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| Sadhu Sundar SinghVon Paul GäblerInhaltsverzeichnis dieser Webseite Sechstes Kapitel 1. TeilDie Todesdepeschen 1913 Die Todesdepeschen (1913)Am 23. Januar 1913 wurden von dem Bahnhof Nimoda eine Anzahl Telegramme an verschiedene Missionsmänner Nordindiens gesandt, die besagten, Sadhu Sundar Singh sei gestorben. Da Sundar Singh möglicherweise an dem gleichen Tage Nimoda passiert hat, ist man auf den Gedanken gekommen, dass dieser selbst die Telegramme gesandt habe, und hat den Nachweis hierfür anzutreten versucht. Zeitlich eng verbunden mit dieser Telegrammaffäre ist ein anderes Ereignis: das Fasten Sundar Singh's. Da sich für die Tatsache des Fastens keine Augenzeugen haben auffinden lassen, ist die Behauptung aufgestellt worden, Sundar Singh habe sich die ganze Fastengeschichte ausgedacht, und auch hierfür hat man den Tatsachenbeweis zu erbringen versucht. Es ist klar, dass tatsächlich Sundar Singh schwer kompromittiert wäre, wenn sich für das eine oder andere ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit oder sogar ein schlüssiger Beweis erbringen ließe. Demnach liegt genug Anlass vor, dass wir diesen beiden Problemen unsere volle Aufmerksamkeit schenken. Die darüber vorliegende Literatur ist überaus reichhaltig; so hat z. B. Pfister nicht weniger als ein Fünftel seines umfangreichen Buches (1) der Erörterung dieses Fragenkomplexes gewidmet. Hosten hat wiederholt in seinen Dossiers zu diesen Fragen Stellung genommen, z. B. ausführlich in seinem Aufsatz: "Sundar Singh's Nimoda telegrams and fast reconsidered" (2). Im Jahre darauf hat er nicht die Mühe gescheut, über die Todesdepeschen und die mit ihnen zusammenhängenden Fragen eine allerdings noch unveröffentlichte Arbeit handschriftlich auszuarbeiten (3), welche die Überschrift trägt: "Sadhu Sundar Singh and the Swift Apology". Die Schrift behandelt in sechs Kapiteln viel mehr, als der Titel auf den ersten Blick ahnen lässt. Hosten kennzeichnet in seinem Schlussabsatz (S. 242) die Bedeutsamkeit und Weitschichtigkeit des Problems: "Dies ist augenblicklich die bedeutsamste (scil. von den Mystifikationen Sundar Singh's), da sie sich über so viele Jahre erstreckt, in so viele Richtungen weist, so konsequent durchgeführt worden ist, so viele Opfer (in ihre Netze) verstrickt hat und sich für Sundar Singh's guten Namen als so verhängnisvoll erweist." Das Resultat, zu dem Hosten kommt, findet eine knappe Zusammenfassung in seinem Begleitbriefe an Pfister: "... Es soll mich wundern, ob Sie mir nach der Lektüre meiner Swift-Apology beipflichten werden, dass Sundar Singh im Zusammenhang hiermit nichts als konsequente und absichtliche Lügen gesagt hat" (4). Im Einzelnen ist inzwischen sehr vieles von dem, was in den genannten Schriften von Pfister und Hosten ausgeführt worden ist, überholt. Aber was die beiden Verfasser - vor allem auch später - nebst Heiler und anderen Autoren zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen haben, ist von großem Werte, da sie viele Einzelheiten der diesen Ereignissen vorausgehenden und nachfolgenden Zeit geklärt haben; dagegen ist, wie wir sehen werden, das Ergebnis der bisherigen Forschung hinsichtlich der beiden entscheidenden Punkte selbst, der Telegramme und des Fastens, als mager zu bezeichnen. Je dürftiger aber dieses eigentliche Ergebnis ist, desto üppiger ist der Reichtum an Hypothesen, die man hinsichtlich des Sachverhaltes aufgestellt hat. Allerdings wurden dabei die Hypothesen nicht selten als wissenschaftlich gesicherter Tatbestand ausgegeben, und so wurde das Bild, das sich dem kritischen Beobachter darbietet, vollends verworren und undurchsichtig. Der Übersichtlichkeit halber widmen wir der Telegrammangelegenheit und dem Fasten je ein gesondertes Kapitel. Im vorliegenden Kapitel beschäftigen wir uns lediglich mit dem Ersteren. Aber weder bei dem einen noch bei dem anderen machen wir uns anheischig, den gordischen Knoten zu lösen. Aber was unbedingt nötig ist, ist eine Sichtung des gesamten Materials, verbunden mit dem Bestreben, das historisch Erwiesene von den Hypothesen und Erklärungsversuchen reinlich zu scheiden. Dies ist nur dann möglich, wenn wir den Rahmen genügend weit spannen und ein Bild des ganzen Zeitabschnittes zeichnen, in den die beiden fraglichen Ereignisse hineinfallen. Bei diesen zum Teil weitschweifigen Untersuchungen steht stets die Frage im Hintergrund, ob Sundar Singh tatsächlich geschwindelt hat oder einer Bewusstseinsstörung unterlegen ist und in dieser die Telegramme aus Kopflosigkeit abgesandt bzw. das Fasten in einer Art Trance durchlebt hat, oder aber ob Sundar Singh tatsächlich an der Absendung der Telegramme unbeteiligt gewesen ist und hernach wirklich gefastet hat. 1. Der Canada-PlanIn West-Canada gibt es eine größere Anzahl von asiatischen Einwanderern, unten denen gegenwärtig 7 canadische und 3 britische Missionsgesellschaften (5) arbeiten. Unter diesen Einwanderern befinden sich auch zahlreiche Inder, die ihrem hinduistischen Glauben treu geblieben sind. Verschiedene Versuche wurden unternommen, um an ihnen evangelistisch zu arbeiten, so von der canadischen Presbyterianer-Mission, die 1907 einen ihrer in Indien arbeitenden Missionsärzte, Dr. Nugent, nach Alberta und Vancouver sandte, um die Evangelisationsarbeit unter den Hindus in die Wege zu leiten (6). Später ging die Initiative von einem Laien mit Namen Proby (7) aus, der in Indien gearbeitet und sich in Britisch-Columbien zur Ruhe gesetzt hatte. Er hatte die Inder in sein Herz geschlossen und wollte ihnen gern missionarisch helfen. Es handelte sich, wie Sandys angibt (8), um 4000 Sikhs, die dort als Holzfäller arbeiteten: doch ist diese Zahl zu hoch gegriffen (9). Da Proby selbst Anglikaner war, ergab es sich für ihn von selbst, dass er sich an einen anglikanischen Missionsmann in Indien mit der Bitte um einen Evangelisten wandte, an Kanonikus E. T. Sandys (10) in Calkutta, welcher der Church Missionary Society, der so genannten Kirchenmissionsgesellschaft, angehörte. Er war bereits 1890 nach Indien gekommen und seit 1908 der Sekretär dieser Missionsgesellschaft in jener Diözese. Proby erwähnte in seinem Briefe nicht den Namen von Dr. Nugent (11), offenbar, weil er von dessen Reise nach Britisch-Columbien keine Kenntnis hatte. Kanonikus Sandys, der damals Dr. Nugent auch noch nicht kannte, gewann als Evangelisten für die Arbeit unter den columbischen Indern Sadhu Sundar Singh. Wie und wann dieses im Einzelnen geschah, lässt sich nicht mehr feststellen. Jedenfalls wissen wir, dass Dr. Wherry seine Hand dabei im Spiele hatte und Sundar Singh an Sandys empfahl (12). Die erste Spur von diesem Plan begegnet uns im Frühjahr 1912, wo Ali andeutet, dass Sundar Singh möglicherweise nach Britisch-Columbien gehen würde (13). Am 23. November 1912 war dann im "Bombay Guardian" zu lesen (14), dass Sundar Singh am 17. November Indien verlassen und in Victoria in Britisch-Columbien stationiert werden würde. Aber im letzten Augenblick scheiterte der ganze Plan. Wie kam das? Sundar Singh hatte sich im Herbste des Jahres 1912 in Calcutta eingefunden und wohnte bei Sandys als Gast. Wenn wir auch nicht mehr die Daten ganz genau angeben können, so lässt sich doch soviel sagen, dass er in der zweiten Hälfte des Oktober in Calcutta eingetroffen und in der zweiten Hälfte des November wieder abgereist sein muss; er hat sich etwa 2 bis 3 Wochen dort aufgehalten (15). Er predigte mehrfach im Basar und hielt auch sonst Vorträge (16). In diese Zeit fällt das Erlebnis mit den 12 Pandits aus Benares, worüber Sundar Singh an den Nûr Afshân berichtete (17). Am 12. November wurde nämlich nachmittags in Calcutta Heidenpredigt gehalten - offensichtlich von Sundar Singh selbst -, als plötzlich 12 Personen, die vorbeikamen, stehen blieben und einer von ihnen ausrief, dass Christus die Inkarnation von Nash Kalank sei. Nachher bekannten vier von ihnen öffentlich im Basar, sie seien im Herzen Christen. Am 15. November kamen dann die Pandits, die in Benares die heiligen Schriften studiert hatten, zu Sundar Singh und hatten ein dreistündiges Gespräch mit ihm über religiöse Fragen; sie bekannten ihm, sie wollten Christen werden. In dem Artikel, den Sundar Singh am gleichen Tage schrieb, rief er zur Fürbitte für diese Männer auf und verwies im übrigen auf Missionar Spencer, der bald Näheres über diese Männer mitteilen würde. Wir werden gleich auf dies Erlebnis zurückkommen. Weiter hören wir, dass Sundar Singh in dieser Zeit eine Lebensbeschreibung von Franziskus von Assisi las und einen tiefen Eindruck davon empfing (18). Inzwischen wurden alle nötigen Vorbereitungen zu Sundar Singh's Abreise getroffen. Sandys ließ für seinen Schutzbefohlenen warme Kleidung herstellen und bemühte sich um ein Schiffsbillett für ihn, als es sich plötzlich herausstellte, dass Sundar Singh nicht reisen konnte. Die Zustände unter den Sikhs in Britisch-Columbien gaben offenbar der canadischen Regierung zu Besorgnissen Anlass, jedenfalls erschwerte sie die Einreise von Sikhs in Britisch-Columbien (19). Sie gab bekannt, dass sie keinen Inder ins Land lassen würde, der nicht auf einer durchgehenden Fahrkarte von Indien käme - nur dass es bei keiner einzigen Schiffsgesellschaft solche Fahrkarten gab (20). So erwies sich die Abreise Sundar Singhs vorläufig als unmöglich. Wie weit hierbei ausdrücklich Pass-Schwierigkeiten mitgespielt haben (21) oder nicht (22), ist schwer zu entscheiden, ist aber auch von untergeordneter Bedeutung. Genug, dass Sundar Singh jetzt nicht reisen konnte. Einige Monate später schrieb Sundar Singh in einem Brief: "Sie werden wissen, dass zwei Tage, ehe ich an Bord ging, um nach Canada zu fahren, sich ein besonderes Hindernis erhob, durch das ich zu der Erkenntnis kam, dass es nicht Gottes Wille war, dass ich dorthin gehen sollte" (23). Wir wissen jetzt, was dies Hindernis am 15. November war: die fehlende Einreisebewilligung. Es ist absurd zu behaupten, dass die schon erwähnte Erzählung von den zwölf Pandits aus Benares, die zufällig auch zum Teil auf den 15. November fällt, eine "glatte Erfindung" Sundar Singh's sei, und zu behaupten, dass so Sundar Singh sein unerwartetes Verbleiben in Indien plausibel machen wollte (24). In Wirklichkeit finden sich in dem Bericht über diese Pandits so genaue Angaben (Straße, Datum, Name des Missionars), dass eine Erfindung der ganzen Episode unmöglich erscheint. Sie wird auch nicht das Geringste mit Sundar Singh's Nichtabreise zu tun gehabt haben. Dass der Verzicht auf die Canadareise noch nicht endgültig war, ergibt sich aus den Aussagen der Beteiligten. Sandy's Aussagen sind freilich nicht ohne Widerspruch. Er schreibt in seinem Nekrolog für Sundar Singh nach der falschen Todesnachricht vom 23. Januar 1913: "Sunder Singh war zuerst schmerzlich enttäuscht, aber er sagte schlicht: Vielleicht ist es nicht Gottes Wille, dass ich überhaupt nach Canada gehe. Da es eine Verzögerung von mehreren Wochen bedeutete, bis Vorkehrungen für eine besondere Einreiseerlaubnis nach Canada von Calcutta aus getroffen werden konnten, zog er es vor, wieder auf eine Predigtreise zu gehen" (25). Das erweckt den Anschein, als hätte Sandys noch besondere Abmachungen mit Canada versucht. Dagegen erklärt er 1919: "Als Sundar Singh mich verließ, war er enttäuscht darüber, dass er nicht nach Britisch-Columbien fuhr; aber ich glaubte bestimmt, dass er diese Idee gänzlich aufgegeben hätte" (26). Wherry dagegen redet völlig klar von weiteren Verhandlungen (27) und einem erneuten Versuch, für Sundar Singh die Einreiseerlaubnis durchzusetzen, während dieser einstweilen nach Bombay weiterfuhr, und er setzt hinzu, dass erst nach dem Scheitern dieser neuen Bemühungen auch Sandys den Plan endgültig aufgegeben habe (28). Sundar Singh selbst zog es stark nach Canada hin (29). Als einer, der alles aus Gottes Hand nahm, fragte er sich natürlich angesichts der Hindernisse, ob vielleicht Gott anderes vorhabe. Er schreibt 1917: "Als ich hörte, dass es für Inder keine Erlaubnis gäbe, nach Canada zu gehen, verstand ich es so, dass es Gott nicht gefiele, dass ich gehen sollte" (30); er erklärt aber sofort noch im gleichen Monat: "Zu der Zeit, wo ich nach Calcutta gegangen war, ehe ich nach Ujjain kam, wurde verabredet, dass eine Vereinbarung mit der canadischen Regierung getroffen werden sollte" (31). Dies zeigt, dass Sundar Singh die entstandenen Schwierigkeiten als eine Gottesführung betrachtete, die ihm die Ausreise einstweilen unmöglich machte; aber die Tatsache der erneuten Verhandlungen zeigt nicht minder, dass er doch noch darauf hoffte, der Weg würde für ihn noch frei werden. Im übrigen ist uns das Verhalten Sundar Singhs nach seiner Abreise von Calcutta während der ersten Phasen klar. In Aurangabad (32) und Bombay (33) sprach er über seine beabsichtigte Reise nach Canada und erkundigte sich dann in Ujjain bei Dr. Nugent eingehend nach den Verhältnissen in Britisch-Columbien. Letzterer erhielt den Eindruck, dass Sundar Singh sich nach einem kurzen Besuch bei seinem Vater nach Calcutta begeben und dort einschiffen würde. - Von dem Augenblick ab, wo Sundar Singh Ujjain verließ, wird die Rolle, die Sundar Singh weiterhin spielte, umstritten und gibt uns weiter unten Anlass zu eingehenden Erörterungen. Zwei Möglichkeiten ergeben sich, die wir vorgreifend andeuten: entweder war es Sundar Singh mit dem Canadaplan nicht ernst, vielleicht schon, sobald er Calcutta verließ. Dann ergäben sich die verschiedensten Perspektiven; seine Erzählungen in Aurangabad, Bombay und Ujjaim wären Unwahrheiten, und er käme überdies in den Verdacht, die Todestelegramme selber abgesandt und das Fasten vorgetäuscht zu haben, um sich auf diese Weise der Reise nach Canada zu entziehen. Allerdings entständen bei dieser Auffassung erhebliche Schwierigkeiten, wie wir noch sehen werden, oder aber - und das erscheint wahrscheinlich, wie jetzt nur behauptet und erst im Verlauf der nachfolgenden Auseinandersetzung näher begründet werden kann - Sundar Singh war bis zu diesem Augenblick sowie auch nachher in jeder Weise ehrlich und in seinem Handeln gradlinig. Dann böte sich das folgende Bild: Sundar Singh verlässt Ujjain, schickt in Delhi (wie schon vorher in Bombay) wiederum ein Lebenszeichen an Sandys, um mit ihm in Fühlung zu bleiben, unterzieht sich einem Fasten und wird dann in Annfield gesund gepflegt. Währenddessen aber gehen von Nimoda Telegramme ab, die seinen Tod anzeigen, und zwar u. a. eins an Sandys. Dieser bricht natürlich die Verhandlungen betreffend Sundar Singh's Reise nach Canada ab. Am 12. oder 13. Februar schreibt Sundar Singh, der inzwischen auch wahrscheinlich von den falschen Todestelegrammen Nachricht erhalten hat, einen Brief an Bischof Lefroy, von dem am 9. März auch Sandys Kenntnis erhält. Dieser schöpft Verdacht, dass Sundar Singh die Todestelegramme selbst abgesandt hat, und so kommt es zu einem unheilbaren Riss zwischen Sundar Singh und Sandys, so dass Letzterer schließlich die Korrespondenz mit Sundar Singh völlig abbricht. Damit ist dann der Canadaplan endgültig gescheitert. Sandys verkaufte - wann, wissen wir nicht - die für Sundar Singh besorgte warme Kleidung; für eine Fahrkarte war jedoch noch nichts angezahlt worden (34). 2. Sundar Singh's Reise durch Nordindiena) Von Calcutta nach BombayVon Calcutta war Sundar Singh mit widerstrebenden Gefühlen und enttäuscht, wenn auch noch nicht ohne Hoffnung im Blick auf Canada, abgereist. Er wollte in westlicher Richtung Nordindien bis nach Bombay durchqueren. Er tat es auf die Art, die er stets als Sadhu befolgte: "Seine Methode war die, so viele Tage irgendwo zu predigen, als er sich berufen fühlte, wobei er von christlichen Freunden mit Wohnung und Nahrung versehen wurde; er ging dann zur nächsten Station, wenn diese ihm das Fahrgeld gaben" (35). Von den Orten, die er auf seiner Reise berührte (36), erwähnen wir vor allem Jubbulpore (37), weil seine Schilderung von seinen dortigen Erlebnissen Anlass zu Kritik gegeben hat. Sundar Singh hielt sich dort etwa eine Woche lang auf. Am Sonntag (15. Dezember?) predigte er dort. An den Wochentagen tat er täglich evangelistische Arbeit im Basar. Dabei geschah es eines Tages, dass ein Maulvi, ein mohammedanischer Theologe (38), heftigen Widerspruch erhob. "So ärgerlich wurde er, dass er mir einen Schlag versetzte, worauf ich ihm die andere Wange darbot. Er schämte sich und schwieg", berichtet Sundar Singh (39). Um Mitternacht sandte der Mohammedaner einen Boten zu dem christlichen Prediger, in dessen Begleitung sich Sundar Singh befunden hatte, und bat ihn um Fürsprache bei Sundar Singh, ja lud diesen später bei sich zum Essen ein. Dieser Wandel war für Sundar Singh eine besondere Freude. - Braeunlich neigt dazu, diese Begebenheit für eine geschickte Inszenierung mit Hilfe von Spießgesellen zu halten und bespöttelt das Verhalten Sundar Singh's wegen seines "etwas allzu buchstäblich genommenen Christentums" (40). Tatsächlich wirkt jedoch im Orient nichts so nachdrücklich wie das schweigende Ertragen von Schmähungen; diese Geschichte erscheint demnach in psychologischer Hinsicht immerhin nicht als unmöglich; vom wissenschaftlichen Gesichtspunkte aus ist indessen ein non-liquet auszusprechen. Allerdings wird sie von Judson erzählt, der zu Beginn des Monats April 1917 einer der anfänglichen Reisebegleiter Sundar Singh's auf dem Wege nach Tibet war. Er schreibt in einem seiner Briefe im Rückblick auf jene damals bereits 9 Jahre zurückliegenden gemeinsamen Wandertage mit Sundar Singh: "Wenn immer ich in meiner Unterhaltung mit diesem Sadhu ärgerlich wurde und mich vergaß, vergab er sich nie etwas. Und ich konnte nicht einmal einen Ausdruck von Ärger oder Verstimmung auf seinem Angesicht sehen. Er versuchte nicht, mir mit den gleichen Ausdrücken zu antworten" (41). In diesem Zusammenhang erzählt er die obige Geschichte von Jubbulpore (42). Hosten, der Einsicht in diesen Brief bekam, fragte dann Judson nach seinem Gewährsmann für diese Erzählung (43) und erhielt von diesem die Antwort, es sei Rev. S. L. Matthews von der Methodistisch-Episkopalen Mission in Dongargarh in den Zentralprovinzen (44). Da diese Fährte nicht weiter verfolgt wurde (45) - jetzt dürfte es zu spät dazu sein (46) -, ist nicht festzustellen, ob Rev. Matthews ein Augenzeuge für diese Geschichte ist oder nicht. Demnach bleibt vorläufig Sundar Singh selbst der einzige Zeuge für diese Begebenheit, die jedoch angesichts von Judson's Bericht als nicht unwahrscheinlich sich erweist. Die Version bei Zahir (47) schließt sich ziemlich eng an Sundar Singh's Bericht im Reisebüchlein an. Von Jubbulpore reiste Sundar Singh nach Nagpur (48), wo er, wenn er es auch nicht ausdrücklich erwähnt, Weihnachten verlebt haben muss. Von dort führte ihn sein Weg nach Aurangabad. Über seinen dortigen Aufenthalt besitzen wir einen Bericht von Munâ Lâl Azîiz (49), einem früheren Schulkameraden Sundar Singh's, der von fünf bis sechs Ansprachen Sundar Singh's und dessen Teilnahme an der Heidenpredigt spricht. Hier findet sich auch eine genaue Datierung: Sundar Singh sei am 26. Dezember eingetroffen und am 29. Dezember (50) abends weitergefahren. Man habe ihn eingeladen, noch etwas länger zu bleiben, weil man ihm gern das berühmte Daulatabad-Fort und die Höhlentempel und Statuen von Ellora habe zeigen wollen. Er habe es jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass er dann dafür einige Orte auslassen müsste, wo er gern das Evangelium verkünden wollte. Die weitere Reise (51) führte ihn nach Bombay. b) In BombayIn Bombay wohnte Sundar Singh zunächst bei Kanonikus Joshi (52). In dessen Haus wurde er, wie er angibt (53), von einem Mann mit Namen Swift besucht, den er vorher bereits in Thana gesprochen hatte; nur ist leider Kanonikus Joshi, der nach Sundar Singh's Aussage dabei war und als Zeuge in Frage gekommen wäre, inzwischen gestorben, so dass wir völlig auf Sundar Singh's eigene Aussage angewiesen sind. Sundar Singh und Swift hatten sich unmittelbar vorher in Thana (54) kennen gelernt. Swift, ein Inder, seinem Aussehen nach etwa 35 Jahre alt und an einem kleinen schwarzen Bart kenntlich, trug damals einen langen, schwarzen Priesterrock (55) und bezeichnete sich, als er in Sundar Singh nicht einen hinduistischen, sondern christlichen Sadhu entdeckte, als katholischen Sadhu (56). Er versuchte, Sundar Singh zum Katholizismus zu bekehren (57). Hierher gehört, was Sundar Singh an anderer Stelle schreibt: "Als ich ihn (Swift) traf, befand er sich bei einem katholischen Pater in Thana bei Bombay, und der Pater war über mich ungehalten, als ich ihn einen Götzenanbeter nannte" (58). Auf den Namen dieses Priesters konnte sich Sundar Singh. als er 13 ½ Jahre später befragt wurde, nicht mehr besinnen (59). Hosten schrieb unter Anführung des letzten Zitates zur Klärung des Sachverhaltes nach Thana (60) und erhielt nach längerem Warten folgende Antwort, die wir ungekürzt mitteilen (61):
Bei diesem Briefe ist zu beachten, dass, abgesehen davon, dass Pereira hier von Sunder Sign redet, er lediglich bestreitet, dieser sei in sein Pfarrhaus gekommen und habe dort Swift getroffen und ihn, Pereira, als Götzendiener bezeichnet. Tatsächlich lässt der Wortlaut Pereira's die Möglichkeit offen, - und von Sundar Singh's Wortlaut gilt das gleiche -, dass die drei sich irgendwo anders getroffen haben. Dann wäre natürlich Pereira's Dementi völlig wertlos. 1927 hat Missionar Schwab Pater Pereira besucht und von ihm die Auskunft erhalten, "dass er Sundar Singh nicht kenne und von einer Begegnung desselben mit Smith (sic) nichts wisse. Natürlich fühlten beide in mir sogleich den protestantischen Missionar heraus und waren sehr behutsam im Gespräch" (62). Hierzu ist zu sagen, dass Schwab einerseits nach Smith anstatt nach Swift gefragt hat, und dass er andererseits das obige Dementi nicht gekannt hat; deshalb bleibt es zweifelhaft, ob er mit Pereira überhaupt auf die wirklich entscheidenden Punkte zu sprechen gekommen ist. Aber selbst wenn Pereira im Vollsinn des Wortes besagen wollte, dass er Sundar Singh nirgends getroffen hat, so stünde lediglich Behauptung gegen Behauptung und wir kämen nicht weiter. Wir sind deshalb in diesem Falle genötigt, die Frage nach der Geschichtlichkeit des Thana-Ereignisses offen zu lassen. Dass aber zumindest in Bombay wirklich ein Zusammentreffen Sundar Singh's mit Swift erfolgt ist, ergibt sich mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit aus der Aussage von Sandys. Dieser berichtet 1913, Sundar Singh habe ihm am 11.Januar 1913 aus Bombay geschrieben, dass er einen christlichen Asketen mit Namen Smith in Bombay getroffen habe und mit ihm reisen würde" (63). Es entsteht die Frage, ob Sundar Singh von Smith geschrieben hat oder von Swift. Ich neige zu letzterem und möchte glauben, dass Sandys ein Gedächtnisfehler unterlaufen ist. Denn einerseits schreibt Sundar Singh in jenen Jahren sonst immer nur von Swift, und andererseits schrieb Sandys bereits im Jahre 1918, also zu einem Zeitpunkt, wo, wie wir sehen werden, eine Unsicherheit über den Namen Smith bzw. Swift entstanden war, an K. T. Paul:
Dieser Brief zeigt, dass somit Sandys im Jahre 1918 im Gegensatz zu Pfi.'s Behauptung (65) tatsächlich nicht genügend eigene Unterlagen besaß, um sein Gedächtnis aufzufrischen und so auch nicht mehr den Namen von Sundar Singh's Begleiter wusste. Das Telegramm war allerdings tatsächlich mit Smith unterzeichnet. So muss es als eine Gedächtnistäuschung von Sandys betrachtet werden, die entweder durch die Telegrammunterschrift oder aber irgendwie durch Paul oder Ralla Ram verursacht war, wenn er meint, dass Sundar Singh in seinem Bombaybrief von einem Smith gesprochen hätte. Hieran ändert auch nichts die Tatsache, dass Sandys sich ausdrücklich verwahrt: "Ich weiß nichts von irgendeinem "Dr. Swift" (66). Für uns ist das Entscheidende die Tatsache, dass man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon reden kann, dass Sundar Singh bereits unmittelbar nach diesem Zusammentreffen mit Swift hiervon in einem Briefe gesprochen hat. In dem gleichen Briefe hat Sundar Singh - wieder nach Sandys (67) - erwähnt, er sei krank. Auch im "Bombay Guardian" vom 22. März 1913 ist unter Berufung auf die "Panjab Mission News" die Rede von Sundar Singh's Krankheit in Bombay (68). Wherry weiß Näheres von dieser Krankheit: "Es war während dieser Zeit (scil. in Bombay), dass Sundar Singh von einem alten Feinde heimgesucht wurde, Malaria-Fieber" (69). Wer mit dem Wesen der Malaria vertraut ist, weiß, dass diese wie ein Blitz aus heiterem Himmel auftreten, dann aber bereits nach einer Reihe von Stunden wieder zu verschwinden pflegt. Am folgenden Tage ist man im Allgemeinen wieder voll leistungsfähig. Es passt also durchaus in das Krankheitsbild der Malaria hinein, dass Sundar Singh nach seiner Wiederherstellung am Sonntag, den 12. Januar, wieder so viel Arbeitskraft besaß, dass er zweimal predigen und dann in der Nacht vom Montag zum Dienstag eine Mitternachtsversammlung für die Diener von Europäern bis um 2 Uhr abhalten konnte und dabei ganz gesund aussah (70). c) Von Bombay nach Ujjain (71)Wenn Sundar Singh seine Pastor Hari gegenüber geäußerte Absicht (72) wirklich durchgeführt hat, ist er am 14. Januar vormittags abgefahren. Über seine Reise bis Indore stellt das Reisebüchlein die einzige Quelle dar (73). Danach hat er in Surat (74) und anderen Orten gepredigt und schließlich Baroda (75) erreicht. Dort erlebte er einen Zwischenfall:
In Indore predigte er am Sonntag, offenbar dem 19. Januar, in der Kirche der Canadischen Presbyterianer-Mission und hatte sein Quartier bei dem Prinzipal des dortigen College Dr. J. A. Sharrard (76). Dr. Nugent (77) berichtet, dass Sundar Singh in Indore zunächst den dortigen Missionar Dr. Wilson besucht habe, um von ihm Näheres über die Verhältnisse in Britisch-Columbien in Erfahrung zu bringen. Dieser habe den Fragenden an Dr. Nugent in Ujjain verwiesen, und die Gattin von Dr. Wilson habe Sundar Singh das Geld für die Weiterfahrt gegeben. dass sich jedoch hier Dr. Nugent, wenigstens soweit Dr. Wilson selbst betroffen ist, im Irrtum befindet, ergibt sich aus einer Karte von Dr. Wilson an mich: "Was Sundar Singh betrifft, so war ich zu der Zeit seines Indorebesuches, auf den Sie Bezug nehmen, auf Tour und abwesend. Bei verschiedenen anderen Gelegenheiten jedoch traf und hörte ich ihn mit Freude und großer Befriedigung" (78). Rev. A. A. Scott dagegen, der jetzige Leiter des Indore-Christian-College, teilt mir auf Anfrage mit, er habe Sundar Singh damals in Indore sprechen hören: "... Ich erinnere mich nicht mehr an den Gegenstand seiner Ansprache, aber sein Aussehen ist mir noch genau gegenwärtig. Er sah in seinem langen safranfarbigen Gewande den traditionellen Bildern von Jesus Christus sehr ähnlich. Ich erinnere mich auch, dass seine Ansprache auf die Studenten einen recht tiefen Eindruck machte" (79). Leider sind wir nicht in der Lage, über den Besuch Sundar Singh's in Indore, dessen Einzelheiten aus chronologischen Gründen überaus wichtig sind, mehr als das eben Ausgeführte in Erfahrung zu bringen. In Ujjain traf Sundar Singh Dr. Alexander Nugent. Dieser wirkte seit 1899 in Indien als Missionsarzt und stand im Dienste der Mission der Vereinigten Kirche von Canada (80); jetzt lebt er in Amerika im Ruhestand (81). Seiner religiösen Einstellung nach bezeichnet er sich selbst als orthodox (82). Aus seinen Briefen erhält man von ihm den Eindruck eines geraden und aufrechten Mannes von selbstverständlich unbedingter Wahrheitsliebe. Wenn wir allerdings nach dem wissenschaftlichen Wert seiner Aussagen fragen, kommen wir nicht um die Tatsache herum, dass er in einer Reihe von Fällen von seinem Gedächtnis im Stich gelassen wird (82a). Wir müssen dies hier ausdrücklich erwähnen, weil einerseits seine Aussagen in jeder Hinsicht als unbedingt zuverlässig hingestellt worden sind (83), und andererseits er sich selbst - außer in einem Falle - seines guten Gedächtnisses rühmt (84). Selbst Hosten gibt schonend zu, dass Nugent verschiedene Irrtümer unterlaufen sind (85). Wir werden gleich sehen, warum die Frage nach der Zuverlässigkeit der Aussagen Nugent's von so großer Bedeutung ist. Nicht als ob wir mit den eben gemachten Bemerkungen seine Wahrhaftigkeit irgendwie in Zweifel stellen wollen. Aber wir haben immerhin gerade auch bei ihm die Unzulänglichkeit des menschlichen Gedächtnisses in Anrechnung zu setzen. Zunächst ist die Frage der Datierung des Besuches Sundar Singh's in Ujjain von großer Bedeutung. Nugent weiß nicht mehr das Datum der Ankunft Sundar Singh's erinnert sich aber, dass sein Aufenthalt "mindestens zwei bis drei Tage" (86) oder "mindestens zwei bis drei Nächte"(87) betragen habe. An anderer Stelle spricht er allerdings von vier bis fünf Tagen (88). Sundar Singh selbst meint 1924, es sei nur eine Nacht gewesen (89); dazu stimmt seine Angabe von 1915, wo er von zwei Tagen redet (90). Immerhin scheint so viel festzustehen, dass Sundar Singh Ujjain am 22. Januar wieder verließ (91), und zwar gegen Abend (92). Dies war ein Mittwoch. Da Sundar Singh, wie oben erwähnt, am vorhergehenden Sonntag noch in Indore zu tun hatte, kann er erst am Montag oder Dienstag in Ujjain eingetroffen sein. Der Inhalt seines Gespräches mit Dr. Nugent drehte sich um die Verhältnisse in Britisch-Columbien (93). Obwohl sich beide vorher noch nicht gesehen und auch noch nicht miteinander korrespondiert hatten, war Nugent doch der Canadaplan nicht unbekannt, da er in der Zeitung bereits von der beabsichtigten Reise Sundar Singh's gelesen hatte (94). Es muss eine freundschaftliche Aussprache gewesen sein, da Nugent Sundar Singh Gelegenheit zu einem Vortrag - wahrscheinlich im Hospital - gab (95), wie er auch Sundar Singh in seinem Bungalow bewirtete (96). Allerdings missfiel ihm Sundar Singh's Auftreten als Sadhu (97). Erst später kam es zu einer ausgesprochenen Trübung des Verhältnisses zwischen beiden, wie wir unten sehen werden. Über Sundar Singh's damaligen Besuch in Ujjain schreibt mir Miss Mac Harrie, die im Missionsdienst der Vereinigten Mission von Canada steht: "Ich traf Sundar Singh in Ujjain Anfang 1913. Ich erhielt einen sehr tiefen Eindruck von ihm sowie besonders davon, dass er so sehr wie Christus aussah, wie wir ihn auf den Christusbildern dargestellt sehen" (98). d) Von Ujjain nach DelhiDie Fahrt von Ujjain bis Delhi ist in Dunkel gehüllt, das sich nicht hat lüften lassen. Wenn Nugent sich nicht irrt, verließ Sundar Singh, wie gesagt, Ujjain am 22. Januar (Mittwoch), und zwar bei guter Gesundheit" (99). Nugent fügt hinzu: "Beim Verlassen Ujjain's sagte er (Sundar Singh), er wolle seinem alten Vater einen flüchtigen Besuch abstatten ... Er sagte, dass sein Vater ihn unterstütze und dass er von ihm in Muttra oder Delhi eine Geldüberweisung erwarte" (100). Tatsächlich besuchte Sundar Singh seinen Vater nach dem Fasten, aber ob er in Muttra gewesen ist, ist zweifelhaft. Ebenso seltsam ist die Behauptung betreffs der Geldüberweisung, da unseres Wissens Sundar Singh erst nach seiner Aussöhnung mit seinem Vater von diesem geldliche Zuwendungen erhalten hat. Über seine Reiseroute schreibt Sundar Singh 1915 lakonisch: "Dann kam ich, in Neemuch, Bandi und mehreren Orten wirkend, nach Delhi" (101). Dieser Satz, der bis jetzt völlig unbeachtet geblieben und offenbar auch Heiler's Aufmerksamkeit entgangen ist, stellt uns vor ganz neue Fragen. Neemuch (102), im Eingeborenenstaat Gwallior gelegen, befindet sich an der Strecke Khandwa-Rutlam-Ajmer; es ist eine Missionsstation der Canadischen Presbyterianer. Eine Missionsärztin, Fräulein Dr. B. C. Oliver, war damals die Leiterin des Missionshospitals in Neemuch. Auf meine Anfrage teilt sie mir mit, dass sie zur fraglichen Zeit in Neemuch geweilt habe, sich aber nicht erinnere, dass Sundar Singh nach diesem Ort gekommen sei; ihr Wunsch, ihn zu sehen, sei nie in Erfüllung gegangen (103). - Das ist selbstverständlich kein Beweis dafür, dass Sundar Singh Neemuch damals nicht besucht hat. So führt uns auch dieser Brief nicht weiter. Auf meine Bitte nach weiteren Nachforschungen erhielt ich keine Antwort. - Was dann den Ort Bandi betrifft, so lässt er sich schwer identifizieren, da es einen solchen von dieser Schreibart nicht gibt. Ein Banda (104) befindet sich halbwegs zwischen Jhansi und Allahabad, liegt aber für unseren Fall viel zu weit nach Osten. Ein anderer Ort, der ähnlich lautet, ist Bandikui (105); es liegt an der Bahnstrecke Phulera-Jaipur-Rewari-Delhi und ist ebenfalls eine Missionsstation. Auf meine Rückfrage teilt mir jedoch der dortige Kaplan Rev. A. G. B. Holland mit: "... Ich habe ausgedehnte Nachforschungen unter den indischen Christen in Bandikui und dem hiesigen Distrikt angestellt und alle sind sich sicher, dass sie von einem Besuch Sundar Singh's in Bandikui niemals gehört hätten ..." (106). Der gleiche Schreiber meint, dass seines Erachtens nur Bundi in Frage komme. Dieses befinde sich 25 km nordwestlich von Kotah (107), scheint mir aber wegen seiner großen Entfernung von der Bahn ebensowenig in Betracht zu kommen. Kotah liegt an der Bahnlinie Nagda-Nimoda-Delhi. Ermittelungen in dieser Richtung anzustellen, blieb mir jedoch wegen der Kürze der Zeit keine Möglichkeit. Kompliziert wird der ganze Sachverhalt durch die folgenden Aussagen Sundar Singh's über sein erneutes Zusammentreffen mit Swift, das in jene Tage fällt: "Das zweite Mal traf ich ihn von ungefähr an der Station der B. B. und C. I. Bahn (108), und er reiste mit mir und im gleichen Zug, und dann stieg er an einer kleinen Station aus. Ich wusste (109) nicht, was hernach geschah. Und als ich ihn das dritte Mal traf, sagte er mir, er habe fünf oder sechs Telegramme von der kleinen Station Nimoda am 22. oder 23. Januar abgesandt ..." (110). - Hiernach erhält man den Eindruck, dass Sundar Singh durch Nimoda gekommen wäre. (111). Dieses, insgesamt 264 Meilen von Ujjain entfernt (112), liegt indessen an einer anderen Bahnstrecke als Neemuch, nämlich an der von Kotah (Strecke: Nagda-Kotah-Muttra-Delhi). Da die Bahnlinien so verschieden laufen (113), ist es schwer, die Fahrt Sundar Singh's einerseits auf der Nimodastrecke und andererseits auf der Neemuchstrecke miteinander in Einklang zu bringen. Vollends schwierig wird es, zu verstehen, wie Swift Sundar Singh, wenn er wirklich zunächst nach Neemuch gefahren wäre, begleitet haben sollte; denn dann hätte er von Nagda aus mit Sundar Singh eine Strecke lang nach Westen fahren müssen, während Nimoda nach Norden liegt. Und er musste ja sehr bald nach Nimoda gelangen, weil bereits am 23. Januar die Telegramme von Swift dort aufgegeben wurden (114). Weiterkommen könnte man in diesem Dilemma nur vermittels völlig gesicherter Daten für Neemuch und Bandi. Aber dazu ist es jetzt nach mehr als zwei Jahrzehnten zu spät. Demnach wird die Telegrammepisode auch weiterhin ein ergiebiges Feld für Hypothesen abgeben. Unsere eigene Stellungnahme erfolgt weiter unten. Wann Sundar Singh Delhi erreichte, wissen wir wieder nicht. Sein Bericht über den dortigen Aufenthalt lautet:
Auch hier haben wir es mit einem Abschnitt zu tun, der der Forschung bisher unbekannt geblieben ist. Meine Versuche, auf Grund der hier vorliegenden Angaben Klarheit in Sundar Singh's Aufenthalt zu Delhi zu bringen, waren erfolglos. Mr. S. K. Rudra war der damalige Prinzipal des St. Stephen's College. Er ist am 30. Juni 1925 gestorben. Sir Ali Imam war das juristische Mitglied des Vizeköniglichen Rates; er ist inzwischen auch gestorben. Rev. Andrews teilte mir mit, dass zwischen Sir Ali und ihm eine innige Freundschaft bestanden habe; Andrews hielt sich wiederholt bei ihm auf. Er weiß sich nicht mehr an dies einzelne Zusammentreffen mit Sundar Singh zu erinnern, stellt jedoch fest: "Es klingt mir ganz authentisch und wahrscheinlich, dass er (Sundar Singh) mich im Januar 1913 im Hause von Sir Ali Imam getroffen haben könnte" (116). Somit gelangen wir auch hier nicht zur Feststellung von geschichtlichen Einzelheiten, noch viel weniger von bestimmten Daten. Aber soviel dürfte deutlich sein, dass Sundar Singh keineswegs die Verborgenheit suchte, sondern völlig unbekümmert in der Öffentlichkeit auftrat. Das wird noch unterstrichen durch den Artikel, den er in jenen Tagen an den Nûr Afshân eingesandt haben will. Was meint Sundar Singh damit? Was bedeuten die "Gerüchte" und "Missverständnisse"? Vor allem ist zu beachten, dass der Herausgeber des Nûr Afshân am 31. Januar und 28. Februar 1913 die Eingesandts von Christopher und Munâ Lâl Azîz veröffentlichte, die Sundar Singh's Tod mitteilten. Wie hätte er dies tun können, wenn er gleichzeitig einen Artikel von Sundar Singh erhalten hätte? Unter diesen Umständen schrieb ich an den jetzigen Herausgeber des Nûr Afshân und legte ihm den ganzen Sachverhalt dar. Ich erhielt jedoch keine Antwort, und so bleibt das Rätsel vorläufig ungelöst. 3. Die Absendung der Telegrammea) Datum und Wortlaut der TelegrammeHinsichtlich des Datums sind wir in erster Linie auf die Aussagen von Sandys angewiesen. Er leitete seinen Nekrolog für Sundar Singh mit den Worten ein: "Am 23. Januar meldete ein kurzes Telegramm aus Zentralindien ..." (117). Ähnlich schreibt er sechs Jahre später: "Das Nächste war ein Telegramm am 23. Januar von Nimoda ..." (118). Dazu kommt nach abermals vier Jahren seine erneute Aussage: "Sechs Telegramme wurden von Nimoda an der B. B. - Bahn (119) am 22. Januar abgesandt ..." (120). Die Frage ist nun, ob die dritte Aussage von Sandys eine Gedächtnistäuschung darstellt oder ob sie mit vollem Bewusstsein erfolgt ist. Von allen Autoren ist bisher, soviel ich sehe, ausnahmslos das Erstere angenommen worden. Tatsächlich spricht jedoch Sandys in den beiden ersten Aussagen vom Datum des Telegrammempfanges in Calcutta, in der dritten aber vom Datum der Telegrammabsendung in Nimoda. Da in Indien die Telegramme nicht selten zwei Tage und länger brauchen, bis sie ihr Ziel erreichen, so ist tatsächlich mit der Möglichkeit zu rechnen, dass nicht der 23. Januar, wie bisher allgemein angenommen, sondern der 22. Januar das wirkliche Datum der Telegrammaufgabe in Nimoda darstellt. Dann wäre natürlich erneut zu prüfen, ob sich Dr. Nugent's Aussage, Sundar Singh sei erst am 22. Januar in Ujjain abgereist, aufrecht erhalten lässt. Wie aber die Verhältnisse liegen, lässt sich schwerlich in wissenschaftlich befriedigender Weise die Frage lösen. Denn keiner der Empfänger besitzt mehr das Telegramm. Sundar Singh selbst sagt von Swift, dieser habe ihm zugegeben, "er habe fünf oder sechs Telegramme von der kleinen Station Nimoda am 22. oder 23. Januar abgesandt" (121). Ebensowenig präzise ist eine andere Notiz, dass Sundar Singh "am oder um den 23. Januar" (122) gestorben sei. - Es dürfte deutlich sein, dass für den Fall, der 22. Januar wäre das richtige Datum, alle bisherigen Erörterungen in ein neues Stadium träten. Das Telegramm besagte, Sundar Singh sei in Christus entschlafen. Sandys berichtet, der Wortlaut habe bei ihm gelautet: "Sundar Singh slept in Christ-Smith" (123). Wherry dagegen gibt ihn zu verschiedenen Zeiten verschieden wieder (124), und zwar abweichend von Sandys. Danach scheint es, dass der Wortlaut für die verschiedenen Empfänger verschieden formuliert war. Gleichwohl sprechen Wherry (125) und Sandys (126) ausdrücklich von identischen Telegrammen. b) Die TelegrammempfängerEin Telegramm erhalten zu haben, bezeugt außer Wherry (Ludhiana) und Sandys (Calcutta) auch Kanonikus Wigram (127) (Lahore). Sandys nennt außerdem noch als Telegrammempfänger Bischof Lefroy und Missionar J. Redman (Simla) (128). Somit sind uns die Namen von 5 Personen bekannt. Nach Sandys (129) und Wherry (130) waren es insgesamt 6; aber der Name dieses Sechsten lässt sich nicht mehr feststellen (131). Wir wissen nur so viel, dass es nicht Dr. Fife (132) oder Dr. Wood (133) waren, ebenso wenig Nugent oder Stokes. c) Der Gedächtnisgottesdienst und Sandy's NachrufDie Folge dieser Todesnachricht war, dass Sundar Singh zu Ehren in der St. Thomaskirche zu Simla am Sonntag, den 23. Februar 1913, vormittags um 11 Uhr ein Gedächtnisgottesdienst abgehalten wurde, bei dem Missionar Redman die Schriftverlesung hielt und Stokes die Predigt (134). Ersterer unternahm sogar Schritte, um eine Gedenktafel für Sundar Singh in der gleichen Kirche zu errichten und legte zu diesem Zwecke eine Subskriptionsliste aus, in die sich zwei bis drei Leute eintrugen, darunter Redman selbst, bis schließlich bekannt wurde, dass Sundar Singh noch lebte (135). Sandys veröffentlichte einen Nekrolog für Sundar Singh, den wir schon wiederholt zitiert haben. Er wurde mehrfach abgedruckt (136). d) NachforschungenDa der Absender des Telegramms den Empfänger nicht bekannt gab, man auch gar nichts Näheres über Sundar Singh's vermeintliches Ende wusste, wurden von verschiedenen Seiten - ohne dass der eine vom anderen gewusst hätte - Nachforschungen unternommen. Wherry schrieb an den Bahnhofsvorsteher in Nimoda (137) und erhielt von ihm die Antwort:
Daraufhin schrieb Wherry einen öffentlichen Aufruf (138), in dem er auch den Wortlaut dieses Briefes wiedergab, und hat Mr. Smith oder andere, die Näheres wüssten, um Nachricht an Rev. Newton, der dann die Angehörigen Sundar Singh's benachrichtigen würde. Wherry selbst fuhr gerade in jenen Wochen nach Amerika ab (139) und schied mit dem Bewusstsein von Indien, dass Sundar Singh tot sei. Er fiel deshalb aus allen Wolken, als er im Dezember 1913 nach seiner Rückkehr nach Indien plötzlich von Sundar Singh besucht wurde (140). Ihm kam nicht der geringste Verdacht gegen Sundar Singh, da ihm dessen Erklärung, Swift müsse die Telegramme fälschlich ausgesandt haben, einleuchtete. 1925 hörte er überhaupt zum ersten Male davon, dass Sundar Singh beschuldigt wurde, die Telegramme selbst abgesandt zu haben (141). Sandys schrieb ebenfalls an den Bahnhofsvorsteher in Nimoda. "Er erwiderte, dass ein Reisender mit einer Fahrkarte von Bombay nach Muttra in Nimoda ausgestiegen sei (142), um mehrere Telegramme (der spätere Metropolitan, Mr. Wigram, Mr. Redman u. a. waren außer mir die Empfänger dieses Telegramms) aufzugeben, und seine Reise mit einem späteren Zug fortgesetzt habe" (143). Der Reisende selbst Avurde von dem Bahnhofsvorsteher als mit einem schwarzen Rock (black coated gentleman) (144), wenn nicht einem langen, schwarzen Rock (145) bekleidet beschrieben. Da Sandys hier nicht weiterkam, schrieb er außerdem an eine Anzahl Leute, die den Namen Smith trugen, um festzustellen, ob sie etwa das Telegramm aufgegeben hätten, aber ohne Erfolg (146). Da die verschiedenen Telegramme richtig adressiert waren, ein Smith aber nicht zu finden war, schöpfte Sandys Verdacht und kam zu dem Schlusse, Sundar Singh selbst habe die Telegramme abgesandt (147). Dieser Verdacht bestärkte sich bei ihm, als er die nächsten Briefe Sundar Singh's erhielt. Davon wird unten die Rede sein. Der dritte, der Nachforschungen anstellte, war Dr. N u g e n t. Da er selbst kein Telegramm erhielt (148), erfuhr er es erst später aus den Zeitschriftennotizen. So war schon längere Zeit verstrichen, bis er auch seinerseits Nachforschungen aufnahm (149). Ihn leitete dabei die Befürchtung, dass Sundar Singh irgendeinem Anschlag seiner Verwandten oder Bekannten zum Opfer gefallen sein könnte; denn Sundar Singh hatte ihm bei seinem Besuche von zwei Vergiftungsversuchen, einmal durch seine Schwägerin, ein anderes Mal durch andere Verwandte, erzählt (150). Nugent ließ es sich nicht Zeit und Geld verdrießen, selbst nach Rutlam zu fahren und dort mit einem der obersten Bahnbeamten (Traffic Superintendent), einem Europäer, Rücksprache zu nehmen. "Er stellte auf jeder Station zwischen Rutlam und Delhi Nachforschungen an, um festzustellen, ob irgend jemand im Zuge oder auf den Bahnhöfen eine Woche vor und nach dem 23. Januar krank gewesen war, aber er fand nichts dergleichen" (151). Nicht nur das: Nugent telegraphierte und schrieb auch selber an den Bahnhofsvorsteher in Nimoda: "Er war ein Inder und wusste nur zu sagen, dass ein indischer Reisender aus dem Schnellzug ausgestiegen sei, sieben Telegramme gesandt habe und mit dem nächsten Personenzug weitergefahren sei. Er sagte, dass sie mit Smith unterzeichnet gewesen seien" (152). Alle Ermittlungen verliefen im Sande, und Nugent beruhigte sich vorläufig dabei (153), ohne Verdacht zu schöpfen wie Sandys (154). Leider versäumte Nugent hierbei das Wichtigste, das tatsächlich endgültige Klarheit hätte bringen können: er verschaffte sich keins von den Originaltelegrammen aus Nimoda, um die Handschrift des Absenders nachzuprüfen und mit der Sundar Singh's zu vergleichen (155). Da alle derartigen Papiere an das jeweilige Hauptpostamt, in diesem Falle an das in Calcutta, eingesandt und dort nach 6 Monaten vernichtet werden (156), war später eine Nachprüfung nicht mehr möglich. 4. Die Erklärungsversuche Sundar Singh's bis 1917Der erste, der mit Sundar Singh selbst wegen der rätselhaften Todestelegramme in briefliche Verbindung trat, war Kanonikus Sandys. Es geschah gleich im Frühjahr 1913. In die gleiche Zeit fällt auch ein wichtiger Brief Sundar Singh's an Bischof Lefroy. Da diese Briefe für unsere Untersuchung von großem geschichtlichen Werte sind, hat sich die Sadhu-Forschung eingehend mit ihnen befasst. Es sind mancherlei Hypothesen über sie aufgestellt worden, zumal keiner der Briefe erhalten ist. Demnach befindet sich der Forscher in einer wenig befriedigenden Lage. Versuchen wir immerhin, das Dunkel zu lichten, soweit es möglich ist. a) Der Khyper-Pass-Brief1918 teilte Missionar Popley Frau Parker mit, dass Missionar Sandys einen Brief mit dem Poststempel "Khyberpass" von Sundar Singh erhalten habe und zwar "etwa zu der gleichen Zeit" wie das Todestelegramm (157). Diese Mitteilung veranlasste Hosten zu einem längeren Aufsatz, in dem er diesen Brief vor allem auf Grund der Tatsache, dass Sandys in seiner Korrespondenz ihn niemals erwähnt habe, als eine nachträgliche Erfindung hinzustellen versuchte (158). Pfister machte hiergegen Bedenken geltend (159), doch blieb Hosten bei seiner Ansicht (160), und auch Pfister kam schließlich zu der Überzeugung, dass wahrscheinlich der ganze Brief eine Fiktion sei (161). Dann wurde ein Brief von Sandys (162) bekannt, in dem er selbst mitteilte, er habe einen Brief aus der Feder Sundar Singh's vom Khyberpass erhalten; er sei 1913 "in der Zwischenzeit" zwischen dem Brief Sundar Singh's aus Bombay (11. Januar) und dem Brief Sundar Singh's an Bischof Lefroy (12. oder 13. Februar) geschrieben worden. Nunmehr konnte auch Hosten nicht mehr an der Tatsächlichkeit dieses Briefes zweifeln (162a) und schrieb einen neuen Aufsatz über diesen mysteriösen Brief (163), wobei er jedoch keinen neuen Lösungsversuch unternahm, sondern lediglich die verschiedenen Möglichkeiten und Schwierigkeiten aufrollte. Wenn sich, wie Sandys versichert, auf dem Briefe Sundar Singh's der Poststempel "Khyberpass" befand, musste es natürlich auch eine Postanstalt dieses Namens geben. Diese konnte sich jedoch nicht am allgemein bekannten Khyberpass an der Nordwestgrenze Indiens befinden, da es dort kein Postamt gibt; außerdem passt der Ort auch durchaus nicht in die Reiseroute Sundar Singh's. Missionar Popley jedoch weiß eine Lösung: in Delhi habe es eine Khyberpass-Postanstalt gegeben, die allerdings gegenwärtig nicht mehr existiere; offenbar habe Sundar Singh von dort aus geschrieben (164). Außerdem schrieb Pater Fairhall an Hosten: "1913, im Jahre des Durbar (165), gab es einen Khyber-Markt, dem vorübergehend eine Postanstalt angegliedert war" (166). Hosten stellte nun zwar später fest, dass der Durbar bereits am 12. Dezember 1911 stattfand (167). Aber das Postamt hätte ja auch noch länger, also bis 1913 bestehen können. Schon vorher hatte Hosten an den obersten Postbeamten in Calcutta geschrieben (168), wobei er der Sicherheit halber acht Schreibweisen angegeben hatte (169), erhielt jedoch die Antwort: "Ich habe die Ehre mitzuteilen, dass das Verzeichnis der Postanstalten (P. 0. Guide) keine Postanstalt in einer der in Ihrem Briefe angegebenen Schreibweise im Januar 1913 enthält" (170). Der leitende Postbeamte in Delhi, den Hosten darnach anging (171), machte sich die Sache sehr leicht: "... Mir fehlen die Unterlagen zur Beantwortung Ihrer Frage. Es gibt in Delhi kein Khyberpass-Postamt ..." (172); ähnlich lautete die Antwort, die Pfister auf seine Anfrage aus Delhi erhielt (173). Mit solch einer Antwort ist uns natürlich nicht geholfen, da es sich nicht um die Gegenwart, sondern um 1913 handelt. Kanonikus Western, an den sich Pfister (174) und Hosten (175) wandten, erwiderte: "Ich habe mich im Hauptpostamt zu Delhi sorgfältig erkundigt, und die Beamten versichern mir, dass es in Delhi niemals ein Postamt mit dem Namen Khyberpass gegeben hat. Es gab in jener Gegend während des Durbars 1912/13 (sic) ein Aushilfspostamt (temporary P. 0.), aber es trug nicht jenen Namen" (176). Das Ergebnis der Nachforschungen ist also, dass sich ein amtlicher Nachweis für das Bestehen eines Khyberpass-Postamtes zu Beginn des Jahres 1913 weder für Delhi noch einen anderen Ort erbringen lässt, wie auch der Beweis für die Nichtexistenz eines derartigen Postamtes nicht befriedigend geglückt ist. Es ist demnach mit der Möglichkeit zu rechnen, dass der Brief überhaupt keinen Poststempel mit der Inschrift Khyberpass getragen hat, sondern dass Sundar Singh lediglich am Briefkopf etwas hiervon geschrieben hat. Auf alle Fälle scheint es aber als gesichert, dass der Brief aus Delhi geschrieben worden ist, vielleicht von einem Haus am Khyberpass-Markt, ohne dass allerdings Sundar Singh den Namen von Delhi erwähnt hätte (177). Hinsichtlich des Datums, an dem der Brief geschrieben worden ist, sind wir ganz auf Vermutungen angewiesen. Da Sandys nach dem Empfang der Todesdepeschen seinen Nekrolog über Sundar Singh schrieb, bleiben, wie mir scheint, nur zwei Möglichkeiten. Entweder erhielt er den fraglichen Brief vor bzw. spätestens ganz kurze Zeit nach dem Todestelegramm, und zwar vor Absendung seines Nekrologes. Dann hätte Sandys schließen müssen, der Brief sei das letzte Lebenszeichen von Sundar Singh vor seinem vermeintlichen Tode. Aber dagegen spricht einerseits der Umstand, dass Sandys in seinem Nekrolog ausdrücklich den Brief von Bombay als das letzte Lebenszeichen von Sundar Singh bezeichnet (178), und andererseits die chronologische Unmöglichkeit; denn zu der Zeit, wo die Telegramme ausgesandt wurden, wie auch vorher, befand sich Sundar Singh ja noch nicht in Delhi, sondern war noch unterwegs. Die zweite Möglichkeit ist die, dass der Khyberpass-Brief bei' Sandys in Calcutta erst eintraf, als er den Nekrolog bereits abgesandt hatte und ihn auch nicht mehr zurückziehen konnte, also etwa Ende Januar oder während der allerersten Februartage. Dann würde der Brief in der letzten Januarwoche geschrieben worden sein, was chronologisch keinerlei Schwierigkeiten bereitet, denn damals befand sich ja Sundar Singh tatsächlich in Delhi. - Allerdings passt hierzu nicht die Behauptung von Sandys in seinem Brief an Nugent (179): "Die erste Nachricht, die ich von Sundar Singh nach seinem Tode erhielt, war aus Dagshai, 22. März". Über diesen Dagshai-Brief wird noch unten zu reden sein. Offenbar hat Sandys beim Schreiben dieses Satzes den Khyberpass-Brief ganz vergessen. Die Wirkung des Briefes war schlimm für das Ansehen Sundar Singh's bei Sandys. Dieser hatte erst eine Reihe von Tagen vorher das Todestelegramm Sundar Singh's erhalten, und nun meldete sich in aller Harmlosigkeit der Totgeglaubte und schrieb - wie Sandys meinte - ausgerechnet vom äußersten Westende Indiens, vom Khyberpass. Dass er unter diesen Umständen den Brief als zumindest "seltsam" empfand (180), ist nicht sehr verwunderlich. Was Sundar Singh geschrieben hat, entzieht sich unserer Kenntnis. b) Der Brief an Bischof LefroyDer nächste Brief, der bekannt geworden ist, war von Sundar Singh an Bischof Lefroy (181) gerichtet, der, wie wir sahen, auch ein Todestelegramm empfangen hatte. Da Bischof Lefroy am 1. Januar 1919 starb (182), hat man des Briefes ebenso wenig habhaft werden können, wie des Telegrammes (183). Sandys, der diesen Brief erwähnt, gibt als Datum den 13. Februar 1913 an (184), und zwar unter Berufung auf einen Brief, den er am 2. April 1913 an Mr. Proby in Britisch-Columbien geschrieben habe und von dem er noch eine Abschrift besitze (185). Hinsichtlich des Ortes, von dem Sundar Singh's Brief geschrieben war, enthielt er sich noch 1919 ausdrücklich einer näheren Angabe: "Ich habe mir nicht notiert, von wo er geschrieben worden ist" (186); dann glaubte er aber plötzlich 1923 zu wissen, er sei von Dehra Dun gesandt (187) und hielt hieran auch auf eine Rückfrage Pfister's (188) ausdrücklich fest (189). Hosten stellte demgegenüber als Hypothese Kotgarh auf (190). Darauf behauptete Nugent, Sandys habe Kotgarh als Absendungsort angegeben (191), während Hosten bald durchschaute, dass sich Nugent durch ihn, Hosten, hatte zu dieser falschen Aussage verleiten lassen (192). Sundar Singh lehnte Kotgarh als unmöglich ab, da der dort wohnhafte Mr. Stokes dann nicht zu dem Gedächtnisgottesdienst am 23. Februar 1913 gefahren sein würde (193). Schließlich war es Hosten, der beim Nachschlagen im "Bombay-Guardian" entdeckte (194), dass dieser am 22. 3. 1913 unter Berufung auf die "Punjab Mission News" meldete, die Todesdepeschen betr. Sundar Singh seien falsch, da dieser am 12. Februar (sic) von Annfield (195) einen Brief an Bischof Lefroy gesandt habe (196). Als Sundar Singh von dieser Notiz Kenntnis erhielt, konnte er sich nunmehr auch darauf besinnen; nur gibt er als Datum den 13. Februar 1913 an (197), und auch Rev. Dharamjit konnte bestätigen, dass Sundar Singh von Annfield aus den Brief geschrieben habe; die dortige Postanstalt heiße Ram bagh Post Office (198). Später bemerkte dann Sundar Singh, er habe damals noch zu Bett gelegen (199), und noch später erklärte er in einem noch unveröffentlichten Brief: "Ich erinnere mich nicht, dass ich den Brief, den ich an Bischof Lefroy gesandt habe, selber geschrieben hätte; ich glaube, ich bat jemand anders, ihn für mich zu schreiben, weil ich sehr schwach war und damals zu Bett lag" (200). Ob Sandys den Brief selbst gesehen hat, wie er 1925 behauptete (201), oder aber nur über ihn aus dem Munde von Bischof Lefroy wusste, wie er 1919 erklärte (202), verschlägt wenig. Immerhin ist es wichtig zu hören, dass Sandys im letztgenannten Zusammenhang ausspricht, dass er am 9. März dies Gespräch mit Bischof Lefroy hatte, also erst zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von diesem erneuten Lebenszeichen Sundar Singh's erhielt. Somit steht soviel fest, dass Sundar Singh tatsächlich aus Annfield einen Brief an Bischof Lefroy geschrieben oder diktiert hat; ob dies am 12. oder 13. Februar gewesen ist, lässt sich nicht entscheiden und ist auch nebensächlich. Über den Inhalt des Briefes wissen wir nur, was Sandys schreibt: "Er erzählte dem Bischof eine merkwürdige Geschichte, er sei in den Wäldern bei Dehra Dun unter wilden Tieren gewesen und habe 40 Tage und Nächte gefastet" (203). Im Zusammenhang mit dem Todestelegramm und dem Khyberpass-Brief kommt Sandys im gleichen Brief zu dem Resultat: "All das zeigt, dass er (Sundar Singh) damals an den wildesten Halluzinationen litt." Weiter sagt er in einem Briefe an Nugent vom folgenden Jahre, dass Sundar Singh diesen Brief geschrieben habe, um zu zeigen, er sei am Leben (204). Es scheint, dass Lefroy nie an Sundar Singh irre geworden ist. Demnach kann der Brief aus Annfield schwerlich etwas enthalten haben, was den Bischof irritiert hätte. Sundar Singh schreibt von ihm: "Wenn ich nicht ein wahrhaftiger Mensch wäre, dann wäre Bischof Lefroy, der spätere Metropolitan von Indien, der erste Mann gewesen, der mich beschuldigt hätte. Aber er war ein guter Freund von mir bis zu seinem Tode am 1. Januar 1919" (205). Und an anderer Stelle erwähnt Sundar Singh einen Brief von ihm, den er kurz vor dessen Tode erhalten habe: "Dieser Brief (206) zeigt, dass er nie an mir zweifelte; er war mein guter Freund bis zum letzten Augenblick" (207). Frau Parker berichtet überdies, dass Lefroy ein Vorwort zu ihrem Buche über Sundar Singh habe schreiben wollen, aber nur durch seinen plötzlichen Tod daran gehindert worden sei (208), wie er denn auch den Weg für einen guten Eingang Sundar Singh's in Rangoon gebahnt hatte (208a). c) Rev. Dharamjit's ÄußerungNach dem Fasten erholte sich, wie wir bereits sahen, Sundar Singh bei Rev. Dharamjit in Annfield. Leider hat dieser nur eine verschwommene Erinnerung an Sundar Singh's damalige Aussagen: "Ich habe noch eine schwache Erinnerung, dass er mir etwas von dem römisch-katholischen Mönch erzählte. Ich erinnere mich nicht mehr ganz des Gespräches" (209). Wir sind infolgedessen nicht in der Lage, Näheres über den Inhalt dieses Gespräches zu ermitteln. d) Die Märzbriefe Sundar Singh's an SandysÜber seinen Aufbruch von Annfield gibt Sundar Singh im Reisebüchlein eine Schilderung, die wir aus chronologischen und topographischen Gründen näher ins Auge fassen müssen:
In diese Zeit fallen nun je zwei Briefe von Sandys an Sundar Singh und von Sundar Singh an Sandys, wie sich aus einem Brief von Sandys aus dem Jahre 1919 ergibt (211). Darnach schrieb dieser, sobald er das im vorigen Abschnitt erwähnte Gespräch am 9. März 1913 gehabt hatte, an Sundar Singh und forderte ihn auf, von sich hören zu lassen. Dieser hatte auf seiner Wanderung von Annfield am Sonntag, den 16. März, in Nahan Missionar Riddle besucht, wie dieser 1926 auf Grund seiner Tagebücher feststellen konnte (212); dabei erinnert sich Riddle, dass Sundar Singh blass und dünn ausgesehen habe. Sundar begab sich dann nach D a g s h a i. Von dort nun schrieb er seine Antwort an Sandys. Dieser berichtet: "Als Antwort erhielt ich einen Brief, datiert Dagshai 22. März. Er entschuldigte sich, so lange nicht geschrieben zu haben. Er sagte, er habe 40 Tage gefastet, und viele Leute hätten ihn als tot betrachtet, aber er habe an den Bischof geschrieben, um ihm zu sagen, dass er am Leben sei. Er erklärte wieder, dass er der Meinung sei, dass es nicht Gottes Wille sei, dass er nach Canada ginge" (213). Auch Sundar Singh gibt an, er habe von Dagshai an Sandys geschrieben (214). - Sandys gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden, da sein Misstrauen nicht gebannt war. Er fährt fort: "Ich schrieb ihm wieder schärfer und fragte ihn, er solle erklären, was er getrieben habe. Seine Antwort am 28. März war ziemlich verworren. Er erging sich über sein wundervolles Fasten ..." (215). Von wo Sundar Singh diesen letzten Brief geschrieben habe, erwähnt Sandys nicht. Es entsteht die Frage, ob dieser Brief identisch ist mit dem, den Sundar Singh von Amballa geschrieben zu haben angibt: "... Als ich mich von meiner Schwäche erholt hatte, da schrieb ich auch einen Brief von Amballa-Cantonmentes an Rev. E. T. Sandys in Calcutta und fragte ihn, ob die Vorbereitungen (arrangement) für meine Reise (scil. nach Canada) zu einem Abschluss gekommen wären oder nicht; aber ich erhielt keine Antwort. Möglicherweise war auch er ungehalten infolge eines Missverständnisses durch irgendein Telegramm ..." (216). Dieser Amballa-Brief verursachte Hosten viel Kopfzerbrechen und ließ ihn zu dem Schlusse kommen, dass er eine nachträgliche Fiktion Sundar Singh's sei (217). Der oben wiedergegebene Abschnitt des Reisebüchleins zeigt uns indessen, dass Sundar Singh tatsächlich am Freitag, den 28. März, in Amballa gewesen sein muss (218). Darf dies aber als wissenschaftlich gesichert gelten, so zeigt der Bericht von Sandys auf der einen und von Sundar Singh auf der anderen Seite, eine wie große Kluft sich nunmehr zwischen beiden aufgetan hatte. Denn das ist das Tragische: Sundar Singh gelang es nicht, Sandys von seinen Zweifeln zu befreien; denn dieser war bereits durch seine Erfolglosigkeit bei seinen Nachforschungen in Nimoda wie bei den Missionaren, die Smith hießen, und dann vollends durch den Khyberpass-Brief stutzig geworden und - allerdings nicht ganz ohne Recht - über Sundar Singh's Behauptung, er habe volle 40 Tage gefastet, verwundert; denn dies war, wie wir sehen werden, eine chronologische Unmöglichkeit. Sandys glaubte tatsächlich, Sundar Singh habe die Todestelegramme selbst abgesandt, und legte sich hierfür zwei Erklärungsmöglichkeiten zurecht. Entweder müsse Sundar Singh in einem Zustand geistiger Umnachtung so gehandelt haben, und zwar veranlasst entweder durch die Nachwirkungen des Giftes, das ihm in seiner Jugend beigebracht worden war, oder aber auch durch die Wirkung des Hanfgenusses, dem er vielleicht aus Hunger gefrönt habe (219). Das ist allerdings ein phantastischer Erklärungsversuch, den übrigens Braeunlich aufgreift und ausgerechnet mit Sundar Singh's Bekehrung in Verbindung bringt (220). Oder aber, und das ist nach Sandys' Meinung die zweite Alternative, Sundar Singh habe sich der Canadareise entziehen wollen (221). Das erscheint ebenfalls seltsam; denn Sundar Singh hätte dann doch nicht unmittelbar vorher Nugent besucht. Wir werden auf dieses Argument noch später eingehender zurückkommen. Wenn wir das, was sich über diese ganze Korrespondenz noch ermitteln lässt, im Zusammenhang auf uns wirken lassen, kommen wir kaum um die Tatsache herum, dass Sandys zumindest vorschnell in seinem Urteil gewesen ist, wie sich bei ihm überhaupt eine Reihe von Widersprüchen finden. Unter diesen Umständen sind wir genötigt, seine Aussagen mit einem gewissen Vorbehalt entgegenzunehmen. e) Dr. Wherry's ZeugnisAls Sundar Singh im Dezember 1913 Wherry besuchte, erzählte er ihm, wie wir bereits sahen, von Swift. Wherry berichtet über dieses Gespräch wie folgt: "Er (Sundar Singh) erzählte mir die Geschichte seiner langen Krankheit. Er nahm an, dass Dr. Swift die Nachricht abgesandt habe, da er irgend eine Nachricht von seinem angeblichen Tode für wahr hielt ... Als er von Dr. Swift redete, nannte er ihn nie einen Mönch. Er sagte nur, Swift sei ein Katholik, aber er sagte nichts gegen ihn" (222). Da diese Feststellung Wherry's mit dem im Einklang steht, was Sundar Singh später im Reisebüchlein schrieb, gehen wir sofort zu dieser neuen Aussage über. f) Das Reisebüchlein 1915Hier begegnen wir zum ersten Mal einem Erklärungsversuch Sundar Singh's in dessen eigenem Wortlaut. Wir lesen im Anschluss an die Schilderung seines Fastens und seiner Wiederherstellung in Annfield:
Hier ist also Sundar Singh der Meinung, dass Swift der Absender des Telegramms sei und dabei aus Freundschaft, wenn auch übereilt, gehandelt habe. Dass Swift die Absendung der Telegramme bedauert habe, kann indessen Sundar Singh zu der Zeit, als er dies schrieb, weder mündlich noch schriftlich von ihm erfahren haben, da er ihn weder vor 1917 traf noch bis dahin mit ihm korrespondierte; sondern er schloss es offensichtlich gerade aus Swift's Schweigen, das er als Scham deutete. Im übrigen ist dies ein absonderlicher Erklärungsversuch Sundar Singh's, der wieder einmal zeigt, wie wenig Sinn Sundar Singh für chronologische Tatbestände hat. Offenbar hat er sich hier noch gar nicht den Kopf darüber zerbrochen, an welchem Datum die Todesdepeschen abgegangen waren. Sonst hätte ihm auffallen müssen, dass diese vor dem Fasten und nicht während des Fastens oder gar nach dem Fasten abgeschickt worden waren. g) Dr. J. Fraser CampbellEs hat den Anschein, dass sich Dr. Nugent 1916 mit Missionar Dr. J. Fräser Campbell in Rutlan über seine Zweifel betr. Sundar Singh ausgetauscht hat. Jedenfalls steht fest, dass er dann von ihm einen Brief vom 24. Januar 1917 (225) mit einer Schilderung von Sundar Singh's - für Nugent wie Donald erstmaligen - Erklärungsversuch erhielt. Es wird nicht ganz deutlich, wie Dr. Campbell diese Informationen erhalten hat. Ein Brief Sundar Singh's an ihn kommt nicht in Frage (226). Irgendwann hat Dr. Campbell ein Gespräch mit Sundar Singh über diese Frage gehabt; aber es lässt sich nicht feststellen, ob vor oder nach der Abfassung seines Briefes an Nugent (227). Vielmehr scheint seine Information im Wesentlichen auf Angaben von Rev. Richards Netram zu beruhen, der, wie er, in Rutlam wohnte und ein Freund von Sundar Singh war (228). Es ist kein Wunder, dass Dr. Campbell sich hierauf nicht mehr so genau besinnen konnte, da er 1926 bereits 80 Jahre alt war (229). Aus dem Briefe Cambells erfahren wir, dass Sundar Singh - wenn er richtig verstanden worden ist - auch jetzt noch wie im Reisebüchlein Dr. Swift als den Absender der Todestelegramme betrachtet, nur dass er nunmehr auch eine Theorie darüber aufstellt, wie das angebliche Missverständnis Swift's zustandegekommen sein könnte. Campbell schreibt darüber:
Auch die Unterschrift unter dem Telegramm "Smith" erkläre sich Sundar Singh einfach durch eine Verwechslung mit "Swift". Wir sehen, dass Sundar Singh auch jetzt noch nicht die chronologische Unmöglichkeit seines Erklärungsversuches aufgegangen ist. h) Dr. NugentEs ist nicht zu verwundern, dass Dr. Nugent, dessen Argwohn geweckt war, sich mit dem in Dr. Campbeils Brief enthaltenen Erklärungsversuch nicht zufrieden gab. Er wandte sich deshalb an die englische Kirchenmission und erhielt von Kanonikus Sandys, an den sein Brief weitergeleitet wurde, die Auskunft: "Ich habe nie das Geheimnis ergründen können. Offenbar hat er (Sundar Singh) entweder den Kopf verloren, oder er wollte schließlich doch nicht nach Canada gehen" (232). Damit kam Nugent zum ersten Mal mit Sandys in Kontakt und fand in ihm jemand, der seine Zweifel teilte. Dr. Nugent schrieb dann ein halbes Jahr später, am 24. Juli 1917, an den Herausgeber des "Indian Witness" einen Brief, den dieser am 1. August 1917 in seiner Zeitschrift veröffentlichte (233). Das Eingesandt Nugent's war durch einen offenbar stark lobenden Artikel von Rev. B. T. Badley über Zahir's Lover verursacht (234). Im Einzelnen schreibt Nugent in seinem Eingesandt an den Herausgeber, nachdem er kurz Sundar Singh's Besuch in Ujjain und die nachfolgende Todesnachricht erwähnt hat:
Als der Brief Nugent's Sundar Singh vor die Augen kam, war es für ihn ein sehr schmerzliches Erlebnis (236). Er schrieb am 2. September 1917 an Nugent einen Brief, in dem er auf die Fragen Nugent's einging; uns interessieren in diesem Zusammenhang vorerst nur seine Aussagen über die Telegramme:
Nugent gab sich auch mit dieser Erklärung nicht zufrieden und schrieb unter anderem:
Dies veranlasste Sundar Singh zu einem zweiten Brief an Nugent, in dem er zum ersten Male Zweifel an der Lauterkeit Swift's äußerte:
Sundar Singh hält es auch für möglich, dass Swift von einem katholischen Priester aufgestachelt worden sei, und erwähnt in diesem Zusammenhang den Unwillen des katholischen Priesters in Thana, den er als Götzendiener bezeichnet habe. Er fährt fort:
Anmerkungen |