Vorbemerkungen
In meiner Arbeit
"Gäblerheimat"
berichtete ich über die Herkunft meines Vaters Heinrich Gäbler und
seiner Brüder. Deren Vorfahren stammten sämtlich aus der Umgebung
von Zittau, wo sie fast ausschließlich Bauern und Weber waren.
Nun will ich
meinen Kindern und Enkeln erzählen, wer die Vorfahren meiner Mutter
Helene Gäbler geb. Niederlein (29.10.1870, - 19.11.1959) und
ihrer Schwester Elisabeth Trochold geb. Niederlein (27.10.1875 -
02.04.1967) waren. Hier handelt es sich großenteils um Handwerker
aus Dresden, seiner näheren und weiteren Umgebung, aber auch aus
anderen Teilen Sachsens und Deutschlands.
Mein Vater
Heinrich Gäbler hatte durch Befragen der noch lebenden Verwandten
und derjenigen meiner Mutter unsere Vorfahren und der Abkömmlinge,
also eine Sippentafel der Verwandten zusammengestellt. Diese Tafeln
gingen 1945 verloren, ebenso die von meinem verstorbenen Bruder
Martin Gäbler (07.05.1902 - 19.05.24) hergestellte und ergänzte
Abschrift der väterlichen Verwandten. Ich selbst begann unmittelbar
nach dem Abiturientenexamen im Jahr 1925 mit der Forschung in den
Kirchenbüchern Dresdens. Da die Vorfahren Niederlein meiner Mutter
von Oberlandesgerichtsrat
Walter Niederlein in Dresden-Laubegast bereits großenteils
erforscht waren, begann ich mit den Vorfahren meiner Großmutter
Selma Niederlein geb. Carl. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte setzte
ich meine Forschungen fort, wobei ich nicht nur in den
Kirchenbüchern Sachsens, sondern auch im Staatsarchiv Dresden und im
Dresdner Stadtarchiv arbeitete, sowie mancherlei Druckschriften
heranzog. Außerdem korrespondierte ich mit vielen anderen Forschern.
Nun bin ich zu einem gewissen Abschluss gekommen, wobei ich bei
meinen väterlichen Vorfahren (meine Arbeit "Gäblerheimat")
schon wieder eine große Reihe von Ergänzungen gefunden habe.
Viele Lücken
ergaben sich in Dresden, da im Jahre 1760 die
Kreuzkirche, die Hauptkirche der Stadt, im Siebenjährigen Kriege
in Trümmer fiel, damit auch die Kirchenbücher verlorengingen. Einen
teilweisen Ersatz bilden die sogenannten Wochenzettel, die die
Kirchen zur Berichterstattung an den Rat der Stadt sandten und die
im Ratsarchiv Dresden erhalten sind. Sie enthalten manche Angaben
über Taufen, Trauungen und Beerdigungen der Zeit vor 1760.
Die
Kirchenbücher der übrigen alten Dresdner Kirchen (Annenkirche,
Dreikönigskirche, Matthäuskirche) sind erhalten geblieben. Die
Sophienkirche (einst nahe dem Postplatz gelegen) und die
Frauenkirche führten kaum eigene Kirchenbücher.
Die
Ahnentafel zeigt schon, dass die Eltern, Groß- und Urgroßeltern
meiner Mutter sämtlich in Dresden geheiratet haben und auch dort
gestorben sind. Nachfolgend werden in den einzelnen Abschnitten die
Vorfahren der Urgroßeltern meiner Mutter und deren Schicksale,
soweit sie mir bekanntgeworden sind, besprochen.
Friedrich Gottlob Niederlein,
seine Vorfahren und Nachkommen
Der Familienname
meiner Mutter kann verschieden gedeutet werden. Er tritt als
Niederle, Niederla, Niederlin, Niederlau, Niederley und Niederlein
auf. Man kann ihn als eine Verkleinerung von Nieder auffassen,
möglich ist aber auch eine Verstümmelung von Niederlehner, einem
Lehensmann, der an tieferer Stelle eines Ortes siedelte. Vorwiegend
findet sich der Name im süddeutsch-österreichisch-böhmischen Raume,
er tritt aber auch bereits vor dem Jahre 1600 in der Zittauer
Gegend, diesseits und jenseits der sächsisch-böhmischen Grenze auf.
So gab es etliche Müllerfamilien Niederlein, unter ihnen einen
Martin Niederlein im Jahre 1615 in
Türchau, wenige Kilometer nordöstlich von
Zittau, der einen Teil seiner Kinder in Zittau taufen ließ.
Ein Sohn dieses
Müllers könnte der erste gesicherte Vorfahr Martin Niederle sein,
obwohl seine Taufe nicht nachweisbar ist. Im Zittauer Kirchenbuch
findet sich folgender erster Eintrag:
-
"Anno
1646. Augustus. Mittwoch 15. Martin Niederle, der Vater, ein
Golttdrattwercker, die Mutter Anna, d. Kind Gottfried. Die
Pathen H.(Herr) Martin Schwartzbach, Seidenkramer in der
Kohlgassen, Gottfried Eichler, Herrn Martin Eichlers,
Stadtrichterß am Ringe nachgelasner Sohn, Jungfr.
Maria Elisabet, H. Johann Kißlingß, Med.
Doct. und
vornemer Practicus in der Webergassen Eheleibliche Tochter,"
Die
Auswahl der Paten lässt darauf schließen, dass der Vater ein
geachteter Mann in Zittau war oder einer bekannten Familie aus der
Umgebung der Stadt entstammte, obwohl er sich nur vorübergehend in
Zittau aufhielt. Dies folgt aus den Begräbniseinträgen des eben erst
getauften Kindes und dessen Mutter:
-
"Anno
1646. Augustis. Freitag 17. Ist mitt Einem Abdancken begraben
Martin Kiederless, Eineß Goldttdrattarbeitterß p. t. (pro
tempore = zur Zeit) in der Böhmischen Gassen 6 Wochen Kindlein."
(Ein Kind, das noch nicht 6 Wochen war, wurde als 6-Wochen-Kind
bezeichnet.)
-
"Anno
1646. September. Montag 10. Ist mitt Einem Abdancken begraben
Martin Niederlß, Eines Golttdrattarbeiterß, dieser Zeitt in der
Böhmischen Gassen sich aufhalttend Eheweib."
Nur 11 Wochen
nach dem Tode seiner Frau, am 25.11.1646, heiratete Martin Niederle
unfs Neue, vielleicht besaß er ein oder mehrere kleine mutterlose
Kinder, obwohl wir von diesen später nichts erfahren:
-
"Anno
1646. Den 26. Sonntag nach Trinitatis. Der Kunstreiche Martin
Niederle, Ein Goltdratt-Arbeitter, ein Wittwer, Mitt Jgfr.
Elisabett, weil. Georg Häntzschelß, Eines Fleischers zu Oschwitz
Helicta fil. (nachgelassene Tochter)."
Unter Oschwitz
ist sicherlich der Ort Oschitz (jetzt Osečná) südlich von Zittau in
Böhmen zu verstehen. Später wird Elisabeth Niederle in Dresden als
"eines böhmischen Exulanten Witbe" bezeichnet, wobei Exulanten
Personen waren, die im Zuge der Gegenreformation ihres evangelischen
Glaubens wegen ihre (böhmische) Heimat verlassen hatten. Wenn diese
Angabe richtig ist, wäre doch nicht die Umgebung von Zittau die
Heimat von Martin Niederle gewesen.
Martin Niederle
war Golddrahtarbeiter, d.h. ein Kunsthandwerker, der z.B.
Goldfiligranarbeiten herstellte. Wo er gelernt hat, ist bisher nicht
feststellbar gewesen, möglicherweise könnte dies in Prag geschehen
sein, zumal die Lausitz bis 1635 zum Königreich Böhmen gehörte, und
er leicht dahin einwandern konnte. In Zittau wird Martin Niederle
nach 1646 nicht mehr genannt, wir finden ihn aber in Dresden wieder,
wo sicherlich am kurfürstlichen Hofe bessere Möglichkeiten zur
Ausübung seines Berufes zu erwarten waren.
Sein Sohn Paul
Niederle wird 1682 als 33jährig, 1663 und 1682 als aus Dresden
gebürtig bezeichnet. Daher muss Martin Niederle zwischen 1646 und
1649 nach Dresden zugewandert sein. Der Dreißigjährige Krieg war
beendet, aber für Martin Niederle scheint noch keine Möglichkeit
bestanden zu haben, sein Kunsthandwerk auszuüben. Erstmals wird er
in Dresden bei der Beerdigung eines Töchterleins am 11.06.1657
genannt. 1663 wird er als Goldschmied und gewesener Soldat in der
Dresdner Unterguardia, 1675 als Goldschmied, 1680 anlässlich der
Trauung seiner Tochter Anna Sabina als verstorbener "Churfürstlich Sächßischer Hofbefreyter Golddrath Arbeiter" bezeichnet.
Die Untergarde
war eine Truppe, die die Stadttore bewachte, Absperrdienste bei
Feierlichkeiten und Festlichkeiten versah und ähnliche Dienste
leistete. Sie war bereits vor dem Jahre 1600 in einer Stärke von 100
Mann gegründet worden.
Hofbefreite
waren Künstler und Handwerker, die nicht Bürger und nicht Angehörige
einer Innung waren, sondern als Hofbediente dem Hofmarschallamte des
Kurfürsten unterstanden.
Wir sehen also, dass
Martin Niederle, da sich nach Abschluss des Dreißigjährigen Krieges die
wirtschaftlichen Verhältnisse gebessert hatten, doch wieder in seinem
Beruf tätig sein konnte und sogar beim Kurfürstlichen Hofe angestellt
worden war. Er wurde am 17.06.1675 in Dresden begraben.
Seine Witwe
Elisabeth überlebte ihn mehr als 25 Jahre. Sie kam allerdings bald in
Not und so finden wir unter den Almosenrechnungen der Kreuzkirche, im
Ratsarchiv Dresden aufbewahrt, im Band Ostern 1681 bis Ostern 1682,
Blatt 115, folgendes Gesuch:
-
"Wohl
Ehrenvester Hochachtbarer Wohlgelahrter und hochweiser in ehren
geneigter H. Bürgermeister, Demselben wir wißend sein, das Gott der
Herr mich in betrübten Witbenstand gesezet und in solche Armuth
gerathen laßen, daß des Hungers ich mich nicht mehr erwehren kan.
Daher ich gedrungen worden meine Zuflucht zu dem H. Bürgermeister
zunehmen, indem ich erfahren, daß Maria Seyffertin die zeithero das
Gottes Kasten Brodt genoßen, sich verheyrathen will. Wenn dann nun
hierdurch sich diese Stelle erledigen wird. Als gelanget an den H.
Bürgermeister mein freundliches Bitten, er wolle geruhen mich arme
Witbe mit dem Auge der Barmherzigkeit anzusehen, und mich an der
Stelle anzunehmen. Solches meinen andächtigen Gebeth hinwiederumb
zuverdienen erkennen ich mich willig. Sign: Dreßden, 9. Jan.1682
Elisabeth Niederlauin .Des H. Bürgermeisters in ehrenwillige"
Ob dieses Gesuch
sofort bewilligt wurde, wissen wir nicht.
Bei einer Eintragung
Nicolai 1698 wird sie "Elisabeth Niederlauin, eines böhm. Exulantens
Witbe" genannt, wie schon erwähnt worden ist. Sie erhielt als
Unterstützung wöchentlich 3 Groschen und wohl auch Brote.
Anmerkung 1701: "den
19. May a.d. (Anno Domini) 1701 gehet ab Elisabeth Niederlauin."
Wahrscheinlich ist sie an diesem Tage oder kurz vorher verstorben.
Martin Niederle
hatte mindestens sieben in Dresden geborene Kinder, von denen der Sohn
Caspar als "Feldwaibel" (Feldwebel) bezeichnet wird. Zwei Söhne, Daniel
und Johann Christoph, wurden Goldschmiede. Der letztere hatte zwei
Söhne, die wiederum eine Goldschmiedelehre antraten. Die Tochter Martin
Siederies, Anna Sabina, heiratete den Arzt Johann Christoff Creutzner in
Dresden.
Das älteste der in
Dresden geborene Kind Martin Niederles war der bereits genannte Paul
Niederle (-lau). Sein Geburtsjahr war wahrscheinlich 1649, er wird 1663
und 1666 als Schlosserlehrling genannt. In der Dresdner Dreikönigskirche
heiratete er am 12.10.1673:
-
"Paul
Niederlau churf. Soltadt bey der Unter Guardi mit Jgfr. Annan,
George Seyfferts, Churf. Soltadens bey der Unter Guardi Eheleibliche
Tochter."
Paul Niederlau wird
auch noch 1682 als Soldat bezeugt. Dann kehrte er aber zum
Schlosserberuf zurück und heiratete in Chemnitz (St. Jacobi) am
23.08.1686 abermals, Maria Elisabeth Geyer:
-
"Paul
Niederlau, Bürger und Schlosser in Dresden, Wittwer, mit Maria
Elisabeth fla. (filia = Tochter) weil. Mathes Geyer, merseburgischen
Amtmanns in der Grafschaft Forste."
Es ist anzunehmen,
dass Maria Elisabeth tatsächlich unsere Vorfahre ist. Infolge der
lückenhaften Unterlagen ist bisher ihr Todestag nicht nachweisbar, auch
keine weitere Eheschließung von Paul Niederlau, der ab 1700 als
abgedankter Soldat bezeichnet wird und am 04.03.1713 in Dresden beerdigt
wurde.
Die Trauung der
Eltern von Maria Elisabeth Niederlau geb. Geyer ist in Chemnitz unter
dem 04.05.1647 verzeichnet und besagt, dass Mathias Geyer, "churfürstlioh
sächsischer Steuerbedienter und Landschreiber in Chemnitz", Sohn des
"verordneten Bürgermeisters der kaiserlich freien Bergstadt Schönfeld in
Böhmen" (heute: Krásno, südwestlich von Karlsbad (Karlovy Vary)
Bartholomäus Geyer war.
Mathias Geyer war
mit Maria Elisabeth Greimius, der Tochter des Kantors der Chemnitzer
Kirche St. Jacobi Elias Greimius verheiratet, der 1633 bei der großen
Pestepidemie in Chemnitz starb. Dieser war der Sohn des Stadtrichters
von Scheibenberg im Erzgebirge Fabian Greim und seit 1624 mit Maria
Steiner, der Tochter des Chemnitzer Bürgers und Händlers Heinrich
Steiner verheiratet.
Paul Niederlau hatte
mindestens 13 Kinder, von denen Johann Caspar, geboren 1688, Bürger und
Nagelschmied in Dresden war, und George Paul Soldat wurde. Einer der
jüngsten Kinder war unser Vorfahr Heinrich Martin Niederley oder
Niederlau. Er wurde am 27.12.1705 in der Dresdner
Annenkirche getauft. Über sein Leben wissen wir nur, dass er
Strumpfwirkergeselle war und etwa 1730 eine Anna Dorothea heiratete,
deren Geburtsname aber wegen der fehlenden Kirchenbücher unbekannt ist.
Sie starb im Jahre 1767 mit 58 Jahren. Ihr folgte ihr Ehemann im Februar
1778, er starb an "Steckfluß",
wohl Lungenentzündung. Neben zwei Töchtern ist uns der Sohn Johann
Heinrich Niederley bekannt, der 1737 geboren, Pachtgärtner war.
Ein weiterer Sohn
von Heinrich Martin war unser Vorfahr Johann Immanuel Niederley oder
Niederlein, ebenfalls Pachtgärtner in Dresden, geboren 1746, der am
14.10.1770 in der Dresdner
Frauenkirche getraut wurde:
-
"Johann
Emanuel Niederlein, Pachtgärtner allhier, Heinrich Martin
Niederleins, Strümpfwürckers allhier eheleibl. Sohn, und Jgfr.
Johanna Sophia, Friedrich Gottlob Stielerts; Bürgers und
Brandtweinbrenners allhier nachgel. Tochter."
Über den Vater
Friedrich Gottlob Stielert, der teilweise auch als Tagarbeiter
bezeichnet wird, ist nur bekannt, dass er aus Dresden stammte und am
24.03.1733 Dresdner Bürger wurde. Seine Frau Johanna Sophia, wiederum
ist ihr Familienname nicht bekannt, starb 1778 im Alter von 66 Jahren.
Ihre Tochter Johanna
Sophia verw. Niederlein geb. Stielert heiratete 1805 im 56. Lebensjahre
nochmals, und zwar den verabschiedeten Canonier, Karl Christian Jentz
oder Gentz, Schneider, ab 1780 Kanonier, geb. um 1762. Über das weitere
Schicksal dieses Ehepaares wissen wir nichts.
Der älteste Sohn von
Johann Immanuel (zwei weitere Kinder starben klein) war unser Vorfahr
Friedrich Gottlob Niederlein, der, laut Taufeintrag in der Kreuzkirche,
am 22.07.1771 nachmittags 2 Uhr geboren wurde. Das Bürgerrecht erlangte
er als Kammachermeister am 30.07.1803 und heiratete am 16.10.1803
Christiane Juliane Gallwitz aus Lommatzsch. Er starb, noch nicht
40jährig, am 11.5.1811 und hinterließ vier Kinder, von denen die Tochter
mit 6 Jahren starb.
Ein Jahr nach dem
Tode ihres Mannes heiratete Christiane Juliane Niederlein geb. Gallwitz
den 13 Jahre jüngeren, erst 21jährigen aus Großenhain gebürtigen
Kammachermeister Johann August Krille, der wahrscheinlich die Werkstatt
ihres ersten Mannes übernahm und dem sie noch drei Kinder schenkte. Nach
ihrem Tode ging dieser eine zweite Ehe mit Johanna Carolina Täschner aus
Dahlen bei Oschatz ein, die Pate bei meiner Mutter wurde, aber bereits
etwa 1875 starb.
Der jüngste Sohn von
Friedrich Gottlob Niederlein, Ernst Moritz Niederlein, wurde
Klempnermeister in Dresden, die beiden anderen wurden, wie der Vater,
Kammacher: Ernst Friedrich Carl Niederlein und Friedrich August
Niederlein.
Der Sohn von Ernst
Moritz Niederlein, ebenfalls Ernst Moritz (1842-1903), war
Stadtbuchhalter in Dresden. Er heiratete Elisabeth Wigard (1844-1934),
die Tochter von Franz Wigard, der, aus München stammend, als Schüler von
Gabelsberger dessen Stenografiesystem nach Sachsen brachte, in Dresden
Landtagsstenograf war, dem Frankfurter Parlament 1848/49 als Dresdner
Abgeordneter angehörte, später Medizin studierte und ein bekannter
Dresdner Arzt wurde. Ihm zu Ehren gibt es in Dresden eine Wigardstraße.
Der jüngste Sohn des Stadtbuchhalters war Oberlandesgerichtsrat Dr.
Walter Niederlein, der sich Jahrzehnte um die Erforschung der
Namensträger Niederlein bemühte. Er war
Jürgen Gäblers Patenonkel und kam 1945 ums Leben. Sein Sohn Wigard
(mein Pate) lebt in Dresden-Laubegast und hat 7 Kinder.
Der älteste Sohn von
Friedrich Gottlob Niederlein war Ernst Friedrich Carl Niederlein, der
als Kammachermeister seine Werkstatt hinter der Annenkirche in Poppitz
hatte (benannt nach einem vor Jahrhunderten nach Dresden eingemeindeten
dort gelegenen Dorf). In seinem Hause wurde seine Enkelin, meine Mutter,
geboren. Von ihm ist ein Stammbuch erhalten mit vielen Eintragungen
besonders von anderen Gesellen, die er auf seiner Wanderschaft als
Handwerksbursche durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und Italien
traf. Auch seine spätere erste Frau und Cousine Juliana Wercker aus
Meißen ist in diesem Stammbuch durch folgenden, eigenhändig
geschriebenen Vers vertreten, mit einem Kranz nach Art der Meißner
Blumenmalerei verziert (vielleicht war sie Blumenmalerin in der
Porzellanmanufaktur?):
Bester Freund sey
zufrieden
Bin ich gleich jetzt manchen Tag,
Also weit von Dir geschieden,
Das ich Dich nicht sehen kann,
Doch ich hoffe mit verlangen,
Das der Himmel uns vereint.
Für Dein Wort thut mir nicht bangen,
Weil Dus redlich stets gemeint,
Deine Dich stets liebende
Juliana Werker
Meißen, den 1ten May 1831
Zurückgekehrt von
der Wanderschaft heiratete Ernst Friedrich Carl Niederlein dann auch
diese seine Cousine in Meißen am 29.04.1832.
Nach ihrem frühen
Tode am 22.07.1837 ging er wieder mit einer Cousine, Johanna Laura
Schilde, die Ehe ein. Seine und seine beiden Frauen Mütter waren
Schwestern und Töchter von Christian Gottlieb Gallwitz in Lommatzsch.
Ernst Friedrich Carl Niederlein starb, 82 Jahre alt, im Jahre 1887. Über
die Vorfahren Gallwitz und Schilde hören wir später.
Der Sohn seiner
ersten Frau war der Buchbinder Carl August Niederlein, geboren 1833, der
1877 unverheiratet starb. Der jüngere Sohn seiner zweiten Frau war Carl
August Moritz Otto Niederlein, der, wie der Vater, Kammacher wurde,
dessen Werkstatt übernahm, infolge des Niederganges der
Handwerksbetriebe nicht bestehen konnte und schließlich nach dem Tode
seiner ersten Frau unter Zurücklassung seiner Kinder nach Hannover ging,
wo er 1922 starb.
Von ihm stammte der
etwa 1927 mit Frau und zwei Töchtern nach Amerika als Mormone
ausgewanderte Sohn Karl ab, der in Berlin eine Bäckerei besaß. Karl
starb während des zweiten Weltkrieges in Amerika, seine Frau, die "Tante
Anna", schickte uns nach dem Kriege viele Pakete mit Lebensmitteln und
Kleidung, die uns in großer Not sehr halfen. Ihre beiden Töchter Erika
verh. Walter Kempe (dieser 1978 verstorben) und Hildegard verh. Robert
Feinauer leben in Amerika und
haben Kinder und Enkel.
Ein Bruder von Karl
war Otto Niederlein, Postbeamter in Bautzen, der zwei Söhne der ersten
und den Sohn Wolfgang der zweiten Frau hatte, letzterer trat vor Jahren
mehrfach als "Moderator" im Fernsehen auf. Ein weiterer Bruder von Karl
und Otto, Paul, starb unverheiratet im Heim der Inneren Mission
"Bethesda", dem jetzigen Radebeuler Krankenhaus. Eine Schwester Martha
verh. Jürgens war in Hannover kinderlos verheiratet.
Der ältere Sohn der
zweiten Ehe von Ernst Friedrich Carl Niederlein war mein Großvater,
Schuldirektor Karl August Moritz Niederlein (1842-1914), über den meine
Mutter in ihren "Lebenserinnerungen" ausführlich berichtet hat.
Die Vorfahren der Schwestern
Gallwitz
Der bereits erwähnte
Christian Gottlieb Gallwitz war der Vater der drei Schwestern
Johanna
Dorothea (geb. 1775),
Christiana Juliana (geb. 1777) und
Johanna Rosina
Gallwitz (geb.1784).
Sein Vater Anton
Gottlieb Gallwitz war Schuhmacher in Lommatzsch. Dessen Vater war
Christian Gallwitz (Gollwitz, Golbitz), der in Ostrowo in Polen lebte.
Er war ebenfalls Schuhmacher. Anton Gottlieb war wahrscheinlich auf der
Wanderschaft nach Lommatzsch zu Christian Dietrich gekommen, der als
Schuhmacher wohl sein Meister war. Kurz nach dessen Tode heiratete Anton
Gottlieb des Meisters älteste Tochter Anna Rosina Dietrich, die ihm 9
Kinder schenkte, von denen mindestens drei klein starben. Über die
Vorfahren von Christian Dietrich und seiner Frau Rosina geb. Steude
hören wir später mehr.
Der älteste Sohn von
Anton Gottlieb Gallwitz war der anfangs genannte Christian Gottlieb
Gallwitz, geboren 1743, der ebenfalls Schuhmacher war, er heiratete in
Lommatssch Johanna Magdalena Arras, über deren Vorfahren nachher
vielerlei au berichten ist. Er starb 1793 und hinterließ einen Sohn und
drei Töchter, während vier Kinder klein starben. Sein Sohn, ebenfalls
Christian Gottlieb Gallwitz, verblieb in Lommatssch. Die älteste Tochter
Johanna Dorothea heiratete den Meißner Kammacher Johann Gottfried
Wercker, die mittlere Tochter Christiana Juliana Gallwitz, wie oben
berichtet, den Dresdner Kammacher Friedrich Gottlob Niederlein und die
jüngste Tochter Johanna Rosina Gallwitz den Dresdner Gürtlermeister
Johann August Schilde. Der Sohn der mittelsten Tochter war unser bereits
genannter Vorfahre Ernst Friedrich Carl Niederlein, der zunächst die
Tochter Juliana seiner Tante Johanna Dorothea verehel. Wercker und nach
Julianes Tode die Tochter Juliana Laura seiner Tante Johanna Rosina
verehel. Schilde heiratete, wie bereits berichtet.
Da nicht nur
Friedrich Gottlob Niederlein, sondern auch Johann August Schilde mit
etwa 40 Jahren starb, heirateten die Schwestern Christiana Juliana
Niederlein geb. Gallwitz und Johanna Rosina Schilde geb. Gallwitz bald
nach dem Tode ihrer Männer nochmals, die erstere den schon erwähnten
Johann August Krille, die letztere wieder einen Gürtler, Karl Moritz
Hänsel, wie wir noch hören werden.
Die Frau von
Christian Gottlieb Gallwitz war Johanna Magdalena Arras, Tochter des
Lommatzscher Kürschnermeisters Christian Arras und der Maria Sophia
Güther aus Strehla an der Elbe. Deren Vater, der Schneider Johann
Christoph Güther, stammte aus Ronneburg in Thüringen, wo die Familien
Güther und Zeidler seiner Eltern mehrere Generationen zurückverfolgt
werden konnten.
Johann Christoph
Güther hatte sich verheiratet mit Maria Elisabeth Apitz, Tochter von
Christian Apitz, Weißgerber in Strehla, der aus einer alteingesessenen
Familie der Stadt Oschatz stammte, während die Mutter Dorothea Reinhard
den Schilfmüller Paul Reinhard in Strehla zum Vater hatte
Im 17.Jahrhundert
gab es auf der Elbe zahlreiche Schiffmühlen, die im Fluss verankert
waren und durch den Elbstrom angetrieben wurden. Paul Reinhard oder
Reinhart kaufte die Schiffmühle am 27.04.1633 für 300 Gulden von den
Erben seines Vorgängers. Vorher war er Windmüller in Altenau, nördlich
von Strehla gewesen. Er wurde dann auch noch Besitzer einer weiteren Schiffmühle in Bobersen flussaufwärts von Strehla bei Riesa.
Christian Arras, der
fast 89jährig im Jahre 1802 in Oschatz starb, und seine Ehefrau Maria
Sophia geb. Güther hatten neben zwei klein gestorbenen Kindern einen
Sohn Christian Gottfried Arras, der ebenfalls Kürschner wurde und in
Lommatzsch verblieb, und vier Töchter, von denen die beiden jüngsten
zwei Brüder Wiedemann, Schuhmacher in Oschatz, heirateten. Bei ihnen
verbrachte wohl der alte Vater Christian Arras seine letzten
Lebensjahre. Seine älteste Tochter Christiana Sophia heiratete den
Dresdner Kammachermeister Carl Daniel Huthmann, während Johanna
Magdalena Arras als Frau von Christian Gottlieb Gallwitz unsere Vorfahre
wurde.
Schon der Vater von
Christian Arras, Sixtus Arras (1673-1745), war Kürschner-Meister in
Lommatzsch. Er war dreimal verheiratet und hatte sechs Söhne und drei
Töchter. Entsprechend einer damaligen Sitte gaben die Eltern einem
jüngeren Kind oft den Namen eines vorher verstorbenen Kindes. So wurden
drei Kinder David nach dem Vornamen des Großvaters von Sixtus genannt.
Zwei Söhne, der von der zweiten Frau abstammende Sixtus, und Christian
wurden die Ahnherren einer zahlreichen Nachkommenschaft. Letzterer war
der Sohn der dritten Frau von Sixtus, der Tochter Magdalena Krebs des
Christian Krebs, dessen Herkunft und diejenige seiner Frau Magdalena
nicht bekannt ist. Christian Krebs war in Grubnitz, später Oelsits bei
Riesa Pachtmüller.
Die Chronik von
Lommatzsch berichtet, dass bei dem Stadtbrand am 30.05.1727 103 Häuser
der Stadt vernichtet wurden (die Stadt bestand aus etwa 25O Häusern),
darunter auch die Häuser von Sixtus Arras und seines Sohnes Sixtus. Bei
einem Feuer im Jahre 1756 wurde dann das wiederaufgebaute Haus des
Sohnes zur Eindämmung des Feuers eingerissen.
Der Vater unseres
Vorfahren Sixtus Arras hieß ebenfalls Sixtus. Dieser Sixtus Arras (1621-1676) trat 1640 in Lommatzsch in die Bäckerlehre ein, wurde 1643
Geselle und 1651 Bäckermeister, Am 11.11.1651 heiratete er Gertraute
Rösch, die ihm zehn Kinder schenkte, von denen drei klein starben,
während sich drei Söhne und vier Töchter verheirateten. Die Söhne David
und der jüngste Sohn, unser Vorfahr Sixtus, hatten viele Nachkommen,
wovon auch heute noch Namensträger Arras vorhanden sind. Etliche
Generationen Bäcker, später Müller Arras lassen sich nachweisen. Am
26.01.1652 kaufte Sixtus Arras für 50 Gulden eine Brandstatt in
Lommatzsch in der Meißner Gasse, um darauf ein Haus zu bauen.
Seine Frau Gertraute
geb. Rösch kam durch die 2. Ehe ihrer Mutter Maria verw. Rösch geb.
Altner mit dem Sattler Wilhelm Breuer nach Lommatzsch, nachdem deren
erster Mann Andreas Rösch, aus der Umgebung von Leipzig stammend,
Besitzer eines Pferdnergutes in Klein-Pösna, im Dreißigjährigen Kriege
im Jahre 1635 als Soldat auf der Leipziger Festung
Pleißenburg ums Leben
kam. Darüber berichtet das Gerichtsbuch Leipzig, Bd.523 Blatt 28
(aufbewahrt im Staatsarchiv Dresden): 08.09.1636:
-
"Zu wißen sey
hiermit, damnach Andreas Rösche gewesener Soldat auff der Vhestung
Pleißenburg alhier zu leiptzigk, sonsten aber inwohner zu Kleinem
Peßna, im abgewichenen Jahr durch etliche Soldaten auff der Straße
angegriffen, ihm seine Pferde abge¬nommen, er darüber erschoßen
worden, vndt also Schändlich vmb sein Leben kommen, dadurch seine
hinterbliebene Witbe nicht allein in großes Schrecken vndt Elendt
gerathen, Sondern auch die Haußhaldung wegen der täglichen Schweren
und Unerträglichen einquartierungen Plackereyen, Contributionen,
entrichtungen der ordinarii vndt anderer gefalle, zu malen weiter
gedachter ihr Ehemann biß in 500 Guld. Schulden verlaßen vndt von
Mobil, nicht das geringste vorhanden, langer alßo nicht fuhren
können zu der abfindung der Kinder gantz kein ander Mittel gewust,
als daß das gut veralimiret vndt verkauift werden mußte, inmaßen die
Wittibe am 19. Julij dießes Jahres erschienen vor mir ...
-
Die
Subhastation wird angeordnet und das Gut verkauft; Alß ist Andreas
Röschens gewesenes Pferdnerguth, wie solches im Dorff Klein Peßna
und zwischen Lorenz Sperlings und Hanß Seyferts Gütern gelegen, mit
allen zugehörungen u. gebeuden, gärten und ackern zowol mit 2
darinnen vorhandenen Pferden, Schiff f. Geschir, eine Kuhe, 8
Schweine vndt allen darinnen vorhanden. Feder Viehe Caspar Jenichen,
Burger vndt Jahr Koch zu Leiptzigk vndt seinem Weibe (Marien
Magdalenen) vmb 1900 Gulden Kauf Summa zugeschlegen. Die Röschische
Witbe hat freye Herberge im guthe auf ein Jahr lang. 8.9.1636"
Im gleichen
Gerichtsbuch, Blatt 24 vom 20.7.1636 werden ihre unmündigen Kinder
aufgezählt: Anna, Barbara, Georg, Hanß, Gertraude. Beim Tode des Vaters
war unsere Vorfahre Gertraude erst drei Jahre alt, denn sie wurde am
22.5.1632 in Kleinpösna bei Grimma getauft.
In dem genannten
Gerichtsbuch, Blatt 36 vom 25.11.1636 heißt es beim Vergleich der Mutter
mit ihren Kindern wegen des Vaterteils:
-
"gedachte
Wittibe an itzo sich mit dem Brbarn vndt Mannhafften Wilhelm Breuer,
Vnter ihrer Churf. Durchl. Leib Compagnia Fahnen Sattlern wiederumb
zu uerehelichen gesonnen."
Wilhelm Breuer war
Bürger und Sattler in Lommatzsch und nur zeitweise "Fahnensattler" in
Dresden. Die Schwester Barbara von Gertraute Rösch heiratete den
Lommatzscher Böttcher Wenzel Hermann.
Die Vorfahren von
Gertraute Rösch können wir bis vor das Jahr 1600 zurückverfolgen, sie
waren sämtlich Bauern in der Umgebung von Leipzig, teilweise wurden sie
auch als Pferdner, d.h. Besitzer eines größeren Gutes bezeichnet.
Der sehr seltene und
in Lommatzsch nicht gebräuchliche Vorname Sixtus führte mich nach
längerer Sucharbeit zu dem überraschenden Ergebnis, dass der
Bäckermeister Sixtus Arras väterlicher- und mütterlicherseits von
Pfarrerfamilien abstammte. Zunächst fand sich der folgende Traueintrag
in Lommatzsch:
-
"1632. Herr
Jacob Prescher, Bürger alhier, mit Frau Annen, des weilandt
Ehrwirdigen. Achtbaren und Wolgelarten Herrn Davitis Arras, Pfarrers
zu Beicha hinterlassener Wittwe ehelichen getrauet den 14. February."
Dass diese Anna die
Mutter von Sixtus Arras war, ergibt sich aus dem Gerichtsbuch Lommatzsch
Nr.40, Blatt 611:
-
"Vergleichung
Sixti Arraßens mit weyland Herrn Jacobi Preschers . Gantoris seel.
hinterlaßenen Kindern Vormündern. Zue wissen denen es nötig, demnach
die Erbare und viehltugentsame Fraue Anna, weyland Herrn Jacobi
Preschers Cantoris alhier Ehe-licher Haußfrau am 1O.Novembris Anno
1640 coram actis undter andern disponiret, das Ihr bemelter Eheherr
und obgesezter Sohn alle außenstehenden Schulden, wie die Nahmen
haben, und undter weß Jurisdiction solche stehen, So nach absugk 200
fl. (Gulden) dem Sohne außgesetzten Vatertheile, besage
aufgerichteten Inven-tariy annoch auf 684 f1. 12 gr. belauften
zuegleicher Theilung Einnahmen und einheben mögen, weilen aber in
Zwischen die Landes ruin krig, brand und Plünderung soviehl causiret,
daß der Sohn Sixtus Arraß bis dato sein Vatertheil darum nicht
complet: Auch der Stiefvater Herr Jacob Prescher bey seinen leben
von diesen Schulden gar ein weniges mit dem Sohne in Theilung
erlangen können, Und also nach absterben Herrn Jacobi Preschers
Gantoris, die witbe Frau Margaretha wieder ad secundas nuptias (zur
2. Ehe) schreiten wollen, hat Sie am 4. January 1656 bey ausmachung
der kindere Vatertheil solche Schulden und Ihre part (ihr Teil)
davon denen kinderen und Vormünderen mit Sixto Arraßen, dem
Stieffsohne uf Gewinst und Verlust Zu gleicher Theilung ein
Zufordern consentiente curatore cetiret (mit Genehmigung ihres
Vormundes, Frauen konnten damals nicht selbständig handeln)
abgetreten und übergeben, derowegen heut acto Sixtus Arraß und
Prescherischer kindere Vormundere sich Zuesammen betaget und sowohl
eingehobenen alß noch außenstehender Schulden wegen berechnung
gepflogen, ..."
Aus der Urkunde
folgt weiter, dass Maria Magdalena, Martha und Anna Christina Kinder von
Jacob Prescher waren. Als Vetter von Sixtus Arras wird der "Churf.
Landrenthmeister Braun zu Dreßden" erwähnt. In dem Schriftstück vom
02.07.1658 wird ferner "Martin Waude der Prescherischen kindere
Stieffvater" genannt.
Diese
Gerichtsbucheintragung zeigt, dass im Jahre 1656 bereits die Mutter Anna
(geb. Naumann) und der Stiefvater Jacob Prescher, Kantor in Lommatzsch,
verstorben waren und die Stiefmutter Margaretha abermals geheiratet
hatte. Ihr zweiter Ehemann war der Bäckermeister Martin Waude, der nach
Margarethes Tode noch Anna Fischer und schließlich Regina Thieme
ehelichte.
Wiederum nach Martin
Waudes Tode im Jahre 1677 heiratete diese seine dritte Frau den
Stadtrichter und Witwer Georg Fischer. Da die Mutter von Sixtus Arras
ihre erste Ehe 1618 einging, ergeben sich in dieser "Kettenehe" somit
weitere sechs Trauungen: Anna verw. Arras geb. Naumann 1632 mit Jacob
Prescher, Jaoob Prescher etwa 1641 mit Margaretha Eichler, Margaretha
verw. Prescher geb. Eichler 1656 mit Martin Waude, Martin Waude 1665 mit
Anna Fischer, Martin Waude 1671 mit Regina Thieme, Regina verw. Waude
geb. Thieme 1678 mit Georg Fischer.
Diese Kettenehe
zeigt die hohe Sterblichkeit im 17. Jahrhundert, im Durchschnitt
bestanden diese Ehen also nur etwa sehn Jahre. Aus diesen sieben Ehen
gingen mindestens 20 Kinder hervor, die in der Mehrsahl klein starben.
Besonders schlimm wirkte sich die im Jahre 1633 in Lommatzsch
auftretende Pest aus. Im Dezember dieses Jahres starben die drei Brüder
Christoph, Jeremias und Daniel von Sixtus Arras und ein Kind von Jacob
Prescher, wohl ebenfalls ein Kind von Anna geb. Naumann.
Der Vater von Sixtus
Arras war David Arras, Pfarrer in Beicha bei Lommatzsch. Er wurde 1587
oder 1588 in Wurzen geboren, besuchte von 1603 bis 1609 das Gymnasium in
Grimma, anschließend die Universität Leipzig. Im Jahre 1617 wurde er
Pfarrer in Beicha, wo er 1630 starb. Da die Kirchenbücher von Beicha
verbrannt sind, ist sein Todestag nicht festzustellen. Zufällig ist aber
sein Traueintrag und der Taufeintrag seines Sohnes Sixtus erhalten
geblieben, da diese im bei Oschatz gelegenen Pfarrhaus Schweta seines
Schwiegervaters, Pfarrer Jeremias Naumann, verzeichnet sind:
-
"Der
Ehrwürdige und Wohlgelahrte Herr David Arraß, Pfarrherr zu Beicha
17.2.1618 in Schweta Jungfrau Anna Naumann, (Tochter von) Pfarrer
Jeremias Naumann in Schweta."
Besonders
bemerkenswert ist der Taufeintrag unseres Vorfahren, des späteren
Lommnatzscher Bäckermeisters Sixtus Arras, im Schwetaer Kirchenbuch vom
Jahre 1621:
-
"Den
26.Novembris Vmb 6 Uhr vormittage ist meiner Tochter Anna, Herrn
Davidts Arraß, Pfarherren zu Beichav Ehefraw, welche auf ihrer
Schwestern Sybillen alhier zur Hochzeidt gewesen, undt nach solcher
vor 8 Tagen verrichteten Hochseit gelegen undt einen Jungen Sohn
geboren, welcher folgenden Tages als den 27. Novembris getauffedt,
undt in der Tauffe Sixtus genennedt worden. Die Taufpathen seindt
gewesen: Die Edle, Ehrenvieltugendreiche Jungfraw Elisabeth, des
auch Edlen Gestrengen undt Ehren-vhesten Georgiy Cosmi von
Shalhausen als Pacht Inhabers des Guttes Schwedtaw Eheleiblichen
Tochter Undt dann der Ehrwirdige, Undt wolgelahrdte Herr Joachim
Cramerus, Pfarherr au Limpach."
Die Hochzeit von
Sybilla Naumann mit Sixtus Arras, Diakonus in Trebsen, Bruder des
Kindesvaters, hatte am 20.11.1621 in Schweta stattgefunden. Es hatten
somit zwei Brüder Arras zwei Schwestern Naumann geheiratet. Dieser
Sixtus Arras wurde dann Nachfolger im Amt seines Schweigervaters
Jeremias Naumann, den er aber nur zwei Jahre bis 1628 überlebte.
David, der Vater des
Bäckermeisters, und Sixtus Arras waren Söhne des Grimmaer
Superintendenten David Arras, der 1545 in Wurzen geboren wurde, die
Fürstenschule in Grimma ab 1557, die Universitäten Leipzig ab 1561 und
Jena ab 1567 besuchte. Am 11.01.1571 wurde er in Jena Magister, dann in
mehreren Orten Pastor, ab 1584 Diakonus in Wurzen und 1592
Superintendent in Grimma, wo er am 19.07.1612 starb. Sein Vater war der
Wurzener Tuchmacher Bartholomäus Arras, sein mütterlicher Großvater
Matthäus Trage, Bürgermeister in Wurzen, der 1552 starb.
Superintendent David
Arras hatte 12 Kinder, von denen ihn 5 Söhne und 5 Töchter überlebten,
vier der Söhne wurden Pfarrer. Er heiratete im Jahre 1573 Barbara Braun,
die Tochter des Wurzener Stiftssuperintendenten Valentin Braun.
Über den
Superintendenten David Arras existiert eine gedruckte Leichenpredigt.
Derartige Leichenpredigten wurden seinerzeit für bedeutendere
Persönlichkeiten veröffentlicht. Sie enthielten neben der Würdigung des
Verstorbenen oft ausführliche Angaben über sein Leben und seine
Verwandtschaft.
Die Leichenpredigt
auf David Arras erschien unter dem Titel: "Leichenpredigt auf David
Arras, gehalten von M. Johannes Albertus in Grimma, Diener der Kirchen
am Wort Gottes daselbsten. Gedruckt zu Leipzig Bey Tobias Beyer Anno
MDGXII." Der Text beginnt folgendermaßen:
-
"Eine
Christliche Ehren oder Leichpredigt / Bey dem Volckreichen
Leichbegängniß / des Ehrwürdigen / Achtbarn und Wolgelahrten Herrn /
M.David Arras, Superintendenten zu Grimm, Welcher den 19. Julii
dieses instehenden 1612. Jahres in Christo wol vnd selig
entschlaffen / vnd den 21. hernachen in vnsrer lieben Frawen Kirchen
/ ehrlichen in die Erden ist gesetzet worden. Vber den Spruch Pauli
/ 1. Cor. 2.2. Ich hielt mich nicht dafür / daß ich etwas wüste /
vnter euch / ohn allein Jesum Christum den Gecreutzigten. Zum Trost
/ Gedechtniß vnd Ehren Des Ehrwürdigen / Achtbarn vnd Wolgelarten
Herrn M.David Arras sehligen / vnd. in Gottruhende Weiland
Superintendenten zu Grimm / hinderlassenen hochbetrübte Wittwe /
Söhnen vnd Töchtern.
-
Als der
Erbarn vnd viel Tugentsamen Prawen Barbarae / Herrn M. Valentini
Brauns / Weiland Superintendenten zu Wurtzen / Ehe-leiblichen
Tochter / nun mehr hinderlassene Wittwe / Valentino Arras. Frawen
Barbarae / des Achtbarn vnd Wolgelarten Herrn M. Johan.
Schellenbergij Rectoris in Freybergk Ehlichen Haußfrawn Frawen Annae,
Leonhardt Beyern / Bürgern daselbsten Ehlichen Haußfrawen. Frawen
Catharinae, des Ehrwürdigen / Achtbarn vnd Wolgelarten Herrn M.
Zachariae Zimmermanns / Pfarrers zu Hohenstadt Ehlichen Haußfrawen.
Frawen Marthae, Herrn Christophori Sauberzweigks Schösser in Böhlen
/ Ehlichen Haußfrawen. Jungfrawe Reginae Arrassin. Davidi,
Bartholomaeo, Christophoro vnd Slxto Arras. .....
-
Sein Leben
ist erbar vnd auffrichtig / on alle grobe vbelthat gewesen; In
seinem Ampt vnd Regiment verständig / freundlich vnd glimpfflich /
wenn im schon bißweilen eingeredet wurde / er solte ein wenig einen
Ernst brauchen: Da gab er zur antwort vnd war sein Symbolum: Qui
nescit dissimulare, nescit etia imperare. Wer nit versehen vnd
verhören / der kan nit regiere. Meines Wissens hat er keinen
Menschen / wes Standes er gewesen / gedrücket."
Der Schwiegervater
von David Arras, Valentin Braun, ist wahrscheinlich 1498 (nach anderen
Angaben 1495) in Erfurt geboren und starb am 20.6.1598 in Wurzen. Auch
über ihn existiert eine Leichenpredigt, aus der zu entnehmen ist, dass
er ab 1538 in Wittenberg studierte und Famulus von Luther war, "bei
Luther und Melanchthon überaus wohl gelitten". 1541 ernannte ihn die
Universität Wittenberg zum Magister. Vor der Wittenberger Zeit war er
seit 1533 in Erfurt im Schuldienst. Über Oschatz und Döbeln kam er 1559
oder 1560 als Pfarrer und Superintendent nach Wurzen.
In die Amtszeit von
Valentin Braun fällt im Zuge der Reformation die Übergabe des ehemaligen
katholischen Bistums Meißen an den Landesherren, Kurfürst August von
Sachsen, der die Regierungs- und Verwaltungsvollmachten erhielt. Das
Bischofsamt, das der letzte katholische Bischof Johann von Haugwitz bis
zum Jahre 1581 ausgeübt hatte, wurde dem Superintendenten Valentin Braun
als nunmehrigem Stiftssuperintendenten von Wurzen übertragen. Unser
Vorfahr war damit eigentlich der unmittelbare Nachfolger des letzten
Bischofs von Meißen. Erst im Jahre 1921 wurde das katholische Bistum
Meißen mit Sitz in Bautzen neugegründet.
In Wurzen bemühte
sich Valentin Braun um Ausbreitung und Festigung der evangelischen
Lehre. Seine Verdienste würdigte der Kurfürst August (im Volksmund
zusammen mit seiner Frau: Vater August und Mutter Anna genannt) durch
eine lebenslange Rente von 150 Gulden, Im Jahre 1577 unterschrieb
Valentin Braun die "Konkordienformel", eine Lehrnorm der evangelischen
Kirche, zu der sich alle Prediger durch Unterschrift bekennen mussten
und die das durch Anhänger Melanchthons verfälschte Luthertum
wiederherstellen sollte. Als Nachfolger des Kurfürsten August vertrat
aber sein Sohn Christian ab 1586 Kurfürst, eine freiere theologische
Richtung, wodurch er die Geistlichen veranlasste, vier Sätze zu
unterschreiben, die die Abschaffung der Konkordienformel bedeuteten.
Die allermeisten Pfarrer, so auch Valentin Braun, unterschrieben auch
diese Sätze. Dadurch kam er in den Verdacht der Charakterschwäche und
verlor an öffentlicher Gunst. Nach Christians Tode im Jahre 1591
verlangte die neue Regierung, die wieder eine streng lutherische
Richtung einnahm, dass Valentin Braun seine frühere Schuld durch eine
Sendschrift ausdrücklich bekennen sollte. Da er dies ablehnte wurde der
über neunzigjährige im Jahre 1592 von seinem Amt als
Stiftssuperintendent abgesetzt. Er starb, fast hundertjährig, am
20.6.1598.
Einige Jahre vor
seinem Tode machte Valentin Braun ein Vermächtnis von jährlich 24
Thalern für studierende Nachkommen (Freunde genannt) bzw. Döbelner
Bürgersöhne.
Seine Frau Barbara,
die 1603 starb, war die Tochter von Johannes Sohreber, der 1515 bis 1548
Stadtschreiber und Bürgermeister in Oschatz war, während sein Vater
gleichen Namens als "Herzoglischer Rentmeister" in Oschatz bezeichnet
wurde.
Von Valentin Braun
kennen wir vier Söhne und drei Töchter. Ein Bild von ihm und seiner
Familie ist im Wurzener Dom vorhanden. Der Sohn Sixtus war Bürgermeister
in Naumburg und wurde angeblich "in Edelstand erhoben". Der Sohn
Valentinus war zuletzt Superintendent in Leisnig und dessen Sohn war der
bereits erwähnte Landrentmeister Matthäus Braun in Dresden, Der Sohn
Christophorus wurde Phil. und Med. Doctor in Leipzig und dessen Sohn
Johann Christoph Jur. Doctor und Königlich Schwedischer Kriegsrat. Seine
Tochter Anna heiratete den Oschatzer Bürgermeister George Wenden, die
Tochter Catharina den vornehmen Wurzener Bürger Johann Eulenau, dessen
Sohn Johannes Konrektor der Kreuzschule zu Dresden wurde. Und die
Tochter Barbara war mit unserem schon genannten Vorfahren dem Grimmaer
Superintendenten David Arras verheiratet.
Auch die Vorfahren
der Mutter Anna Arras geb. Naumann unseres Bäckermeisters Sixtus Arras
waren Pfarrer. Ihr Vater, Jeremias Naumann, war, wie schon berichtet,
Pfarrer in Schweta bei Oschatz. Er heiratete 1592, 1595 und 1597 jeweils
Pfarrerstöchter, aber alle drei Frauen starben nach kurzer Zeit, wohl
sämtlich "in Kindesnöthen". "Weil aber die Haushaltung der Schweter
Pfarre nothwendig eine getreue Gehülfin erforderte, so mußte er zur
4then Heyrath schreiten." Er nahm Martha geb. Hendel, die Witwe des
Bauern Jacob Clauß, ab 1578 Bauer in Dürrweitzschen bei Döbeln, zur
Frau, von der auch die zwei erwähnten Töchter, unsere Vorfahre Anna und
ihre Schwester Sybilla abstammten. Durch das Erbteil seiner Frau aus
ihrer ersten Ehe wurde Jeremias Naumann recht begütert, denn in dem
Oschatzer Gerichtsbuch Hr.66 (im Staatsarchiv Dresden) ist verzeichnet,
dass er an verschiedene Oschatzer Bürger Geld verlieh.
Sein Vater war
Blasius Naumanna auch Neander genannt, Superintendent in Borna, der
dreimal verheiratet war. Sein Gebursort und Geburtsjahr stehen nicht
fest, wahrscheinlich ist er 1516 in Leisnitz bei Oschatz zur Welt
gekommen. Im Jahre 1539 wurde er in Leipzig immatrikuliert, 1547
Magister, 1548 kam er als Rektor an die Stadtschule zu Oschatz. Dort
heiratete er, nachdem seine erste Ehe nur von kurzer Dauer war, am
14.02.1553 Maria Buchner, die 1573 nach der Geburt des 10. oder 11.
Kindes starb.
Blasius Naumann
wurde 1556 als Superintendent nach Borna berufen. Die Eintragung im
Bornaer Kirchenbuch lautet:
-
"Der neue
Pastor Mag. Blasius Naumann ist Freitag nach Oswald, den 7.8.1556,
abends anher von Oschatz eingezogen und durch D. Joh. Pfeffinger zu
Leipzig den Sonntag nach Invocavit investiert worde: den 10,Sept."
Er starb am
13.08.1575, sein Grabstein, der bei der Erneuerung der Kunigundenkirche
zu Borna im Jahre 1924 vernichtet wurde, lautete
-
"Sunt posita
haec: Hospes: Blasio monumenta Neandro, Praestanti meritis et
pietate Viro. Ille DEI Verbum Llngva factisque professus, Hie per
tres annos et tria lustra fuit. Motuus exuvias telluri credidit, at
mens In Christo aeterna munera Pacis habet."
Und nach der sehr
freien Übersetzung der im Jahre 1688 gedruckten Bornischen Chronica:
-
"Diß
Denck-Mahl, Wanders-Mann, ist hergesetzt zu Ehren Herrn Nauman
seliger, sein Lob dadurch zu mehren, Weil Er die Gottes-Lehr mit
Worten und der That Christeyffrig achtzehn Jahr bey uns gepredigt
hat. Sein blasser Leib der liegt nun in der finstern Höle, Bes Leibs
bester Theil, die theur-erkauffte Seele, Die ist bey Christo dort in
jener Ehren-Stadt, Die nichts als Engel-Lust und süssen Frieden
hat."
Neben unserem
Vorfahren Jeremias Naumann sind noch die Lebensumstände von dessen
Bruder Johannes bekannt, der ebenfalls Pfarrer war und von dem
Nachkommen als Apotheker in Norrköping in Schweden nachweisbar sind.
Maria Buchner, die
Frau von Blasius Baumann, war die Tochter von Johann Buchner. Dieser
hatte ursprünglich den Namen Heller, da er aber, wahrscheinlich im Jahre
1502, in Geisa in der Rhön, im sogenannten Buchnerlande geboren war,
nannte er sich Buchner. Er studierte bei Luther und Melanchthon in
Wittenberg, kam über Jessen an der Elster und Torgau, wo er Hofprediger
und Beichtvater Kurfürst Friedrichs des Großmütigen war, im Jahre 1539
auf Luthers Empfehlung als erster evangelischer Superintendent nach
Oschatz. Der lateinisch geschriebene Brief Luthers an seinen Freund
Spalatin vom 22.09.1539 ist erhalten, in dem Luther wünscht, dass
Buchner in Oschatz eingesetzt wird: "damit ich den Mann nicht völlig zur
Verzweiflung bringe", wie eine Stelle des Briefes in deutscher
Übersetzung heißt.
Johann Buchner
heiratete am 18.05.1527 wohl in Torgau Catharina von Zeschau "auff
Sitzenroda", die ihm 11 oder 12 Kinder schenkte. Im Weimarer
Staatsarchiv fand sich ein Schreiben des Propstes Johannes Donatz an den
Bischof Johann von Meißen vom 27.05.1523, in dem unter den fünf aus dem
Kloster Sitzenroda südlich von Torgau am Rande der Dahlener Heide
entlaufenen Nonnen auch "Catharina von Csösche", 20 Jahre alt, genannt
wird. Woher diese Catharina von Zeschau stammte, ist bisher unbekannt,
da die Familie von Zeschau in ihren verschiedenen Zweigen damals viele
Güter in der Umgebung von Torgau besaß. Zwei andere Nonnen, Veronika und
Margaretha von Zeschau, flohen zusammen mit Katharina von Bora, Luthers
späterer Frau, ebenfalls im Jahre 1523 aus dem Kloster Nimbschen bei
Grimma. Sie waren Töchter von Heinrich von Zeschau auf Obernitzschka, an
der Mulde, südlich von Wurzen gelegen.
Demnach stammte
Bäckermeister Sixtus Arras von vier Superintendenten ab: David Arras in
Grimma, Valentin Braun in Wurzen, Blasius Naumann in Borna und Johann
Buchner in Oschatz, und eine seiner Vorfahren war die ehemalige Nonne
Catharina von Zeschau.
Wiederum auf einen
Pfarrer führt die Vorfahrenreihe von
Christian Dietrich, dem Vater von Anna Rosina Gallwitz geb.
Dietrich. Dieser war nach Lommatzsch von Tharandt zugewandert, wo sein
Vater George Dietrich Maurer war und im Jahre 1683 Sabina Specht
heiratete. Nicht nur Christian Dietrich, sondern auch sein Großvater
mütterlicherseits Michael Specht war Schuhmacher, letzterer der Sohn des
Tharandter Lehnrichters Barthel Specht.
Michael Specht nahm
im Jahre 1642 Anna Küntzelmann zur Frau, die aus dem benachbarten
Hainsberg, damals Hanßbach genannt (heute Freital-Hainsberg), stammte.
Der Traueintrag im Tharandter Kirchenbuch lautet:
-
"1642.
Michael Specht Bürger und Schuster alhier hat sein Kirch¬gang
gehalten mit J. Annen Salomon Küntselmans zu Hanßbach hinderlaßener
Tochter am 26. January."
Der Bauer Salomon
Küntzelmann war mit Margareta Schumann aus dem Hainsberger Kirchdorf
Somsdorf verheiratet.
Der Großvater von
Salomon Küntzelmann war Martin Küntzelmann. Dieser war etwa 1506 in
Possendorf bei Dresden geboren und studierte in Leipzig. Der Eintrag in
den Leipziger Universitätsmatrikeln des Jahres 1526 lautet: "ex Misnium
Natione Martinus Küntzelman ex Possendorff". Er kam 1535 als
katholischer Priester nach Döhlen (heute Freital-Döhlen). Bei Einführung
der Reformation im albertinischen Herzogtum Sachsen im Jahre 1539 wurde
Martin Küntzelmann der erste evangelische Pfarrer von Döhlen. Er
heiratete bald darauf und hatte mindestens 6 Kinder. Sein ältester Sohn
Martin Küntzelmann wurde unser Vorfahr, der zweite Sohn Bartholomäus
sein Nachfolger im Döhlener Pfarramt. Pfarrer Martin Küntzelmann, der
1568 starb (steht im Widerspruch zu dem Sterbedatum in dem folgenden
Auszug), wurde bekannt durch die Einführung der Obstbaumzucht im
Plauenschen Grunde. Er legte am Rande des Windberges und in Gittersee,
wo er zwei große Güter besaß, Obstbaumkulturen an, die auch im
Dreißigjährigen Kriege nicht ausgerottet wurden, als den kaiserlichen
Truppen 3000 Obstbäume zum Opfer fielen.
In Sachsens
Kirchengalerie von etwa 1837 steht unter dem Artikel über die Kirche
Döhlen:
-
"Von den zwei
ersten evangelischen Geistlichen des Ortes noch Folgendes! Martin
Küntzelmann, erster evangelischer Prediger, der im Jahre 1539, kaum
daß Herzog Georg die Augen für immer geschlossen hatte, von seiner
Kirche abfiel, war schon seit dem Jahre 1535 hier angestellt und
starb 1581, allgemein bewundert und betrauert. Er steht als tiefer
Forscher nach den geheimen Kräften der Natur in den Büchern seiner
Zeit, und da er zugleich die Vorurtheile seiner Zeitgenossen
benutzte und seine Kenntnisse vorzüglich in der Heilung schwerer
Krankheiten kund gab, so galt er hier wie im Auslande als ein
Teufelsbanner und Wunderthäter. Sein Lohn für seine Bemühungen, den
er sich ausbat, bestand in nichts anderem, als in jungen Obstbäumen
und Pfropfreißern, da er so sehr für die Baumzucht eingenommen war;
und obsohon einstmals eine gräfliche Familie in Böhmen ihm für die
Heilung ihres Sohnes große Geldsummen bot, nahm er doch nichts
weiter an, als Obstbäume und Pfropfreißer einer guten Gattung.
Dadurch wuchs nicht nur bei dem großen Haufen der Wunderglaube an
ihn, sondern er ward auch, da seine Gemeinde sowohl, als auch Fremde
seinem Beispiel folgten und Bäume nach seiner Anordnung pflanzten
und pflegten, der Gründer der in hiesiger Gegend allgemein bekannten
und lohnenden Obstzucht.
-
Ihm folgte
sein Sohn Bartholomäus Küntzelmann, welcher im Jahre 1616 starb. Er
war so unglücklich, sich dem in Sachsen eingeschlichenen Calvinismus
anzuschließen, wozu er sich vorzugsweise von seiner Frau verleiten
ließ, die ihm, da er ihr endlich Gehör schenkte und seinen Namen in
einer Schrift unterzeichnete, wodurch er öffentlich Antheil an
dieser Lesart bezeugte, hastig zurief: 'Schreibt, lieber Herr,
schreibt, daß ihr bei der Pfarre bleibt!' was später zum Sprüchwort
geworden ist. Doch, als bald darauf (wir hörten dies bei der
Lebensbeschreibung von Valentin Braun) der Kryptocalvinismus
(heimliche Calvinismus) mit aller Härte aus Sachsen verdrängt wurde,
und die heimlichen Freunde desselben an das Tageslicht traten und
bestraft wurden, mußte auch, so erzählt man, dieser Prediger zur
Strafe einen Priesterrock mit einem Ärmel tragen."
Die Witwe des
Pfarrers Martin Küntzelmann starb im Jahre 1583 in Hainsberg und wurde
in Döhlen, der Wirkungsstätte ihres Mannes, begraben. Der von ihrem
Sohne Bartholomäus verfasste Begräbniseintrag lautet:
-
"1583,
Nr.18: Am 25. marty oder an Tage Annunctiazioni Mariae (Maria
Verkündigung) Am welchen Tage unser lieber Her Jesus ge¬storben
(Irrtum, darüber mit anderer Schrift: empfangen) ist ist meine
hertztrewe liebe mutter Barbara Küntzelmann Zu Hanßbergk dißmal
wonhafftig In christo Eingeschlaffen christlich vnd mit Erzelungk
vieler Sprüche welche eine hinderlassene Widtfraw war Martini
Küntzelman In dholln (Döhlen) pastor vnd ist nach ihres Herrn todte
biß zu ihrem seligen entschlaffen eine Gotfürchtige Widtfraw blieben
xv (15) Jhar weniger viij (8) wochen. Diese ist Zue Zauckerade
kranck wurden vnd Nachmals kranck gen Hanßbrg gefürt wurden vnd alda
wie oben verzeichnet verschieden vnd gen dhellen auf ihr begeren
begraben wurden nahe beim Kirchthürichen wan man auß dem pfargarten
auf den Kirchhoff gehett. Her Joannes Strubach pfarher zu Somßdorff
als ihr Selsorger hat die leich predig gethan vnd den tex zum philip:
3 cap. vnser wandel vmb hiemel aufgeleget. Her Martinus Conradus
Hatt sie auch zur erden bestetigen Sampt der gemeine zu Hanßbergk.
Auch die gemeine zu dhollen ist auff mein begeren mitte gangen. Item
Hans Dippolt von Grensigk zu Zauckerade Sampt sein gelipten gemal
vnd Junck-fraw Brigitta so von Grensigin. 27 Marty Ist sie zur
erden be-stetiget wurden."
Die Mutter von Anna
Rosina Gallwitz geb. Dietrich war Rosina Steude, die Tochter des alten
Strumpfstrickers Matthes Steude in Lommatzsch. Dieser hatte seine
Ehefrau Regina geb. Sprößig nach über 30jähriger Ehe Anfang 1686
verloren und heiratete nun die knapp 23jährige Judith Kühne, die aus
einem alteingesessenen Lommatzscher Geschlechte stammte, das sich in
früherer Zeit Kune nannte. Ihr Vater Paul Kühne war Schuhmacher und
hatte Margaretha Steude zur Frau, die aber anscheinend nicht näher
verwandt mit dem Strumpfstricker Matthes Steude war. Die Trauung von
Paul Kühne mit Margaretha Steude geschah am gleichen Tage, dem
11.11.1651, an dem auch Sixtus Arras, der Bäckermeister, die Ehe mit
Gertraute Rösch einging.
Der Vater von Paul
Kühne war Martin Kühne, ebenfalls Schuhmacher in Lommatzsch. Dieser war
wahrscheinlich dreimal verheiratet, sein Vater wohl der Schneider
Bartholomäus Kune. Da vor dem Jahre 1600 etliche Kune in Lommatzsch und
seiner Umgebung existierten, ließ sich bisher nichts Sicheres über die
Herkunft von Martin Kühne feststellen.
Ebenso wie Judith
Steude geb. Kühne, die ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes nochmals,
einen Barettmacher aus Döbeln, heiratete, hat sich auch ihre Mutter
Margaretha Kühne geb. Steude zweimal verehelicht, letztere mit dem
Schuhmacher Christian Heintze, der aus der Lausitz nach Lommatzsch
gekommen war und wohl Frau Haus und Werkstatt seines Vorgängers
übernahm, wie dies früher oft der Fall war. Vater Christian Steude und
Großvater (Thomas Steude waren Tischler in Lommatzsch.
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