Artikel Paul Gaebler 3

 

 

Veröffentlichungen 3 von Paul Gäbler

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Unsere indische Missionsarbeit im Jahr 1938

  1. Missionsumfeld

  2. Weltmissionskonferenz in Tambaram

  3. Tagung des indischen lutherischen Kirchenbundes in Tranquebar

  4. Theologenausbildung Gurukul in Madras

  5. Fabriciusschule in Madras

  6. Schule an der Brickkiln-Straße

  7. Pandur

  8. Tiruvallur

  9. Chidambaram

  10. Shiyali

  11. Mayavaram

  12. Tranquebar

  13. Porayar

  14. Kumbakonam

  15. Tanjore

  16. Pattukkottai

  17. Coleroon-Mission

Anmerkungen zur Colderoon-Mission

Anmerkungen zu den Dalits

Statistik zur Leipziger Mission in Indien


Unsere indische Missionsarbeit im Jahr 1938

Von Senior Lic. Paul Gäbler, Trichinopoly

Unsere Missionsarbeit in Indien und Afrika. Ev.-luth. Mission Leipzig. Seite 1 bis 13

Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig (2. Kor. 12, 9).

Gott nimmt uns deutsche Missionsleute in eine ernste Schule. Der Druck, unter dem wir hier draußen stehen, war im letzten Jahre oft schwer zu tragen. Wir hatten manchmal mit der Verzagtheit zu kämpfen. In jenen Septembertagen, als der Kriegsausbruch vor der Tür stand, schien wieder einmal das Ende unseres Missionsdienstes gekommen. In jenen schlaflosen Nachtstunden haben wir wie vielleicht nie zuvor gespürt, wie recht das Lutherlied hat: "Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren." Aber wir haben doch auch wie vielleicht nie zuvor erfahren, dass wir samt unserer Arbeit in Gottes mächtiger Hand stehen. Wir sind nichts. Er ist alles. Seine Gnade muss uns genügen. Seine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Gott hat einst den Apostel Paulus mit diesem Wort gestärkt. Er hat seine Wahrheit auch an uns bewiesen. So schauen wir auf das vergangene Jahr mit ehrfürchtigem Dank gegen Gott zurück. Und im Blick auf das Werk der Mission wie auf unser eigenes Leben, im Blick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bekennen wir: "Was du Gott Vater geschaffen, was du Gott Sohn erhalten, was du Gott heiliger Geist geheiligt, befehlen wir dir, hochgelobte Dreieinigkeit, nach Geist, Seele und Leib." Es ist nicht unser eigenes Werk, das wir treiben, sondern es ist Gottes Weinberg, in dem wir arbeiten. So wollen wir Ihn alles in allem wirken lassen.

Inhaltsverzeichnis


1. Missionsumfeld

In acht indischen Provinzen, darunter der Madras-Präsidentschaft, führt die Kongressregierung das Zepter. Trotz mannigfacher und teilweise heftiger Kritik werden die Punkte, die der Kongress auf seine Fahne geschrieben hat, zur Ausführung gebracht. Das Experiment mit der Prohibition im Salem-Distrikt darf als einigermaßen gelungen bezeichnet werden. Deshalb ist nun die Prohibition auch auf die beiden angrenzenden Distrikte von Cuddapah und Chittoor ausgedehnt worden; im November 1939 soll der Nord-Arcot-Distrikt folgen, in dem die dänische Mission arbeitet. Wir hoffen, dass dann auch bald die Gebiete, in denen unsere Mission arbeitet, hiervon erfaßt werden. Bei diesem Kampf um den Alkohol wird nicht bloß in negativer Weise vorgegangen, sondern es werden von der Regierung Teeläden eröffnet und alles getan, um der Bevölkerung zu zeigen, wie man am nützlichsten seine Freizeit verwendet. Gelegentlich hat es den Anschein, dass der deutsche Gedanke "Kraft durch Freude" dabei Pate gestanden hat.

Die Schaffung einer Einheitssprache für Indien an Stelle des Englischen durch Einführung des "Hindi" stößt auf viel Widerstand. Aber die Regierung greift scharf durch. Demonstrationszüge mit schwarzen Fahnen werden aufgelöst und die schärfsten Wortführer ins Gefängnis gesteckt. Die Mohammedaner können es nicht verwinden, dass man nicht das Urdu als Einheitssprache gewählt hat. Zwar ist das Hindi in Nordindien vielen geläufig, aber in Südindien ist es ganz unbekannt, und so ist der Widerstand begreiflich. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis wir genötigt sein werden, auch in unseren Missionsschulen das Hindi als Fremdsprache einzuführen; allerdings geht das nur auf Kosten anderer wichtig erscheinender Fächer.

Ein anderes Ziel der Kongressregierung, die Hebung des Volksschulwesens, steht weiterhin im Vordergrund des Interesses. Aber es zeigen sich doch auch je länger je mehr die großen Schwierigkeiten, die es dabei zu überwinden gibt. Der Wardha-Plan, nach dem die Schulerziehung eigentlich ausgerichtet werden soll, möchte in allen Schulen, auch auf den Dörfern, Werkunterricht einführen. Jeder soll ein Handwerk erlernen, ist das Motto. Aber man hat inzwischen entdeckt, dass die Verwirklichung solcher Ideale sehr viel Geld kostet, und so muss manches zurückgestellt werden. Die Madraspräsidentschaft will zunächst einmal in jedem Distrikt eine Wardha-Versuchsschule einrichten und sehen, wie diese Experimente ausgehen.

In religiösen Dingen versucht der Kongress, wenigstens nach außen hin, Neutralität zu üben, wenn es da auch nicht an Entgleisungen gefehlt hat. Als etwa 100 Christen in Devakottai, das zum Ramnad-Distrikt gehört, zum Hinduismus "zurückbekehrt" wurden, sandte ihnen der Premierminister Rajagopalachariar einen Glückwunsch. In der gesetzgebenden Versammlung deshalb zur Rede gestellt, beteuerte er, er habe es nur als Privatperson getan. Das zeigt, dass man wenigstens nach außen hin den Schein der Unvoreingenommenheit zu wahren trachtet. Ein anderer bezeichnender Vorgang ist, dass zu einem früheren Gesetz eine eigentlich gar nicht dazu passende Ausführungsbestimmung erschien, wonach christlichen Adidravida-Schülern - das Wort "Harijans", d. h. Gottessöhne oder richtiger Söhne des Hari (Vishnu), ist neuerdings bei vielen verpönt, obwohl Gandhi diese Bezeichnung geprägt hat - keine Schulgeldermäßigung mehr von Distrikts- und Stadtbehörden gewährt werden dürfe. Als Begründung wurde angegeben, dass für Christenkinder ja sowieso die Missionen sorgten. Als dann ein Sturm der Entrüstung entstand, wurde diese Bestimmung gemildert, aber nicht aufgehoben. Aus derartigen Anzeichen ergibt sich, dass von seiten des Kongresses ein nicht gerade günstiger Wind für unsere Christen weht. Wenn die Christen nicht fest auftreten, werden sie sich nur schwer behaupten können.

Schließlich ist noch zu erwähnen, dass die Leitung des Kongresses von Pandit Jawaharlal Nehru an Subhas Chandra Bose übergegangen ist. Letzterer ist wenigstens kein Anhänger von Moskau. Aber auch er ist in politischer Hinsicht ein Radikalist, der die völlige Loslösung Indiens von England erstrebt. Aber da am Horizont der Schatten von Japan lauert, hat er viel von seiner Gefolgschaft verloren. Der Mann der Stunde ist wieder Mahatma Gandhi, der wieder stark auf der politischen Bühne tätig ist und nach wie vor das Ohr der breiten Massen wie ihrer Führer hat. Er ist Realpolitiker genug, um für Indien einstweilen den Dominion-Status zu erstreben. Indien soll aufhören, eine Kolonie zu sein, und eine rechtlich und politisch gehobene Stellung erhalten, wie z. B. Australien, Kanada und die Südafrikanische Union, die auch ihre eigenen Gesandten unterhalten dürfen und eigenes Parlament und eigene Regierung besitzen. Aber selbst bis dahin mag es noch ein weiter Weg. sein, wenn nicht gerade ein Notstand, wie ein Kriegsausbruch, die Erfüllung solcher Hoffnungen in greifbare Nähe rückt.

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2. Weltmissionskonferenz in Tambaram

In kirchlicher und missionarischer Hinsicht stand die Tagung der Weltmissionskonferenz zu Tambaram im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Es war für unsere Leipziger Mission eine besondere Freude, dass sie den Besuch von Herrn Missionsdirektor D. Dr. Ihmels mit sich brachte. Auch einige der anderen Vertreter der deutschen Delegation haben unser Leipziger Feld besucht. Wir durften auch anderen Abgeordneten der Tambaram-Konferenz Einblick in unsere Arbeit geben, z. V. Präses Scholten, der im Dienst der Bethel-Mission in Ostafrika steht, und Missionar Großkopf von der Berliner Mission in Südafrika. Von uns Leipziger Missionaren nahm Lic. Dr. Stählin an der Weltmissionskonferenz teil. Wir sind überzeugt, dass von dieser Konferenz eine nachhaltige Wirkung auf die Missionsarbeit ausgehen wird. Da in Vorträgen, Aufsätzen und Büchern mannigfach über die Zusammenkunft in Tambaram und ihren Ertrag berichtet werden wird, brauche ich an dieser Stelle nicht näher darauf einzugehen.

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3. Tagung des indischen lutherischen Kirchenbundes in Tranquebar

Ein anderes wichtiges Ereignis war die Tagung des indischen lutherischen Kirchenbundes, der alle zwei Jahre eine größere Konferenz abhält und diesmal zur Jahreswende 1938/39 seine Beratungen in der Jerusalem-Kirche zu Tranquebar hatte. Es war für Missionar Heller und Missionar Haupt keine Kleinigkeit, alle Vorbereitungen für die Unterbringung der rund 80 Besucher zu treffen, da alle Lebensmittel von auswärts beschafft und besondere Vorkehrungen für die Unterbringung der vielen Gäste getroffen werden mussten. Es ist hier nicht der Ort, auf die einzelnen Verhandlungsgegenstände der Konferenz einzugehen. Es mag nur erwähnt werden, dass Bischof D. Sandegren den Vorsitz führte. Missionsdirektor D. Ihmels hielt die Neujahrspredigt. Eine Gedenktafel für Bischof Bexell wurde in der Kirche enthüllt. Die Tagung wurde durch eine Reihe von Ansprachen bereichert, welche Lutheraner aus China, Afrika und Amerika und den nordischen Ländern hielten - es waren Vertreter, die kurz vorher die Tambaram-Konferenz besucht hatten. Für die neue Dreijahresperiode wurden Pastor Paradesi, ein Inder der lutherischen Telugu-Kirche, als Vorsitzender, Missionar Dr. Strock von der vereinigten lutherischen Kirchenmission als stellvertretender Vorsitzender und der Schreiber dieses Berichtes als Geschäftsführer gewählt.

Die Anwesenheit unseres Missionsdirektors sowie des schwedischen Missionsdirektors Pastor Bäfverfeldt und Prof. Westmans, der ebenfalls ein Mitglied des schwedischen Missionsvorstandes ist, wurden von der lutherischen Tamulenkirche zum Anlass genommen, in den ersten Monaten des Jahres 1939 eingehende Verhandlungen über das gegenseitige Verhältnis zwischen Kirche und Mission zu führen. In zahlreichen Sitzungen und Besprechungen der verschiedenen Räte und leitenden Körperschaften wurden die Richtlinien festgelegt und die Beschlüsse gefasst, die eine engere Zusammenarbeit zwischen Mission und Kirche erstreben, ohne dass die Selbständigkeit und Freiheit der Leipziger Mission, der schwedischen Mission und der Tamulenkirche preisgegeben wurde. Dem Ziele der engeren Zusammenarbeit sollen vor allem Freizeiten und Zusammenkünfte in den verschiedenen Gebieten des Feldes dienen, an denen sowohl Missionare wie indische Pastoren und Laien teilnehmen werden. Es ist weiter vorgesehen, dass sich künftig zweimal im Jahre die beiden Missionsräte und der Kirchenrat zu gemeinsamen Sitzungen zusammenfinden, um miteinander die wichtigeren Fragen durchzuberaten. Wir alle hoffen, dass durch diese Maßnahmen der Kirche wie der Mission Segen erwachsen wird. Vor allem aber ist es unser Wunsch, dass die Kirche und ihre Glieder dadurch gestärkt werden. Eine innere Festigung und Neuerweckung tut not, damit nicht nur den äußeren Gefahren, sondern auch den inneren Anfechtungen gewehrt werde. Es ist ein bedenkliches Zeichen, dass z. B. die Pfingstbewegung in unserem indischen Kirchengebiet immer mehr Zulauf findet. Da gilt es, das reformatorische Erbe neu lebendig werden zu lassen.

Wenn wir nunmehr zur eigentlichen Arbeit der Leipziger Mission kommen, so wollen wir dieses Mal einen Überblick in der Weise zu gewinnen versuchen, dass wir von Station zu Station wandern. Wir beginnen im Norden.

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4. Theologenausbildung Gurukul in Madras

Wenn wir unsere Augen auf Madras richten, so fällt unser Blick zunächst auf Gurukul. Die dortige Theologenklasse trat in das vierte Jahr ihrer Ausbildung ein. Zu den elf bisherigen Studenten kamen sieben weitere, von denen vier an der Evangelistenklasse 1931 - 34 sowie drei in Cuddalore bzw. Vellore an einem früheren dreijährigen theologischen Kursus teilgenommen hatten. Da diese sieben inzwischen in praktischer Arbeit gestanden hatten und mit einer etwas andersartigen Ausbildung kamen, hatten die Dozenten, Lic. Dr. Stählin, Dr. Estborn, Pastor Devaprasadam und Mr. S. W. Savarimuthu, nicht geringe Mühe, die 18 Studenten zu einer Einheit zusammenzuschweißen. Lic. Stählin führte zunächst die Auslegung des Jesaja und der Korintherbriefe, die Neutestamentliche Theologie und den ersten Teil der Religionsgeschichte zu Ende und schloss daran die Behandlung der Alttestamentlichen Theologie, des Römerbriefes und des zweiten Teiles der Religionsgeschichte. Während der Herbstferien hatten die Studenten Gelegenheit zu praktischer Arbeit in der sog. Cheranad-Mission im Gebiet um Perambalore. Vielleicht darf ich gleich hinzufügen, dass die Abschlussexamina im Februar 1939 stattfanden, bei denen 16 Studenten das Examen bestanden. zwölf von ihnen wurden zu Kandidaten erklärt. Inzwischen sind sieben von denen, die bestanden haben, als Evangelisten auf verschiedenen Stationen unseres Feldes stationiert worden, und damit ist dem dringendsten Arbeitermangel unserer Mission Abhilfe geschaffen. Gurukul hat seine Pforten geschlossen, und Lic. Stählin und Dr. Estborn sind auf Heimaturlaub gegangen. Wir hoffen, dass 1942 oder 1943 eine neue Theologenklasse in Gurukul eröffnet werden kann.

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5. Fabriciusschule in Madras

Die Fabriciusschule lässt hinsichtlich des Religionsunterrichtes manches zu wünschen übrig; es macht sich eben fühlbar, dass kein Missionar den Unterricht beaufsichtigen konnte. Nachdem nun im April 1939 Missionar Witte nach Madras versetzt worden ist und im leerstehenden Gurukul Wohnung genommen hat, erhoffen wir eine Besserung der Verhältnisse. Dagegen ist die starke Seite der Schule der Sport. Unsere Schule trug zum dritten Mal den Sieg in den Sportkämpfen der Madras-Präsidentschaft davon, und damit ist die Siegestrophäe, ein großer silberner Pokal, endgültig in ihren Besitz übergegangen. Der kürzlich vollamtlich angestellte Sportlehrer hat sich dabei große Verdienste erworben. Die Zahl der Schüler stieg von 466 auf 505. Der Handfertigkeitsunterricht ist weiter ausgebaut worden und hat so sehr das Wohlgefallen der Regierungsbehörden gefunden, dass diese die Leiter der anderen Madras-Schulen angewiesen haben, unsere Schule zu besuchen und ihren eigenen Handfertigkeitsunterricht in ähnlicher Weise aufzubauen. - Unsere Mädchenschule unter Diakonisse Magdalene Matthes hat weitere, erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen. Am 3. September 1938, am Altschülerinnen-Tag, konnte eine neue Schulhalle eingeweiht werden, deren Baukosten zu mehr als der Hälfte durch freiwillige Gaben aufgebracht waren. Ein neueröffneter Zweig der Arbeit ist eine Kindergarten-Abteilung mit 28 Kindern, die sich finanziell selbst trägt. Die Schülerinnenzahl stieg auf 400. In wie gutem Ansehen die Schule steht, ergibt sich daraus, dass sich auf Veranlassung der Schulbehörden etwa 450 Lehrerinnen aus Madras fünf Sonnabende hintereinander zu einem Auffrischungskursus in unserer Schule zusammenfanden. Die Mädels der Kostschule, d.h. des Internates, erfreuten sich trotz der ungesunden Lage in diesem dichtgedrängten Stadtteil im ganzen sehr guter Gesundheit, und wir haben Jahr für Jahr aufs neue dankbar zu sein, dass wir von Seuchen bewahrt bleiben.

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6. Schule an der Brickkiln-Straße

Die kleine Schule an der Brickkiln-Straße, die sowohl von Jungens wie Mädels besucht wird, leidet an Platzmangel, da für Neuaufnahmen die Räumlichkeiten nicht mehr zureichen. Unter den Jungens wurde im Handfertigkeitsunterricht das Laubsägen eingeführt, das eine begeisterte Aufnahme gefunden hat. Aus wie armseligen Verhältnissen die Kinder dieser Schule kommen, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Schulausflug, der veranstaltet wurde, für einen Teil der Kinder etwas völlig Neues brachte. Manche von ihnen fuhren bei ihm zum ersten Male in einer Straßenbahn, und wieder andere bekamen bei dieser Gelegenheit zum ersten Male in ihrem Leben das Meer zu sehen; und dabei kann man von unserer Schule aus in weniger als einer Stunde den Strand zu Fuß erreichen! Wie viel mehr wird sich ihnen in geistiger Hinsicht erschließen, wenn sie im Unterricht Neues lernen und vor allem von Christus hören!

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7. Pandur

Die landwirtschaftliche Arbeit in Pandur wurde, nachdem Missionslandwirt Kannegießer nach Deutschland gereist war, von Missionar Witte beaufsichtigt; er musste zu diesem Zwecke regelmäßig von Tiruvallur nach Pandur fahren. Er hatte auch die Aufsicht über die Kassenangelegenheiten der Mission, die von Pandur aus erledigt werden. Unsere Dörfler kamen gegen Ende des Jahres in schwere Nöte hinein, weil der Monsunregen ausblieb und der Reis auf den Feldern verdorrte. In anderen Bezirken Südindiens kam es zu einer regelrechten Hungersnot, wo die Menschen und das Vieh dahinstarben.

Einen Aufschwung nahm die Arbeit, da gegen Ende des Jahres Diakonisse Johanna Zimmermann die Poliklinik übernahm. Ihr stehen ein indischer Heilgehilfe sowie eine voll ausgebildete indische Krankenschwester zur Seite. Nach wie vor kam wöchentlich einmal die Ärztin aus dem nicht weit entfernten methodistischen Missionskrankenhaus in Ikadu zu einer Sprechstunde nach Pandur. Im Laufe des Jahres stellten sich immer mehr Patienten ein, so dass im ganzen an 3.171 Patienten 10.846 Behandlungen ausgeführt werden konnten. So liegen hier hoffnungsvolle Entwicklungsmöglichkeiten vor. Schwester Johanna machte außerdem 93 Hausbesuche. Sie schreibt in ihrem Jahresbericht: "Furunkel und Abszesse, Hautausschläge und Verletzungen aller Art gibt es das ganze Jahr hindurch zu behandeln. Große Blutarmut, bedingt durch Wurmkrankheiten, ist sehr oft die Ursache von allerlei körperlichen Beschwerden. In der kühleren Jahreszeit gibt es viele Fieberkranke mit Husten und Bronchitis. Die Monate September und Oktober brachten durch die vielen Augenfliegen zahlreiche Augenentzündungen. Aber auch mit Zahn-, Ohren- und Halsschmerzen und Fremdkörpern in Ohren und Nase kommen Patienten." Dazu kam eine Reihe von Entbindungen. Weiter ist zu erwähnen, dass der Heilgehilfe wöchentlich einmal nach Ramancheri hinausfährt, wo er 252 Patienten behandelte. Eine besondere Schwierigkeit ist es, die Patienten zur Zahlung von Geld anzuhalten. Selbst ¼ Anna (1-2 Pfennig) erscheint ihnen oft zu viel und schreckt sie ab. Da bedarf es vielen Zuredens.

Mit dem Einzug Fräulein Frölichs in Pandur konnte ein Neuanfang mit der Arbeit unter den Frauen des Pandur- und Ramancheri-Bezirkes gemacht werden. Fräulein Frölich wird dabei von zwei Bibelfrauen unterstützt. Die Arbeit hat Eingang in fünf Sudra-Dörfern gefunden, wo etwa zwei Dutzend Schülerinnen regelmäßig in Biblischer Geschichte unterrichtet werden. Auch direkte evangelistische Arbeit wird getan. Fräulein Frölich und ihre Mitarbeiterinnen sitzen dann auf den Veranden der Häuser und haben nicht nur Frauen, sondern auch Männer als Zuhörer. Natürlich bietet auch die Hospitalarbeit Gelegenheit zu evangelistischer Tätigkeit. Der zweite Hauptarbeitszweig ist die Wirksamkeit unter den Christenfrauen, die ebenfalls systematisch unterwiesen werden. In einer Unzahl von Dorfkapellen hält Fräulein Frölich regelmäßig Abendandachten. Sie hat eine mühsame und körperlich recht anstrengende Arbeit, da sie bei weiter entfernten Ortschaften oft mehrere Tage fortbleibt und dann unter höchst primitiven Verhältnissen zu kampieren hat. Sie widmet sich auch dem Sonntagsschulunterricht zusammen mit Schwester Johanna, zu der sich sonntäglich etwa 65 Kinder zusammenfinden.

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8. Tiruvallur

Missionar Witte in Tiruvallur war bis zur Mitte des Jahres gleichzeitig Pastor von Kondancheri. Aber da er dies Jahr stark mit Verwaltungsarbeit belastet war, wie schon erwähnt worden ist, musste er von der Versorgung der zum Kondancheri-Pastorat gehörigen Gemeinden entbunden werden. Aber auch so predigte er sonntäglich in den benachbarten Dorfkirchen und Kapellen. Die Schülerzahl in unserer Schule, die zu Beginn des Jahres etwas gefallen war, konnte im Laufe des Jahres wieder zur früheren Höhe (etwa 120) zurückgebracht werden. Eine kleine Mattenwebe-Klasse wurde eingerichtet, und Frau Missionar Witte nahm sich der neueingerichteten Nähklasse für die 20 Mädchen an. Es mag noch erwähnt werden, dass Missionar Witte auch für unsere kleine Bergstation in Vercaud verantwortlich ist. Wir versuchen schon lange, das dortige Erholungshäuschen zu verkaufen, aber bisher ohne Erfolg; es ist beabsichtigt, von dem erhofften Erlös ein Häuschen in Kodaikanal zu bauen.

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9. Chidambaram

Die evangelistische Arbeit in Chidambaram war im vergangenen Jahr recht gehemmt, da Missionar Dr. Graefe weder ein geeignetes Gefährt noch die Hilfe eines indischen Evangelisten hatte. So wandte er sich mehr wissenschaftlicher Arbeit zu, deren Ertrag er wiederum den anderen Missionsarbeitern zugänglich macht. Frau Graefe arbeitet mit zwei Bibelfrauen vor allem in der Stadt. Sie berichtet u.a.: "Durch die Senana-Arbeit ist auch die Möglichkeit gegeben, christliche Literatur in die Häuser zu bringen. So hat z. B. eine ganze Anzahl von Männern (namentlich Verwandte und Männer der Frauen, die wir besuchen) mit großem Interesse D. Frölichs Gurukul-Notes gelesen. Die Mohammedaner scheinen den Großen Katechismus mit gelegentlich erstaunlichem Verständnis zu lesen." Ein neues Arbeitsgebiet eröffnete sich für Frau Graefe dadurch, dass unsere Mission die Leitung der in Chidambaram befindlichen und der Tamulenkirche gehörigen Mädchenschule im Juni 1938 übernahm. In kurzer Zeit stieg die Schülerinnenzahl von 63 auf 95. Mit Ausnahme eines einzigen Mädchens sind alle Kinder Heiden. Daraus ergibt sich die evangelistische Bedeutung der Schule. Schließlich gelang es Frau Graefe auch, mit den Studentinnen der Hinduistischen Anamalai-Universität, die sich in der Nachbarschaft von Chidambaram befindet, in lebendigere Beziehungen zu treten. Unter den etwa 35 Studentinnen sind nur fünf Christinnen, so dass sich auch hier evangelistische Möglichkeiten ergeben. Es ist zu erwarten, dass sich diese Arbeit etwas mehr ausbauen lässt.

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10. Shiyali

Die Zentralschule in Shiyali hat eine weitere, bemerkenswerte Aufwärtsentwicklung zu verzeichnen. Drei neue Schulklassen mussten eröffnet werden, weil die Schülerzahl von 507 auf 611 gestiegen ist. Von diesen sind 135 Christen, 100 Brahmanen, 321 Sudras und 55 Adidravidas. Für Missionar Missionar Hellinger als den Leiter der Anstalt wie für den Lehrkörper ist es eine verantwortungsvolle Aufgabe, dieser so schnell wachsenden Anstalt, bei der nur 22 Prozent der Schülerzahl christlich ist, weiterhin einen starken christlichen Stempel aufzudrücken. Es ist eine unvergleichliche Gelegenheit, den Schülern einen lebendigen Eindruck von der frohen Botschaft zu geben. Gleichzeitig ist auch die Zahl der Kostschüler erheblich gewachsen (von 80 auf 113); unter ihnen befinden sich neun Nichtchristen, die natürlich an allen Andachten und Gottesdiensten teilnehmen. Ist die Zentralschule eine höhere Schule, so ist die sogenannte Chatram-Schule eine Volksschule. Ihre Schülerzahl ist von 119 im Jahre 1937 auf 150 im Jahre 1938 gestiegen. Unter ihnen sind 12 Christen, 16 Mohammedaner und 122 Hindus. Finanziell trägt die Schule sich selbst, wie es auch bei einer Anzahl unserer anderen Missionsschulen der Fall ist. Wegen mangelnden Raumes können keine weiteren Neuaufnahmen erfolgen. Weiter ist Missionar Hellinger der Pastor der Shiyaligemeinde, die auch verschiedene Dorfschulen mit einschließt. Es war für ihn eine besondere Freude, dass er in Gurumangudi ein neues, schmuckes Kirchlein bauen konnte, das, auf einer Anhöhe gelegen, weit in das Land hineinschaut. Der aus Holz geschnitzte Taufstein, der sich wie eine Lotosblume öffnet, ist ein Geschenk der estländischen Missionsfreunde.

Frau Hellinger hat wie früher mit ihren Bibelfrauen in Shiyali und in den dazu gehörigen Dörfern unter den Frauen gearbeitet.

Im zweiten Missionshaus von Shiyali, im sogenannten Zeilein-Bungalow, ist Missionar Weinert eingezogen. Er betreut von dort aus das Manelmedu-Pastorat, wobei er sich eines Fahrrades bedient. Er hat auch mit evangelistischer Arbeit einen Anfang gemacht.

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11. Mayavaram

Fräulein Hübener in Mayavaram hat fünf Bibelfrauen, von denen zwei in Mayavaram selbst und drei in benachbarten Ortschaften arbeiten. Sie tun ihren stillen Dienst in etwa 200 Heidenhäusern, die wöchentlich einmal erreicht werden. Fräulein Hübener schreibt: "In einem dieser Dörfer lernen auch etwa 20 Mohammedanerinnen, von denen jedoch vier Frauen entschieden abbrachen, als wir von Jesus als dem 'Sohn Gottes' sprachen. Die übrigen jedoch ließen sich bisher durch den Fanatismus dieser vier nicht beirren." - Gleichzeitig hat Fräulein Hübener die Aufsicht über unsere zwei Mädchenschulen in Mayavaram. Die kleine Adidravida-Schule auf dem großen Missionsgrundstück dient im wesentlichen unseren eigenen Kostschulkindern und wird kaum von auswärts besucht; sie hat deshalb keine besonderen Entwicklungsmöglichkeiten. Obwohl die Schule bisher bei ihren augenblicklich 63 Schülerinnen immer nur vier Klassen gehabt hat, musste eine fünfte Klasse eröffnet werden, weil die Regierung Schulen mit nur vier Klassen künftig nicht mehr anerkennt. Haben wir für diese Schule drei Lehrerinnen, so für die Stadtschule, die ausschließlich von Kastenkindern besucht wird, fünf Lehrerinnen bei 118 Schülerinnen, von denen nur sechs Christen sind. Hier hat unsere Mission einen jahrelangen Kampf darum geführt, dass die Kinder Schulgeld bezahlen. Aber im letzten Jahr mussten wir endgültig darauf verzichten, da die anderen Stadtschulen kein Schulgeld erheben, und nunmehr die Eltern ernstlich anfingen, ihre Kinder von unserer Schule fortzunehmen. Hier wie anderswo macht uns der unregelmäßige Schulbesuch der Kinder Not, da die Eltern immer wieder aus nichtigen Gründen ihre Kinder zu Hause behalten, wenn es ihnen gerade in den Sinn kommt. - Im letzten Jahr war geplant, dass Fräulein Hübener in Mayavaram eine Bibelfrauenklasse eröffnete. Aber das Dutzend Frauen, das sich meldete, erwies sich als fast durchweg untauglich. Schließlich wurden drei Frauen ausgewählt, die Fräulein Hübener in Unterricht nahm und in die Arbeit einführte, aber die Befürchtung, dass auch diese Frauen selbst bescheidenen Ansprüchen nicht genügen würden, scheint sich zu bestätigen. Die Tatsache, dass für die Bibelfrauenarbeit kein geeigneter Nachwuchs zu finden ist, stellt einen großen Notstand dar, für den es einstweilen noch keine Lösung gibt. Auch ein Seminar zur Ausbildung von Religionslehrerinnen ist eine dringende Notwendigkeit; aber dieser Plan scheitert vorläufig noch vor allem an den damit verbundenen Kosten.

Die Leitung der Industrie-Schule ist in die Hände von Fräulein Studtrucker übergegangen, der Fräulein Hoernle zur Seite steht. Die von der Regierung erlassenen neuen Bestimmungen bedingten mancherlei Änderungen. Die Webschule stellt sich mehr auf das Weben von Stoffen für Europäer um, weil sich der Absatz von Stoffen für Inder und Inderinnen zu sehr verringerte. Die Zahl der Kostschulkinder ging um zehn auf 74 zurück. Der alte Katechet Elieser, der viele Jahre lang den Religionsunterricht gegeben hat, schied wegen Krankheit aus; dafür übernahm Fräulein Hübener den Religionsunterricht. Viel Arbeit bereitete der große Garten mit seinen vielen Pflanzungen.

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12. Tranquebar

Die achtstufige Knabenschule in Tranquebar, die Missionar Haupt untersteht, zählt 256 Schüler, von denen 72 Knaben im dortigen Internat untergebracht sind. Bei einer Cholera-Epidemie in Tranquebar erkrankten etwa 30 Jungen an schwerer Dysenterie. Der Grund dazu liegt wohl am Trinkwasser, das seit undenklichen Zeiten aus dem einzigen öffentlichen Brunnen in der Nähe der Dansborg geholt wurde. Wiederholt wurden Versuche gemacht, auf unserem Schulgrundstück gutes Wasser zu erschließen, aber immer wieder ergab sich Salzwasser. Nun ist es Missionar Haupt gelungen, eine Wasserader zu finden, die nicht salzig ist, und so besitzt nun unser Grundstück endlich einen Trinkwasserbrunnen. So dürfen wir hoffen, in Zukunft von ansteckenden Seuchen verschont zu bleiben.

Neue Wirkungsmöglichkeiten ergeben sich dadurch, dass unsere Mission in einem Vorort von Tranquebar, in Pattanachery, eine kleine Schule übernommen hat, die von Kindern der Fischerkaste besucht wird. Sie war bisher in den Händen eines Hindu, war völlig heruntergewirtschaftet und hätte geschlossen werden müssen, wenn wir nicht eingesprungen wären. Eine kleine Missionsschule, die einst Fräulein von Gernet in Pattanachery geleitet hatte, war der Schule des Hindu zum Opfer gefallen. Nachdem wir nun wieder festen Fuß gefasst haben, hoffen wir, dass die Schule zu einem Ansatzpunkt für eine gesegnete evangelistische Arbeit werden wird. Sie untersteht Missionar Haupt, ebenso wie der Verlag, der wieder eine Reihe von Büchern neu auflegen konnte, ohne dass die Mission geldliche Zuschüsse zum Druck hätte leisten müssen.

Im sogenannten Seniorats-Bungalow wohnt Missionar Heller. Weite Reisen führen ihn nach wie vor durch das ganze Leipziger Missionsfeld, da er weiterhin den Vorsitz im Schulausschuss des Leipziger Feldes führt und die Aufsicht über die rund 100 Kirchschulen dieses Gebietes hat. Reichlich 16.000 Kilometer hat er im Jahre 1938 zurückgelegt. Die Kirchschularbeit wird von der schwedischen Schwestermission unterstützt; aber die Geldmittel, die dafür aus Regierungsfonds und Zahlungen aus Uppsala zur Verfügung stehen, sind so knapp, dass es sich eigentlich nur darum handeln kann, die Schulen über Wasser zu halten. Die Regierungsvorschriften sind so verschärft worden, dass die Arbeit denkbar schwierig ist. Es ist ein sorgenreiches Amt, das Missionar Heller hat, und es ist nur seiner reichen Erfahrung zu verdanken, dass bislang noch größerer Schaden verhütet werden konnte.

Gleichzeitig ist Missionar Heller Pastor von Manikramam und außerdem der Rechnungsrevisor unserer Mission. Mit der wachsenden Zahl der Missionsarbeiter hat auch die Zahl der Missionsstationen mit eigenen Rechnungen zugenommen, die jetzt 25 beträgt. Die starke Geldknappheit, an der wir leiden, vergrößert die Verantwortung und die Sorgen beim Verwalten der Rechnungen und Verteilen der Mittel an die Stationen in jedem Monat. Auch der Besitz in Erukattancheri steht unter seiner Verwaltung wie auch die Aufsicht über die sogenannten dänischen Ländereien.

Die Arbeit, die Frau Heller unter den heidnischen, mohammedanischen und christlichen Frauen von Tranquebar, Porayar und Umgegend mit ihren Bibelfrauen tut, geht ihren stillen Gang wie bisher.

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13. Porayar

Die Leitung unserer Mädchenschule in Porayar, die bisher Fräulein Hübener unterstanden hatte, ist nach ihrer Versetzung nach Mayavaram in die Hände von Fräulein Kallert übergegangen. Die Schülerinnenzahl ist um 30 auf 242 gestiegen und machte die Anstellung einer weiteren Lehrerin notwendig. Von den Mädchen sind 111 Christinnen und 131 Hindus. Die Schule musste durch allerlei Anfeindungen hindurch, wohl veranlasst durch die Missgunst von Außenseitern, die sich über das Wachstum der Schule und ihren ausgezeichneten Ruf ärgern. Doch blieb die innere Arbeit davon unberührt. Die Kostschule ist überfüllt, da die Zahl der Kostschulkinder um 14 zugenommen hat. Leider wurden die Kinder von mancherlei Krankheiten heimgesucht, wie von Typhus, Malaria und Lungengrippe. Ein älteres Kind starb an Lungengrippe. Bei den mangelhaften hygienischen Verhältnissen Indiens sind wir trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht immer in der Lage, Ansteckungen zu vermeiden.

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14. Kumbakonam

Kumbakonam hat seit 1915 keinen Missionar mehr gehabt. Nunmehr hat Missionar Wagner dort die Arbeit aufgenommen. Fräulein Paul hat ein Haus in der Stadt unweit des großen Tempelteiches gemietet und setzt ihre Frauenarbeit fort. Sie hat einen ermutigenden Eingang unter den Brahmanenfrauen gefunden. Missionar Wagner versieht die pastorale Arbeit in Kumbakonam und den dazu gehörigen Ortschaften. Wenn man hört, dass die Christen in 21 Orten zerstreut wohnen, bekommt man einen Eindruck, wie mühsam die Arbeit ist. Der von Missionar Wagners indischem Vorgänger begonnene Bau einer Steinkirche in Kanjanur konnte zu Ende geführt werden. Nachdem in der früheren Zeit alle Dorfschulen geschlossen worden waren, konnte in Vayyal wieder eine Schule eröffnet werden. Die von annähernd 200 Kindern besuchte Morgenstern-Schule in der Stadt Kumbakonam - auch der Kirche gehörig - ist evangelistisch bedeutsam. Der kleinen Schule auf dem Missionsgrundstück, die unserer Mission gehört, musste aus den Gründen, die oben im Zusammenhang von Mayavaram genannt wurden, eine fünfte Klasse hinzugefügt werden. Die Schülerzahl beträgt annähernd 100.

Im Kumbakonam- und benachbarten Nannilam-Gebiet bemächtigte sich einer Reihe von katholischen Gemeinden eine Unruhe, weil lebhafte Klagen über die Priester geäußert wurden. Von Seiten katholischer Gemeindeglieder wurde der Wunsch laut, zu unserer lutherischen Kirche überzutreten. Unsere Mission ging der Sache nach und ließ von zwei Kommissionen die Verhältnisse an Ort und Stelle untersuchen. Zwar war es nicht möglich, ein völlig eindeutiges Bild von der Lage zu gewinnen, aber es erschien ratsam, unsere Arbeitskräfte in diesem Gebiete zu verstärken und die Entwicklung der Verhältnisse weiter zu beobachten. So wurde einer der bisherigen Lehrer der Zentralschule, D. D. Rhenius, ein Sohn des schon erwähnten Pastor Devaprasadam, nach Kumbakonam versetzt mit dem Auftrag, sich der evangelistischen Arbeit in diesem Bezirk zu widmen und gleichzeitig die Entwicklung der Vorgänge unter den Katholiken im Auge zu behalten. Da Rhenius in Gurukul theologisch geschult worden ist, erschien er für diese Arbeit besonders geeignet. Jetzt wird man sagen können, dass die Unruhe unter den Katholiken sich fast ganz gelegt hat, wenn es auch den Anschein hat, dass eine Handvoll Menschen zu uns übertreten werden. Aber das Entscheidende ist, dass wir einen fähigen Mitarbeiter für die missionarische Arbeit unter den Hindus erhalten haben und so die Hände von Missionar Wagner gestärkt worden sind.

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15. Tanjore

Auch Tanjore konnte endlich wieder mit einem Missionar besetzt werden. Im Laufe des Jahres hat Missionar Gerlach in dem für diesen Zweck mit, wenn auch bescheidenen, Mitteln wieder hergerichteten Missionshaus, in dem vor dem Kriege unsere Schwestern gewirkt haben, seinen Einzug gehalten. Er widmet sich der kirchlichen und evangelistischen Arbeit in Tanjore und in den benachbarten Gebieten. Oft führen ihn seine Reisen in das Gebiet des zur Coleroon-Mission gehörigen Tirukkattuppalli-Pastorates, wo er sich besonders der Kallar annimmt, die einst zu unserer Kirche gehört haben, aber dann in den Stürmen der Kriegszeit und vorher ins Heidentum zurückgefallen sind. Die Zukunft muss zeigen, ob sie den Weg in unsere Kirche zurückfinden.

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16. Pattukkottai

Schließlich konnte auch Pattukkottai wieder mit einem Missionar versehen werden. Missionar Röver wurde nach seiner Rückkehr vom Heimaturlaub dort stationiert. Doch war er ähnlich wie Dr. Graefe in seiner Arbeit dadurch gehemmt, dass er weder ein Gefährt noch einen indischen Evangelisten hatte. Da sich herausstellte, dass er gesundheitlich den Anforderungen dieses Gebietes, das viele mühselige Reisen mit sich bringt, nicht gewachsen war, wurde er im April 1939 nach Tranquebar versetzt, wo er die Arbeit von Missionar Haupt übernimmt, der nach Deutschland zurückkehrt. Doch soll seine Arbeit in Pattukkottai von einem der in den letzten Jahren nach Indien herausgekommenen Missionare fortgesetzt werden.

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17. Coleroon-Mission

Das schnelle Wachstum innerhalb der Coleroon-Mission ist zahlenmäßig, nachdem die 3.000-Grenze überschritten ist, zu einem gewissen Abschluss gekommen, wenigstens in den beiden Pastoraten von Lalgudi und Sengaraiyur; im Tirukkattuppalli-Pastorat dagegen geht die Bewegung im kleineren Umfange noch weiter. Beim Rückblick auf die vier Jahre, die ich mit dieser Arbeit verbunden gewesen bin, ist ein beachtlicher Fortschritt zu beobachten. Freilich manche Hoffnungen, die man im Anfang hegte, haben sich als unerfüllbar erwiesen. Dazu gehört vor allem der Traum, dass sich die Coleroon-Mission in verhältnismäßig kurzer Zeit würde finanziell selbst tragen können. Auch von den Kovilpillais hat man wohl zu viel erwartet. Aber andrerseits hat die Arbeit allen heftigen Stürmen getrotzt. Aufs Ganze gesehen, bietet sich dem Beschauer ein recht erfreuliches Bild. Die Prozesssucht ist fast gänzlich verschwunden, der Trunksucht ist unerbittlicher Kampf angesagt, der Gottesdienstbesuch bessert sich, die Gemeinden werden in wachsendem Maße mit Bibel und Katechismus vertraut, und sie lernen Geistliches und Weltliches scheiden. So darf man hoffen, dass die Christen in geistlicher Zucht und Erkenntnis weiter zunehmen werden und bis ans Ende Treue halten.

Wir stehen am Ende unseres Überblickes. Wie viel Anlass haben wir zum Danken, dass trotz aller Nöte der Gegenwart unser Werk nicht nur erhalten geblieben ist, sondern auch weiter ausgebaut werden konnte. Wenn wir auf die uns zur Verfügung stehenden Geldmittel und auf uns selbst schauen, werden wir uns unserer eigenen Ohnmacht und Schwachheit bewusst. Aber wenn wir daran denken, dass die Missionsarbeit nicht unser eigenes Werk ist, sondern in den Händen Gottes ruht, werden wir voll froher Zuversicht und können nicht anders als Gottes große Barmherzigkeit rühmen. Möchten wir Missionsleute in Gottes Schule aufs neue die Lektion lernen.

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Anmerkungen zur Coleroon-Mission

Auszug aus "150 Jahre Leipziger Mission - Gottes Werkzeug für die Welt" von Niels-Peter Moritzen, Verlag der Ev.-Luth. Mission Erlangen, 1987, Seite 76 - 77:

"Die Geschichte und ein bisschen auch die Arbeitsprinzipien der Leipziger Mission haben dazu geführt, dass viele Communities (Gemeinschaften oder Kasten) Mitglieder in der Tamulenkirche haben; 5 größere und noch soundsoviele kleinere, manche zählen bis 11, manche bis 13 Gruppen, die viel mehr prägen als bei uns Landschaft oder Beruf. Sie prägen so stark, denn man gehört einfach dazu, ob man es will oder nicht. Alle Verwandten gehören zu einer Community und es ist sehr selten, dass jemand anders heiratet. Wir haben eine indische Community in unserer Kultur, nämlich die Zigeuner, ursprünglich eine indische Kaste. Da ist es auch sehr selten, dass jemand anderer einheiraten kann.

Also gibt es auch einmal Spannungen. Auch den lutherischen Missionaren lag es nahe zu sagen: wir sind ein Garant der Einheit. Wir sorgen dafür, dass diese Kirche nicht auseinanderfällt. Wir sind der Schutzpatron der Schwächeren, die sich nicht selbst vertreten können, der ganz Armen und ungebildeten Landarbeiter.

Trotzdem ist diese Kirche nicht nur gewachsen durch die Zahl der Kinder, die dann auch getauft sind und in den Glauben hineinwuchsen, sondern auch durch Erwachsene, die sich dazu stellten. In vielen Fällen: Harijans, Kastenlose, arme Leute. Ich will eine Geschichte ein bisschen ausführlicher illustrieren. Es hieß damals die Koleroon-Mission. Mission muss es auch heißen, weil die Regeln für Gemeindeaufbau dann nicht gelten. Es gab noch keinen Pfarrer mit einer Kirche und keinen Kirchenvorstand, sondern das musste erst neu aufgebaut werden. In der Koleroon-Mission ging es um Harijans. Eine große Gruppe von ihnen war katholisch gewesen und in ihrer Kirche nicht besonders gut behandelt worden, so dass sie sich vernachlässigt fühlten.

Dann gab es eine politische Bewegung. In Tamilnadu war Gandhi nicht so stark. Aber diese andere Bewegung war eine religionskritische Bewegung, eine Bewegung der Bramahnenkritik und der Religionskritik, ganz tamilnationalistisch. Da waren sie eine Zeitlang mitgegangen und entdeckten nach einer Weile: sie haben uns gute Worte gemacht, dass wir als Kastenlose gleichberechtigt sind, aber sie haben gar keinen Glauben. Da ist ja kein Gott, an den man sich wenden kann. Das wollen wir nicht. So suchten sie eine Zuflucht im Glauben. Was macht eine Mission, wenn so eine Gruppe kommt? Soll man im Jubel Gott preisen und so schnell wie möglich alle einkassieren? Die Leipziger Mission war da sehr vorsichtig. Sie sagte, niemand soll uns vorwerfen, dass wir hier "Schafe" stehlen. Sondern wir muten ihnen zu, dass sie eine ganze Menge selber tun und dass sie eine ganze Menge lernen, ehe die Entscheidung fällt. Wir lassen uns überhaupt nicht darauf ein, sie zu taufen, denn sie sind gültig getauft.

An dieser Arbeit hat ... Paul Gäbler, einen wesentlichen Anteil gehabt. Mit dieser Arbeit hängt es auch zusammen, dass Hans Roever nach dem Krieg durch die Intervention des schwedischen Bischofs dableiben durfte und dort die große Aufgabe seines Lebens fand. Zunächst mit einer winzigen Gemeinde, in einem winzigen Winkel und einem winzigen Schülerheim. Dies Schülerheim wuchs, und er nahm diese Schüler als so selbständig, wie sie sich selber nicht nahmen. Daraus wurde eine Bewegung, eine Bruderschaft, eine evangelistische Gruppe, die biblische Geschichten aufführte. Also Mission fand tatsächlich statt." 

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Anmerkungen zu den Dalits

Auszug aus "Kirche unter Dalits, Adivasi und Kastenleuten in Südindien" von Hugald Grafe, LIT Verlag, 2013, Seite 184 - 186

"Im Jahre 1926 war es soweit, dass der Leipziger Mission die Arbeit in Indien wieder erlaubt wurde. Das geschah auf Drängen des Internationalen Missionsrats. Der Nationale Christenrat Indiens hatte die Rückkehr der Leipziger schon Ende 1924 befürwortet. Nach den Verträgen von Locarno war 1920 der Weg dafür frei. Missionsdirektor Carl Ihmels, der 1923 das Amt in Leipzig übernommen hatte, reiste schon im November 1925 nach Indien. Er vereinbarte mit der TELC für die Leipziger Mission denselben Status, den die Schweden hatten, unter Anerkennung der Dokumente A, B und C. So arbeiteten auch die Deutschen nun in der halbautonomen Kirche mit ihrer verwickelten Entscheidungsstruktur. Die ersten, die schon 1925 einreisten, waren der Dozent Richard Frölich und - zusammen mit Ihmels - Paul Gäbler, der in Indien geborene Sohn eines Missionars und Georg Albert Kannegießer. Vier weitere Männer und eine Frau durften bald ihre alte Arbeit wieder aufnehmen. Es folgten ihnen rasch neue Kräfte. Erstmals ausgesandt wurden zwischen 1926 und 1039 siebzehn Männer und zehn Frauen. Dazu kam Luise Frölich, die Tochter von Richard, die im Lande blieb und Missionarin wurde. In derselben Zeit trat auch eine vergleichbare Zahl schwedischer Kräfte in die Arbeit ein. Die Schweden hatten bald nach dem Krieg die bis 1926 entstandene Lücke im Personal rasch gefüllt, so dass sie gegenüber den Deutschen künftig in der Überzahl waren. So betreuten sie nun auch nach erneuter Aufteilung ein größeres Gebiet: Die Distrikte Ramnad, Madurai, Tiruchirappalli ohne den Kreis Udayarpalayam und Coimbatore. Den Rest, das so genannte 'Nordfeld', übernahmen die Leipziger. Nach 1914 war ganz natürlich der schwedische Einfluss in der TELC ausgeprägter als der deutsche, und er sollte sich später noch verstärken. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Schweden in Indien war selten belastet und entwickelte sich im Laufe der Zeit immer freundschaftlicher.

Es begann eine Zeit starker Neuaufbrüche in der indischen Gesellschaft, unter anderem durch eine drawidische Bewegung in Südindien, die die Vorherrschaft der Brahmanen im sich anbahnenden freien Indien befürchtete, eine politische Frauenbewegung, die sich mit dem Kampf der Dalits gegen das Prinzip der 'Unberührbarkeit' unter Dr. Ambedkar verband, sowie der ambivalente Einfluss seines Rivalen Mahatma Gandhi im Freiheitskampf. Für die Tamilkirche wurde vor allem das Self Respect Movement Südindiens bedeutsam. Die atheistischen, teils marxistischen, Anhänger dieser Bewegung übten in den Distrikten von Thanjavur und Tiruchirappalli einen starken Einfluss auf Glieder der römisch-katholischen Kirche aus. Diese unterhielt weithin noch seit der Zeit von Roberto de Nobili, Missionar in Indien 1605 - 1656, getrennte Kirchgebäude für verschiedene Kasten. Dagegen protestierend entschlossen sich Tausende 1934 zum Übertritt in die lutherische Kirche. In der Tamilkirche hatte die Trennung der Kasten so gut wie aufgehört, völlig schon 1910 bei den Sitzplätzen in den Speisesälen der Internate. Diese als "Los von Rom" bezeichnete Bewegung wurde vor allem von Pastor Jesudas und dem Kandidaten Gnanavaram für die TELC in der nach dem Gebiet des Flusses Coleroon genannten Coleroon-Mission nutzbar gemacht.

Es wurde auch bewusst versucht, neue Gebiete zu erreichen. Entlang der Pilgerstraße nach Kameshwaram besuchten Leipziger Missionare viele Dörfer, darunter solche, wo der Name Christus noch nie genannt worden war. Dasselbe galt für den Umkreis von Sirkahli, wo die Shudrakaste der "Padeiachi" angesprochen wurde. …"

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Statistik

Die Angaben sind entnommen aus den Buch von Niels-Peter Moritzen "Werkzeug Gottes in der Welt. Ev.-Luth. Mission". Erlangen 1986, Seite 27.

 

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