Wege werden wir weiterkommen. Von daher kann ich die Frage nur dahingehend beantworten, dass dieser Bewusstseinsprozess bei uns noch viel zu wenig in der jungen Generation und besonders auch bei uns in der Kirche zum Bewusstsein gebracht worden ist. Wir stehen sehr schnell in der Gefahr, uns nur mit der Bibel zu beschäftigen, und sind nicht bereit, die Probleme, die in der Zeitung stehen, aufzugreifen und darüber nachzudenken und in unsere Arbeit einzubeziehen...

Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass viele junge Menschen in der DDR nicht gewillt sind, von vornherein zu akzeptieren, dass die Bundesrepublik für sie spricht. Das wird besonders deutlich bei dem Alleinvertretungsanspruch. Wir haben bei vielen Begegnungen immer wieder feststeilen können - gerade in den beiden letzten Jahren in zunehmendem Masse -, dass sich junge Menschen dagegen verwahren, dass die Bundesrepublik für sie spricht. Ich möchte Sie bitten, nicht anzunehmen, dass es sich hier um eine Minderheit, dass es sich um Leute handelt, die in der DDR Opportunisten sind. Nein, es sind junge Menschen, die versuchen, ihren Standort in der DDR zu begreifen, die in diesem Staat groß geworden sind und versuchen, hier ihren Ort zu finden und Möglichkeiten in Angriff zu nehmen, diesen Staat zu gestalten, soweit es möglich ist. Das an vielen Stellen diese Mitgestaltung begrenzt ist, dass wissen sie selber genau so gut wie ich. Aber dieser Anspruch, dass sie nicht für sich selbst sprechen konnten in begrenztem Masse, wo das möglich ist, ist eine Zumutung, die wir bei unseren Begegnungen immer wieder erfahren.

Es wird darauf ankommen, ob wir davon ausgehen, dass die Wiedervereinigung eine Voraussetzung oder die Frucht des Friedens ist. Wir werden zur Kenntnis nehmen müssen, - und das ist heute in beiden Referaten deutlich zum Ausdruck gekommen - dass der Friede heute unter den politischen, technischen und militärischen Voraussetzungen der Wert ohnegleichen ist und dass wir die Wiedervereinigung und somit auch den Alleinvertretungsanspruch dem nachzuordnen haben...

Ich meine, damit ist uns auch eine neue Gemeinsamkeit aufgetragen, die uns heute morgen in den beiden Referaten sehr deutlich wurde, die Frage, wie wir Deutschen zum Frieden in Europa, ja in der Welt - Frage des Hungers - beitragen können. Es wird dann eine sekundäre Frage sein, ob es einer gemeinsamen Staatlichkeit bedarf, um dieses Anliegen zu realisieren...

Mir ist heute Nachmittag in dieser Diskussion klar geworden, dass wir als Deutsche sehr stark mit unseren eigenen Problemen beschäftigt sind. Wir sind gerade im Begriff - das zeigt ja die neue Deutschlandpolitik -, Unruhe unter uns zu bringen, neu nachzudenken, nicht nur über die Deutschlandfrage, sondern, wie die Diskussion gezeigt hat, auch über andere Fragen, z. B. über die Frage, wie junge Menschen heute mitverantwortlich in unserer Gesellschaft tätig werden können.

Aber diese Fragen, die wir diskutiert haben, haben doch ein Problem außer acht gelassen... Ich bedaure, dass wir darüber nicht mehr diskutiert haben. Das ist der Umstand, dass wir unsere Probleme, die sehr wichtig sind, die ich wirklich nicht unterschätzen will, einzuordnen haben in den Gesamtaspekt der Welt von heute, z. B. die Frage des Hungers. Es ist deutlich geworden, dass die Maßnahmen, die wir bislang ergriffen haben, noch längst nicht ausreichen. Es geht hier zunächst einmal um ein ganz neues Bewusstsein, das dann auch zu neuen Aktionen führen muss. Meine Frage, die offen geblieben ist, war: Wo finden wir uns als Deutsche in diesen Fragen wieder? Haben wir hier als Deutsche zwischen Ost und West eine gemeinsame Verantwortung? Ich kann das Wort eines Afrikaners nicht vergessen, der einmal sagte: Mir kommt es manchmal so vor, dass ihr Deutschen mit eurem deutschen Problem Stammesfehden zu lösen versucht, die aber für uns hier in Asien und Afrika unwichtig sind. - Nun, das hat er aus seiner Perspektive gesagt. Unser Blickwinkel hat natürlich auch sein Recht... Es geht darum, wie wir als junge Menschen das nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch versuchen, das Erkannte in Aktionen umzusetzen. Mir erscheint das, was in Holland in jüngster Zeit geschehen ist, als ein Beispiel, das uns vielleicht auch ermutigen könnte. Holland steht vor der günstigen Situation, dass man in diesem Sommer eine Steuerermässigung einführen kann, was ja bei uns leider nicht zur Diskussion stehen kann. In Holland haben junge Menschen gesagt: Wir wollen auf die Steuerermässigung verzichten und diesen Betrag in die Entwicklungshilfe einbringen, damit wir wirklich Ernst machen mit dem, was von uns heute gefordert ist. Ich möchte meinen, dass das ein Beitrag ist, desgleichen das, was Herr Professor Erdmann heute morgen vorgeschlagen hat, dass wir als Deutsche bereit sein müssten, den Arbeitsverdienst eines Tages im Jahr dafür freizustellen. Für mich persönlich ist es allerdings fraglich, ob der 17. Juni ein geeigneter Tag dafür ist. Es müsste ein Tag sein, an dem auch die Menschen in der DDR mitziehen können. Ich meine, dass dafür vielleicht der 1. Mai geeigneter ist.

 

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