Gäblerheimat

Gäblerheimat

Herkunft der Brüder Hermann, Heinrich und Julius Gäbler aus Dornhennersdorf bei Zittau

Von Johannes Gäbler

Radebeul bei Dresden 1977

Inhalt

Vorbemerkungen 
Die Heimat der Brüder 
Die Eltern der Brüder 
Die Gäbler in Dornhennersdorf 
Der Name Gäbler und andere Ahnennamen 
Siedlungsgeschichte 
Reformation und Dreißigjähriger Krieg 
18. und 19. Jahrhundert
Das Leben der Vorfahren
Anhang
- Familienforscher Ernst Gäbler
- Familientage von 1935 bis 1939

Verweise


Vorbemerkungen

Mehr als fünf Jahrzehnte habe ich mich in meiner Freizeit der Erforschung meiner Ahnen gewidmet. Heute ist die Heimat meines Vaters Heinrich Gäbler und seiner Brüder Hermann und Julius Gäbler den meisten ihrer Enkel nur noch dem Namen nach bekannt. So will ich für sie und für deren Nachkommen zusammenstellen, was ich über die Heimat der drei Brüder, sowie über alle ihre direkten Vorfahren weiß. Ich konnte Namen und Daten von weit mehr als 300 Ahnen der drei Brüder, die damit auch unsere Vorfahren sind, zusammentragen.

Die Kirchenbücher als wichtigste Quellen habe ich besonders vor dem zweiten Weltkriege zum Teil durchforscht, sie sind für die Gebiete östlich der Neiße entweder nicht mehr vorhanden oder mir nicht zugänglich. Dafür bieten aber insbesondere die Gerichtsbücher, die im Staatsarchiv Dresden liegen, viele Aufschlüsse über das Leben unserer Vorfahren. Wenn auch die genauen Lebensdaten (Geburt, Heirat, Tod) nicht oder nur selten aus diesen Quellen zu erhalten sind, so ergeben sich doch vielfach die Verwandtschaftsbeziehungen aus ihnen besser als aus den oft sehr kurzen Angaben in den Kirchenbüchern. Beispielsweise fanden sich in den Kirchenbüchern von Reichenau um das Jahr 1800 fünf Johann Friedrich Scholze, von denen einer unser Vorfahr ist. Erst mühsames Studium in den Gerichtsbüchern ergab eindeutig die Herkunft des "richtigen" Johann Friedrich Scholze.

Geholfen haben mir ferner gedruckte und geschriebene Quellen, sowie die Korrespondenz mit etlichen Familienforschern, die sich ebenfalls mit Vorfahren in der Umgebung von Zittau beschäftigt haben. Zuerst nenne ich aber das Buch des etwa 1960 in Zittau verstorbenen Ernst Gäbler. "Die Gäbler. Ein Lausitzer Bauern- und Webergeschlecht", Zittau 1938. Ernst Gäbler, der einst in Kleinschönau bei Zittau, am östlichen Ufer der Neiße gelegen, Lehrer war, hat in jahrzehntelanger Arbeit die Daten möglichst aller Nachkommen Gäbler des ältesten in den Quellen auffindbaren Gäbler, unseres Stammvaters Jakob Gäbler (geb. etwa 1520) gesammelt und in diesem Buch veröffentlicht. Ferner habe ich wertvolles Material aus den beiden familiengeschichtlichen Bänden meines Freundes Dr. .Fritz Hauptmann entnehmen können, die er unter dem Titel: "Woher wir kommen. Ein Buch von Heimat und Vorfahren", Marburg 1970 und 1976, als Privatdruck veröffentlicht hat. Fritz Hauptmann stammt aus Ebersbach westlich von Zittau, hat aber eine ganze Anzahl von Vorfahren in Zittaus Umgebung mit uns gemein. Schließlich sei noch Herr Kirchenoberinspektor i.R. Erich Pröwig in Zittau genannt, der mir in mühevoller Arbeit manch wertvolles Material beigesteuert hat...

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Die Heimat der Brüder

Wo liegt nun die Heimat der drei Brüder Hermann, Heinrich und Julius Gäbler und deren Vorfahren?

Umgebung von ZittauDer größte Teil ihrer Ahnen lebte in einem Gebiet von etwas über 10 km x 10 km Ausdehnung östlich von Zittau. Im Süden und Osten wird dieses Gebiet durch die Grenze gegen Böhmen, die heutige CSSR, begrenzt. Im Norden und Westen ist die Begrenzung nicht so genau festzulegen. Etliche Vorfahren stammen auch aus etwas weiter entfernten Orten im Norden von Zittau, sowie etwas westlich und südlich davon. Besonders zur Zeit der Gegenreformation kamen einige Vorfahren aus Böhmen in das genannte Gebiet herüber.

Das hügelige Land wird von Süd nach Nord von der Neiße durchschnitten, auf deren östlicher Seite ausnahmslos die Vorfahren des Namens Gäbler zu finden sind. Westlich der Neiße liegen nahe dem Fluss nördlich von Zittau die Orte Drausendorf, Hirschfelde, Rosenthal, das Kloster St. Marienthal, die Stadt Ostritz und Leuba, auf der Ostseite der Neiße Kleinschönau (Sieniawka), Scharre (Zatonie-Wies) und Rohnau (Trzcieniec). Bis auf Ostritz wurden diese Ortschaften auch von einigen unserer Vorfahren bewohnt. Weiter östlich der Neiße sind als Wohnorte unserer Vorfahren Zittel (Pasternik), Türchau (Turoszow), Reibersdorf (Rybarzowice), Sommerau (Bialopole), Wald (Opolno-Zdrój), Oppelsdorf (Opolno-Zdrój), sowie Reichenau (Bogatynia) zu nennen, in das südlich davon Lichtenberg (Jasna Góra) und östlich, schon an der Grenze Böhmens, Markersdorf eingepfarrt waren. In Markersdorf (Markocice) lebten die direkten Vorfahren Gäbler bis zum Jahre 1764. Etwas nördlich dieser Dörfer liegen das meist katholische Seitendorf und östlich davon Dornhennersdorf (Strzegomice) und als zugehöriges Kirchdorf Weigsdorf (Wigancice Zytawskie). Alle diese Orte östlich der Neiße gehören heute zur Volksrepublik Polen und haben jetzt natürlich polnische Namen. Westlich der Neiße sind als Heimatorte der Vorfahren Eckartsberg, Radgendorf, Wittgendorf und Dittelsdorf zu nennen, weiter westlich Mittelherwigsdorf mit Scheibe und Oberseifersdorf, Spitzkunnersdorf, sowie Niederoderwitz, schließlich südlich von Zittau Olbersdorf und Jonsdorf.

Stieg man in Hirschfelde nach etwa 10 Minuten Bahnfahrt von Zittau in Richtung Görlitz aus dem Zug, so gelangte man nach Überschreiten der Neiße in über einstündigen Fußmarsch (der Kraftomnibus fuhr mir selten) zuerst durch Scharre, dann in östlicher Richtung nun ansteigend durch das langgezogene Seitendorf, an seiner hochgelegenen katholischen Kirche und an mehreren Kruzifixen vorbei auf den Sandberg. Von hier oben bot sich ein schöner Blick auf das etwa 300 m über dem Meeresspiegel gelegene Dornhennersdorf, die Heimat der drei Brüder, ein Bauern- und Weberdorf mitten im Grün, links und rechts von der "steinernen" und der "hölzernen" Windmühle begrenzt, weit im Hintergrund die Höhen des Isergebirges in Böhmen mit seinem höchsten Berg, der Tafelfichte. Nur wenige Minuten gings nun steil die Dorfstraße hinab und dann rechts von ihr etliche Schritte hinauf zum Geburtshaus der Brüder, zum Haus Dornhennersdorf Nr. 57.

Auch über Reichenau, den Hauptort des Ahnengebietes, konnte man nach Dornhennersdorf gelangen. Man fuhr von Zittau mit der Schmalspurbahn (sie wurde 1884 eingeweiht und bestand bis 1945) in etwa einer Stunde über Kleinschönau, Zittel, Friedersdorf, Reibersdorf und Wald-Oppelsdorf nach Reichenau. Die Bahn fuhr weiter nach Markersdorf und hatte Anschluss nach Friedland in Böhmen, das durch Wallenstein, den "Friedländer", bekannt ist. Von Reichenau gelangte man am Schützenhaus und der katholischen Kirche vorbei in einstündiger Wanderung von Süden nach Dornhennersdorf. Man ging an Äckern vorüber, die einst Vorfahren von uns gehörten, den Bauern Gottlieb Spänich und später seinem Schwiegersohn Gottfried Engler. Höher hinauf führte die Straße zur "Windschenke" und der hölzernen Windmühle, von wo aus, auf Feldwegen abwärts gehend, bald das Haus Nr. 57 erreicht war, an der Pappel erkenntlich, die im Grundstück stand.

Hier begrüßten uns als Kinder die Großmutter Ernestine Gäbler geb. Hiller (Großvater Gustav Gäbler habe ich nicht mehr gekannt) und Onkel Julius Gäbler, der jüngste der drei Brüder, mit seiner Frau, Tante Paula, nicht zu vergessen Flock, der Hund, der uns schon von weitem erkannte und entgegensprang.

Das Haus Dornhennersdorf Nr. 57 war eines der vielen Lausitzer Umgebindehäuser. Sein Untergeschoss besaß eine aus Balken gebildete Blockstube, um die herum Pfosten standen, die durch das "Umgebinde" verbunden waren und die das Obergeschoss trugen, das als Fachwerk ausgebildet war. Das Haus hatte links von der Haustür die Wohnräume, rechts befand sich der Ziegen- oder Kuhstall, anschließend die Scheune. Trat man in den Hausflur, das "Haus" genannt, so führte gleich rechts die steile hölzerne Treppe zu den beiden Schlafräumen mit schönen alten buntbemalten Schränken im Vorraum. Links von der Haustür ging's am Brotschrank, dem "Brothäusel" vorbei in die Wohnstube. Hier befand sich zu meiner Kindheit in der äußeren linken Ecke der Handwebstuhl, den Onkel Julius bis etwa Ende des ersten Weltkrieges bediente. Später, nachdem er sechs Jahre lang Bürgermeister von Dornhennersdorf gewesen war, richtete er im "Stübel", einem rechtwinklig zum Hause stehenden hinteren Anbau an der Scheune, eine kleine, elektrisch betriebene Weberei ein, in der hauptsächlich Handtücher und Scheuertücher gewebt wurden. Ursprünglich war der Anbau als "Ausgedinge" für die alten Eltern gedacht, wenn der Sohn das Haus mit dem Grundstück den Eltern abgekauft hatte. Früher hatten in der Wohnstabe zwei Webstühle gestanden, so dass beide Eltern Gustav und Ernestine unserer drei Brüder weben konnten, um einigermaßen für sich und ihre Kinder Ihr tägliches Brot, die Butter wurde aus Ziegenmilch hergestellt, sonntags vielleicht auch etwas Fleisch als Nahrung, verdienen zu können. Später wurde die Wohnstabe in zwei Teile geteilt, in einen Wohn- und einen Küchenraum. Die ursprüngliche Wohnstube hatte je drei Fenster nach vorn und hinten, drei nach der Giebelseite. Früher ließ sich jeweils nur eine Hälfte jedes Fensters zur Lüftung des Raumes zur Seite schieben. Diese Art der Schiebefenster ist schon sehr alt, sie wird bereits im 17. Jahrhundert "Ritschelfenster" (von "rutschen" abgeleitet) genannt. Der Fußboden, der ursprünglich aus Lehm bestanden hatte, trug Holzdielen, die sonnabends tüchtig gescheuert wurden. Außer dem Webstuhl stand gleich neben der Stubentür der Glasschrank mit Lausitzer Töpfergeschirr und Gläsern. Das "Kanapee" an der Vorderwand der Stube zwischen den Fenstern lud zum Ausruhen der müden Glieder ein, vor ihm stand der Tisch mit den Stühlen. Einen wesentlichen Teil der Wohnstube nahm der große Ofen ein, auf dem Tante Paula, die sehr gut kochen konnte, das Essen bereitete. Hinter ihm ging's wieder In den Hausflur hinaus am ehemaligen Backofen vorbei, den ich aber nicht mehr in Betrieb gesehen habe. Er war an das Haus hinten angebaut und diente nach Umbau später als Speisekammer. Eine Tür führte vom Hausflur in den Ziegenstall, eine andere in den Keller. Rechts außen neben der hinteren Haustür fand sich ein hölzernes Häuschen mit einem Herz in der Tür.

Haus der Familie Gustav Gäbler in DornhennersdorfDas zum Haus gehörende Grundstück von etwa 1 ha Größe war in seinem vorderen, der Dorfstraße zu gelegenen Teil mit vielen Obstbäumen, besonders Apfelbäumen bestanden, dem Stolz von Onkel Julius, der sich mit viel Liebe und Sachkenntnis ihrer annahm. Das Gras zwischen den Bäumen wurde von ihm mit der Sense gemäht, es diente den Ziegen zur Nahrung, die Tante Paula treulich versorgte. Früher hatte dies Großmutter Ernestine getan. Trat man aus der Haustür, so begann rechts die "Allee", die bis ans Feld führte. Sie war bereits von Großvater Gustav Gäbler mit zwei Reihen von Kirschbäumen bepflanzt worden, von denen wir Kinder die großen dunklen saftigen Kirschen pflücken durften. Rechts von der "Allee" lag der kleine Gemüsegarten, in dem Tante Paula allerlei Gemüse und Blumen anbaute. Dahinter standen die Bienenhäuser, und es war eine Freude für uns Kinder, wenn wir in gehörigem Abstand zusehen durften, wie Onkel Julius, eine Pfeife stinkenden Tabaks rauchend, sich um die Bienen kümmerte. Manches Glas Bienenhonig schenkte er uns zum Abschied.

Dem Eingang des Hauses gegenüber fiel das Gelände etwas ab und stieg dann wieder zum benachbarten Bauerngut des Bauern Ebermann an. In der Senke stand das Wahrzeichen des Hauses, die große Pappel. Hier wurde in späteren Jahren das Feld durch eine eingezäunte Wiese ersetzt, auf der ein großes Hühnerhaus stand. Jahrelang fuhr Onkel Julius wöchentlich, Rucksack und Fahrrad voll Eierkisten geladen, etwa 15 km weit nach Zittau, um die Eier seinen Kunden ins Haus zu bringen. Der hintere Teil des Grundstückes wurde als Feld mit Getreide, Kartoffeln oder Rüben bebaut, wobei der benachbarte Bauer um die erforderlichen Ackerarbeiten gebeten werden musste.

War der Feierabend angebrochen, Onkel Julius hatte zu weben aufgehört und das Futter für die Ziegen war von der Wiese geholt worden, so saß man an schönen Sommerabenden neben der Haustür auf der Bank und genoss die ländliche Ruhe, die kaum durch ein Fahrzeuggeräusch gestört wurde. Private Kraftfahrzeuge waren bis zum zweiten Weltkriege noch eine Seltenheit, der Verkehr spielte sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad ab. Zu meinen frühen Kindheitserinnerungen gehört, dass noch die pferdebespannte Postkutsche den Verkehr Hirschfelde - Seitendorf - Dornhennersdorf - Weigsdorf vermittelte, mit der auch ein paar Personen befördert werden konnten.

Wurde es dunkel und kühl, so wurden die Fensterläden in der Wohnstube vorgeschoben und die Petroleumlampe angebrannt, die wohl kurz nach dem ersten Weltkriege durch elektrische Beleuchtung ersetzt wurde. Nun wurde erzählt, und Onkel Julius konnte viel aus der Vergangenheit des Dorfes und der Familie berichten. Oft habe ich sein Gedächtnis für Namen und Daten bewundert. Er kannte die Zusammenhänge und Schicksale aller Zweige der Familie bis weit zurück ins vorige Jahrhundert.

Sonntags wurde von Dornhennersdorf aus zu Fuß meist der Gang in die Kirche angetreten. Der Weg führte die Dorfstraße abwärts in östlicher Richtung an der dreiklassigen Volksschule, am Kretscham (dem Dorfgasthaus mit Fleischerei) und am Dornhennersdorfer Rittergut vorbei eine Stunde weit in das sich. anschließende Kirchdorf, nach Weigsdorf, wo auch Gustav Gäbler und Ernestine geb. Hiller begraben liegen. Die Kirche stand unmittelbar an der böhmischen Grenze, ein Teil des Friedhofes gehörte sogar zum Nachbarland, so dass sich auf dem Friedhof Grenzsteine befanden. Die Grenze des Pfarrhausgartens war zugleich Staatsgrenze. Von der einen Seite kamen die sächsischen, von der anderen die böhmischen evangelischen Kirchenbesucher, da auch mehrere böhmische Orte nach Sachsen eingepfarrt waren, u.a. Dörfel, das bis 1848 zu Sachsen gehört hatte, aber im Zuge einer Grenzregulierung an Böhmen gefallen war. Im Kirchenschiff saßen die Frauen, die Männer auf der Empore. Nach dem Gottesdienst traf man auf dem Friedhof Bekannte von diesseits und jenseits der Grenze.

Die Weigsdorfer Kirche steht seit dem Jahre 1804, ihre Vorgängerin wurde 1492 erbaut. Aber bereits im Jahre 1160 wurde in Weigsdorf eine Kapelle geweiht, der 200 Jahre später eine Kirche mit Turm, zwei Glocken und drei Altären folgte. Einer der ersten evangelischen Pfarrer von Weigsdorf, er wirkte dort von 1571 bis 1581, war ein Vorfahr von uns, Magister Markus Mauer, von dem später kurz berichtet werden soll.

In der Jugend der Brüder Hermann und Heinrich war in Weigsdorf Pfarrer von Wilucki tätig, dessen junge Frau, (sie starb als "unsere Tante Gertrud" von Wilucka 80jährig 1934 in Dresden) sich sehr um die beiden kümmerte, ihnen neben der Schule Privatunterricht gab und dazu verhalf, dass Hermann Missionar, Heinrich Lehrer werden konnte.

Wenn Tante Paula Zeit hatte, gingen wir mit ihr manchmal nachmittags in die Pilze, die wir im Rittergutswald fanden, der an der böhmischen Grenze südlich von Weigsdorf lag. Oder wir zogen zum "Schissen" (zum Schützenfest), mit Jahrmarkt verbunden nach Reichenau. Einmal im Jahr wurde vielleicht auch der Bruder Karl Gottlieb Hiller der Großmutter Ernestine, nach seinem Tode ihr Neffe Reinhard Hiller in Dittelsdorf, jenseits Hirschfelde, im Geburtshaus der Großmutter besucht, immerhin in jeder Richtung ein Weg von zwei Stunden! Unterwegs traf man Bekannte, und Tante Paula wurde gefragt: "Paulin, willst wohl verreesen (verreisen)?" Als Tante Paula noch nicht lange verheiratet war, wurde sie in der Fleischerei auf dem Sandberg als Fremde angesehen. Aber die Fleischersfrau wusste Bescheid: "Das ist Gottlieb-Gustav-Julius Frau". Nicht Julius Gäblers Frau wurde so bekannt gemacht, denn es gab ja mehr Gäbler im Dorfe, sondern der Name des Großvaters Gottlieb und des Vaters  Gustav ihres Mannes Julius wurde genannt.

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Die Eltern der Brüder

Die Eltern von Hermann, Heinrich und Julius waren Gustav Gäbler (1836 - 1904) und Ernestine geb. Hiller (1843 - 1916). Als die beiden am 18.6.1866 heirateten, war Krieg. Die Preußen marschierten durch Hirschfelde und die Hochzeitskutsche musste die "Feinde" vorüberlassen, denn Sachsen war ja mit Österreich gegen Preußen verbündet. So musste die Trauung in Dittelsdorf wohl um eine Stunde verschoben werden. Wie anders verliefen 50 und besonders 75 Jahre später die beiden Weltkriege, wobei der letztere zum Verlust der Heimat jenseits der Neiße führte!

Gustav Gäbler war in Dornhennersdorf im Hause Nr. 84 als einziger Sohn von Gottlieb Gäbler (1806 - 1865) und dessen Frau Christiane geb. Bergmann (1810 - 1863), aus Reichenau, geboren. Haus Nr. 84 stand auf der anderen Seite der Dorfstraße nur einige Meter unterhalb des Hauses Nr. 57. Zu ihm gehörte nur ein kleiner Hausgarten, und so war's ein Fortschritt, als Gottlieb Gäbler etwa 1851 das Haus Nr. 57 mit anschließendem Feld für 1150 Thaler kaufte. Gustav Gäbler muss ein tief gläubiger Mensch gewesen sein, das lassen noch von ihm erhaltene Briefe erkennen. Er alterte aber vorzeitig. Sein Sohn, Onkel Julius behauptete, Gustav habe sich als junger Mann, ebenso wie einige gleichaltrige Dorfbewohner, in der Windschenke (nahe der hölzernen Windmühle) bei einem Schlachtfest eine Trichinenvergiftung zugezogen, die bei ihm und anderen in älteren Jahren zur Erschlaffung der Muskeln geführt habe. Er war Hausweber und versorgte zugleich sein Grundstück, in dem er ein bis zwei Kühe, später aber nur Ziegen, dazu Hühner hielt. Das Einkommen eines Webers war im 19. Jahrhundert sehr gering, und so war manches Mal Schmalhans Küchenmeister. (Bilder und Stammbaum)

Seine Frau, Ernestine Gäbler geb. Hiller, stammte aus einem kleinen, hauptsächlich landwirtschaftlichen Betrieb. In Dittelsdorf, links der Neiße, oberhalb von Hirschfelde, war ihr Vater,  Karl Gottlieb Hiller (1801 - 1847), "Gärtner", d.h. ein Kleinbauer, und Weber. Später wurde das Grundstück, das am Anfang von Dittelsdorf, von Hirschfelde aus gesehen, lag durch Zukauf von Feldern zu einem reinen Bauerngut. Da Dittelsdorf erst 1850 eine eigene Kirche erhielt, wurde Ernestine Hiller 1843 in Hirschfelde getauft. Ihr Bruder Karl Gottlieb Hiller (1839 - 1919) übernahm etliche Jahre nach dem frühen Tode des Vaters das Gut, das von ihm sein jüngerer Sohn Reinhard Hiller erbte. Der ältere Sohn Gustav Hiller (1868 - 1939) war Jahrzehnte Kantor und Lehrer im nördlich von Dittelsdorf gelegenen Burkersdorf und verstarb im Ruhestand in Zittau, wo ich ihn auch noch besucht habe. Ernestines Schwester Juliane Hiller (1851 - 1884) heiratete den Gärtner Ernst Zücker in Schönau auf dem Eigen einige Kilometer nördlich von Dittelsdorf. Auf diesem Gute, das dann der Schwiegersohn Reinhold Hübner besaß, verlebte ich zusammen mit meinem älteren Bruder Martin im Hunger-Kriegsjahr 1917 schöne Sommerferien, wobei besonders mein Bruder tüchtig in der Ernte mithalf.

Großmutter Ernestine geb. Hiller war geistig recht gut beschlagen, sie schrieb schöne, orthographisch einwandfreie Briefe, obwohl sie nur die Dorfschule besucht hatte. Vielleicht wirkte bei ihr noch das Ahnenerbe nach, da sie mehrere Schulmeister und mehrere Pfarrer unter ihren Vorfahren hatte, wovon sie wohl selbst keine Ahnung besaß. Sie hat durch ihre Heirat mit Gustav Gäbler bestimmt kein leichtes Leben gehabt, musste sie doch nicht nur Haus- und Feldarbeit verrichten, in früheren Jahren auch am Webstuhl sitzen, ihre drei Söhne zu guten und tüchtigen Menschen erziehen, sondern hatte auch noch viele Jahre ihre Mutter Christiana Dorothea Hiller geb. Engler (1807 - 1894) bei sich wohnen. Später wuchs ihr ältester Enkel, der Sohn Johannes des Missionars Hermann, nach dem frühen Tode seiner Mutter vom 2. bis zum 10. Lebensjahre in ihrem Hause auf. Im Jahre 1916, in schwerer Kriegszeit, ging Ernestine heim.

Sowohl die Mutter von Gustav als auch die Mutter von Ernestine stammten aus Reichenau, dem größten Ort der Gegend, und demjenigen Ort, in dem die meisten unserer weiteren Vorfahren lebten.

Ebenso wie ich mich an den Bruder der Großmutter, Karl Gottlieb Hiller in Dittelsdorf, erinnern kann, sehe ich im Geiste auch ihren Cousin Ernst Engler mit seinem großen Vollbart auf der Bank unter der Linde an der Straße von Reichenau nach Dornhennersdorf sitzen, einer Bank, die am oberen Ende der Felder seines Bauerngutes stand und einen schönen Blick nach Süden auf Reichenau und den dahinterliegenden bewaldeten Höhenzug an der böhmischen Grenze gestattete.

Ein anderer Verwandter, der Mann einer Cousine von Gustav Gäbler, Johann Gottfried Frömter, ist mir durch seine hohe Gestalt und seinen langen Bart noch gut in Erinnerung. Er war einst Fahnenträger eines österreichischen Regimentes in der berühmten Schlacht bei Solferino im Jahre 1859 gewesen, die durch ihre schweren Verluste bei Sieger und Besiegten den Anstoß zur Genfer Konvention des Roten Kreuzes gab. Gottfried Frömter, der Patenonkel meines Vaters Heinrich Gäbler war, starb 95jährig im Jahre 1925 in Weigsdorf .

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Die Gäbler in Dornhennersdorf

Aus dem östlich an Reichenau angrenzenden Markersdorf, das kirchlich zu Reichenau gehörte, stammen die ältesten uns bekannten Gäbler. Im Jahre 1764 heiratete Regina Gäbler geb. Pfennigwerth, die Witwe von Hans Christoph Gäbler (1703 - 1762), der Zimmermann in Markersdorf war, den Schuhmacher und Witwer Gottlob Schwarzbach in Dornhennersdorf und brachte ihren Sohn Gottlieb mit dorthin. So kam der Urgroßvater Gottlieb Gäbler (1750 - 1803) von Gustav Gäbler nach Dornhennersdorf, wo schon andere Zweige der Gäblersippe, wie in vielen Orten rings um Reichenau, wohnten. Nach dem Tode seines Stiefvaters kaufte Gottlieb im Jahre 1777 dessen Haus für 40 Reichsthaler. Dieses Haus verkaufte er 1797 an seinen Sohn Gottlob Gäbler, der es wiederum 1839 an seinen jüngsten Sohn Johann August weiterverkaufte. Dieser wanderte etwa 1844 nach Polen in die Gegend von Lodz aus, da er dort bessere Arbeits- und Lebensbedingungen erhoffte. Es war das Jahr des schlesischen Weberaufstandes, der durch die drückende Lage der Weber hervorgerufen worden war.

Lodz war damals das Ziel vieler Weber, da die russische Regierung in diesem polnischen Ort eine eigene Textilindustrie aufbauen wollte. So rief sie Weber aus Sachsen, Schlesien und Böhmen herbei, die mit Spindeln und Handwebstühlen nach Lodz kamen, dort kostenlos Bauland für ihre Häuser erhielten und sechs Jahre lang, keine Steuern zu bezahlen brauchten. Lodz, das 1820 nur 800 Einwohner hatte, wuchs bis zum Jahre 1805 auf 40.000, im Jahre 1914 auf eine halbe Million Einwohner an. Mancher Weber wurde dort mit Geschick und Skrupellosigkeit zum reichen Fabrikanten, von denen der bekannteste Karl Scheibler war. Er hatte in England gelernt, kam 1854 nach Lodz und errichtete mit nachgebauten englischen Textilmaschinen besonders Spinnereien. Wahrscheinlich war dieser Karl Scheibler ein Verwandter der Schwiegermutter Martha Elisabeth Bischoff geb. Scheibler von Gottlob Gäbler.

Der älteste Sohn von Gottlob Gäbler, Gottlieb Gäbler, erhielt 1832 kurz vor seiner ersten Verheiratung (diese Ehe währte nur reichlich ein Jahr) eine Baustelle in Dornhennersdorf, die sein Vater für ihn kaufte. Hier wurde das schon erwähnte Haus Nr. 84 erbaut.

Die Häuser Nr. 57 und Nr. 84 und fast das ganze Dorf Dornhennersdorf (es hat, wie all die anderen Orte jenseits der Neiße heute einen polnischen Namen (Strzegomice) existieren heute nicht mehr. Schon im ersten Weltkriege begann bei Türchau nahe der Neiße der Braunkohlentagebau, wobei die Kohle im wesentlichen als Heizstoff für das Elektrizitätswerk in Hirschfelde verwendet wurde, das ganz Ostsachsen versorgte. Vom Ort Türchau, wo eine ganze Anzahl unserer Vorfahren lebten, blieb wohl nur die Kirche übrig. Etwa 1960 wurde östlich der Neiße ein polnisches Kraftwerk gebaut, das ebenfalls von diesem Tagebau gespeist wird. Da man auch in größerer Tiefe noch Kohlen findet, wurde der Abraum weiter östlich abgelagert, so dass sich jetzt eine riesige Halde nördlich von Reichenau auftürmt. Der obere Teil von Seitendorf, die Dornhennersdorfer Windmühlen am Sandberg und der größte Teil des Ortes Dornhennersdorf wurden zugeschüttet. Die eingangs genannten Straßen von Hirschfelde und Reichenau nach Dornhennersdorf sind unter der Halde verschwunden. Nur die Straße von Königshain, nördlich von Seitendorf gelegen, über die Höhen liefert einen Zugang nach Weigsdorf und von dort gelangt man in westlicher Richtung in den unteren Teil von Dornhennersdorf. Die übrigen Häuser sind schon abgerissen und großenteils bereits unter der Schutthalde verschwunden. Bei meinem einzigen Besuch nach dem zweiten Weltkrieg im Dezember 1975 konnte ich nichts mehr wiederfinden. Auch in der Weigsdorfer Kirche scheint kein Gottesdienst mehr abgehalten zu werden, sie gehört jetzt zur CSSR.

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Der Name Gäbler und andere Ahnennamen

Der Name Gäbler, mundartlich "Gabler", leitet sich wohl eindeutig von dem Orte Gabel (Deutsch-Gabel), 16 km südlich von Zittau ab, in alten lateinischen Urkunden als "gablona" bezeichnet. Der tschechische Name ist Jablonné, und dies ist auf deutsch das Eigenschaftswort zu jablon = Apfelbaum. Eine Herleitung von dem Gerät Gabel, die vielleicht für andere Familien Gäbler zutreffen mag, kommt nicht in Frage, da dieses in der Zittauer Gegend als "Goabel" bezeichnet wird. So sind wir eigentlich die "Leute aus dem Ort, in dem Apfelbäume stehen", kürzer natürlich "Leute, die aus Gabel stammen".

Der Name Gäbler tritt in abgewandelter Form schon Anfang, des 14. Jahrhunderts in Zittau auf. So gab es unter den Zittauer Ratsherren schon 1312 einen Gunter von Gabel (wobei "von" nur seine Herkunft, nicht ein Adelsprädikat bezeichnet). Der Verfasser des Gäblerbuches, Ernst Gäbler, teilte mir einmal mit, dass in Görlitz 1439 ein Hans Gebeler das Bürgerrecht erwarb und 1531 ein Zittauer Bürger Matz Gebeler sein Haus mit einem Görlitzer Einwohner tauschte. Nach Ernst Gäbler gab es bereits um 1550 in Markersdorf mehrere Gäbler, einer von ihnen stammte aus Görlitz. Unter diesen Markersdorfer Gäbler fand er dann Jakob Gäbler als unseren direkten Ahn. Dieser wird beispielsweise beim Kauf des Markersdorfer Scholzengutes durch den Sohn Peter unseres Vorfahren Peter Heffter als Gerichtsältester und dessen Nachbar 1566 genannt. Diese ältesten Urkunden, insbesondere die Erbauseinandersetzung im Jahre 1579 nach Jakob Gäblers Tode lagen im Schlossarchiv von Friedland in Böhmen, jetzt befinden sie sich im Bezirksarchiv Decin (CSSR) an der Elbe.

Auch der Ursprung einiger anderer Familiennamen unserer Vorfahren soll kurz geklärt werden, wobei allerdings oft mehrere Deutungen möglich sind.

Auf altdeutsche Vornamen, die heute nicht mehr bei uns üblich sind, gehen wohl die folgenden Familiennamen zurück: Apelt (Adabald, der durch edle Abkunft glänzende), Eckart (der Schwert-Starke), Engelland, Engelmann, Engler (Engelbert, der wie ein Engel glänzende, oder andere mit Engel- beginnende Namensformen), Helwig (Heilwig, der kämpfende Held), Hiller (von hiltja, Kampf), Kießling (von gisal, Kind edler Herkunft), Mennel, Mönch (von magan, Kraft), Peuker (von baugrat, bauge, Schmuck), Thiele (Dietrich).

Von christlichen Vornamen können abgeleitet werden: Hentschel, Jentzsch (Jan, slawische Form von Johannes, Hans), Kirsche (Christian), Lucke (Lucas).

Auf Berufe lassen sich zurückführen: Bischoff (Mann bei einem Bischof), Dreßler (Drechsler), Hefter (Spangen- oder Messergriffmacher), Hofmann (Mann beim Rittergutshofe), Rolle (sorbisch rola = Acker, Ackermann), Scheibler (Besitzer einer runden Flurfläche oder Fuhrmann von Salzscheiben), Schröter (Schneider).

Der Wohnort oder Wohnplatz bildete einen Grund zur Namensgebung, neben Gäbler auch: Gründler (im Grunde, einer Einsenkung wohnend), Kroker (aus Krakau stammend oder Fuhrmann nach Krakau), Krusche (sorbisch krusa Birnbaum), Lindner (an einer Linde wohnend), Seifert (Seife = Bach, durchflossene Wiese, am Bach wohnend), Sitte (aus Zittau stammend), Steudner (Staude = Gebüsch, am Gebüsch wohnend), Trenkler (an der Tränke wohnend).

Körperliche oder geistige Eigenschaften führten wohl zu den Namen; Lincke (Linkshänder), Spänich, Spänicke (span = dürrer Mensch), Streit (= streben).

Der Name Pfennigwerth ist wahrscheinlich auf die Höhe der Abgabe zurückzuführen, die der Namensträger leisten musste.

Schließlich seien noch Altmann, soviel wie Großvater, und Neumann, ein neu in die Gemeinde Zugezogener genannt.

Die Schreibweise der Familiennamen, die nicht in jedem Falle gedeutet werden können, blieb noch bis ins 19. Jahrhundert hinein sehr wechselhaft, je nachdem, ob der Schreiber, meist der Schulmeister des Ortes, den Namen im ortsüblichen Dialekt oder in seiner ursprünglichen Form festhielt. So steht im Gerichtsbuch von Mittelherwigsdorf unter dem 3.12.1732 als Überschrift: "Erbkauff Friedrich Albrechts Jun. von seinem Vater Friedrich Albert umb deßen Bauern Guth". Der letztere ist unser Vorfahr. Der Familienname Augustin erscheint in den Urkunden auch als Augsten, Austen und Ostenn. Der Müller  Elias Ay wird im Jahre 1635 Elias Ahner genannt. So ließen sich noch andere Beispiele geben.

Manche Familiennamen gehen wahrscheinlich auf einen einzigen Namensträger zurück, die meisten dürften sich an verschiedenen oder gar vielen Orten herausgebildet haben, besonders wenn wir an Namen wie Müller und Schulze oder Scholze, den Schultheiß des Dorfes, denken.

Der Name Gäbler tritt beispielsweise nördlich von Dresden als Gäbler oder Gebler recht häufig auf, wobei kaum der weit entfernt liegende Ort Gabel als Ursprung anzunehmen ist. Gewissheit wird sich selten ergeben können, da die Familiennamen etwa 600 Jahre alt sind, also lange vor Beginn der Kirchen- und Gerichtsbücher als der hauptsächlichsten Quellen für Bürger- und Bauerngeschlechter entstanden sind.

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Manche der Namen unserer Vorfahren sind schon in den ältesten Urkunden der Zittauer Gegend zu finden. Ob die dort Genannten unsere direkten Vorfahren waren, wissen wir allerdings nicht. Erhalten geblieben sind die Zinsregister des Hospitals St.Jakob in Zittau von 1391 und 1415, die E. A. Seeliger, Neues Lausitzisches Magazin Bd. 108 (1932), S. 147 - 168 veröffentlicht hat. Dort finden wir:

  • "Anno domini 1391. Das ist der spytal czins.

  • ... Hans Burghart 14 gr. (Groschen), Martini ouch alz vil von eyme garthen (ebensoviel von einem Garten).

  • ... Nicl Tylin (Thiele) de Eckirstorff (Eckartsberg) censuat (zinst) 18 gr. ... von einem garten.

  • Anno domini 1415 quarta feria (28. August) post festum Blartholomei ... Sequitur census in Eckirsdoriff (folgen die Zinszahlungen in Eckartsberg): Bartus Jencz (Jentzsch) zinst 2 schillinge ... von eynir hubin ackirs (einer Hufe Acker).

  • Sequitur census in Witchindorf (Wittgendorf):

  • ... Swarczbach (Schwarzbach) ... zynst 11 1/2 gr uff Walpurgis, uff Michaelis alz vil von 3 ruttin (zu Walpurgis, 25.2., zu Michaelis, 29.9., ebensoviel von 3 Ruten Feldes)."

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Siedlungsgeschichte

Die Zittauer Gegend wurde bereits in den Jahrzehnten vor und nach dem Jahre 1200 von deutschen Bauern aus West und Nordwest besiedelt. Die Anlage der Bauerngüter zeigt meist die fränkische Hofanlage. Diese Bauern trafen dort nur eine geringe slawische Bevölkerung an, sie rodeten den Wald, machten ihn zu Ackerland und wurden sesshaft.

Die nachmalige Oberlausitz als deutsches Reichslehen wurde bei ihrer Eroberung dem Markgrafen von Meißen übertragen, von dem zunächst das Gebiet von Zittau, im Jahre 1346 das ganze Land an den König von Böhmen kam. Dieser ließ es von einem Landrichter von Bautzen (Budissin) aus regieren. Kirchlich wurde das Land dem Bischof von Prag unterstellt. Da sich Adel und Städte freiwillig dem böhmischen König unterordneten, erhielten sie von ihm manche Privilegien, u.a. traten ihre Vertreter als die beiden Stände des Landes mehrmals jährlich zu einem Landtag in Bautzen zusammen, der erst im Jahre 1919 endgültig aufgelöst wurde.

Die Stadt Zittau, von den Dorfbewohnern wohl noch heute "Sitte" genannt, soll ihren Namen dem slawischen Wort žito = Korn verdanken. Der ursprüngliche sorbische Name dürfte žitawa, gewesen sein. Im Jahre 1250 wird die Stadt Sittaw, 1577 Sitta genannt. Zittau wird erstmalig 1238 als Stadt erwähnt und bereits 1255 erweitert.

Bei ihrer reichen Gewerbe- und Handelstätigkeit benötigten die Lausitzer Städte insbesondere gute und gegen Übergriffe verarmter Adliger gesicherte Straßen. So schlossen sich Bautzen, Zittau, Görlitz, Kamenz, Löbau und Lauban (das jetzt polnische Luban) im Jahre 1346 mit Billigung Kaiser Karls IV. zu dem Sechsstädtebund zusammen, der sich erst bei der Teilung Sachsens im Jahre 1815 auflöste.

Im Jahre 1357 wurde an der Grenze der Oberlausitz auf dem südlichen Übergang von Zittau über das Gebirge nach Gabel und weiter nach Prag auf Befehl Karls IV. die Burg "Karlsfried" erbaut. Dieser Übergang hieß der "Gäbler", die Burg, wurde 1390 als das "neue Haus auf dem Gäbler" oder später "Schloss Gäbler" bezeichnet. Spärliche Reste dieser bereits 1442 zerstörten Burg sind noch heute bei dem Dorfe Lückendorf vorhanden.

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Im Zusammenhang mit der Herausbildung der Gutsherrenschaften werden uns auch die Namen der Dörfer in der Umgebung, Zittaus bekannt. So wird im Jahre 1310 das unmittelbar nördlich von Zittau liegende Dorf Eckartsberg erwähnt, damals "Eckardistorph" genannt, das zum Teil Jahrhunderte von etlichen unserer Vorfahrenfamilien bewohnt wurde (Augustin, Engler, Gründler, Jentzsch, Stange, Thiele). Der Name dieses Dorfes wie auch vieler anderer Dörfer geht wohl auf den Namen ihres Gründers zurück, der als "Locator" zusammen mit den Bauern in das Land kam. So ist Wittgendorf 1322 erstmals urkundlich erwähnt, Ort eines Wittiko, Dornhennersdorf (1482 Dörhennersdorf, 1499 Dorrenheinersdorf) der Ort eines Heinrich, Dittelsdorf (1369 Ditlichsdorf, 1406 Dytrichsdorff) das Dorf des Locators Dietrich. Markersdorf wurde 1360 als Marcwarsdorf bezeichnet, Olbersdorf hieß 1323 Albertsdorf, 1346 Albrechtsdorff, 1429 Olbersdorf, und Weigsdorf wurde 1363 Wygandiuilla geenannt.

Anders ist der Name von Drausendorf zu erklären, das 1366 als Drusendorff bezeichnet wurde. Es handelt sich hier wohl um Mischbildung aus dem altsorbischen Personennamen Druž und dem deutschen -dorf. Ebenso deutet Radgendorf (1391 Radeckindorf) auf den Personennamen Radek hin.

Reichenau, im Jahre 1252 als Richinowe, 1358 als Rychnow bezeichnet, dürfte kaum seinen Namen von der "reichen Aue" herleiten. Vielleicht haben die deutschen Ansiedler ihn aus ihrer alten Heimat mitgebracht, vielleicht deutet der Stamm "owe" auf das althochdeutsche Wort a = Wasser hin, vielleicht hat auch der slawische Gründer des Ortes den Namen "Rych", d.h. der Schnelle, Rasche gehabt.

Das Dorf Eckartsberg war schon in früher Zeit teilweise im Besitz des Klosters St. Marienthal, im Neißetal nördlich von Hirschfelde gelegen. Dieses Kloster wurde im Jahre 1234 als Zisterzienser-Nonnenkloster auf einem Baugrund errichtet, den die böhmische Königin Kunigunde dem Orden schenkte. Durch Kauf, Tausch oder Schenkung kamen zahlreiche Dörfer in den Besitz des Klosters, so auch der größte Teil von Reichenau, der nach und nach zwischen 1262 und 1467 zum Kloster gelangte, während ein kleiner Teil dieses Ortes der Stadt Zittau gehörte. Das änderte sich auch im Zuge der Reformation nicht, und so wurde das Kloster eine der größten Grundherrschaften der Oberlausitz, dem auch seit 1346 bis über die Mitte des 19.Jahrhunderts hinaus die Obergerichtsbarkeit, d.h. z. B. die Ahndung von Kapitalverbrechen in diesen Dörfern unterstand.

Ursprünglich gehörten aber u.a. die Dörfer Dornhennersdorf, Reichenau, Lichtenberg, Markersdorf, Türchau und Dittelsdorf zur Herrschaft Rohnau im Neißetal, deren Burgreste noch in geringem Maße erhalten sind. Die Burg wurde im Jahre 1399 durch die Truppen des Sechsstädtebundes zerstört.

Der reichste Grundbesitzer der südlichen Oberlausitz wurde danach die Stadt Zittau selbst, die im Laufe der Zeit viele adlige Dorfanteile übernahm und infolge der Reformation den Cölestinermönchen auf dem Oybin (südlich Zittau) deren Besitz abkaufte.

Für das Heimatgebiet unserer Vorfahren war noch eine andere Gutsherrschaft von Bedeutung. Die Orte Markersdorf, Dornhennersdorf, Weigsdorf, Oppelsdorf, Wald, Reibersdorf, Sommerau, Oberullersdorf und Dörfel (letzteres seit 1848 zu Böhmen gehörig) unterstanden der Herrschaft Seidenberg-Friedland, nach 1623 der Standesherrschaft Seidenberg und nach Abtretung des nördlichen Teiles der Oberlausitz im Jahre 1815 an Preußen der Herrschaft Reibersdorf.

Ursprünglich waren die Dörfer um Zittau reine Bauerndörfer. Jeder Siedler hatte wohl zunächst 1 Hufe (Hube) = 12 Ruten Landes erhalten, eine Fläche, die je nach Bodenbeschaffenheit unterschiedlich groß war. Dafür musste jährlich ein Zins an die Grundherrschaft gezahlt werden. Als aber die Bevölkerung langsam anstieg, genügte der vorhandene Boden nicht mehr. Meist erhielt der jüngste Sohn des Bauern den Hof des Vaters, den er aber ihm oder dessen Erben, d.h. der Mutter und den Geschwistern abkaufen musste.

Um Lebensraum für die steigende Bevölkerung zu schaffen, wurden die großen Güter in vielen Fällen geteilt, es entstanden "halbe Güter", oder es wurden kleinere Stücke abgetrennt, deren Besitzer als "Gärtner" bezeichnet wurden, die also nicht Gärtner in unserem Sinne waren. Auch wurden, meist in der Dorfaue, dem gemeinsamen Besitz der Dorfbewohner, Häuser, sogenannte "Auenhäuser" gebaut. Die Bewohner dieser Häuser die "Häusler" fanden ihren Lebensunterhalt als Handwerker und in späteren Zeiten als Weber. Wer kein Haus besaß, wurde als "Hausgenosse" bezeichnet. Die meisten derselben waren aber darauf angewiesen, sich möglichst bald ein Haus zu kaufen oder zu bauen, wofür sie in manchen Fällen von der Grundherrschaft umsonst oder gegen geringes Entgelt einen Bauplatz auf ihren Antrag hin zugewiesen erhielten.

Die jahrhundertelang zu Böhmen gehörenden Lausitzen hatten im Anfang des 15. Jahrhunderts besonders unter dem Einfall der Hussiten zu leiden. Die Oberlausitz, die zum böhmischen König hielt, wurde mehrfach von den Hussiten verwüstet. So zogen diese im Jahre 1430 auch durch Reichenau und Türchau. Die Bauern bildeten zu ihrer Verteidigung Dorfmannschaften und begleiteten, mit Spießen, Flegeln, Äxten, Grabscheiten, Hacken und Armbrüsten bewaffnet, das Aufgebot der Städte gegen den Feind. Die Hussiten zündeten die hölzernen Bauernhäuser an, schlachteten das Vieh oder trieben es weg. Gar manches Dorf wurde niemals wieder aufgebaut, andere Dörfer brauchten hundert Jahre zu ihrer Wiederherstellung.

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Reformation und Dreißigjähriger Krieg

Mitte des 16. Jahrhunderts breitete sich die Reformation in der Oberlausitz aus und brachte manche Veränderung im Leben ihrer Bewohner. Lorenz Heydenreich, ein Schüler Luthers, führte die Reformation im Jahre 1521 in Zittau ein. In Reichenau war 1565 Gregor Füger der erste evangelische Pfarrer. Sein Nachfolger, also der zweite evangelische Pfarrer von Reichenau, war einer unserer Vorfahren, der sogar dreifach in unserer Ahnenliste erscheint: Magister Markus Mauer. Er war am 24.4.1539 in Triebel in der Niederlausitz geboren, war 1571 - 1581 Pfarrer in Weigsdorf, bis 1583 in Oberullersdorf, danach Pfarrer in Reichenau, wo er am 26.3.1591 starb. Er hatte drei Söhne: sein Sohn Christoph kam nach juristischem Studium nach Zittau und wurde dort 1526 regierender Bürgermeister. Der Sohn Ernst Mauer heiratete die Witwe Elisabeth geb. Hoffmann des Reichenauer Bauern Simon Thomas und wurde damit unser Vorfahr.

Noch eine weitere Pfarrerfamilie finden wir unter unseren Vorfahren. Als 10. von 14 Kindern (dem 3. Kind seiner 2. Frau) wurde um 1640 Elisabeth, die Tochter des Pfarrers Christoph Vopelius geboren. Sie heiratete am 13.1.1650 den Bauern Christoph Augustin in Mittelherwigsdorf, von dem sie 10 Kinder hatte. Ihr Vater Christoph Vopelius war am 31.10.1591 in Nebra bei Querfurt an der Unstrut geboren. In Friedrich Eckarts "Chronica oder Historische Beschreibung des Dorffes Herwigsdorff", 1737, ist seine Selbstbiographie abgedruckt, in der es u.a. heißt:

 "Meine lieben Eltern sind gewesen, der Ehrwürd. und Wohlgelahrte Hr. Aeneas Vopelius Diaconus allda (in Nebra), des auch Ehrwürd. und Wohlgelahrten Herrn Davidis Vopelii Pfarrers zu Nembsdorff und Kierendorff bei Querfort Ehgelicher Sohn, welches Herrn Davids Vater Nicolaus Vopelius erstlich zu Hall (Halle) in Sachsen ein Baarfüsser Mönch gewesen. Nachmahls aber zu Zeiten des Herrn Lutheri die Päpstliche Irrthümer abgeleget und ist in der Kirchen St. Ulrich intimus Diaconus worden, und also bey Dr. Luthers Lehre biß an sein Ende beständig blieben: Meine Mlutter ist gewesen Frau Maria Cramerin, des Ehrsammen und vorsichtigen Johann Cramers, gewesen Land-Richters zu Birchau 1 Meile von Nebra, seeligen Eheleiblichen Tochter, welche mich bald nach der Leiblichen zur Geistlichen Geburt befördert, und nachmahls zur Schulen und Gebeth gehalten, bis ich sieben Jahr alt worden. Als aber 1598 in Thüringen ein groß Land Sterben einfiel, sind meine liebe Eltern beyde im Monath October an der Pest gestorben, ..."

Von seinen Großeltern Vopelius wurde er 1608 in das "Gymnasium Halense" geschickt, später war er Hauslehrer in Görlitz, wurde 1515 in Leipzig ordiniert und trat danach das Pfarramt in Burkersdorf, nördlich von Zittau, an, das er 1618 mit demjenigen im Nachbarort Oberseifersdorf vertauschte. Schließlich war er von 1636 bis 1681 Pfarrer im Mittelherwigsdorf, wo er im 90. Lebensjahre starb und am 17.2.1681 begraben wurde. Die Kirche in Mittelherwigsdorf bewahrt noch sein Bild auf, das abgedruckt ist in: Herbert Koch, "Aus der Geschichte der Familie Vopelius", Familiengeschichtliche Blätter, Jena, Heft 2, 1935. Auch im 2. Band des eingangs erwähnten Buches von Fritz Hauptmann findet sich sein Bild.

Nach dem Tode seiner ersten Frau, die ihm neun Kinder geboren hatte, heiratete Christoph Vopelius in zweiter Ehe die Bauerntochter Maria Mönch in Oberseifersdorf, von der er sieben Kinder hatte. Die Urenkelin aus der bereits erwähnten Ehe Augustin/Vopelius, Rosina Augustin, heiratete Gottfried Engler, Bauer in Eckartsberg, dessen Enkel Gottfried Engler das schon genannte Bauerngut seines Schwiegervaters Gottlieb Spänich übernahm. So sind also Großmutter Ernestine Gäbler geb.Hiller und auch wir die Nachkommen eines ehemaligen Mönches.

Ein Vetter des Vaters von Christoph Vopelius war der Schloßhauptmann Johann Vopelius, der unter der Anklage, die Pleißenburg, Leipzigs Festung, zu zeitig an Wallensteins Feldmarschall Holk übergeben zu haben, am 6.2.1633 in Dresden enthauptet wurde.

Außer von den genannten Pfarrern haben wir noch von Zittauer Bürger- und Ratsgeschlechtern Kunde, von denen ich ursprünglich annahm, dass sie unsere direkten Ahnen seien, sie stellten sich aber schließlich als Stiefahnen heraus. Trotzdem soll von ihnen einiges berichtet werden:

In Zittauer Stammtafeln wird Anton Kießling genannt, der am 9.12.1589 starb. Von ihm berichtet der Zittauer Chronist Johann Benedict Carpzov In seinem Werk: "Analecta Fastorum Zittaviensium oder Historischer Schauplatz der Löblichen Alten Sechs-Stadt des Marggraffthums Ober-Lausitz Zittau", Leipig 1716, Teil III, S.206, im:

"Verzeichnis derer zu Wasser und Lande im Kriege renommirt gewordenen Zittauer":

"Anton Kießling, Hans Kießlings, eines Gerbers Sohn allhier, hat 24. Jahr beständig unter Kayser Carolo V. gedienet, und theils wieder den Türcken, theils wieder des Röm. Reichs Feinde sich ritterlich gehalten. Unter andern Feld-Zügen, denen er mit beygewohnet, ist merckwürdig, daß er dabey gewesen, als Ihro Kayserl. Maj. Carolus V. an. 1535, die Expedition über Meer in Africa gethan, und das Königreich Tunis eingenommen, auch die starcke Vestung Galetta erobert. Item als er an. 1541, der unglücklichen Belagerung Algier, und letzlich an. 1551, der vergeblich belagerten Stadt Metz beygewohnet (Irrtum von Carpzov, richtig: 1552), und hierbey die Charge eines Fehndrichs bedienet. Wegen seiner mannhafften und Rittermäßigen Thaten ist er von Ihro Röm. Kayserl. Majestät mit stattlichen Abschieden in Deutscher, Italienischer und Frantzösischer Sprache ersehen, und hiernechst mit einem Adelichen Wappen auch hierüber ertheilten gewöhnlichen Wappen-Brieff vor sich seine Erben und Nachkommen Männliches und Weibliches Geschlechts begnadet worden sub dato Wien an. 1541. Welches Wappen bestehende in einem gelben halben Mond, darüber eine Lilie und drey Sterne, gleicher Farbe in blauem Felde, das Geschlecht der Kießlinge mit Lob und Ruhm zu ewigen Zeiten führen. Er ist endlich den 9.Dec. an. 1589 in Zittau gestorben."

Dieser Adels-Wappenbrief ging 1508 bei einer Feuersbrunst verloren. "Am 21.7.1625 wurde das Wappen durch Ferdinand II. bestätigt und vermehrt. Seine Inhaber wurden dabei zu recht edelgeborenen Lehns- und Turniergenossen erhoben."

Anton Kießling, der anscheinend den Adelstitel später nicht mehr führte, war in zweiter Ehe mit Justina Rodochs, der Tochter des Zittauer Stadtrichters Johann Rodochs verheiratet, der 1545 auch Bierhofsbesitzer war und am 30.9.1563 starb. Nach Carpzov, Teil III, S. 131, wird er unter den "gelehrten Zittauern" genannt:

"Johann Rodochs, George Rodochsens Sohn, schrieb sich Pragensis Dioeceseos Cleriaum, Septem Artium liberalium Baccalaureum, Sacra Apostolica et Imperiali Autoritate Notar. Publicum, an. 1547 ward nach dem Rath-Stuhl gezogen und zu Stadt-Richter eligiret anno 1562."

Der Sohn von Anton Kießling, Johann Kießling (1567-1612), war Lohgerber in Zittau, kehrte also zum Beruf seines Großvaters Hans Kießling zurück. Er war mit Regina Hartig, der Tochter von Jacob Hartig verheiratet. Von diesem erfahren wir durch den bei Carpzov, Teil I, S.127, genannten Grabstein;

"Consignatio Derer vornehmsten Epitaphiorum und Leichen-Steine in der Kirche und auf dem Kirch-Hoff zur heil. Dreyfaltigkeit": "Anno 1602, den 14. Febr. ist in Gott seelig entschlaffen, der Erbare, Wohlweise und Wohlbenahmte Herr Jacob Hartig, Bürger und Raths Freund allhier, Seines Alters 72. Jahr. D.G.G. Unser keiner lebt ihm selber und unser etc." (D,G.G. bedeutet wohl: Durch Gottes Güte)

Dieser Jacob Hartig hatte nach Carpzov, Teil III, S. 132, zum Sohn, demnach als Bruder der bereits genannten Regina Kießling geb. Hartig:

"Johannes Hartigius, Fürstl. AnhaltLiegnitz- und Briegischer Leib-Medieus und Practicus in Zittau, ward gebohren anno 1573, d.13ten Januar, sein Vater Jacob Hartig, war des berühmten Johann Montani, Kays. Maj., Rudolphi II. Leib-Medici et Philos. Schwieger-Sohn, gab einen Anatomischen Bericht heraus von zweyen wunderlich zusammen gewachsenen Zwillingen so an. 1629, den 14. Mart. zu Ober-Ullersdorff gebohren worden. (Hier ist ein lateinisches Gedicht abgedruckt, das diesen Bericht würdigt.) Er starb d. 20.Nov. anno 1632 an der damahls grassirenden Pest, welches Übel auch seine Eheliebste, F. Sybillen geb. Montanin 27. Stunden zuvor hingerichtet hatte. Sie wurden zusammen d. 22. begraben zu St.Johanni."

Der Vorname seiner Frau war nicht Sybilla, sondern Susanna, wie Carpzov richtig bei Beschreibung des Grabsteines in der Kirche St. Johannis angibt, und wie auch das Traubuch unter dem 1. Sonntag nach Trinitatis 1602 verzeichnet: Getraut wurden "der Erbare und wolgelahrte Herr" Johann Hartig und Susanna, "des hochgelahrten Herrn" Johannie Montanus zu Striegau.

Dieses Ehepaar hatte drei Söhne, die sämtlich Medizin studierten und von denen zwei geadelt wurden: Christianus von Hartig (1605-1677), Med. Doct., geadelt 12.08.1629, Erbherr auf Alt-Hörnitz bei Zittau, Stadtrichter 1634 und 1637, Bürgermeister von Zittau 1639 bis 1673. Sein Bruder: "Johann Jacob von Hartig, nat. 1603, d. 9.Sept. ward zu Venedig Physicus Ordinarius, verstarb allda an. 1647, d. 5.Nov. Seine Nachkommen im Kgr. Böhmen und Österreich sind von Ihro Kayserl. Majestät Leopoldo in Ritter und Herren Stand erhoben worden, worinnen sie noch im höchsten Flore leben."

Der schon genannte Johann Kießling hatte sechs Kinder, von denen zwei Söhne ebenfalls Ärzte wurden: Johannes Kießling (1599-1654) studierte in Straßburg und Basel, Antonius Kießling (1608-1649) ebenfalls in Straßburg. Die Tochter Martha heiratete den Tischlermeister Caspar Richter, der 29 Jahre Glöckner zu St. Johannis in Zittau war, die Tochter den Pfarrer Abraham Schurich in Türchau. Der Sohn Jacob Kießling, also der Enkel des geadelten Anton Kießling, Lohgerber in Zittau, der 1604 bis 1664 lebte, heiratete in erster Ehe die Tochter Elisabeth des "Edlen, Ehrenvesten" Herrn Joachim von Eisersdorff und etwa im Jahre 1633 in zweiter Ehe Dorothea Naumann. Ein Sohn aus dieser zweiten Ehe war Christianus Kießling (1638-1697), Pfarrer zu Wittgendorf, ein anderer Sohn, Antonius Kießling, Seidenkramer am Ringe in Zittau. Die Tochter Maria Elisabeth Kießling heiratete den Zittauer Tuchmacher Johann Ehrlich, der aus einer Reichenberger Exulantenfamilie stammte. Ihre Tochter Maria Elisabeth Ehrlich war die 2. Frau unseres Vorfahren, des Schulmeisters Gottlieb Gnausch in Wittgendorf. Seine Tochter aus 1. Ehe Susanna Hiller geb. Gnausch wurde die Ururgroßmutter von Ernestine Gäbler geb. Hiller.

Hauptsächlich um die evangelischen Gemeindeglieder von den katholisch gebliebenen Einwohnern zu unterscheiden, wurden bald nach der Reformation vielerorts die Taufen, Trauungen und Begräbnisse in Kirchenbüchern festgehalten. So besitzt Zittau z.B. Kirchenbücher seit 1539, die mit wenigen Unterbrechungen bis heute geführt werden. Reichenau besaß Kirchenbücher ab 1568. Sie sind oder waren für uns zusammen mit den Gerichtsbüchern die wichtigsten Quellen zur Erforschung der Lebensdaten unserer Vorfahren.

Einige unserer Ahnen waren nebenberuflich "Kirchväter" d. h. sie verwalteten das Kirchenvermögen, leiteten kirchliche Bauten und kauften das zugehörige Material. Sie wurden von der Grundherrschaft ernannt und erhielten für ihre Tätigkeit ein jährliches Deputat.

Unsere Vorfahren im 16. und 17. Jahrhundert waren aber größtenteils Bauern. Manch einer war besonders angesehen und saß mit im Dorfgericht als "Gerichtsältester" oder "Schöppe". Der Vorsitzende des Gerichts war der "Erb- und Lehnrichter" des Dorfes, er war fast immer zugleich der Besitzer des Dorfgasthauses, des "Kretschams" (sorbisch: kortschma = Wirtshaus, woher auch der Name Kretzschmar stammt). Beispielsweise waren unsere Vorfahren Heinrich Gäbler ab 1731 Richter in Markersdorf, Heinrich Pfennigwerth Richter in Dornhennersdorf und Christoph Burghardt ab 1670 Richter in Reichenau.

Ferner kaufte der Sohn George unseres Vorfahren Peter Heffter "sampt seinen sechs Söhnen" am 13.1.1591 den Reichenauer Kretscham für 1550 Zittische Mark. Ein Enkel von ihm war Bürgermeister von Zittau Heinrich von Hefter, nach dem der heute noch existierende obeliskenverzierte Giebel am ehemaligen Franziskanerkloster genannt ist. Erwähnt sei, dass eine Nachkomme von Peter Heffter, Maria Regina Hefter, die Mutter der Schauspielerin Corona Schröter (1751-1802) wurde, die 1779 in der Uraufführung die Titelrolle von Goethes "Iphigenie" zusammen mit Goethe als "Orest" spielte.

Der Erb- und Lehnrichter als Besitzer des Kretschams hatte u.a. die Berechtigung, Bier auszuschenken. Oft trachtete die Grundherrschaft danach, diese Braugerechtigkeit zu erwerben, denn sie war eine gute Einnahmequelle. Fremdes Bier durfte in die Dörfer nicht eingeführt werden. Es war den Dorfbewohnern sogar bei Strafe verboten, in einen anderen Ort zu gehen und dort fremdes Bier zu trinken. Um 1500 wurde jahrzehntelang, zwischen Zittau und Görlitz ein "Bierkrieg" geführt. Die Görlitzer lauerten z.B. im Jahre 1491 einer Zittauer Bierfuhre auf und zerschlugen die Fässer, worauf die Zittauer aus zwei Dörfern des Görlitzer Ratsgebietes das gesamte Vieh wegtrieben.

Aus der Zeit zwischen der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg ist uns die Schlichtung eines Streites durch einen "Vortrag" (Vertrag) überliefert, die L. Engelmann, "Geschichte von Reichenau", Band 2, 1904, S. 152 - 154 abdruckt, und die unseren Vorfahren Simon Helwig betrifft:

"Vortrag Simon Helwiges mit Hanns Saxen wegenn des Tottschlages. Demnach wegen des Leidigen vnfalles welcher sich in Einen Tumult zu Markersdorf vnter dem wolgebornen Herrn Herrn Melchior von Rädern Freiherrn auf Friedland, Reichenberg und Seidenbergk, Röm. Kay. Maj. Reichshofrath und Ihrer Gnaden Botmäßigkeit gelegen den 14 Juni deß ablaufenden 1600 Jahres zugetragen, Simon Helbigs so zum Theil unter dem Kloster Marienthal und zum Theil unter einem Ehrenvesten wolweisen Rathe zu Zittau ahngesessen und behörig, alda zu Reichenaw Söhne Nicoln und Gregor Helbigen schuld gegeben werden wollen, alß hätte sie in solchen Tumult Hanns Sachsen des Elteren zu Reichenaw des Gestifts Unterthanen Hanns Sachsen den Jüngeren geschlagen, daß er hernach am Eilften Tage gestorben, Alle Umstände aber bey fleißiger Inquisition so viel nachrichtung geben, das kein bestendig vnd zu recht erheblich Zeugnus furbracht werden können, als wehre solche Schade vonn des benannthen Simon Helbigs Söhnen geschehen, oder daß derselbe Schäde tödlich zu vermutten gewesen Sondern vielmehr befindlichen und glaubwürdig erschienen daß ehr Hanns Sachse der Jüngere aus endrer Verwarlosung vnd unordentlichen Verhalten vnd anderer Incident Krankheiten der fallenden Seuche mit Tode übereilet worden. Alß haben sich öbberürte Partten Allerseits Hans Sachse der Elter vnd sein Sohn Matz Sachse, sowohl Simon Helwig und seine Söhne Nicol und Gregor Helwig Alß freunde, Vettern und Blutsverwandte dieser gestalt mit einander vertragen und ausgesönnet Nemlich das Simon Helwig als der Vatter nicht aus Pflicht sondern vmb gutter Freundschaft vnd vetterlichen Vortrags willen dem Hans Sachsen wegen seines vor seinem Sohn Hanssen seeligen aufgewendetten Begrabnis Kosten Zehrungen und Verseumnis wird geben Zwantzigk Schock vnd der Kirche zu Reichenaw fünff Schock überdieß .... Auch soll dieser guttliche Vortrag Keinen Theile zum praejudicio vnd nachtheil viel weniger Siemon Helbigs Söhnen alß ob sie sich zu dieser Thatt bekennet, gedeuttet werden.

Hierauf und derentwegen der Hans Sachse vnd seine Kinder ausdrucklich vor ihrer Herrschaft erklärett, daß sie mit diesen Vortrage zufrieden, Ihren verstorbenen Sohn und Bruder noch alles was hierbey vorgelauffen weitterm nicht eiffern noch zu vergutten bey straffe Einhundert Schock gedenken, sondern als liebe Vettern vnd Freunde so wol alß vorhin sein und bleiben wollen. Zu welcher mehrer Bestättigung beiderseits Vattern Hans Sachse vnd Siemon Helbig, auch deroselben Kindern Matz Sachse vnd den Nicol vnd Gregor Helbig alles das, was zwischen ihnen wiederwerttiges entsprungen sein mochte, Einander mit Hand vnd munde Christlich verziehen vnd abgebetten. Welches geschehen zu Reichenau den 22 Tagk Monats August diß 1600 Jahres. ..."

Zur Erklärung sei gesagt: Simon Helwig, manchmal auch Helbig genannt, besaß ein Grundstück in Reichenau, das zur Herrschaft des Klosters Marienthal, ein anderes, das zu Zittau als der Grundherrschaft gehörte. Nach einer Schlägerei zwischen seinen Söhnen und dem Sohne Hans des Jüngeren von Hans Sachse dem Älteren, der ebenfalls dem Kloster, dem "Gestifte", unterstand, war Hans Sachse der Jüngere 11 Tage danach gestorben. Es blieb ungeklärt, ob der Tod als Folge der Schlägerei anzusehen war. Simon Helwig zahlte dem Vater des Verstorbenen 20 Böhmische Schock, wodurch aber nicht die Schuld seiner Söhne anerkannt wurde.

Das Jahr 1623 war für die Ober- und Niederlausitz von großer Bedeutung. In diesem Jahre verpfändete Kaiser Ferdinand II. als König von Böhmen die Lausitzen an den sächsischen Kurfürst Johann Georg I., der ihm zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges Hilfe geleistet hatte. Im Jahre 1635 erhielt der Kurfürst dann die Ober- und Niederlausitz als erbliches Lehen der böhmischen Krone, ohne daß die Gebiete aber in den Kurstaat Sachsen eingegliedert wurden. Daher behielten sie noch Jahrhunderte eine gewisse Selbständigkeit innerhalb Sachsens. Durch die Unterstellung der Lausitzen unter den protestantischen sächsischen Kurfürsten konnte die Gegenreformation in diesen Landen nicht wirksam werden.

Trotz der Übernahme der Oberlausitz unter sächsische Oberhoheit wurde noch Jahrhunderte nach böhmischem Geld gerechnet. In älterer Zeit zahlte man mit (böhmischen oder Prager) Schock, Groschen und Pfennigen. 1 Schock Groschen (=60 Groschen) entsprach einem halben Pfund feinem Silber, d.h. einer feinen Kölnischen Mark Silber. Die Zittauer Mark, die u.a. in Reichenau meist Verwendung fand, hatte 56 Groschen, die Görlitzer Mark, in Dornhennersdorf üblich, nur 48 Groschen. 1 Groschen hatte 7 kleine Pfennige. Mehrfach traten starke Geldentwertungen auf, so dass die Zahlung von Schulden zu mancherlei Zwistigkeiten führte.

(Die Abkürzungen "B.Sch." bedeuten Böhmische Schock, "ZMM" = Zittauer Mark, "Rthlr." =  Reichsthaler.)

Der Dreißigjährige Krieg brachte schweres Leid über die Bewohner der Lausitzen. Zahlreiche Häuser waren am Ende des Krieges verfallen und verlassen. Aufschluss darüber gibt ein wahrscheinlich im Jahre 1647 aufgestelltes "Verzeichnis der angesessenen Wirte und Untertanen der Gemeine Marckerßdorff, was ein jeder anitzo an Zug- und Rindvieh, ingleichen was selbige über Winter ausgesät, auch was sie nächst göttlicher Hilfe an Hafer über Sommer auszusäen gedencken", abgedruckt in: Karl Seidemann, "Die Dörfer der Amtshauptmannschaft Zittau am Ende des Dreißigjährigen Krieges", 17. Markersdorf, Zittauer Geschichtsblätter, 15.Jg. (1938), S. 46-47. Dort finden sich unter den acht genannten Markersdorfer Bauern fünf, die unsere Vorfahren waren: Jacob Gäbler, Martin Bischoff, Hans Lincke, Christoph Streit, Jacob Schmied, und der Gärtner Zacharias Gäbler als Bruder von Jacob Gäbler

"... Item an Zug- und Rindvieh wird anitzo bei dieser Gemein befunden: 9 Ochsen, 9 Kühe, ..., 7 Ziegen."

An Steuern gibt Jacob Gäbler "30 kleine Groschen, kann auch nicht mehr geben", an Vieh hat dieser Bauer 1 Ziege, der Gärtner Zacha rias Gäbler 2 Kühe.

Über die Auenhäusler wird u.a. folgendes berichtet:

"Hans Wagener. Das Haus ist vor 4 Jahren von den Soldaten eingerissen, ist nichts vorhanden. Michil Gertner. Dier ist vor 12 Jahren an der Pestilenz gestorben, ist das Haus ganz eingefallen und von den Soldaten verbrannt. .... Merten Grosch, das Haus ist wüste und muß der Mann betteln gehen. ... Christoff Eicheler, der ist 4 Jahr weggelaufen, wissen ihn nicht, wo er ist .... Georg Zalwitz, er ist vor 14 Jahren gestorben, ist das Haus wüste geblieben und auch von den Soldaten verbrannt. Die Christoff Gäblern, ist wohl noch in dem Hause, kann aber nichts geben. Muß auch betteln gehen." (Diese Frau ist unsere Vorfahre).

In der gleichen Aufstellung, herausgegeben von K. Seidemann, findet sich unter: 24. Rosenthal:

"Auf dem Rosen Thal, welches itzo ganz wüste und unbewohnet stehet, sind also diese Personen alldar pewohnet, wie folget: Hans Schneider, hat gehabt 6 Ruten ... (weitere 12 Namen) Solches haben diese folgende Personen als Hanß Schneider, gewesener Richter, und ..., welche sich anderswo aufhalten, in den Gerichten zu Türchau ausgesaget, ... den 15. Marty 1647."

Dieser Hans Schneider ist unser Ahn, der im Jahre 1644 ein Gut in Rohnau kaufte, nachdem der auf der anderen Neißeseite gelegene Ort Rosenthal wohl durch Soldaten eingeäschert worden war.

Vielleicht noch schlimmer als die Kriegsnöte waren die Krankheiten und Seuchen, die sich in damaliger Zeit ausbreiteten. Oft wurden ganze Dörfer nahezu entvölkert. Von unseren Vorfahren traf die Pest z.B. Michael Mennel aus Rosenthal und seine Frau Christina, die am 26.1.1598 heirateten und über die uns das Hirschfelder Kirchenbuch bereits im Juli 1599 neben vielen anderen Toten berichtet:

"1599. Julius. Im großen Sterben sindt folgende Personen nacheinander verstorben: Erstlichen in Hirßfelde .... Michael Mennel selbst vndt dessen Weib ...."

So ist es verständlich, dass der während des Dreißigjährigen Krieges beginnende Zuzug böhmischer Glaubensflüchtlinge, der "Exulanten", nicht ungern gesehen wurde. Sie wollten in Böhmen im Zuge der Gegenreformation ihrem evangelischen Glauben nicht untreu werden und wanderten großenteils in die benachbarten sächsischen Orte aus, die Lausitz eingeschlossen. Ihre Zahl wuchs besonders nach Abschluß des Krieges, also um das Jahr 1650.

Manche der Exulanten in der Zittauer Gegend, die zumeist aus den benachbarten Bezirken Friedland und Reichenberg (heute Rrydlant und Liberec) stammten, hatten ihr Besitztum verkaufen können und es war ihnen in der neuen Heimat möglich, Grund und Boden zu erwerben. Andere Exulanten mußten zunächst als "Hausgenossen" Unterkunft suchen oder konnten sich wenigstens ein Haus kaufen, wurden also "Häusler". Die Südlausitz wurde damit allmählich ein sehr stark besiedeltes Gebiet.

Auch einige unserer Vorfahren waren sicher oder wahrscheinlich Exulanten aus den benachbarten böhmischen Bezirken. Sie fanden in Zittaus Umgebung eine neue Heimat. Nach Reichenau kamen: Jacob Alt aus (Wüste) Olbersdorf und Christoph Sitte aus Reinowitz, östlich von Reichenberg, wo er Müller war. Nach Lichtenberg kamen: Christoph DreßlerChristoph Förster, aus Wittig: Michael Krusche. Nach Türchau kam aus Wittig Martin Heydrich und nach Scharre bei Hirschfelde George Apelt aus Kunnersdorf.

Der zuerst genannte Jacob Apelt, der im Jahre 1700 mit knapp 80 Jahren starb, hinterließ eine zahlreiche Nachkommenschaft, er erlebte angeblich 67 Kinder und Enkel.

Mehrfach wissen wir von Vorfahren, die eines nicht natürlichen Todes starben. So fiel der Schulmeister von Türchau Michael Kroker in die Kipper, einen größeren Bach, der in die Neiße fließt. Hierüber berichtet Gottfried Hincke, "Chronologische Nachrichten oder Chronick des Zittauischen Raths-Dorfes Türchau", 1804, S.8:

"Michael Krocker, war 38 Jahr im Amte. Anno 1654 den 19.Febr. war er in Dittelsdorf gewesen. Auf dem Rückwege fiel er auf den Hirschfelder Wiesen, vom Kipperstege herunter; wegen des Eises konnte er nicht wieder herauf, als man ihn fand, trug man ihn in Daniel Poßelts Stube. Er hatte einen Knaben bei sich, den er aber schlechterdings nicht von sich laßen wollte, bis er ihm einen Ast hergebogen hatte, an welchen er sich, halten wollte; aus Schrecken und Erkältung erstarrte er u. konnte nicht mehr reden, nun lief der Knabe endlich ins Dorf und rief um Hülfe. Er war kaum in die Stube gebracht worden: so verschied er im 61.Jahre u. wurde den 23sten Febr. begraben."

Auch ein Kind von Michael Kroker war schon Jahrzehnte vorher verunglückt. Darüber schreibt Gottfried Hincke auf S.11: 

"1633 den 23.Jan. starb Michael Krokern des Schulmeisters Sohn, im Feld, nachdem er sonnabends vorher war nach Friedland geschickt worden, um Kirchenwein zu hohlen. Unterwegems nahmen ihn Soldaten mit, und hielten ihn auf, montags früh kam er in sehr ungestümen Wetter nahe ans Dorf, konnte aber wegen angelaufenen Waßers nicht vollends hereinkommen, und er erfror. Er war 14 Jahr alt und ist den 27 ej. begraben worden."

Ein anderer Unglücksfall, der einen unserer Vorfahren, Elias Engler, im Jahre 1678 betraf, wird von Friedrich Eckarth, "Chronica oder Historische Beschreibung derer Zwey nächst an Zittau anstossenden Dörffer Eckersberg and Olbersdorff", 1732, beschrieben:

"Anno 1678 den 10.Dec. ist Abends Elias Engler, Bauersmann von Eckersberge als er aus der Stadt nach Hause geritten ohnweit dem Dorffe vom Pferde gefallen, iedoch an den einen Steigebügel hangen blieben weil er nun alt und schwach war, und sich selbst nicht zu helffen, noch das Pferd zu erhalten vermocht, todt nach Hause geschleift worden."

Mehrere Jahrzehnte später, am 10.6.1714, ertrank unser Vorfahr George Apelt, Bauer und Gerichtsältester in Rohnau, in der Neiße.

Das Leben nahm sich unsere Vorfahre Christina Augustin geb. Albrecht aus Scheibe, die Frau des Bauern und Richters Friedrich Augustin in Eckartsberg. Der Begräbniseintrag im Kirchenbuch von Zittau lautet:

"1745. 14.1.: Ist ohne Gesang und ohne Klang zur L.Fr. (Kirche zur lieben Frauen) begraben worden Fr. Christina Austen geb. Albertin, Friedrich Austens Richter und Bauersmanns auf dem Nieder-Eckersberge geweßene Ehewirthin welche aus Melancoli auf den Eckersberge ins Waßer gesprungen ist, und ist ertruncken."

Wie stark im Laufe der Zeit eine Versippung unserer Vorfahren eintrat, ergibt sich z.B. aus den Reichenauer Kirchen- und Gerichtsbüchern. Der Bauer Michael Rolle, der 1622 starb, tritt fünfmal in unserer Ahnentafel auf:

Neben einer Tochter, deren Vorname wir nicht kennen und die den Bauern Jacob Neumann heiratete, ist sein Sohn Hans Rolle, der "obere" Bauer in Reichenau (es gab also noch einen Hans Rolle im Niederdorfe), viermal unser Vorfahr: Dessen Tochter Maria heiratete 1640 den Bauern Michel Scholze, die Tochter Anna heiratete 1642 den Bauern Christoph Burghardt, die Tochter Justina den Häusler Friedrich Bischoff und die Tochter Anna seines Sohnes Hans Rolle, der Gärtner in Reichenau war, wurde die Frau des Bauern Friedrich Scholze.

Auch der älteste uns bekannte Gäbler-Vorfahr, Jacob Gäbler, tritt dreimal in der Ahnentafel auf: Unser Vorfahr Gottlieb Bergmann heiratete am 12.10.1779 in Reichenau Anna Maria Gäbler, die Tochter des Webers Johannes Gäbler in Lichtenberg und seiner zweiten Ehefrau Anna Rosina Förster. Von seinen 9 Kindern der ersten und 6 Kindern der zweiten Ehe starben 7 im Kindesalter. Die Reihe dieser Gäbler-Vorfahren führt auf Martin Gäbler mit den Referenz - Nummer 2048 und 4416 zurück. Die Referenz - Nummern besagen, daß zwischen diesen beiden Gäbler-Linien eine Generationsverschiebung stattgefunden hat, da 4416 in die Reihe der mit 4096 beginnenden Generation gehört. Der Bruder dieses Martin Gäbler tritt ebenfalls in unserer Ahnenliste auf: Matthes Gäbler. Er war der Urgroßvater von Rosina Gäbler, die am 06.11.1685 den Bauern Hans George Streit in Markersdorf heiratete. Der Vater von Martin und Matthes Gäbler war dann der älteste uns bekannte Vorfahr Jacob Gäbler.

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18. und 19. Jahrhundert

Die Quellen über die persönlichen Schicksale unserer Vorfahren fließen im 18. Jahrhundert reichlicher, wenn auch durch den Verlust der Kirchenbücher östlich der Neiße nicht alle Glieder unserer Ahnen erfasst werden konnten. Nur ein paar Familien, die sich erforschen ließen, seien hier genannt:

Seit Ende des 17. Jahrhunderts finden wir eine Schulmeisterfamilie unter unseren Vorfahren. Die Tochter Maria des schon genannten Türchauer Schulmeisters Michael Kroker (auch Krocker) war mit größter Wahrscheinlichkeit die Mutter von Gottlieb Gnausch, der 1569 Schulmeister in Wittgendorf wurde. Er war laut Begräbniseintrag vom 6.12.1707 "in die 40 Jahr verdienter Schulmeister alhier". Sein ältester Sohn Gottlieb Gnausch aus der ersten Ehe des Vaters mit Maria Sitte (Tochter des genannten Exulanten Christoph Sitte in Reichenau) wurde der Nachfolger seines Vaters und starb 1750 mit knapp 82 Jahren. Er war in 2. Ehe mit Maria Elisabeth Ehrlich, der Tochter des Zittauer Tuchmachermeisters Johann Ehrlich und der Enkelin des schon genannten Lohgerbers Jacob Kießling verheiratet. Der Stiefbruder David des jüngeren Gottlieb Gnausch war Schulmeister in Dornhennersdorf, während sein Sohn, abermals Gottlieb, 1712-1740 in Türchau, danach bis zu seinem Tode 1746 Substitut (Gehilfe) seines Vaters in Wittgendorf war. Die Tochter Susanna heiratete 1717 George Hiller aus Radgendorf, der wohl mit Unterstützung seines Schwiegervaters Gottlieb Gnausch in Jahre 1713 für 500 Zittische Mark einen Garten in Dittelsdorf kaufte. Damit kam die Familie Hiller nach Dittelsdorf, aus der Ernestine Gäbler geb. Hiller stammte.

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Mancherlei ist auch über die Familie Spänich bekannt. Unser Vorfahr Christoph Spänich, Sohn des Bauern Christoph Spänicke in Dittersbach a. d. Eigen (nördlich von Zittau, wo sich Julius Gäbler der Jüngere nach dem 2. Weltkriege ein Haus baute) kaufte 1662 ein Bauerngut in Reichenau, das sich über seinen Sohn Tobias, den Enkel Christoph auf den Urenkel Gottlieb Spänich vererbte. Dieser hat mit 98 Jahren am längsten von den uns bekannten Vorfahren gelebt (abgesehen von der Urgroßmutter Anna Vopelius geb. Schmid des Mittelherwigsdorfer Pfarrers, die von 1509 bis 1612 gelebt haben soll). Gottlieb Spänich verkaufte sein Gut im Jahre 1804 für 5200 Reichsthaler an den künftigen Schwiegersohn Gottfried Engler aus Eckartsberg. Sein Sterbeeintrag im Reichenauer Kirchenbuch unter dem 26.12.1834 lautete:

"Gottlieb Spänich gewes. Gedingebauersmann allh., 98 J. 5 M. 10 Tg. n. (natus = geboren) 16.7.1736, begr. 1.1.1835, Entkräftung, bis z. 95 J. war er sehr munter, 3mal verh.: 1.) mit Jgfr. Kießling, die 12 Kinder gebar, v. den. 9 früh st., 1 T. st. verheir., hinterl. 3 Enkel, 1 S. u. 1 T. leben und gebaren ihm 15 Enkel und 19 Urenkel, 2.) mit Frau Gruner, 11 Mon. lang, die 1 T. gebar, welche noch als Wöch. st., hinterl. 1 Enkel, 3.) mit Frau Helwigin, 38 J. lang, die 1 T. gebar, die bald starb. Seit 11 J. war er Wittwer. NB: 1750 verlor er durch die Rinderpest sein Vieh, 1787 und 1800 brannte nein Gutsgeb. ab u. er verlor das Seinige, zuletzt wieder sein Vieh."

Von seinen 14 Kindern überlebten ihn also nur ein Sohn und eine Tochter, unsere Vorfahre Anna Regina Engler geb. Spänich (1782-1863), die Großmutter von Ernestine Gäbler geb.Hiller.

In dem "Väterlichen Vertrag" vom 24.10.1783 mit seinen Kindern wurde von Gottlieb Spänich vor seiner Wiederverheiratung festgelegt, daß jedes Kind 100 Zittische Mark, unsere Vorfahre Anna Regina, die damals reichlich ein Jahr alt war, folgende Kleidungsstücke der verstorbenen Mutter erhalten sollte: "1 grüner Weiberrock, desgl. Brustlatz, 4 weiße Kittelchen, 3 Schürtzen, 5 Tüchel, 2 Hauben, 1 blau gezogen Uiberzug, 1 weißleinwandnes Kirchtuch,"

Der im Kirchenbuch erwähnte Brand am 31.12.1787 war von einer Magd im Gute seines Nachbarn gelegt worden. Bei Ludwig Engelmann, "Geschichte von Reichenau", 1930, findet sich darüber S.329:

Über diesen Fall berichten die Memor. Reichenaus ausführlicher, zugleich das Vorgehen der Gerichte, das nach solcher Tat erfolgte, schildernd:

"Gleich in allen Feuer war die Magd Anna Rosina Schwarzbach aus Seitgendorf in Verdacht gebracht, als wenn sie es angelegt hätte und ward alsgleich denselbigen Tag arretiert und in unsere Gerichte geschafft und in Verhafft genommen worden, den 2.Januar 1788 ins Kloster St.Marienthal geführt, worauf sie alsbald ins Verhör gezogen wurde und sie gestand auch, daß sie 3mal aus Bosheit herausgegangen und die ersten 2mal ihre Bosheit nicht gelungen, das 3te mal sie mit einem Spanlichte herausgegangen und ins Backofenloch gestecket und alsbald ihre Bosheit gelungen. Und sogleich ins Urtheil geschickt. Das erste eingeholte Urtheil hat sie, wie man hört, mit Feuer vom Leben zum Tode gerichtet und alsdann ward es zum 2ten male verschicket und kam wieder wie das erste mal und danachen ward es zum 3ten male verschickt und das 3te eingeholte Urtheil hat sie, wie man hört, mit dem Schwerdt vom leben zum Tode gerichtet und darnach ihren Körper auf den Scheiterhaufen zu legen und verbrannt werden sollte und diese Exekution ist in Ostritz vollzogen worden 1790, den 10.September."

Bei dem Brand im Jahre 1800, bei dem 5 Bauern, 5 Gärtner und 27 Häusler ihr Hab und Gut verloren, kam auch die taubstumme Schwester von Gottlieb Spänich ums Leben, ebenso sein ganzes Vieh. Aus Liebesgaben, die für die Abgebrannten im Lande gesammelt wurden, erhielt er eine Summe von 70 Thalern.

Erwähnt sei noch, daß der Neffe Gottlieb Kießling der ersten Frau von Gottlieb Spänich, unserer Vorfahre Rosina Kießling, Theologe wurde und 1849 als Rektor in Zeitz starb.

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Kriegszeiten

Mehrere Kriege erlebten unsere Vorfahren im 18. und 19. Jahrhundert. Schwere Zeiten gab es, als in den Schlesischen Kriegen und im Siebenjährigen Krieg (1756-1753) die Truppen verschiedenster Nationalitäten durch die Dörfer unserer Ahnen zogen, Quartier und Verpflegung für sich und ihre Pferde verlangten, das Vieh der Bauern schlachteten oder mit sich wegführten.

Carl Gottlob Morawek schreibt in seiner "Geschichte der um Zittau liegenden Ortschaften Hasenberg, Eckartsberg, Radgendorf, Drausendorf, ....", Zittau 1874, 3.36, von Drausendorf, einem Ort von etwa 150 Einwohnern:

"1745, den 26.November, kam ein Regiment Östreicher hier ins Quartier, welche den Einwohnern sehr beschwerlich fielen. Des andern Tages Abends kamen die Preußen, wo es bei der Straße unweit des Dorfes zu einem Gefecht kam, jedoch blieb keiner als todt liegen. Einige gefangene Östreicher nahmen die Preußen mit nach Hirschfelde. Dem Pachter Johann Christoph nahm man sämmtliche, sowie dem Richter Christian Kirsche 1 Pferd und den Bewohnern noch so Manches mit."

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Krieg 1813

Auch die Napoleonischen Kriege brachten viel Unruhe und Not über die Gegend. Wir lesen bei J. Schubert, "Erinnerungen an das Jahr 1813", Zittauer Geschichtsblätter, Jg. 1913/14, S.36 f.:

"Am 19. August in den Morgenstunden war Napoleon von Görlitz aus in Hirschfelde angelangt und nach 10 Uhr traf er in einem sechsspännigen Wagen mit einem großen Gefolge unter dem Geläute aller Glocken in Zittau ein. Es war die letzte Ehrenbezeigung, die dem großen Kaiser hoch vom Turme her zuteil wurde. Für die polnische Armee war bei Eckartsberg ein von Tausenden von Schanzarbeitern angelegtes und befestigtes Lager hergestellt worden. Bereits am 17. August war aus demselben eine Abteilung Truppen, aus Kosaken, Kürassieren und Infanterie mit einigen Kanonen bestehend, unter dem General Uminsky aufgebrochen, um über Friedersdorf, Türchau, Reichenau und Kunnersdorf nach Friedland vorzurücken. Die vor Zittau lagernden feindlichen Truppen brachen nun ebenfalls am 19. August auf und setzten ihren Marsch nach Gabel fort. In der dritten Nachmittagsstunde bewegte sich auch eine französische Heeresabteilung, aus Polen, Italienern und Westfalen bestehend, mit Artilleristen und Kanonen, von Zittau nach Grottau (in Böhmen) (Dort) erkundigte sich der kommandierende Offizier nach dem "Maire" (Bürgermeister) des Ortes, der ... zunächst mit einer "vorläufigen Requisition" von 4000 Pfund Brot und 400 Pfund Butter, dann aber auch noch mit einer Brandsteuer von 1000 Stück Dukaten, die binnen 24 Stunden zu erlegen waren, beglückt wurde."

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Mancher unserer Vorfahren oder mindestens deren Söhne und Brüder taten mehr oder weniger freiwillig Militärdienst, teils in Kurfürstlich Sächsischen, zeitweise zugleich Königlich Polnischen Regimentern (da ja die Kurfürsten August der Starke und sein Sohn von 1697 bis 1763 zugleich Könige von Polen waren), teils auch in preußischen Truppenteilen. Von dem Sohn Gottlob Bergmann unserer Vorfahren Gottlieb Bergmann und seiner ersten Frau Anna Maria geb. Gäbler hat sich die Abschrift einer Gedächtnispredigt aus Reichenau vom 4.8.1816 erhalten, in dem sein schwerer Lebensweg geschildert wird. Es heißt darin:

"Er erblickte durch Gottes Macht und Güte das Licht dieser Welt am 19. Oktober 1782 Nach Ende seiner Schuljahre erlernte er bei seinen Eltern die Leinweberei und setzte solches teils zu Hause, teils bei fremden Leuten fleißig fort ... Jedoch mit seinem 18. Jahre ... fügte er sich auch willig in das ihm bestimmte Schicksal: Soldat zu werden. Und so geschah es, daß er im Jahre 1800 unter das Königl. (fälschlich: damals eigentlich noch Kurfürstl.) Sachs. Infanterie-Regiment von Niesemeusel ... in Zittau zum Rekruten angeworben wurde..."
 

Nach einem Jahr Rekrutenzeit wurde er 1804 "Musquetier", kam ein Jahr nach Dresden, erhielt Urlaub nach Hause, musste 1806 von Bautzen nach Jena marschieren, nahm an der Schlacht bei Jena teil. "Leicht hätte auch der Verewigte unter der Zahl der Toten sein können, .... indem eine Kartätschenkugel seinen Hut durchbohrte." Nach abermaligem Urlaub zu Hause ging 1807 der Marsch nach Schlesien, "wo er der Belagerung der Feste Neiße beiwohnte, wobei ihm abermals eine Kugel durch den Hut fuhr." Nach Belagerung der Festung Glatz ging der Marsch zurück nach Sachsen. Wieder beurlaubt, zog dann das Regiment im Jahre 1809 durch Sachsen und Bayern an die Donau, wo er gefangen genommen wurde. Erst nach langen Umwegen wurde das Regiment in Preßburg (Bratislava) aus der Gefangenschaft entlassen und marschierte zurück nach Dresden. Bereits 1811 mußte er am Festungsbau Torgau mitwirken und 1812 zog sein Regiment mit Napoleon nach Rußland. Nach langen Märschen und etlichen blutigen Gefechten trat die strenge Kälte ein und Tausende seiner "Mitbrüder" fanden ihren Tod. "... da sie auf ihrem Rückzuge, wo sie von den Russen immerwährend verfolgt wurden, ... fast drei Tage und drei Nächte in tiefem Wasser marschieren mußten, so mochte er sich stark erkältet haben. Es überfiel ihn daher ein starkes Fieber." Schließlich kam er nach Schneeberg im Erzgebirge in ein Lazarett, wo er am 5.4.1813 starb, ohne seine Heimat wiedergesehen zu haben.

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Krieg 1866

Über den Krieg von 1866 zwischen Preußen und Österreich schreibt Morawek in dem oben genannten Buch, Radgendorf betreffend, das damals etwa 200 Einwohner hatte:

"Den ersten Befehl zur preußischen Kriegslieferung erhielt der Ort am 18. Juni 1866, zufolge welcher man in Gemeinschaft mit den andern Dörfern des Zittauer Gerichts-Amts-Bezirks 200 Zentner Hafer, 400 Zentner Heu, 800 Zentner Stroh, 20 Zentner Reis, 300 Stück Brote, 25 Stück fette Ochsen, 100 Zentner Roggenmehl und 300 Quart Branntwein liefern mußte. Statt der 25 Stück fetten Ochsen trafen allerdings nur 6 oder 7 sehr erbärmliche Kühe ein. Die Lieferung sollte bis spätestens 3 Uhr Nachmittags auf dem Marktplatze in Hirschfelde erfolgen. (Das war der Hochzeitstag von (8) Gustav Gäbler und (9) Ernestine Hiller.) Freitag den 22. Juni mußte man 10 Officiere, 500 Mann und 93 Pferde verpflegen und beherbergen. ... In der letzten Hälfte des Monats Juni war im Orte kein Pferd mehr vorhanden. ... Aus dem Orte waren 10 Mann, beim jetzigen 12. sächsischen Armeecorps stehend, mit im Kriege gewesen."

Unsere Ahnenheimat wurde im Kriege 1870/71 und den beiden Weltkriegen nicht unmittelbar betroffen, abgesehen von den allgemeinen Nöten, die durch die Kriege hervorgerufen wurden. Auch unsere engere Familie hatte keine Gefallenen in diesen Kriegen zu beklagen. Umso schmerzlicher war die plötzliche Ausweisung aller Bewohner östlich der Neiße am 22.6.1945, die ihre gesamte Habe zurücklassen mußten. Unter ihnen war Onkel Julius Gäbler mit Tante Paula und ihrem Sohn Julius. Sie fanden bei einem alten Bekannten in Zittau, Eisenbahnstraße, in einem einzigen Zimmer ein sehr dürftiges Unterkommen. Dort sind auch Onkel Julius am 27.11.1952 und Tante Paula am 31.5.1956 verstorben.

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Das Leben der Vorfahren

Beginnen wir mit kurzen Bemerkungen über die Mundart der Oberlausitzer. Sie ist durch den rollenden R-Laut gekennzeichnet und klingt mit ihren dumpfen Vokalen etwas rauh. Als Beispiele seien nur ganz wenige Wörter genannt:

Kumm ock har = Komm doch (nur) her
Ar soite = Er sagte
Hoich gsoit = Habe ich gesagt
Hirschte ! = Hörst du !
Aßt'r oh no mie ? = Eßt ihr auch noch mehr ?
A brinkl = Ein kleiner Brocken
Abernmauk = Erdbirnenmus (Kartoffelmus)

Auch in friedlichen Zeiten war das Leben der Bauern, Gärtner und Häusler nicht leicht. Als nahezu freie Bauern hatten sie einst gesiedelt, nur dem Gutsherrn waren sie in geringem Maße zinspflichtig gewesen, der das Obereigentum am Lande besaß. Das Bauerngut und jedes Haus konnten jederzeit verkauft oder vererbt werden, der Grundherr hatte nur das Recht der Bestätigung des Besitzwechsels. Die Siedler mußten außerdem Dienste beim Bau von Befestigungen leisten und im Kriegsfalle Heerwagen und deren Begleitung stellen.

Aber im Laufe der Jahrhunderte wurden allmählich weitere Verpflichtungen der Bauern gegenüber der Grundherrschaft eingeführt. Es wurden Naturalabgaben und Frondienste in Feld und Wald der Herrschaft verlangt. Da keine schriftlichen Abmachungen vorhanden waren, konnte der Grundherr immer höhere Dienste fordern. So wurde vielfach von den Jugendlichen, Jungen wie Mädchen, ein "Hofejahr" verlangt, das bei geringem Entgelt und recht kärglicher Verpflegung abzuleisten war.

G. G. Morawek, "Geschichte von Drausendorf bei Zittau", Zittau 1873, schreibt S.43 f.:

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Frohndienste

"An Frohndiensten haben die Ortsbewohner bis zum Jahre 1836, wo selbige abgelöst wurden, folgendes zu verrichten: Die Gärtner haben jeder jährlich zusammen an Handdiensten

  1. das Heu und Grummet in Drausendorf abzumähen, zu dörren und in Schober zu bringen, wobei sie so lange in der Arbeit stehen bleiben, als solche dauert und die Witterung zuläßt. Dafür ist ihnen die Benutzung der sogenannten Fischerwiesen nach gewissen, einem Jeden zugetheilten Portionen, gegen einen leidlichen Zinsvon 2 Thaler 22 Groschen überlassen;
     

  2. das Getreide selbander zu hauen, zu binden, in Mandeln zu setzen und die Stoppeln nachzurechen. Dafür erhalten sie die 14. Mandel von jeder Art Getreide, und beim Stoppelrechen jeder vom Roggen und Hafer 4 Gebund, vom Weizen 3 Gebund, von der Gerste 2 Gebund, von Erbsen und Wicken aber den 14. Haufen. Die 14. Mandel wird durch die Vorwerkspferde mit eingefahren, und auf dem Vorwerkshofe die Theilung gemacht. Bei der Getreide- und Heu-Ernte wird ihnen 2 bis 3 Faß Nachbier ( "Kofend-Getränke") oder eine gewisse Vergütung dafür an Geld, ingleichen nach vollbrachter Ernte eine sogenannte Dreschermahlzeit gereicht, womit es diese Bewand-niß hat, daß sie 9 Groschen Geld zum Fleischeinkauf, das sodann gekaufte Fleisch auf dem Vorwerke mit einem Zugemüse von Rüben und Kraut zugerichtet, ferner ein Mäßchen Hirse in guter Milch gekocht, hiernächst jeder 6 Pfennige für das Brod, einen Ziegenkäse oder ebenfalls Geld dafür, und alle zusammen ein Fäßchen Bier für einen Thaler erhalten;
     

  3. den Flachs durch ihre Weiber ausjäten, zu raufen, zu rüffeln, aufzulegen und wieder einzurechen. Jede Frau bekommt für den Tag 1 Groschen 2 Pfennige, vom Brechen und Hecheln aber ihrer zwei zusammen für jeden Kloben 6 Pfennige Lohn;
     

  4. Kraut zu pflanzen und zu hacken, jeder Gärtner ein Beet ohne Entgeld, wenn aber mehr verlangt wird, gegen 1 Groschen 2 Pfennige Tagelohn;
     

  5. Dünger zu breiten, und im Frühjahre das Getreide zu beschnei den, ebenfalls gegen 1 Groschen 2 Pfennige Tagelohn;
     

  6. das sämmtliche Getreide ohne Unterschied, gegen Empfang des 13. Scheffels bei der Hebung in gutem Getreide, auszudreschen. - Auf einem Tenne dreschen 4 Mann täglich 1 Schock 2 Mandeln in den ersten 4 Tagen aus, am Freitage wird "gewurfen" und des Sonnabends sind sie frei;
     

  7. alle Seile, soviel deren nöthig, zu machen, wofür sie alle zusammen 2 Thaler 12 Groschen und 3 Viertel gutes Korn erhalten;
     

  8. die Dachschoben, so viel deren erforderlich, zu fertigen und aufzudecken. Für Fertigung eines Sechzigers, welcher 60 Gebund und jedes Gebund 12 Schoben enthält, empfangen sie 8 Groschen und 1 Metze gut Korn, beim Aufdecken jeder Gärtner täglich 5 kleine Groschen oder für alle 6 Tage einer Woche 11 Groschen 8 Pfennige;
     

  9. bei Reparaturen am Weißuferbaue, so lange die Reparatur dauert, die Handarbeit gegen Empfang eines Tagelohns von 5 kleinen Groschen zu thun, und treten sie diesen Dienst, so wie bei allen anderen Arbeiten, wo sie 1 Groschen 2 Pfennige bekommen, früh um 6 Uhr an, machen um 8 eine Frühstücks- und um 12 Uhr eine Mittagsstunde, und gehen Nachmittags um 5 Uhr wieder vom Dienste ab."

Einer dieser Gärtner in Drausendorf, der diese Arbeiten sicherlich auch leisten musste, war unser Vorfahr Johann Schäfer (1724-1772), zugleich war er aber noch Straßenbauer oder "Steinsetzer".

Auffällig ist wohl, dass der Anbau der Kartoffel nicht erwähnt wird. Sie wurde nach Engelmann, "Geschichte von Reichenau", erst um das Jahr 1750 in der Zittauer Gegend bekannt, mit ihrem Anbau begann man im Gefolge der großen Hungersnot 1771/72. Die Kartoffeln wurden etwa 1770 Erdbohnen, etwa ab 1802 Erdbirnen ("Abern") genannt.

Die Kirche forderte, ebenso wie die Gutsherrschaft, von den Einwohnern eine Steuer, den Decem, also eigentlich den zehnten Teil der Ernte, ein Zehntel des jungen Viehs usw. Tatsächlich wurde im allgemeinen viel weniger von der Kirche verlangt. Sie besaß ein ihr schon etwa bei Gründung des Dorfes "gewidmetes" Gut von der Größe eines Bauerngutes, das "Widemutsgut".

Neben den Abgaben, die die Einwohner an die Gutsherrschaft zu leisten hatten, bestanden aber auch Verpflichtungen derselben. Der Gutsherr hatte darüber zu wachen, daß die Güter im Dorfe ordnungsgemäß bestellt wurden und niemand seine Haushaltung vernachlässigte. Im allgemeinen gab es keine Feindseligkeit zwischen dem Gutsherrn und seinen Untertanen.

Die Abwanderung eines Bewohners aus einem Dorfe musste von der Gutsherrschaft genehmigt werden. Sie wurde oft gar nicht, sicherlich aber erst nach Ableistung des Hofedienstes gestattet. So erklärt sich, dass der größte Teil der Ehen zwischen Angehörigen des gleichen Dorfes oder der gleichen Gutsherrschaft geschlossen wurde, Manchmal findet sich auch die Bemerkung in den Gerichtsbüchern, dass ein Einwohner "entlaufen" war, ohne also die Genehmigung der Gutsherrschaft eingeholt zu haben. Dann verfiel sein Besitztum oft der Grundherrschaft oder sein Erbe ging an seine Geschwister.

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Freihäusler

Eine Ausnahme von der Bindung an die Grundherrschaft bestand für Besitzer von "Freihäusern". Ein Haus wurde zum "Freihaus", wenn sich der Besitzer vom Untertänigkeitsverhältnis gegenüber der Herrschaft durch Zahlung einer größeren Geldsumme freigekauft hatte oder ein Freihaus erwarb. Diese Freihäusler, die aber weiterhin der Dorfgerichtsbarkeit unterstanden, waren frei von allen der Gutsherrsohaft zu leistenden Diensten, sie durften auch ohne Genehmigung ihren Wohnsitz wechseln.

Ein solcher Freihäusler war unser Vorfahr Gottfried Bischoff, der, in Markersdorf geboren, im Jahre 1770 eine Baustelle für ein Freihaus in Wald erwarb.

Erst durch das 1832 erlassene Gesetz über die Ablösung der Dienstleistungen, das in den folgenden Jahren in Kraft trat, wurden die Frondienste der Dorfbewohner aufgehoben und durch eine einmalige oder eine mit Tilgung verbundene jährliche Zahlung oder auch durch Abtretung von einem Teil ihres Grundbesitzes ersetzt.

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Weber

Während die Bauern damit frei wurden, lebten die Häusler, die meist Weber waren, weiterhin in drückender Not. Oft begann für sie der Arbeitstag früh 5 Uhr und endete, nach einer Stunde Mittagspause, bei Rüböllicht abends 10 Uhr. Die Frauen webten mit oder sie, sowie die Kinder und alten Leute trieben auf dem Spulrad das Garn von der Winde auf die "Pfeifen".

Vor dem Weben ist das gekaufte Garn zu spulen, sowie "Kette" und "Schuß" herzustellen. Dann folgt das "Anzetteln" (Fäden anheften) und "Scheren" (Fäden von den Spulen gleichlaufend auf den "Scherbaum" (eine Walze) bringen), das "Schlichten" (Durchtränken der gescherten Kettenfäden mit dünnflüssigem Weizenmehlkleister zum Glätten und Steifen, um sie widerstandsfähiger gegen Abnützung zu machen), danach das Trocknen und endlich das "Aufbäumen" auf den Kettenbaum. Nun beginnt das Weben mit Hilfe von Zügen, die der Weber mit den Füßen bedient. Dabei wird die eine Hälfte der Kettenfäden gehoben, die andere Hälfte gesenkt. Dann wird mit der einen Hand der auf der Pfeife in einem Schiffchen befindliche Querfaden eingeschossen, mit der anderen Hand der Faden an den vorhergehenden Querfaden angedrückt. Nach dem nächsten Senken bzw. Heben der Kettenfäden wird der Querfaden in der Gegenrichtung eingeschossen usw. In der Minute konnte der Handweber etwa 60 bis 70 Einschüsse machen.

Die Weberei, die vorher nur in den Städten blühte, wurde Mitte des 16. Jahrhunderts in den Dörfern eingeführt, wobei die Herrschaft für jeden Webstuhl ein jährliches "Stuhlgeld" erhob. Anfang des 18. Jahrhunderts kamen in den Dörfern Händler, sogenannte Faktoren auf, die Garn an die Weber ausgaben und Leinwand herstellen ließen. Sie verkauften die Ware an städtische Kaufleute. Teilweise schafften die Weber die Ware auch selbst ins Zittauer Leinwandhaus. Dort mussten sie "Shaugeld" bezahlen, wobei das fertige Stück auf Länge, Breite und Gleichmäßigkeit geprüft wurde. Dieser Schau verdankte die Zittauer Leinwand ihren guten Ruf, sie wurde bis nach Italien und Spanien verkauft. Seit 1798 wurde auch Baumwolle in den Dörfern verarbeitet.

Durch die Napoleonischen Kriege und die Kontinentalsperre ging der Absatz an Webwaren stark zurück, besonders aber machte sich das Aufkommen der mechanischen Weberei bemerkbar, wodurch die Webwaren billiger als durch den Handwerker hergestellt werden konnten, So wurden die Löhne der Handweber gedrückt, manch einer hatte keine Arbeit mehr. In denjenigen Haushalten, in denen noch Arbeit vorhanden war, mussten die Kinder vom 6. oder 7. Lebensjahre an, manchmal auch schon früher mitarbeiten. Ein Beamter, der 1885 ein Gutachten über die Ernährung der Weber in der Amtshauptmannschaft Zittau abgab, schildert sie als ein "trostloses Einerlei". Hauptnahrungsmittel waren Brot, Kartoffeln und Quark, Leinöl oder "Brägelsalz", das aus Salz, Mehl und Schmalz hergestellt wurde. An Sonntagen begnügte man sich oft mit einem marinierten Hering, Fleisch kam damals nur an Feiertagen auf den Tisch der Weber, um das Jahr 1880 hatte ein Weber ein Wocheneinkommen von 4 bis 8 Mark.

So war es kein Wunder, dass die Hausweberei immer mehr eingeschränkt wurde, aus Hauswebern wurden Fabrikarbeiter in den neu erstandenen Fabriken, östlich der Neiße insbesondere in Reichenau. Dadurch hob sich der Lebensstandard der Häusler allmählich. Die Handweberei endete etwa während des 1. Weltkrieges.

Kehren wir zu den Verhältnissen in den Dörfern zurück, wie sie Jahrhunderte bestanden:

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Gerichtsbarkeit

Die niedere Gerichtsbarkeit wurde innerhalb des Dorfes ausgeübt. Es gab einen Dorfrichter, der meist zugleich der Kretschambesitzer war, und von der Herrschaft berufen wurde. Wie erwähnt, waren einige unserer Vorfahren Dorfrichter. Dem Richter standen die "Schöppen" oder "Gerichtsältesten" zur Seite. Vor dem Dorfrichter wurden die Käufe und Verkäufe, die Erbsonderungen und Streitigkeiten zwischen den Dorfbewohnern verhandelt. Der Gerichtsschreiber war zugleich der Lehrer des Dorfes, denn die Bauern und Häusler waren meist des Schreibens und Lesens nur sehr beschränkt kundig. Allerdings bedurfte jeder Rechtsakt, wie erwähnt, der Bestätigung durch die Gutsherrschaft, die aber fast immer erteilt wurde. Eine Ausnahme sei hier kurz geschildert:

Das Gut unseres Vorfahren Martin Bischoff in Markersdorf sollte von seinen Erben am 2.12.1674 an den Schwiegersohn Hans Prade verkauft werden. Der Kaufvertrag wurde im Gerichtsbuch, heute im Staatsarchiv Dresden, Register-Nummer Reichenau 109, liegend, Blatt 57, ausführlich aufgesetzt. Dann folgt am 3.12.1674 die Bemerkung des Gutsherrn Otto Freiherr von Noßtiz: "Nachdem Mir, bey Vortragung dieses Kaufs aus beweglichen Uhrsachen gefallen, selbsten, nach Zulaßung der Rechte, .... in diesen Kauff zu tretten ...." Der Käufer hatte das Nachsehen.

Oft wurden die Eintragungen in die Schöppenbücher, die bei den Gemeinden geführt wurden und jetzt zumeist im Staatsarchiv Dresden liegen, mit größter Ausführlichkeit vorgenommen. Die bei einem Verkauf übergebenen beweglichen Gegenstände wurden aufgezählt, das "Ausgedinge" des alten Besitzers für sich und seine Ehefrau mit allen ihren Ansprüchen festgelegt. Diese Gerichtsbucheintragungen ergeben einen guten Einblick in das Leben unserer Vorfahren. Mehrere derartige Einträge sollen hier wortgetreu aufgeführt werden.

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Das Schöppenbuch von Markersdorf (Reichenau Nr. 152) verzeichnet auf S. 388-392 den Gutskauf unseres Vorfahren Heinrich Gäbler von seinem Vater Christoph Gäbler. Der Kaufpreis von 350 Scho. bedeutet Böhmische Schock, da auch nach Übernahme des Zittauer Gebietes in die sächsische Oberlausitz nach böhmischem Gelde gerechnet wurde. Jedem Vertrag ging die ausführliche Bemerkung voraus, daß er von der Gutsherrschaft genehmigt und ratifiziert werden mußte, hier als "Ratihabition" bezeichnet. Das im Texte gebrauchte Wort "Lochten" stammt wahrscheinlich von "Lache" oder "Loche" ab, einer Grenzmarke in Holz oder Stein, das Wort "Hofereythe" bedeutet wohl Hofrecht, Hofbesitz, "wiedtfest" heißt, mit Wieden, d.h. Zweigen von Weiden und Birken festgebunden. Der "Fiebig" war das den Dorfbewohnern gemeinsam zur Nutzung überlassene Flurstück inmitten des Dorfes, das als Viehweide verwendet wurde. Die "Mußquete zum Hausgewehr" ist eine Muskete zum Schutz des Hauses. "Vier Schl.gutt Korn" sind 4 Scheffel Korn, wobei ein Scheffel etwa einem Hektoliter entspricht, "1 Sch Eyer" sind ein Schock = 60 Stück Eier.

"Heinrich Gäblers Erb- und Bauer-Gutt-Kauff von Seinem Vater Christoph Gäblern Sen. den 19.January Ao.1712. Kauff Summa 350 Scho.
 

Biß auff gnädigen Consens und Ratihabition

Der Hoch-Wohlgebohrenen Frauen, Frauen Annae Sophien von Einsiedel gebohrener Rumorin Ihrer Hoheiten der Königl. Pollnisch. und Chur-Fürstl.Sächß. Frauen Mutter, hochverordneter Frauen Ober-Hoffmeisterin, Frauen der Standes-Herrschafft Seidenberg, und der Herrschafft Oppurg sowie auch zu Wolckenburg, Ehrenberg, Gerßdorff und Böhrichen p.p. Ihrer Hoch-Herrl. Excellenz, Unserer Gnädigen hochgebietenden Gerrschafft.

Ist untengeschriebenen Acto in denen Gerichten zu Marckerßdorff zwischen Christoph Gäblern dem ältern, bißhero gewesenen Bauern alda, Verkäuffern eines Theils, und seinem Sohne Heinrich Gäblern, Käuffern andern theils, ein Ehrlicher auffrichtiger und beständiger Erb-Kauff, abgehandelt, beschlossen, und derogestalt wie hernach folget, Gerichtl. verschrieben worden Nemlichen:
 

Es verkauffet der Erstgedachte Christoph Gäbler Senior, sein Erb-und Bauer-Gutt, welches an der obern Seiten an dem gemeinen Fiebige, unten zu an der niedern Seiten an Christoph Gäblers jun. Bauer-Gutte hinauß, an Äckern, Wiesen, Holzungen, und allen Nutzbarkeiten, in Seinen behörigen Gränzen, Lochten, Keinen und Staynen, sambt dem darauff befindlichen Wohn Hause, Scheunen, und waß zur Hofereythe gehörig, vor zwey Ruthen Feldes zu verrechten gelegen, mit alle dem waß darauff, Erdt- Wiedt- und Nagelfest ist, derogestalt zu besizen, zu nuzen, zu gebrauchen und zu verrechten, wie dieses Erb- und Bauer-Gutt, von Ihme und vorigen Besizern, besessen, genuzet, gebrauchet und verrechtet worden, sambt dem verhandenen Beylaß, wie solcher hier unten Specificiret ist. Solch ermeltes Erb- und Bauer-Gutt erkauftet nunrnehro an sich der Eingangs ernennete Käuffer Heinrich Gäbler, in der Kauff-Summa vor und umb Dreyhundert und Fünffzig Schock, vollständige Zahlung, darauff der Käuffer nach der Tradition und Überreichung zum Ersten Angelde baar geben soll Einhundert und Zehen Scho. Die noch rückständigen 240 Scho. in nachfolgenden Terminen als: auff Jacobi Anno:
 

1713 ...15 Scho.
1714 ...15 Scho. (usw.)
1727 ...15 Scho. und
1728 die letztern 15 Scho.
 

Dem Käuffer wird Bey diesem Gutte gelassen, 6.Scheffel Korn, 12.Scheffel Haber, Ein Scheffel Gersten, drey Zugvieh, nemlich ein Pferd und 2.Ochsen, mit darzugehörigen Geschirren, 2.Wagen, sambt den darzugehörigen Leitern und Schlittengezeug, 2.Pflüge, 2.paar Egen, 1.Ruhrhaacken, 2.Wagen-Ketten, 2.Spann-Ketten, 2.Steuer-Ketten, 1.Düngergabel, 1.Düngerhaacken, 1.Heu-Gabel, eine Futterbanck mit der Schneide, ein Gesinde-Bette, mit Feder-und Span-Betten, der Tisch in der Stuben, der Kessel und Ofen-Topff, das Backezeug so gut es vorhanden, eine Steigeleiter, ein Feuerhacken, und eine Mußquete zum Haußgewehr.
 

Es hat aber der Verkäuffer als Vater vor sich und Seine Ehewürthin sich außgedinget in dem kleinen Stübel oben werths am Wohnhause, freye Herberge und Auffenthalt, so lange Sie allebeyde, oder auch gleich nur eines von Ihnen am Leben ist, auch eine Kammer zur Lagerstät, weil aber das Stübel gar sehr eingegangen und Baufällig ist, soll der Käuffer schuldig seyn, zu dessen Bau- und Anrichtung das Holtz darzu zugeben, und anzuführen, die Baukosten aber an Zimmerlohn, auch Nagel und Breth soll der Verkäuffer geben. Es soll auch der Käuffer dem Verkäuffer Jährlich gebem Vier Schl. gutt Korn und einen Schl. Gersten, Item, eine Kuh und eine Ziege, frey mit zufelde vortreiben zulassen. Zu deren Fütterung hat sich der Verkäuffer auff diesem Gutte eine Wiese außgedinget wie solche angewiesen ist, davon das Butter zu nuzen, Item, ein halb Scho. Stroh vom Sommer-Getreyde, Ferner soll der Käuffer dem Verkäuffer Jährlich Ein Viertel Lein (welchen der Verkäuffer zum Saamen selber anschaffet) in zugerichteten Acker, mit säen ohn Entgeldt, 2.Kraut Bethe und 2. Küchenbethe soll der Verkäuffer Jährlich zum freyen Gebrauch haben, so giebt Ihm auch der Käuffer jedes Jahr 1.Scho.Eyer, und verstattet Ihm 6.Jahr nacheinander 2.Gänse, zuhalten. Der Verkäuffer soll auch von einem Birn-Baum im Garten die Früchte zugenüssen haben, und von einem Apffelbaum die helffte der Früchte, So soll auch der Käuffer dem Verkäuffer Jährlich vom Gutte geben 2.Clafftern Brennholz und solches herzuführen. Dieses Außgedinge so in allem also gehalten werden, so lange der Vater als Verkäuffer lebet. Nach deß Vaters Tode aber soll der Wittiben die freye Herberge im Stübel, so lange Sie lebet, verbleiben, doch soll Sie sieh selber beholzen und beleuchten. Es soll Ihr auch der Käuffer Jährlich geben Einen Scheffel Korn, ein Krauth Bethe und ein Küchenbethe, soll Sie zu freyem Gebrauch haben, wenn Sie, die Wittibe, nöthig hat, vor sich zubacken, soll Sie bey deß Käuffers Holze mit zubacken berechtiget seyn, Item Sie soll auch eine Ziege mit vorzutreiben haben, zu deren Fütte-rung soll Sie ein Wiese-Fleckel haben wie es angewiesen, das Futter davon zugebrauchen. Es soll auch nach deß Vaters Absterben, die Gedinge-Kuhe, wenn eine Vorhanden ist, der Wittiben alleine eigenthümlich verbleiben, ohne Einspruch der Erben, dafern aber die Kühe in natura nicht vorhanden wäre, soll Sie von deß Vaters Verlassenschafft dafür am Gelde Bekommen 6 rthlr. Noch ist hier-bey zugedencken, daß der Käuffer verwilliget hat zu dem obig ge-melten Außgedinge deß Vaters, noch eine Mandel Rocken-Stroh demselben Jährlich zugeben, so lange der Vater lebet, hernachmahls aber weiter nicht.
 

Pöen. Dafern nun ein oder andere Theil diesen Kauff nicht halten würde, soll der Nichthaltende theil der Hochherrl. gnädigen Herrschafft Zur Straffe deß Wandel-Kauffs verfallen haben 40 Scho. dem beständigen theile 20 Scho. und der Gemeine ein halb virtl. Bier.
 

Bürgen, Umb haltung willen deß Kauffs, hat vor den Verkäuffer Bürgschafft geleistet Christoph Gäbler jun. Bauer, und vor den Käuffer Friedrich Lincke, Gärtner, und Gemein Eltester.
 

Dieser Erb-Kauff, wie Er von beyden Theilen abgehandelt, ist Gerichtlichen verschrieben worden, in Gegenwarth derer Ehrengeachten als Martin Linckens deß Richters, Item, Christoph Heydrichs, David Krauses deß obern, Caspar Linckes und Thomaß Tletzens, Gerichts-geschworenen, den 19.January Ao.1712.


Ratificiert den 26.May, 1712


Lic. J.Samuel Hänzschel,
Ambts-Canzler."

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Der nächste Eintrag stammt aus dem gleichen Gerichtsbuch, S.1461-1467, er zeigt u.a., welche Lasten an Geld und Arbeitsleistungen einem Häusler und Weber von der Gutsherrschaft zugemutet wurden. Es handelt sich hier um den Verkauf ihres Auenhauses durch die Witwe unseres Vorfahren Hans Christoph Gäbler, die, wie schon erwähnt, 1764 nochmals heiratete und mit ihrem Sohn Gottlieb Gäbler nach Dornhennersdorf übersiedelte. Dem Kaufvertrag schließt sich die "Erbsonderung" an. Die Verträge zeigen, dass eine Frau kein Rechtsgeschäft abschließen durfte, sie brauchte dazu einen Vormund oder "Curator". In diesem Falle war es der Bruder Caspar Pfennigwerth der Witwe Regina Gäbler geb.Pfennigwerth. Ersichtlich ist, daß zu der Zeit des Kaufes sowohl nach Böhmischen Schock als auch nach Reichsthalern gerechnet wurde, wobei damals 45 Schock = 35 Reichsthaler gesetzt wurden (1 Reichsthaler = 24 Groschen, 1 Groschen = 12 Pfennige).

"Johann Gottfried Nicolau Erb-Kauff umb ein Auen-Hauß, so er von Weyl. Hanns Christoph Gäblers htnterl.Erben erkaufft. Den 16.Sept. Anno 1762. Kauff Summa 45 Schock Böhmisch.
Im Nahmen des Dreyeinigen Gottes:

Sey hiermit zu wißen denen es von nöthen, das bis auf Genehmhaltung und Ratification. Des Hochgebohrnen Herrn Herrn Johann George Friedrich, des Heil.Röm.Reichs Grafens von Einsiedel, Sr.Königl. Maßest.in Pohlen, und Churfürstl.Durchl.zu Sachßen hochbestallten Cammer-Herrn, auch Hoff- und Justitien Rath, und Herrns der Standes Herrschafft Seydenberg, Auf Reibersdorff, Oppelsdorff, Mar ckersdorff, Dornhennersdorff, OberWeigsdorff und Dörffel, auch Erb-Lehns- und Gerichts-Herrn auf Harthau und Goldbach
Ihro HochReichsGräffl. Excellentz Unserer Gnädigen Hochgebiethenden Herrschafft.

Heute unten gesezten dato vor dem Erbaren Gerichten zu Marckers dorff nachfolgender Erb-Kauff wohlbedächtig abgehandelt und beschlossen worden:

Nehml. es verkauffen, weyl.Hanns Christoph Gablers, geweßnen Häußl. alldar nachgel.Erben, als deßen Wittib Nahmens Fr. Regina, geb.Pfennigwerthin, in Aßistenz ihres ad hunc actum constituirten Couratoris Caspar Pfennigwerths, Häußl. und dieser Zeit verordneten Richters, item Christoph Gäbler, Gärthner aldar, in Vormund-sohafft des eintzigen Sohnes, Nahmens Gottlieb Gäblers, und Gottfried Lincke inf. Häußl. alldar, in Vormundschafft der Tochter Nahmens Anna rosina Gäblerin, ihres nun mehro Seel.verstorbenen resp.Ehemannes und Vaters hinterl.Auen-Hauß, welches vor Gottfried Benedicts Erb- und Bauer Guthe auf der Auen in seinen alten vorigen Lochten Reinen und Steinen gelegen, mit alle dem, was darinnen Erdt Wiedt- und Nagelfest, dergestalt zu besitzen, zu nutzen, zu gebrauchen, und zuverrechten, wie es von vorigen Besitzern inst besessen, genutzet, gebrauchet und verrechtet worden, nehml. in der qvalitat eines Zinnß-Haußes, daß er davon jährl. an Termin S.Georgii und Michael jedes mahl 9 1/3 (?) Erb-Zinnßen, item auf Johannis und Weyhnachten, jeden Termin 5 ggr. Wache-Geld, als auch jedes Jahr an Termin Michaelis 2.gute Schock Roboth-Geld, zu der Gnäd. Herrschafft Renthen-Einnahme abgeben, über dieses 2.Tage Hand Hofe Dienste zu thun, auch nach Empfahung des Flachßes 2.Stücke Garn, über die 3/4 licher Eiffe zu spinnen, ohne Entgeld. Zu denen Churfürstl. Steuern dem ord. 2.Kaysergr., und dem Extra ordin. Steuern 2.ggr. geben, was aber die Gemein-Steuern und Anlagen anbelanget, giebt er gleich denen andern Häußlern, und soll sonsten mit der Gemeine haben und legen, wie es bräuchlich. Mit dem verhandenen Beylaß, einen Tisch in der Stuben, das Backezeug, so gut es vorhanden, 1.Holtz Axt, 1.Dachleiter, 1.Feuer-haacken, und 1.Spieß zum Haußgewehre, an Johann Gottfried Nicolau vor und umb Fünff und Viertzig Schock Böhmisch vollständiger Kauff-Summa, und zwar auf Michael Anno 1763. in einer Summa baar zuerlegen und zubezahlen. Die hierbey auflauffenden Unkosten giebt Käuffer alleine ohne Verkürtzung der Kauff-Summa, auch ingl. die noch restirenden Gerneind-Anlagen der Kriegs-Troublen daher, über sich genommen zu zahlen. Die obgedachte Wittib hat bey diesem Kauffe ausgedungen freye Herberge, in dem apart darinnen gebauten Stübchen auf die Zeit ihres Lebens, und aber sich selber zu be-holtzen und zubeleuchten übern Stübchen und Stalle der Kammer zur Lagerstatt, der Käuffer aber dieses alles in baulichen Weßen zu erhalten, item: untern Stübchen Fenstern stehenden Pflaum, u. Maruncken Bäumchen, und im Ober-Garthen 1.Apffelbaum, wie sie einander angewiesen, die Früchte davon zu genüßen. Sollten sie sich aber wieder Vermuthen nicht gütlich vernehmen können, und genöthiget werden auszuziehen, so soll ihr Käuffer jährl. geben 2.Scho.: so lange sie lebet.
 

Und wann sollte mit der Zeit von ihren Kindern eines Hochzeit machen, so will Käuffer ihnen Hauß und Stube darzu einräumen, auch sonst vergönnen, bey ihr aus und einzugehen.
 

Poena. Der Nichthaltende Theil dieses Kauffes, soll der Gnädigen Herrschafft zur Straffe des Wandelkauffs verfallen haben 6 Scho., dem geständigen Theil halb so viel, und der Gemeine eine halbe Tonne Bier.
 

Bürgen. Umb haltung willen des Kauffs, hat vor die Verkäuffer Bürgschafft angelobet Christoph Gäbler, Bauer und Gerichts Eltester, vor dem Käuffer aber, und vors baare Geld sein Pflege-Vater Gottfried Gäbler.
 

Dieser Kauff ist abgehandelter maßen verschrieben worden, in dem Gerichten zu Marckersdorff, in Gegenwarth derer Ehrengeachten, als Caspar Pfennigwerths des Richters, item Christoph Gäblers, Johann Caspar Kreideweiß, Hanns Christoph Neumanns, Friedrich Schäffers, und Gottlob Linckes geschworener Gerichts-Eltesten.

den 16.September Anno 1762.

 

Gottlob Heydrich verpflichteter Gerichtsschr.
Ratificiret Amt Reibersdorff den 21ten September 1762.
D.Carl Gottfried Kießling
Amts Directore."

 

"Erbsonderung, weyl. Hanns Christoph Gablers, gewesenen Häußl. aldar, hinterl. Erben. Den 16ten-Septembr Anno 1762.

Biß auf hochgeneigten Consens und darauf erfolgende Ratification E. Wohllöbl. Amts in Reibersdorff, Haben Heute unten gesezten dato vor dem ordentlichen Gerichten in Marckersdorff, weyl. Hanns Christoph Gäblers, geweßenen Häußl.alldar ninterl.Erben, als


1. Die Wittib Fr. Regina, geb. Pfennigwerthin, mit Aßistentz ihres Couratoris Caspar Pfennigwerths, Häußl.und verordneten Richters.


2. Deßen Sohn, Gottlieb Gäbler, oder mit Aßistenz deßen Vormundes, Christoph Gäblers, Gärthn. aldar


3. Deßen Tochter Anna Rosina Gäblerin, mit Aßistentz ihres Vormunds, Gottfried Linckes inf. Häußl. alldar.

über ihres verstorbenen resp. Ehemannes und Vaters nachgelaßenes Vermögen, nachstehende Erbsonderung gehalten.

Es besteht aber die Verlassenschafft in Nachfolgenden:

 

Es ist nehml.das Väterl. Auen-Hauß verkauffet worden an Johann Gottfried Nicolau vor umb. 45 Scho.Böhmisch oder 35 rthlr. Ingl.aus Mobilien und Sachen, so verkaufft worden, gelöst 30 rhtlr.. Suma dieser Erbe-Gelder 65 rthlr.
 

 

Wie nun diese Erbsonderung von denen Intereßenten verabredet und bewilliget, also ist sie auch ihren Begehren nach schrifftlich verfertiget worden, und wird E.Wohllöbl.Amt von ihnen gehorsamst gebethen, solche hochgeneigt zu ratificiren, und künfftig jeden Theil dabey zu schützen.
 

Actum in dem Gerichten zu Marckersdorff, in Gegenwarth, derer Ehrengeachten, als Caspar Pfennigwerths, des Richters, item Christoph Gäblers, Johann Caspar Kreideweiß, Hanns Christoph Neumanns, Friedrich Schäffers und Gottlob Linckes, geschworner Gerichts-Eltesten. Den l6.Septembr Anno 1762.

 

Ratificiret Amt Reibersdorff
den 21.Septembr. 1762
Gottlob Heydrich
geschworner Gerichtsschreiber
D.Carl Gottfried Kießling
Amts-Directore."

Erwähnt sei, dass bei einer Erbteilung die Mutter immer ein Drittel, alle Kinder zusammen den Rest erhielten. Hatte die zweite Frau des Erblassers von diesem keine Kinder, so ging sie leer aus, es sei denn, dieser hatte ihr testamentarisch etwas vermacht. Beerbte ein Mann seine vor ihm verstorbene Frau, so erhielt er zwei Drittel des Erbes, die Kinder den Rest. Manchmal verzichteten die Witwe bzw. der Witwer auch auf einen Teil ihres Erbes, um den Kindern ein größeres Erbe zukommen zu lassen.

Der folgende Eintrag ist dem Reichenauer Schöppenbuch (Reichenau Nr. 171), S. 387-391, entnommen. Hier ist die Äbtissin des Klosters St. Marienthal die Vertreterin der Gutsherrschaft. Dem Kaufvertrag schließt sich die "Lossage" des Käufers von seinen Schuldverpflichtungen durch den Verkäufer oder seine Erben an. Sie wurde nach der letzten Zahlung, also manchmal erst viele Jahre nach dem Kauf erteilt und gehörte zu jedem Kaufvertrag.

Die "Schöße", die in dem Vertrag genannt wird, war ein Gerät, mit dem das Brot in den Backofen geschoben wurde.

"Johann Friedrich Scholtzes Erbkauf, um seines Bruders Gottlob Scholtzes Auenhaus, den 14.Februar 1765. Kauf Summa 40 Zittm.

Bis auf Gnädigen Consens und Ratihabition der Hochwürdigen, Hoch Edelgebohrenen und in Gott Andächtigen Fraun, Fraun Anastasia, würdigsten Abbatißin und Domina des Königl.Geistl.Stiffts und Jungfräul.Closters St.Marienthal

 

Ihro Hochwürden und Gnaden
Unserer Gnädigen Hochgebiethenden Herrschafft.

 

Ist heute untengesetzten dato, vor den ordentl. Gerichten in Reichenau, zwischen Gottlob Scholtzen, Häußl. allhier, Verkäuffern an einem, und seinem Stiefbruder Johann Friedrich Scholtzen, Käuffern am andern Theile, nachstehender und richtiger und zu Recht beständiger Erbkauf abgehandelt, beschloßen und dergestalt wie hernach folget, Gerichtl. verschrieben worden, nehml.

Es verkaufft bemeldter Gottlob Scholtze sein bisher beseßenes Auenhaus, welches vor Gottlob Schönfelders Bauerguthe auf der Auen, unter Christoph Meuers Auenhause in seinen alten Lochten Reinen und Steinen gelegen, mit allen dem, was darinnen Erd-Wiedt- und Nagelfeste ist, dergestalt zu besitzen, zu nutzen zu gebrauchen und zu verrechten, wie es von ihm und vorigen Besitzern ist beseßen, genutzt, gebrauchet und verrechtet worden. Mit dem wenigen Beylaße, als einem Tische in der Stube, einen küpfernen Kessel im Ofen, einer Ofengabel, Schoße und Ofenkrücke, einer Dachleiter, Feuerhacken und einem Spieße zum Hausgewehre, item den beyden hierzu gewidmeten Kirchenständen, nehml. einen Mannsstande Lit. H No.55. und einem Weiber Stande Lit. J No.46.
 

Solch bemeldtes Haus samt aller Zubehörigkeit erkaufft nunmehro deßen obgemeldter Stiefbruder Johann Friedrich Scholtze, vor und um Vierzig Zittm. vollständiger Kauffsumma, welche Käuffer gleich Heute bey der Verschreibung baar und auf einmahl erleget und bezahlet hat.
 

Des vorigen Verkäuffers Hanns Friedrich Trencklers Gedinge verbleibet, wie im alten Kauffe gemeldet, unveränderl. nehml. freye Wohnung in Käuffers Stube, bey freyer Beholtz- und Beleuchtung, nebst einer Kammer zur Lagerstatt. Wenn sie sich aber nicht in Guten beysammen vernehmen könnten, soll ihm Käuffer auf seine Kosten ein Stübchen zu seiner Wohnung einbauen. Auch dinget er sich aus 2.Beetel im Gärtgen zu seiner Nutzung, auch wenn etwas Obst geräth, allemahl den 3n. Theil davon weil Er noch lebet.
 

Die bey diesem Kauffe auflauffenden Unkosten, sie haben Nahmen wie sie wollen, giebet Käuffer gäntzl. alleine, ohne Verkürtzung der Kauf Summa.
 

Poena. Der nichthaltende Theil dieses Kauffes soll der Gnäd. Herrschafft zur Strafe des Wandelkauffes verfallen haben 6 Zittm., dem haltenden Theile halb soviel, und der Gemeine eine halbe Tonne Bier.
 

Bürgen. Um Haltung willen des Kauffes hat vor den Verkäuffer Bürgschafft angelobet sein Vater Heinrich Scholtze, vor den Käuffer aber sein Vetter Hans Heinrich Scholtze, beyderseits Häußl. Dieser Kauff ist abgehandelter maßen verschrieben worden in den Gerichten zu Reichenau, in Gegenwart der Ehrengeachten, als Gottfried Schönfelders, Erb- und Lehn-Richters, item Michael Rolles und Michael Helwigs geschworener Gerichts Eltesten, den 14. Februar 1765.

Anastasia Abbatißin
ratif. den 13.May 1765."

Der Käufer ist unser Ahn Johann Friedrich Scholze, ein Urgroßvater von Gustav Gäbler. Die zugehörige Lossage lautet:

"Loßsage Johann Friedrioh Scholtzes, über vorher stehenden Kauf, den 14.Februar 1765.

Demnach heute untengesetzten dato Johann Friedrich Scholtze, Häußl. allhier, von seinem Stiefbruder Gottlob Scholtzen ein Auenhauß erkaufft, vor und um Viertzig Zittm. voll ständiger Kauf Summa, wie mit mehrern der Kauf-Contract ausweiset und besaget, und nunmehro Käuffer diese völlige Kauf Summa sogleich bey der Verschreibung baar erleget und bezahlet hat.
 

Als will dannenhero Verkäuffer seinem Bruder Johann Friedrich Soholtzen über solche bezahlte 40.Zittm.Kauf-Gelder hierdurch Gerichtl.quittiren und loßsagen, dergestalt daß dieser. Kaufgelder wegen, weder an Käuffern noch seinen Erben oder Erbnehmen einige Anforderung mehr gemacht werden soll, von nun und zu ewigen Zeiten.
 

Biese Loßsage ist gegeben worden in den Gerichten zu Reichenau in Gegenwart dieser Ehrengeachten, als Gottfried Schönfelders Erb- und Lehn-Richters, item Michael Rolles und Michael Helwigs, geschworenen Gerichts Eltestens,


den 14.Febr.1765."
 

Schließlich sei eine Erbsonderung angeführt, die das Erbe der Kinder nach dem Tode ihrer Mutter und vor Wiederverheiratung des Vaters sicherstellen sollte und als "Väterlicher Vertrag" bezeichnet wurde. Ein solcher Vertrag findet sich wieder im Markersdorfer Schöppenbuch (Reichenau Nr. 152), S. 420-422. Er zeigt uns am Beispiel unseres Vorfahren Heinrich Gäbler manches über das bewegliche Eigentum der Bewohner.

Der "27 8br. 1713" ist der 27.Oktober 1713.
 

"Väterlicher Vertrag Heinrich Gäblers, Bauers mit seinen 5. Kindern Erster Ehe, wegen deroselben Muttertheils und Außstattung, mit denen Vormünden abgehandelt und verschrieben, den 27 8br.1713.

Im Nahmen des drey Einigen Gottes !
 

Sey hiermit Kund und denen es nöthig zu wissen, daß untengeschriebenen Acto vor denen ordentl. Gerichten zu Marckersdorff vorkommen und erschienen ist Heinrich Gäbler, Bauersmann aldar, und hat angezeiget, welcher gestalt nach dem Rath und willen deß Allerhöchsten vor nunmehro verstrichener Jahresfrist, Seine gewesene liebe Ehewürthin weyland Fr.Rosina Gäblerin, gebohrene Hoffmannin, durch den Zeitl. Todt diese Welt gesegnet, und also das Band der Ehe zwischen Ihnen aufgelöset und getrennet worden, Wann denn Ihme, die mit Ihr in währenden Ehestande durch Gottes Segen erzeugte Fünff Kinder, nemlich 4.Söhne, Nahmens: Hannß-Christoph, Heinrich, Gottfried, und Christoph, sambt einer Tochter genandt Rosina, allerseits noch unmündig und unerzogen, hinterblieben, und Er, nechst Göttlicher Verbüßung entschlossen, Seinen bißhero einsamen geführten Wittiber-Standt mit dem Ehelichen zuverwech-seln, als hat Er besagten Seinen 5.Kindern Erster Ehe zu Vormunden erbethen, die Ehrsamen Hannß Gäblern, Klein-Bauern, und Hannß Kothern, Häußlern, Beyde in Marckerßdorff, und hat mit denselben wegen deß Muttertheils und künfftigen Außstattung dieser Seiner Kinder, einen gütlichen Vertrag auffgerichtet und beschlossen, welcher denn Gerichtlichen verschrieben worden, derogestalt:
 

Es verspricht der Vater Heinrich Gäbler, daß er diesen seinen Kindern Erster Ehe vor Muttertheil wil geben, einen ieglichen insonderheit Sieben Scho. Thut allen 5.zusammen 35.Scho. Weil aber die Kinder noch Klein und unerzogen, und also die Aufferziehung derer, biß zu deren Majorennität, es den Vater noch viele Unkosten, Mühe und Sorge gestehen wird, So ist mit Benehm-habung deß Hoch-Herrl.Ambts, demselben verwilliget worden, daß Er das versprochene Muttertheil, ohnzinßbar bey sich stehen lassen möge, Biß Sie heyrathen, oder aber der Vater Sie nicht mehr an seinem Tisch und Brodte haben würde. So auch nach Gottes willen der Vater es erlebet, daß diese Seine Kinder sich verheyrathen würden, verspricht Er Sie außzusezen nach seinem Vermögen, dafern Ers aber nicht erlebet, sollen Sie von Seinem nachgelassenen Vermögen vor die Außstattung zu vor auß zu bekommen haben, ein jegliches insonderheit 12.Scho. Thut allen 5.zusammen: 60 Scho.
 

Es soll aber der Vater diese Seine Kinder, nebenß der benöthigten Verpflegung, auch zur Schulen halten, biß Sie fertig im Evangelium lesen, und den Morgen- und Abend Segen bethen können.

Die Tochter Rosina insonderheit belangende: So verspricht Der Vater, wenn Er ihre Verheyratung erleben solte, daß Er derselbi-gen ein völliges Braut-Kleid anschaffen wolle, dafern Ers aber nicht erlebte, solle Sie von Seiner Verlassenschafft zu vorauß zu bekommen haben 8 Rthlr. Ingleichen wil Er Ihr eine Kuhe geben, oder so die Kuhe in natura nicht vorhanden wäre, soll Sie am Gelde dafür mit 6 Scho. vergnüget werden.
 

Es sollen auch dieser Tochter verbleiben ihrer sel.verstorbenen Mutter nachgelassenes Bettgewand, nemlich ein Ober-Bette, und ein Pfiel, sambt 2.Überzügen, nemlich einem Blaustreiffichten und einem Mitlern, nebenst zugehörigen Bett-Tuche, wofern aber dieses Bett Zeug auß Noth müste gebrauchet werden, daß es abge-nüzet, und in seiner rechten gestalt nicht mehr bestünde, ist der Vater erböthig, es verbessern zulassen, oder neue dafür anzuschaffen. Ferner, verbleiben auch dieser Tochter 2.Zwillichtne Kirch-Tücher, und wil Ihr der Vater noch ein Leinens darzu anschaffen, Item ein Brodt-Schranck, und ein Kasten, welche Stücke Ihr aufbehalten, und beyseite gesezet werden sollen.

Wie nun solcher Vergleich von beyden Theilen abgeredet und beschlossen, ist Er auch Gerichtl.verschrieben worden, und wird Titul. die Hoch-Herrl.gnädige Herrschafft, Ihro Excellenz, von denen Intereßenten, unterthänig-gehorsambst ersuchet und gebethen, durch dero löbl.Ambt diesen vergleich confirmiren und bestätigen zulassen. Actum in den Gerichten zu Marckerßdorff, Solches bezeugen die Ehrengeachten als Hannß-Christoph Kleinert, der Richter, Item, George Heydrich, Christoph Heydrich, David Krause der ober, Caspar Krause und Thomas Tietz, geschworene Gerichts-Schöpffen, den 27.octobris, Ao: 1713.
Confirmation. Ist Ratificiret den 8.Marty, Ao.1714.
Ambts Canzelley."

Heizung und Beleuchtung spielten neben Wohnung und Nahrung eine wesentliche Rolle in den Festlegungen über das "Gedinge" des früheren Besitzers. Nach Engelmann, "Geschichte von Reichenau", geschah die Beheizung der Häuser erst etwa seit 1840 mit Kohle, vorher wurde Holz verwendet, das aus den Herrschafts- und Bauernwäldern stammte. Da im Gebiet zwischen Reichenau und Hirschfelde Braunkohle in geringer Tiefe unter dem Mutterboden lag (die Grundlage, wie erwähnt, für die jetzigen Kraftwerke), so holten sich die Bauern ihr Brennmaterial teilweise auch von den eigenen Feldern. Sie formten sich daraus Preßsteine, die im Sommer an die Häuser zum Trocknen gelegt wurden.

Zur Beleuchtung diente in alten Zeiten das offene Herdfeuer. Als wegen der lästigen Rauchentwicklung das Feuer in Öfen eingeschlossen wurde, verwendete man "Kienspäne", also harzreiche Kiefernspäne, später Buchen- oder Erlenspäne, die in einem Mauerspalt oder an einem besonderen Gestell, dem "Spanleuchter", befestigt wurden. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen die Kerzen aus Bienenwachs und die "Inseltlichter" (Talglichter) in Gebrauch, die man, wie auch die Schwefelhölzer, in den Häusern selbst anfertigte. Die Öllampe, mit Rüböl gefüllt, das aus Hüb-, Lein-, oder Mohnsamen gewonnen wurde, bildete eine beträchtliche Verbesserung der Beleuchtung. Etwa 1858 wurde dann das Petroleum als Beleuchtungsmittel eingeführt, das um 1920 der ungeahnten Fülle des elektrischen Lichtes weichen musste.

Über die Kleidung der Dorfbewohner erfahren wir manches aus den Erbsonderungen, wie die Beispiele zeigten. Die meisten Leute benutzten Kleider aus Leinwand und Wolle. Der Bauer trug im 18. Jahrhundert z.B. eine Kniehose aus Leder oder Tuch, lange Strümpfe und Schnallenschuhe, eine mit blanken Knöpfen besetzte Tuchjacke, eine lange, rote Weste und ein buntes Halstuch. Den Kopf bedeckte ein Dreispitz oder eine Tuchmütze mit großem Schirm. Die Haare wurden lang getragen und mit einem Messingkamm zusammengehalten. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen breitkrempige Filzhüte auf, aus der kurzen Jacke wurde der langschößige Rock. Neben den niedrigen Schuhen kamen lange Stiefel in Mode.

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Kleidung

Die Röcke der Frauen waren kurz und faltenreich. Den Oberkörper bedeckte eine Jacke mit engen Ärmeln. Als Kopfbedeckung dienten Kappen und Hauben, die hinten mit breiten Bändern verziert waren, Jungfrauen und Mädchen trugen buntseidene Spenzer (enganliegende Jäckchen) mit Puffärmeln. Beim Kirchgang hüllten sich die Frauen im 18. Jahrhundert in Tücher, bei Regenwetter in ein Regentuch. Als Schmuck verwendeten sie Ketten von Korallen, Granaten und Bernstein.

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Nahrung

Die Nahrung bestand jahrhundertelang früh und abends aus Weizenmehlbrei mit Milch, mittags aus Erbsen oder Graupen, in Milch gekocht. Sonntags gab es z.B. bei den im "Hofedienst" stehenden Jugendlichen neben Milchsuppe und in Milch gekochtem Grieß noch Schweinefleisch mit Klößen. Die Suppen wurden nicht "gegessen" sondern "gesuppt". Das Brot wurde mit Butter und Käse gegessen.

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Kindersterblichkeit

Nicht nur die Dürftigkeit des dörflichen Lebens, auch Seuchen und Krankheiten, die große Kindersterblichkeit, damit oft verbunden der frühe Tod der Mütter zeigen die Not vergangener Jahrhunderte. Am Beispiel von Gottlieb Spänich haben wir dies schon gesehen. Auch im 19. Jahrhundert änderte sich kaum etwas daran, starben doch vor der Geburt von Ernestine Gäbler geb. Hiller drei oder vier Geschwister, jeweils im Alter von wenigen Tagen bis zu zwei Jahren.

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Mehrfache Ehen

Da die Hausfrau ebenso wie der Mann im Hause gebraucht wurde, heiratete der zurückbleibende Teil meist bald wieder. So fand sich unter den mir bekanntgewordenen 256 männlichen Ahnen, dass mindestens 57 von ihnen, wahrscheinlich sogar wesentlich mehr, zweimal, 3 sogar dreimal verheiratet waren. Unter den weiblichen Vorfahren haben von 124 Frauen mindestens 14 zweimal, 2 sogar dreimal geheiratet. Unser Vorfahr Johannes Rothe in Drausendorf heiratete etwa 1710 Regina Scholze aus Türchau und nach deren Tode 1728 nochmals eine Regina Scholze, diesmal aus Drausendorf. Diese beiden Frauen waren Cousinen, die erste Frau Tochter von Hans Georg Scholze, Bauer in Türchau, die zweite Frau die Tochter seines Bruders Elias Scholze, Gärtner in Drausendorf.

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Beerdigungen

Trat ein Todesfall ein, so musste sich aus jedem Hause der Gemeinde wenigstens ein Glied bei der Beerdigung einfinden, dadurch die Dorfgemeinschaft dokumentierend. Nach Friedrich Eckarth, "Chronica oder Historische Beschreibung des Dorffes Herwigsdorff", Zittau 1737, gingen die "Manns-Persohnen in schwartzen Kleydern, und Flor auf Hütten und Mützen, Weibs-Persohnen in ganz weissen leinwandnen Tücher, biß auf das Gesicht and Hände eingehüllt. Die Weiber bey Begräbniß ihrer Männer, und die Töchter bey Begräbniß ihrer Eltern binden Leinwandne Tüchel vor den Mund, Maulschleyer genannt, welches sie auch 4 Wochen lang Sonntags in der Kirche continuiren."

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Hochzeiten

Auch der Höhepunkte im dörflichen leben, der Hochzeitsfeiern sei gedacht. Friedrich Eckarth beschreibt die zu seiner Zeit, also Mitte des 18. Jahrhunderts, üblichen Feiern in seiner Chronik, S. 23 f., sehr ausführlich. Da Mittelherwigsdorf unter der Herrschaft der Stadt Zittau stand, mußte der Untertänigkeitseid vor dem Rat der Stadt abgelegt werden. In diesem Ort heiratete z.B. unser Vorfahr, der Bauer Friedrich Augustin im Jahre 1718 die Bauerntochter Christina Albrecht, deren Hochzeit sicherlich ähnlich, wie nachfolgend beschrieben, gefeiert wurde:

"Die Freyt- Verlöbniß- und Hochzeit-Ceremonien der Einwohner.

Anfangs gehen die Junggesellen und Witwer an die sogenannte Freyht, und das geschiehet gemeiniglich Sonntags Abends, da sich Hanß mit seiner Gretnen bekannt machet, und Unterredung hält. Wenn sie nun so bekannt worden, daß man Hochzeit zu machen gedenckt, so werden von den Freyer gewisse Leute zu der Jungfer Eltern oder Vormünden mit der Anfrage geschickt: Ob sie bemelten Freyer zum Ehegatten haben wollen oder nicht? Wenn nun das Ja-Wort erhalten, so wird erstens Verlobung gemacht, da werden sowohl von Seiten der Braut als Bräutigams gewisse Leute erbeten, der Bräutigam ziehet mit seinen Beyständern in Kretschen, und hält da eine Versammlung, da wird Bier getruncken, auch davon den zulauffenden Gästen ein Geschencke gethan; Hierauf ziehet der Bräutigam mit seinen Leuten aus den Kretschen in die Behausung, wo seine Braut anzutreffen ist, nehmen sich aus den Kretschen das Bier mit und bezahlens, was sämmtlich in Verlobungs-Hauße ausgetruncken wird. Allda wird nun das Paar durch den Priester verlobet, wobey der Bräutigam der Braut eine Morgen-Gabe vermachen muß, im Fall er ohne Kinder von ihr versterben solte, und wenn diß geschehen, so gehen die Glücks-Wünsche vor sich. Alsdann setzet man sich zu Tische, da erstlich der Priester laut das Tisch-Gebethe thut, hernach traget man Speise und Tranck auf, und man lässet es sich wohl schmecken. Nach diesen thut der Priester das Danck-Gebeth nach Tische, wie auch wohl ein Danck-Lied nachgesungen. Der Hochzeit-Bitter dancket so denn ab, der Priester giebt Antwort, sämmtliche Gäste stehen auf, und ziehen nebst Braut und Bräutigam in Kretschen, und haltens wieder wie in der Versammlung geschehen ist.
 

Eine Gewisse Zeit hernach machet man Anstallt zur Hochzeit. Anfangs muß jeder Bräutigam in Zittau vor den sitzenden Rathe den Unterthänigkeits-Eyd ablegen, und sodann bekömmt er den Aufbitte Zettel, welchen er dem Priester bringet, der ihn sodann den andern Sonntag vor der Hochzeit auf bittet, u. öffentlich proclamiret, mit den Formalien: Hat iemand etwas darein zu reden, der thue es bey Zeiten, oder schweige darnach stille.
 

Den Sonntag vor der Hochzeit gehet die Braut in ihren Braut-Krantze und Geschmeide nebst ihren erbethenen Zucht-Jungfern, zur Kirche. Zwey Tage vor der Hochzeit werden durch den Hochzeit-Bitter die Hochzeit-Gäste gebeten. Den ersten Tag der Hochzeit ziehet Anfangs der Bräutigam mit seinen Gästen in den Kretschen, und hält da Versammlung, wie oben bei der Verlobung geschehen; aus den Kretschen ziehet er in die Behausung der Braut, und holet sie nebst ihren Gästen ab. Da denn sowohl Braut als Bräutigam mit Dienern versehen werden, und die Spiel-Leuthe allemahl in Zuge mit Waldhörnern und Hautbois voran ziehen.
 

Wenn man in die Kirche kömmt, setzet man sich in gewisse Stände, der Schulmeister schlaget die Orgel, und man singet gemeiniglich: Wie schön leuchtet der Morgenstern etc. Wenn das Lied aus, gehet der Priester vor den Altar, das Braut-Paar wird durch ihre Diener auch dahin geführet, da hält denn der Priester eine Trau-Rede, und copuliret sie alsdann nach unser Kirchen-Weise zusammen. Nach Verrichtung dessen wird das Braut-Paar durch ihre Diener wieder abgeholet, und es wird beyden von den Hochzeit-Gästen mit gebung der Hand, meistens mit denen Formalitäten: GOtt gebe euch viel Glück und Seegen. Glück gewünschet.
 

Es wird wieder georgelt und ein Lied gesungen, und alsdann ziehet man in voriger Ordnung aus der Kirchen in das Hauß, wo die Braut wohnet, da wird man ordentlich zu Tische gesetzet, (manche Hochzeit wird auf 1. 2. 3. 4. 5. biß 6 Tische gemacht, und kommen über einen Tisch 15 bis 18 Persohnen) und haben den ersten Tag des Bräutigams Gäste den Vorzug und Oberstelle. Nach dem der Priester das Tisch-Gebethe gesprochen, wird gegessen und getruncken. Die erste Speise sind gemeiniglich Fische, drauf folget gemeiniglich Rindfleisch, Schweinfleisch, Würste, Hirsebrey, Pflaumen, gebratne Gänse und Hüner, nebst Schweinern, Rindern, Schöpssen oder Kälbern Braten, (doch wird nur bey Leuten von Mitteln gebraten) Gallert, Caldaunen etc. Ein ieder Gast bekommt ein Glas zum Truncke. über Tische gehen 4 Teller herum, auf welchen man des Pfarrers Opffer, wie auch den Aufwärtern, Köche und Spiel-Leuten was aufleget, wie auch eine Sparsbüchse vor arme Leute. Nach dem man etliche Stunden getischet, einmahl länger als das andere, nachdem der Wirth ist, bethet der Pfarr das Tisch-Danck-Gebeth, der Hochzeit-Bitter dancket ab, der Priester antwortet, der Bräutigam zihet mit seiner Braut, und seinen Gästen in Kretschen, der Braut Gästen bleiben zu Hause, man trincket und tantzet im Kretschen, darnach macht sich Braut und Bräutigam zu Hause in des Bräutigams Wohnung (allwo man vor diesen auch noch bey meinem Gedencken ein so genannten Limmel anstellte, wobey es nachmahls gar grob Lümmelhaftig zugieng, und meistens abgeschaffet ist,) und gehen mit einander zu Bette.
 

Tags darauf versammlen sich der Braut Gäste an dem Orte da man gestern gespeiset, und wird ihnen ein so genanntes Frühstück ausgerichtet. Hierauf ziehen sie mit Spielleuten nach des Bräutigams Wohnung, allwo sich auch des Bräutigams Gäste versammlet, da wird erstlich Braut und, Bräutigam Glück zum neuen Schlaff-Gesellen, den Eltern zur neuen Schnur und Schwieger-Sohne, den Schwägern zum neuen Schwager gewüntschet, darauf gehet das Hochzeit-Mahl an, und wird wie gestern darmit verfahren, außer daß diesen Tag der Braut Hochzeit-Gäste die 0ber-Stelle haben. Unter währenden Essen nun wird die Braut von beyderseits Hochzeit-Gästen beschencket, gemeiniglich mit 1 Rthlr. von ein Paar Eheleuten, auch 2 Gülden, und noch drüber, die nechsten Weiber beschencken sie mit Hauben, und allerhand Haußrath und Küchen-Speisen. Über Tische gehen nur der Aufwärter-Köche und Spielleute Teller herum. "Nach dem Gebeth und Abdanckung, ziehet der Bräutigam mit beyderseits Hochzeit-Gästen in den Kretachen, nach dem sie vorher ein gewiß Geld zum Vertrincken abgeleget, und so dann hat der andere Hochzeit-Tag ein Ende.
 

Den dritten Hochzeit-Tage wird zwar nicht so herrlich als die ersten beyde gespeiset, doch wird an demselben die Braut unter währenden Essen von ihrer nechst sitzenden Frau, welche Saltz-Meste genennet wird (Bemerkung: wegen ihrer Kopfbedeckung, die einem Salzfaß ähnlich war), gehaubet, und alsdann hat der Nahme Jungfer Braut ein Ende, und man tituliret sie Junge Frau-Braut. Der Bräutigam giebet auch wohl vor die Bemühung der Braut-Haubung eine Flasche Most, Wein oder starcken Brandtewein zur Verehrung. Nach dem Essen ziehet man wiederum in den Kretschen, und alsdann ist die Hochzeit, und sind die guten Tage aus, denn der vierdte oder so genannte Weltz-Tag, da gar nur die nechsten Freunde darzu erbeten, und sich nachmahls orave geweltzet, ist sehr abkommen.
 

Sonntags nach der Hochzeit richten vermögende Braut-Eltern, dem Braut-Paare, und gar nechsten Freunden hißweilen auch einen Schmaus aus, das Mutter-Eßen genannt, woher es den Nahmen hat weiß ich nicht. Und diß sind die vornehmsten Ceremonien, so zu Herwigsdorff hey antretenden Ehestande obsorviret werden."

Neben den Familienfesten spielten natürlich auch die kirchlichen Feiertage eine Rolle im Leben unserer Vorfahren. Genannt sei nur das weihnachtliche Brauchtum, Den Christbaum kannte man schon lange Zeit als Symbol des Weihnachtsfestes, aber nur Gutsherren und Bauern konnten sich einen Baum aus dem eigenen Walde holen. Die übrigen Dorfbewohner begnügten sich mit einer Nachbildung durch ein hölzernes Gestell mit Querhölzern als Zweigen. Lichterbäume kamen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. In Zusammenhang mit der Ablehnung verschiedener in den Dörfern üblicher Sitten schreibt Eckarth in seiner Chronik von Herwigsdorf; "Das sogenannte Christbeschehren ist nicht viel besser." Er wollte also vor etwas mehr als zweihundert Jahren von Weihnachtsgeschenken nichts wissen. Als Weihnachtsgebäck gab es "Christbrot"1, ein kreisrundes, bis zu 3 kg schweres Feingebäck mit Rosinen. In meiner Kindheit schickte es uns Großmutter Ernestine Gäbler geb. Hiller, es schmeckte uns mindestens ebenso gut wie der Dresdner Christstollen.

Damit sei der Bericht über Freud und Leid unserer Vorfahren, die Geschichte der Orte, in denen sie lebten und arbeiteten, und manche persönlichen Erinnerungen abgeschlossen. Möge der Zweck erfüllt sein, Kindern und Enkeln einen kleinen Begriff zu geben von der einstigen Gäblerheimat.

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Anhang

Die Ahnentafel der Brüder Hermann, Heinrich und Julius Gäbler ist nach den einzelnen Orten zusammengestellt, in denen die Vorfahren überwiegend lebten. Der Ort der Kirche, in der die Taufen, Trauungen und Begräbnisse stattfanden, ist, soweit er nicht mit dem Wohnort zusammenfällt, neben diesem vermerkt. Ist bei den Daten kein Ort genannt, so ist der Wohn- bzw. Kirchort zu ergänzen.

In früheren Jahrhunderten wurden in den Kirchenbüchern oft nur der Tauf- und der Begräbnistag (get. bzw. begr.) angegeben, anstelle des Trautages findet sich im 16.und 17.Jahrhundert manchmal auch nur der Tag des letzten kirchlichen Aufgebotes.

Hat ein Vorfahr mehrmals geheiratet, so sind Datum und Name des Stiefahn in Klammer gesetzt. Nicht genau bekannte oder nur errechnete Daten stehen ebenfalls in Klammer oder sind mit der Bezeichnung "etwa" versehen, sofern bekannt, sind die Guts- und Hauskäufe, sowie die ermittelten Kinder (Söhne S. und Töchter T.) angegeben, wobei durchaus weitere, besonders klein verstorbene Kinder gelebt haben können. In einigen Fällen war die Geschlechterfolge nicht mit voller Sicherheit festzustellen, dann ist der Name mit einem Fragezeichen versehen, bindet sich die gleiche Person an mehreren Stellen der Ahnentafel, tritt also "Ahnenverlust" ein, so wird auf die entsprechende Nummer der Ahnentafel verwiesen, unter der die Person bereits verzeichnet ist. Dort stehen in Klammern die anderen Ahnennummern.

Die Daten sind zu finden in der Gäbler Genealogie mit Quellenverweis auf die "Gäblerheimat".  

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Anmerkungen

Gottfried Frömter ist am 21.08.1830 um 23.00 Uhr in Weigdorf (Priedlanz No. 66) geboren. Getauft wurde er am 23.08.1830. Seine Eltern sind Gottlob Frömpter aus Priedlanz und Anna Rosina, geb. Rieger aus Böhmisch Weigsdorf. (Email vom 22.07.2007 von  Marc Oppermann).

Ernst Gäbler

In einem Brief an Paul Gäbler schrieb Ernst Gäbler am 08.06.1934 u.a. "Ich sitze nun schon ein ganzes Dutzend Jahre über der Erforschung der Familie Gäbler. Eine ungeheure Arbeit !!! Bei Hans Christoph geht nun meine und Ihres Bruders Forschung auseinander, nämlich dort stimmt das Geburtsdatum nicht, einfach deshalb nicht, weil nur die Reichenauer Kirchenbücher Auskunft gegeben haben. Ich war vor mehreren Jahren ebenso auf das Jahr 1704 hereingefallen und schrieb hocherfreut Ihrem Bruder, dass ich die Abstammung gefunden hätte. Herr 0bl. Engelmann in Reichenau machte mich schon darauf aufmerksam, dass die von Ihrem Bruder zusammengestellte Stammfolge nicht stimme, weil zuviel gleiche Namensträger zu gleicher Zeit in Markersdorf lebten: 1701 z.B. 2 Christoph,5 Zacharias, 3 Hans, 2 Friedrich usw. oder 1746: 4 Christoph, 3 Heinrich, 2 Gottfried, 2 David, 2 Hans Christoph u.a. Sehr oft steht keine nähere Bezeichnung dabei, sodass man nicht weiß, welcher gemeint ist oder man kommt durch irgend etwas dahinter, dass unter Hans sup z.B. doch 2 verschiedene Personen gemeint sind. Da ich für meine eigene Stammfolge trotz eingehenden Suchens kein einwandfreies Ergebnis erhielt, musste ich mich nach anderen Quellen umsehen, um Licht in dieses Dunkel zu bringen. Das ist mir zum größten Teil auch gelungen, aber unter ganz überwältigender Kleinarbeit und Aktenwühlerei in fast allen Orten der Südlausitz. Ich habe alle Markersdorfer Gäbler von Anfang an aufgestellt, also nicht bloß meinen eigenen Stamm, sondern alle Namen, die überhaupt aufzutreiben sind, in die richtigen Beziehungen gebracht. Schon um 1650 herum kam die große Pleite; mehrere gleiche Namensträger, aber doch verschiedene Personen, weiter, einige Namen verschwanden ganz, also Auswanderung! Nun andere Quellen her: Schöppenbücher von Markersdorf, Dornhennersdorf, Weigsdorf, Dörfel, Reibersdorf, Sommerau, Wald, Oppelsdorf, Oberullersdorf. Genügte noch nicht, also Kirchenbücher von Reihersdorf, Oberullersdorf und Weigsdorf teilweise bearbeitet, Gemeindearchiv von Markersdorf und herrschaftliches Schlossarchiv zu Reibersdorf, Amtsgerichtsarchiv zu Reichanau durchgesehen. Namen und Mappen wuchsen zu einer ganz beängstigenden Fülle. Gegen zweitausend Namen waren zu bearbeiten und siehe da, was erst durchaus nicht stimmen wollte, jetzt ging's! Um wieder an obiges Beispiel anzuknüpfen: Hans sup. hatte sein Haus verkauft und war weggezogen, in ein anderes Dorf oder aus ihm war ein Hans inf. geworden. Und trotzdem war die Bearbeitung noch schwierig, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als für ganz Markersdorf, für jedes einzelne Haus, die Besitzerreihe aufzustellen, von den Anfängen bis zur Gegenwart. 160 Häuser! Ich hoffe, Sie ahnen die Schwierigkeit und erkennen an, dass das Ergebnis meiner Forschung etwas mehr Hand und Fuß hat als die Zusammenstellung nur nach den unvollkommenen Reichenauer Kirchenbuchaufzeichnungen. Öfter fuhr ich dann mit dem Rade hinüber und überzeugte mich, wo liegt dieses oder jenes Haus, wo wohnte Zacharias sup., wo Zach. der mittl. oder inf. Der langen Rede kurzer Sinn: jetzt ist nach bestem Wissen und Gewissen die Reihe richtig." 

Familientage von 1935 bis 1939

Der erste Familientag fand am 29. September 1935 in Reichenau statt und diente dem gegenseitigen Kennenlernen und der Gründung des Geschlechtsverbandes Gäbler.

"Die Angehörigen des Geschlechtsverbands Gäbler trafen sich zu ihrem zweiten Familientag am 27. September 1936 in Markersdorf, dem Ursprungsort des Geschlechts. Trotz der unfreundlichen Witterung hatten sich etwa 100 Personen, die z.T. bis aus Westsachsen gekommen waren, eingefunden. Mit großer Freude begrüßten sich die Stammesgeschwister am Treffpunkt Haltestelle Reichenau - Markersdorf und empfingen dort die mit dem ½3 Uhr-Zuge eintreffenden Nachzügler. Dann ging es unter der Führung von Ernst Gäbler durch den Ort zur Besichtigung einzelner Häuser und Gehöfte der Vorfahren. Die Gäbler sind in Markersdorf von Luthers Zeiten bis heute in großer Anzahl ansässig. Von den 170 Häusern des Dorfes waren 51 im Besitz der Gäbler, im Durchschnitt also fast jedes dritte Haus. An den wichtigsten Häusern wurde halt gemacht und von dem Leben der einstigen Besitzer berichtet. Da der Ahnherr Jacob Gäbler, Bauer in Markersdorf, *1520, +1579, fünf Söhne hatte, von zweien aber nur bis heute Nachkommen nachweisbar sind, gehören die Südlausitzer Gäbler dementsprechend zwei Stämmen an, dem Stamm Matthes und dem Stamm Martin. Für ersteren sind wichtig die Häuser Nr. 4, 35, 97 und 13, für den zweiten, als dem zahlenmäßig bei weitem stärkeren, wurden nur erwähnt bzw. besichtigtet die Bauerngüter Nr. 73 (jetzt abgetragen), die Wirkungsstätte des Richters (1731 bis 1745) Heinrich Gäbler, das Gut Nr. 74, das von 1609 ab 250 Jahre im Besitz der "Großbauern" Gäbler war und vor etwa 80 Jahren auf die weibliche Linie überging, Nr. 76, das Stammgut selbst, und Nr. 78, der Besitz der "Kleinbauern" Gäbler, der nur deshalb in fremde Hände überging, weil der Erbe im Kriege 1870 auf dem Felde der Ehre fiel..."

"Nun liegt auch unser dritter. Fanlilientag am 8 August 1937 wieder hinter uns. Er war vom besten Wetter begünstigt, so dass sich 115 Personen am Markt in Reibersdorf eingefunden hatten. Dem ersten freudigen Wiedersehensgruß schloss sich ein Rundgang durch den Ort an. Zunächst wurde das Bauergut Nr. 99 aufgesucht, das der Stammvater des Reibersdorfer Astes, Christoph Gäbler, 1716 kaufte. Die dann noch in Reibersdorf wohnenden Gäbler gehören zum Weigsdorfer Ast. Von diesem Gut ging es dann weitet zu anderen ehemals von Stammesangehörigen bewohnten Häusern. Überall erzählte Kurt Gäbler einiges aus dem Leben der Betreffenden. Die Reibersdorfer Bevölkerung hörte an den verschiedensten Stellen aufmerksam zu. Bei dieser Gelegenheit sei auf einen schönen Erfolg hingewiesen. Durch den Tagungsbericht in der Presse aufmerksam, geworden, brächte eine Zittauer Frau, die Enkelin des Kretschschambesitzers Joh. Gottieb Gäbler, Bilder, Briefe und allerhand Urkunden. Sie werden unser Archiv bereichern und später mal gelegentlich einer kleinen Ausstellung allen zugänglich sein. Um diese vorbereiten zu können, wird immer und immer wieder gebeten, dem Archiv Bilder, wichtige Briefe und Urkunden zugänglich zu machen. Sind sie nicht doppelt vorhanden bzw. will sich der Besitzer nicht von ihnen trennen, so hat die Technik heute Mittel und Wege zur Vervielfältigung. Jeder bekommt also sein Eigentum zurück. Dem Rundgang schloss sich ein Beisammensein im Gasthof Männig an. Für die wunderbare Schmückung des Saales sei an dieser Stelle den Reibersdorfer Stammesangehörigen herzlichst gedankt. Nach kurzer Begrüßung und Bekanntgabe der zahlreich eingegangenen Grüße von Nah und Fern, die deutlich erkenhen ließen, wie tief das Stammesbewusstsein eingewurzelt ist und wie sehr man bedauert, nicht dabei sein zu können gedachte der Verbandsführer des verstorbenen Stammesbruder Wilhelm Gäbler-Seitendorf. Die Versammlung erhob sich von den Plätzen. Weiter wurde noch über Geburten und Eheschließungen berichtet, Mitgliederstände 105."

"Unser nächster Familientag findet am 13. August 1939 im Ober-Kretscham zu Weigsdorf statt (Besitzer; Engemann, Autobus; Mittel-Wgdf., Post). Wir treffen uns 14 Uhr bei unserm Stammesbruder Julius Gäbler in Dornhennersdorf Nr. 57 und wandern dann zur Besichtigung einzelner Gebäude durch Dornhennersdorf und Weigsdorf zu unserm Versammlungslokall"

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Anmerkungen zu Hirschfelde

Ist Hirschfelde älter als bisher gedacht?

Von Thomas Mielke

Hirschfelde könnte deutlich älter als bisher angenommen sein. Darauf deuten die Untersuchungen von Wieland Menzel, Vorsitzender des „Museum Dittelsdorf e. V.“ und Mitglied des örtlichen Kirchenvorstandes, hin. Er hat die Blockstufentreppe im Hirschfelder Kirchturm durch eine Jahresring-Untersuchung des Holzes datieren lassen. Das Ergebnis: Die zu Stufen verarbeiteten Bäume wurden 1178 geschlagen.

Jedoch: „Damit ist zunächst lediglich eine Bautätigkeit in diesem Jahr belegt“, betont Wieland Menzel mit wissenschaftlicher Akkuratesse. Unsicher ist zum Beispiel, ob die Treppe nicht später woanders aus- und in die Kirche eingebaut wurde oder ob es damals um die Kirche herum schon den Ort Hirschfelde gab.

Klar ist schon jetzt, dass die Treppe in St. Peter und Paul damit eine der ältesten in Deutschland ist. Weitere Fakten wird bestimmt die Diskussion bringen, die nach der in den nächsten Monaten vorgesehenen Veröffentlichung von Menzels Forschungen im Neuen Lausitzischen Magazin, der Zeitschrift der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, einsetzt.

Bisher wird davon ausgegangen, dass Hirschfelde erstmals 1310 urkundlich erwähnt wurde. Dieses Datum hat vor einigen Jahren die geschichtsinteressierte Einwohnerin Marlies Tannert herausgearbeitet. Sie stützt sich dabei auf Untersuchungen des Ostritzer Apothekers Tilo Böhmer. Dieser hatte mit der Carpzov’schen Abschrift einer Urkunde belegt, dass 1310 Hirschfelder Bürger mit Zittau rechtliche Geschäfte abwickelten. Davor war 1351 beziehungsweise 1352 als erste urkundliche Erwähnung festgeschrieben. Dass diese nicht die Gründungsjahre Hirschfeldes waren, liegt auf der Hand. Allein die von Dr. Martin Jäkel aus Dresden vor rund 80 Jahren auf 1299 datierte Kirchweihe besagt, dass ein halbes Jahrhundert früher Menschen im Gebiet um das Gotteshaus gelebt haben müssen.

Wieland Menzel geht davon aus, dass die Kirche 1299 umgeweiht wurde. Er hat eigenen Angaben zufolge Hinweise darauf gefunden.

Probleme sollen seine Erkenntnisse für die 700-Jahrfeier der Hirschfelder im Jahr 2010 jedoch nicht bringen. Laut Ortsbürgermeister Bernd Müller könnte mit dem Datum die Feier wackeln. „Auf ein Datum muss man sich mal einigen“, sagt Marlies Tannert. Meist sei es die erste urkundliche Erwähnung. Wenn die im Jahr 2010 gefeiert wird, sei das auch mit einer 800-jährigen Treppe völlig korrekt, so Wieland Menzel. Auch geht es ihm nicht in erster Linie um die Treppe und Jahreszahlen. Die bauliche Hülle der Kirche sei nicht das Wichtigste, sondern die Menschen und der Glaube, sagt er.

Aus der Geschichte der Kirche St. Peter und Paul Hirschfelde

  • 12. Jahrhundert: Entstehung der Kirche
  • 13. Jh.: Anbau Südhalle (Vorkirche)
  • um 1300 Verlängerung, Erhöhung und Einwölbung des Altarraumes (Chor)
  • 1299 Kirchweih
  • bis 1494 Wiederaufbau der Kirche (nach Kriegen)
  • 1556 - 1557 Erneuerung des Dachstuhles nach Brand; erste Turmerhöhung
  • 1603 - 1604 Einbau der ersten Emporen
  • Dreißigjähriger Krieg: Plünderungen
  • 1718 Umgestaltung und Barockisierung; Versetzen der Kanzel an jetzigen Standort
  • 1752 Schenkung des Taufsteins
  • 1824 Bau der heutigen Orgel
  • 1860 Anheben des Daches über dem Altar
  • 1929 - 30 Heizungseinbau
  • 1970 - 71 Neuanfertigung des Gestühls
Sächsische Zeitung vom 13.08.2008 
Quelle zur Geschichte der Kirche: Wieland Menzel

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