GäblerheimatHerkunft der Brüder Hermann, Heinrich und Julius Gäbler aus Dornhennersdorf bei ZittauVon Johannes GäblerRadebeul bei Dresden 1977 Vorbemerkungen Verweise
VorbemerkungenMehr als fünf Jahrzehnte habe ich mich in meiner Freizeit der Erforschung meiner Ahnen gewidmet. Heute ist die Heimat meines Vaters Heinrich Gäbler und seiner Brüder Hermann und Julius Gäbler den meisten ihrer Enkel nur noch dem Namen nach bekannt. So will ich für sie und für deren Nachkommen zusammenstellen, was ich über die Heimat der drei Brüder, sowie über alle ihre direkten Vorfahren weiß. Ich konnte Namen und Daten von weit mehr als 300 Ahnen der drei Brüder, die damit auch unsere Vorfahren sind, zusammentragen. Die Kirchenbücher als wichtigste Quellen habe ich besonders vor dem zweiten Weltkriege zum Teil durchforscht, sie sind für die Gebiete östlich der Neiße entweder nicht mehr vorhanden oder mir nicht zugänglich. Dafür bieten aber insbesondere die Gerichtsbücher, die im Staatsarchiv Dresden liegen, viele Aufschlüsse über das Leben unserer Vorfahren. Wenn auch die genauen Lebensdaten (Geburt, Heirat, Tod) nicht oder nur selten aus diesen Quellen zu erhalten sind, so ergeben sich doch vielfach die Verwandtschaftsbeziehungen aus ihnen besser als aus den oft sehr kurzen Angaben in den Kirchenbüchern. Beispielsweise fanden sich in den Kirchenbüchern von Reichenau um das Jahr 1800 fünf Johann Friedrich Scholze, von denen einer unser Vorfahr ist. Erst mühsames Studium in den Gerichtsbüchern ergab eindeutig die Herkunft des "richtigen" Johann Friedrich Scholze. Geholfen haben mir ferner gedruckte und geschriebene Quellen, sowie die Korrespondenz mit etlichen Familienforschern, die sich ebenfalls mit Vorfahren in der Umgebung von Zittau beschäftigt haben. Zuerst nenne ich aber das Buch des etwa 1960 in Zittau verstorbenen Ernst Gäbler. "Die Gäbler. Ein Lausitzer Bauern- und Webergeschlecht", Zittau 1938. Ernst Gäbler, der einst in Kleinschönau bei Zittau, am östlichen Ufer der Neiße gelegen, Lehrer war, hat in jahrzehntelanger Arbeit die Daten möglichst aller Nachkommen Gäbler des ältesten in den Quellen auffindbaren Gäbler, unseres Stammvaters Jakob Gäbler (geb. etwa 1520) gesammelt und in diesem Buch veröffentlicht. Ferner habe ich wertvolles Material aus den beiden familiengeschichtlichen Bänden meines Freundes Dr. .Fritz Hauptmann entnehmen können, die er unter dem Titel: "Woher wir kommen. Ein Buch von Heimat und Vorfahren", Marburg 1970 und 1976, als Privatdruck veröffentlicht hat. Fritz Hauptmann stammt aus Ebersbach westlich von Zittau, hat aber eine ganze Anzahl von Vorfahren in Zittaus Umgebung mit uns gemein. Schließlich sei noch Herr Kirchenoberinspektor i.R. Erich Pröwig in Zittau genannt, der mir in mühevoller Arbeit manch wertvolles Material beigesteuert hat... Die Heimat der BrüderWo liegt nun die Heimat der drei Brüder Hermann, Heinrich und Julius Gäbler und deren Vorfahren?
Das hügelige Land wird von Süd nach Nord von der Neiße durchschnitten, auf deren östlicher Seite ausnahmslos die Vorfahren des Namens Gäbler zu finden sind. Westlich der Neiße liegen nahe dem Fluss nördlich von Zittau die Orte Drausendorf, Hirschfelde, Rosenthal, das Kloster St. Marienthal, die Stadt Ostritz und Leuba, auf der Ostseite der Neiße Kleinschönau (Sieniawka), Scharre (Zatonie-Wies) und Rohnau (Trzcieniec). Bis auf Ostritz wurden diese Ortschaften auch von einigen unserer Vorfahren bewohnt. Weiter östlich der Neiße sind als Wohnorte unserer Vorfahren Zittel (Pasternik), Türchau (Turoszow), Reibersdorf (Rybarzowice), Sommerau (Bialopole), Wald (Opolno-Zdrój), Oppelsdorf (Opolno-Zdrój), sowie Reichenau (Bogatynia) zu nennen, in das südlich davon Lichtenberg (Jasna Góra) und östlich, schon an der Grenze Böhmens, Markersdorf eingepfarrt waren. In Markersdorf (Markocice) lebten die direkten Vorfahren Gäbler bis zum Jahre 1764. Etwas nördlich dieser Dörfer liegen das meist katholische Seitendorf und östlich davon Dornhennersdorf (Strzegomice) und als zugehöriges Kirchdorf Weigsdorf (Wigancice Zytawskie). Alle diese Orte östlich der Neiße gehören heute zur Volksrepublik Polen und haben jetzt natürlich polnische Namen. Westlich der Neiße sind als Heimatorte der Vorfahren Eckartsberg, Radgendorf, Wittgendorf und Dittelsdorf zu nennen, weiter westlich Mittelherwigsdorf mit Scheibe und Oberseifersdorf, Spitzkunnersdorf, sowie Niederoderwitz, schließlich südlich von Zittau Olbersdorf und Jonsdorf. Stieg man in Hirschfelde nach etwa 10 Minuten Bahnfahrt von Zittau in Richtung Görlitz aus dem Zug, so gelangte man nach Überschreiten der Neiße in über einstündigen Fußmarsch (der Kraftomnibus fuhr mir selten) zuerst durch Scharre, dann in östlicher Richtung nun ansteigend durch das langgezogene Seitendorf, an seiner hochgelegenen katholischen Kirche und an mehreren Kruzifixen vorbei auf den Sandberg. Von hier oben bot sich ein schöner Blick auf das etwa 300 m über dem Meeresspiegel gelegene Dornhennersdorf, die Heimat der drei Brüder, ein Bauern- und Weberdorf mitten im Grün, links und rechts von der "steinernen" und der "hölzernen" Windmühle begrenzt, weit im Hintergrund die Höhen des Isergebirges in Böhmen mit seinem höchsten Berg, der Tafelfichte. Nur wenige Minuten gings nun steil die Dorfstraße hinab und dann rechts von ihr etliche Schritte hinauf zum Geburtshaus der Brüder, zum Haus Dornhennersdorf Nr. 57. Auch über Reichenau, den Hauptort des Ahnengebietes, konnte man nach Dornhennersdorf gelangen. Man fuhr von Zittau mit der Schmalspurbahn (sie wurde 1884 eingeweiht und bestand bis 1945) in etwa einer Stunde über Kleinschönau, Zittel, Friedersdorf, Reibersdorf und Wald-Oppelsdorf nach Reichenau. Die Bahn fuhr weiter nach Markersdorf und hatte Anschluss nach Friedland in Böhmen, das durch Wallenstein, den "Friedländer", bekannt ist. Von Reichenau gelangte man am Schützenhaus und der katholischen Kirche vorbei in einstündiger Wanderung von Süden nach Dornhennersdorf. Man ging an Äckern vorüber, die einst Vorfahren von uns gehörten, den Bauern Gottlieb Spänich und später seinem Schwiegersohn Gottfried Engler. Höher hinauf führte die Straße zur "Windschenke" und der hölzernen Windmühle, von wo aus, auf Feldwegen abwärts gehend, bald das Haus Nr. 57 erreicht war, an der Pappel erkenntlich, die im Grundstück stand. Hier begrüßten uns als Kinder die Großmutter Ernestine Gäbler geb. Hiller (Großvater Gustav Gäbler habe ich nicht mehr gekannt) und Onkel Julius Gäbler, der jüngste der drei Brüder, mit seiner Frau, Tante Paula, nicht zu vergessen Flock, der Hund, der uns schon von weitem erkannte und entgegensprang.
Dem Eingang des Hauses gegenüber fiel das Gelände etwas ab und stieg dann wieder zum benachbarten Bauerngut des Bauern Ebermann an. In der Senke stand das Wahrzeichen des Hauses, die große Pappel. Hier wurde in späteren Jahren das Feld durch eine eingezäunte Wiese ersetzt, auf der ein großes Hühnerhaus stand. Jahrelang fuhr Onkel Julius wöchentlich, Rucksack und Fahrrad voll Eierkisten geladen, etwa 15 km weit nach Zittau, um die Eier seinen Kunden ins Haus zu bringen. Der hintere Teil des Grundstückes wurde als Feld mit Getreide, Kartoffeln oder Rüben bebaut, wobei der benachbarte Bauer um die erforderlichen Ackerarbeiten gebeten werden musste. War der Feierabend angebrochen, Onkel Julius hatte zu weben aufgehört und das Futter für die Ziegen war von der Wiese geholt worden, so saß man an schönen Sommerabenden neben der Haustür auf der Bank und genoss die ländliche Ruhe, die kaum durch ein Fahrzeuggeräusch gestört wurde. Private Kraftfahrzeuge waren bis zum zweiten Weltkriege noch eine Seltenheit, der Verkehr spielte sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad ab. Zu meinen frühen Kindheitserinnerungen gehört, dass noch die pferdebespannte Postkutsche den Verkehr Hirschfelde - Seitendorf - Dornhennersdorf - Weigsdorf vermittelte, mit der auch ein paar Personen befördert werden konnten. Wurde es dunkel und kühl, so wurden die Fensterläden in der Wohnstube vorgeschoben und die Petroleumlampe angebrannt, die wohl kurz nach dem ersten Weltkriege durch elektrische Beleuchtung ersetzt wurde. Nun wurde erzählt, und Onkel Julius konnte viel aus der Vergangenheit des Dorfes und der Familie berichten. Oft habe ich sein Gedächtnis für Namen und Daten bewundert. Er kannte die Zusammenhänge und Schicksale aller Zweige der Familie bis weit zurück ins vorige Jahrhundert. Sonntags wurde von Dornhennersdorf aus zu Fuß meist der Gang in die Kirche angetreten. Der Weg führte die Dorfstraße abwärts in östlicher Richtung an der dreiklassigen Volksschule, am Kretscham (dem Dorfgasthaus mit Fleischerei) und am Dornhennersdorfer Rittergut vorbei eine Stunde weit in das sich. anschließende Kirchdorf, nach Weigsdorf, wo auch Gustav Gäbler und Ernestine geb. Hiller begraben liegen. Die Kirche stand unmittelbar an der böhmischen Grenze, ein Teil des Friedhofes gehörte sogar zum Nachbarland, so dass sich auf dem Friedhof Grenzsteine befanden. Die Grenze des Pfarrhausgartens war zugleich Staatsgrenze. Von der einen Seite kamen die sächsischen, von der anderen die böhmischen evangelischen Kirchenbesucher, da auch mehrere böhmische Orte nach Sachsen eingepfarrt waren, u.a. Dörfel, das bis 1848 zu Sachsen gehört hatte, aber im Zuge einer Grenzregulierung an Böhmen gefallen war. Im Kirchenschiff saßen die Frauen, die Männer auf der Empore. Nach dem Gottesdienst traf man auf dem Friedhof Bekannte von diesseits und jenseits der Grenze. Die Weigsdorfer Kirche steht seit dem Jahre 1804, ihre Vorgängerin wurde 1492 erbaut. Aber bereits im Jahre 1160 wurde in Weigsdorf eine Kapelle geweiht, der 200 Jahre später eine Kirche mit Turm, zwei Glocken und drei Altären folgte. Einer der ersten evangelischen Pfarrer von Weigsdorf, er wirkte dort von 1571 bis 1581, war ein Vorfahr von uns, Magister Markus Mauer, von dem später kurz berichtet werden soll. In der Jugend der Brüder Hermann und Heinrich war in Weigsdorf Pfarrer von Wilucki tätig, dessen junge Frau, (sie starb als "unsere Tante Gertrud" von Wilucka 80jährig 1934 in Dresden) sich sehr um die beiden kümmerte, ihnen neben der Schule Privatunterricht gab und dazu verhalf, dass Hermann Missionar, Heinrich Lehrer werden konnte. Wenn Tante Paula Zeit hatte, gingen wir mit ihr manchmal nachmittags in die Pilze, die wir im Rittergutswald fanden, der an der böhmischen Grenze südlich von Weigsdorf lag. Oder wir zogen zum "Schissen" (zum Schützenfest), mit Jahrmarkt verbunden nach Reichenau. Einmal im Jahr wurde vielleicht auch der Bruder Karl Gottlieb Hiller der Großmutter Ernestine, nach seinem Tode ihr Neffe Reinhard Hiller in Dittelsdorf, jenseits Hirschfelde, im Geburtshaus der Großmutter besucht, immerhin in jeder Richtung ein Weg von zwei Stunden! Unterwegs traf man Bekannte, und Tante Paula wurde gefragt: "Paulin, willst wohl verreesen (verreisen)?" Als Tante Paula noch nicht lange verheiratet war, wurde sie in der Fleischerei auf dem Sandberg als Fremde angesehen. Aber die Fleischersfrau wusste Bescheid: "Das ist Gottlieb-Gustav-Julius Frau". Nicht Julius Gäblers Frau wurde so bekannt gemacht, denn es gab ja mehr Gäbler im Dorfe, sondern der Name des Großvaters Gottlieb und des Vaters Gustav ihres Mannes Julius wurde genannt. Die Eltern der BrüderDie Eltern von Hermann, Heinrich und Julius waren Gustav Gäbler (1836 - 1904) und Ernestine geb. Hiller (1843 - 1916). Als die beiden am 18.6.1866 heirateten, war Krieg. Die Preußen marschierten durch Hirschfelde und die Hochzeitskutsche musste die "Feinde" vorüberlassen, denn Sachsen war ja mit Österreich gegen Preußen verbündet. So musste die Trauung in Dittelsdorf wohl um eine Stunde verschoben werden. Wie anders verliefen 50 und besonders 75 Jahre später die beiden Weltkriege, wobei der letztere zum Verlust der Heimat jenseits der Neiße führte! Gustav Gäbler war in Dornhennersdorf im Hause Nr. 84 als einziger Sohn von Gottlieb Gäbler (1806 - 1865) und dessen Frau Christiane geb. Bergmann (1810 - 1863), aus Reichenau, geboren. Haus Nr. 84 stand auf der anderen Seite der Dorfstraße nur einige Meter unterhalb des Hauses Nr. 57. Zu ihm gehörte nur ein kleiner Hausgarten, und so war's ein Fortschritt, als Gottlieb Gäbler etwa 1851 das Haus Nr. 57 mit anschließendem Feld für 1150 Thaler kaufte. Gustav Gäbler muss ein tief gläubiger Mensch gewesen sein, das lassen noch von ihm erhaltene Briefe erkennen. Er alterte aber vorzeitig. Sein Sohn, Onkel Julius behauptete, Gustav habe sich als junger Mann, ebenso wie einige gleichaltrige Dorfbewohner, in der Windschenke (nahe der hölzernen Windmühle) bei einem Schlachtfest eine Trichinenvergiftung zugezogen, die bei ihm und anderen in älteren Jahren zur Erschlaffung der Muskeln geführt habe. Er war Hausweber und versorgte zugleich sein Grundstück, in dem er ein bis zwei Kühe, später aber nur Ziegen, dazu Hühner hielt. Das Einkommen eines Webers war im 19. Jahrhundert sehr gering, und so war manches Mal Schmalhans Küchenmeister. (Bilder und Stammbaum) Seine Frau, Ernestine Gäbler geb. Hiller, stammte aus einem kleinen, hauptsächlich landwirtschaftlichen Betrieb. In Dittelsdorf, links der Neiße, oberhalb von Hirschfelde, war ihr Vater, Karl Gottlieb Hiller (1801 - 1847), "Gärtner", d.h. ein Kleinbauer, und Weber. Später wurde das Grundstück, das am Anfang von Dittelsdorf, von Hirschfelde aus gesehen, lag durch Zukauf von Feldern zu einem reinen Bauerngut. Da Dittelsdorf erst 1850 eine eigene Kirche erhielt, wurde Ernestine Hiller 1843 in Hirschfelde getauft. Ihr Bruder Karl Gottlieb Hiller (1839 - 1919) übernahm etliche Jahre nach dem frühen Tode des Vaters das Gut, das von ihm sein jüngerer Sohn Reinhard Hiller erbte. Der ältere Sohn Gustav Hiller (1868 - 1939) war Jahrzehnte Kantor und Lehrer im nördlich von Dittelsdorf gelegenen Burkersdorf und verstarb im Ruhestand in Zittau, wo ich ihn auch noch besucht habe. Ernestines Schwester Juliane Hiller (1851 - 1884) heiratete den Gärtner Ernst Zücker in Schönau auf dem Eigen einige Kilometer nördlich von Dittelsdorf. Auf diesem Gute, das dann der Schwiegersohn Reinhold Hübner besaß, verlebte ich zusammen mit meinem älteren Bruder Martin im Hunger-Kriegsjahr 1917 schöne Sommerferien, wobei besonders mein Bruder tüchtig in der Ernte mithalf. Großmutter Ernestine geb. Hiller war geistig recht gut beschlagen, sie schrieb schöne, orthographisch einwandfreie Briefe, obwohl sie nur die Dorfschule besucht hatte. Vielleicht wirkte bei ihr noch das Ahnenerbe nach, da sie mehrere Schulmeister und mehrere Pfarrer unter ihren Vorfahren hatte, wovon sie wohl selbst keine Ahnung besaß. Sie hat durch ihre Heirat mit Gustav Gäbler bestimmt kein leichtes Leben gehabt, musste sie doch nicht nur Haus- und Feldarbeit verrichten, in früheren Jahren auch am Webstuhl sitzen, ihre drei Söhne zu guten und tüchtigen Menschen erziehen, sondern hatte auch noch viele Jahre ihre Mutter Christiana Dorothea Hiller geb. Engler (1807 - 1894) bei sich wohnen. Später wuchs ihr ältester Enkel, der Sohn Johannes des Missionars Hermann, nach dem frühen Tode seiner Mutter vom 2. bis zum 10. Lebensjahre in ihrem Hause auf. Im Jahre 1916, in schwerer Kriegszeit, ging Ernestine heim. Sowohl die Mutter von Gustav als auch die Mutter von Ernestine stammten aus Reichenau, dem größten Ort der Gegend, und demjenigen Ort, in dem die meisten unserer weiteren Vorfahren lebten. Ebenso wie ich mich an den Bruder der Großmutter, Karl Gottlieb Hiller in Dittelsdorf, erinnern kann, sehe ich im Geiste auch ihren Cousin Ernst Engler mit seinem großen Vollbart auf der Bank unter der Linde an der Straße von Reichenau nach Dornhennersdorf sitzen, einer Bank, die am oberen Ende der Felder seines Bauerngutes stand und einen schönen Blick nach Süden auf Reichenau und den dahinterliegenden bewaldeten Höhenzug an der böhmischen Grenze gestattete. Ein anderer Verwandter, der Mann einer Cousine von Gustav Gäbler, Johann Gottfried Frömter, ist mir durch seine hohe Gestalt und seinen langen Bart noch gut in Erinnerung. Er war einst Fahnenträger eines österreichischen Regimentes in der berühmten Schlacht bei Solferino im Jahre 1859 gewesen, die durch ihre schweren Verluste bei Sieger und Besiegten den Anstoß zur Genfer Konvention des Roten Kreuzes gab. Gottfried Frömter, der Patenonkel meines Vaters Heinrich Gäbler war, starb 95jährig im Jahre 1925 in Weigsdorf . Die Gäbler in DornhennersdorfAus dem östlich an Reichenau angrenzenden Markersdorf, das kirchlich zu Reichenau gehörte, stammen die ältesten uns bekannten Gäbler. Im Jahre 1764 heiratete Regina Gäbler geb. Pfennigwerth, die Witwe von Hans Christoph Gäbler (1703 - 1762), der Zimmermann in Markersdorf war, den Schuhmacher und Witwer Gottlob Schwarzbach in Dornhennersdorf und brachte ihren Sohn Gottlieb mit dorthin. So kam der Urgroßvater Gottlieb Gäbler (1750 - 1803) von Gustav Gäbler nach Dornhennersdorf, wo schon andere Zweige der Gäblersippe, wie in vielen Orten rings um Reichenau, wohnten. Nach dem Tode seines Stiefvaters kaufte Gottlieb im Jahre 1777 dessen Haus für 40 Reichsthaler. Dieses Haus verkaufte er 1797 an seinen Sohn Gottlob Gäbler, der es wiederum 1839 an seinen jüngsten Sohn Johann August weiterverkaufte. Dieser wanderte etwa 1844 nach Polen in die Gegend von Lodz aus, da er dort bessere Arbeits- und Lebensbedingungen erhoffte. Es war das Jahr des schlesischen Weberaufstandes, der durch die drückende Lage der Weber hervorgerufen worden war. Lodz war damals das Ziel vieler Weber, da die russische Regierung in diesem polnischen Ort eine eigene Textilindustrie aufbauen wollte. So rief sie Weber aus Sachsen, Schlesien und Böhmen herbei, die mit Spindeln und Handwebstühlen nach Lodz kamen, dort kostenlos Bauland für ihre Häuser erhielten und sechs Jahre lang, keine Steuern zu bezahlen brauchten. Lodz, das 1820 nur 800 Einwohner hatte, wuchs bis zum Jahre 1805 auf 40.000, im Jahre 1914 auf eine halbe Million Einwohner an. Mancher Weber wurde dort mit Geschick und Skrupellosigkeit zum reichen Fabrikanten, von denen der bekannteste Karl Scheibler war. Er hatte in England gelernt, kam 1854 nach Lodz und errichtete mit nachgebauten englischen Textilmaschinen besonders Spinnereien. Wahrscheinlich war dieser Karl Scheibler ein Verwandter der Schwiegermutter Martha Elisabeth Bischoff geb. Scheibler von Gottlob Gäbler. Der älteste Sohn von Gottlob Gäbler, Gottlieb Gäbler, erhielt 1832 kurz vor seiner ersten Verheiratung (diese Ehe währte nur reichlich ein Jahr) eine Baustelle in Dornhennersdorf, die sein Vater für ihn kaufte. Hier wurde das schon erwähnte Haus Nr. 84 erbaut. Die Häuser Nr. 57 und Nr. 84 und fast das ganze Dorf Dornhennersdorf (es hat, wie all die anderen Orte jenseits der Neiße heute einen polnischen Namen (Strzegomice) existieren heute nicht mehr. Schon im ersten Weltkriege begann bei Türchau nahe der Neiße der Braunkohlentagebau, wobei die Kohle im wesentlichen als Heizstoff für das Elektrizitätswerk in Hirschfelde verwendet wurde, das ganz Ostsachsen versorgte. Vom Ort Türchau, wo eine ganze Anzahl unserer Vorfahren lebten, blieb wohl nur die Kirche übrig. Etwa 1960 wurde östlich der Neiße ein polnisches Kraftwerk gebaut, das ebenfalls von diesem Tagebau gespeist wird. Da man auch in größerer Tiefe noch Kohlen findet, wurde der Abraum weiter östlich abgelagert, so dass sich jetzt eine riesige Halde nördlich von Reichenau auftürmt. Der obere Teil von Seitendorf, die Dornhennersdorfer Windmühlen am Sandberg und der größte Teil des Ortes Dornhennersdorf wurden zugeschüttet. Die eingangs genannten Straßen von Hirschfelde und Reichenau nach Dornhennersdorf sind unter der Halde verschwunden. Nur die Straße von Königshain, nördlich von Seitendorf gelegen, über die Höhen liefert einen Zugang nach Weigsdorf und von dort gelangt man in westlicher Richtung in den unteren Teil von Dornhennersdorf. Die übrigen Häuser sind schon abgerissen und großenteils bereits unter der Schutthalde verschwunden. Bei meinem einzigen Besuch nach dem zweiten Weltkrieg im Dezember 1975 konnte ich nichts mehr wiederfinden. Auch in der Weigsdorfer Kirche scheint kein Gottesdienst mehr abgehalten zu werden, sie gehört jetzt zur CSSR. Der Name Gäbler und andere Ahnennamen
Der Name Gäbler tritt in abgewandelter Form schon Anfang, des 14. Jahrhunderts in Zittau auf. So gab es unter den Zittauer Ratsherren schon 1312 einen Gunter von Gabel (wobei "von" nur seine Herkunft, nicht ein Adelsprädikat bezeichnet). Der Verfasser des Gäblerbuches, Ernst Gäbler, teilte mir einmal mit, dass in Görlitz 1439 ein Hans Gebeler das Bürgerrecht erwarb und 1531 ein Zittauer Bürger Matz Gebeler sein Haus mit einem Görlitzer Einwohner tauschte. Nach Ernst Gäbler gab es bereits um 1550 in Markersdorf mehrere Gäbler, einer von ihnen stammte aus Görlitz. Unter diesen Markersdorfer Gäbler fand er dann Jakob Gäbler als unseren direkten Ahn. Dieser wird beispielsweise beim Kauf des Markersdorfer Scholzengutes durch den Sohn Peter unseres Vorfahren Peter Heffter als Gerichtsältester und dessen Nachbar 1566 genannt. Diese ältesten Urkunden, insbesondere die Erbauseinandersetzung im Jahre 1579 nach Jakob Gäblers Tode lagen im Schlossarchiv von Friedland in Böhmen, jetzt befinden sie sich im Bezirksarchiv Decin (CSSR) an der Elbe. Auch der Ursprung einiger anderer Familiennamen unserer Vorfahren soll kurz geklärt werden, wobei allerdings oft mehrere Deutungen möglich sind. Auf altdeutsche Vornamen, die heute nicht mehr bei uns üblich sind, gehen wohl die folgenden Familiennamen zurück: Apelt (Adabald, der durch edle Abkunft glänzende), Eckart (der Schwert-Starke), Engelland, Engelmann, Engler (Engelbert, der wie ein Engel glänzende, oder andere mit Engel- beginnende Namensformen), Helwig (Heilwig, der kämpfende Held), Hiller (von hiltja, Kampf), Kießling (von gisal, Kind edler Herkunft), Mennel, Mönch (von magan, Kraft), Peuker (von baugrat, bauge, Schmuck), Thiele (Dietrich). Von christlichen Vornamen können abgeleitet werden: Hentschel, Jentzsch (Jan, slawische Form von Johannes, Hans), Kirsche (Christian), Lucke (Lucas). Auf Berufe lassen sich zurückführen: Bischoff (Mann bei einem Bischof), Dreßler (Drechsler), Hefter (Spangen- oder Messergriffmacher), Hofmann (Mann beim Rittergutshofe), Rolle (sorbisch rola = Acker, Ackermann), Scheibler (Besitzer einer runden Flurfläche oder Fuhrmann von Salzscheiben), Schröter (Schneider). Der Wohnort oder Wohnplatz bildete einen Grund zur Namensgebung, neben Gäbler auch: Gründler (im Grunde, einer Einsenkung wohnend), Kroker (aus Krakau stammend oder Fuhrmann nach Krakau), Krusche (sorbisch krusa Birnbaum), Lindner (an einer Linde wohnend), Seifert (Seife = Bach, durchflossene Wiese, am Bach wohnend), Sitte (aus Zittau stammend), Steudner (Staude = Gebüsch, am Gebüsch wohnend), Trenkler (an der Tränke wohnend). Körperliche oder geistige Eigenschaften führten wohl zu den Namen; Lincke (Linkshänder), Spänich, Spänicke (span = dürrer Mensch), Streit (= streben). Der Name Pfennigwerth ist wahrscheinlich auf die Höhe der Abgabe zurückzuführen, die der Namensträger leisten musste. Schließlich seien noch Altmann, soviel wie Großvater, und Neumann, ein neu in die Gemeinde Zugezogener genannt. Die Schreibweise der Familiennamen, die nicht in jedem Falle gedeutet werden können, blieb noch bis ins 19. Jahrhundert hinein sehr wechselhaft, je nachdem, ob der Schreiber, meist der Schulmeister des Ortes, den Namen im ortsüblichen Dialekt oder in seiner ursprünglichen Form festhielt. So steht im Gerichtsbuch von Mittelherwigsdorf unter dem 3.12.1732 als Überschrift: "Erbkauff Friedrich Albrechts Jun. von seinem Vater Friedrich Albert umb deßen Bauern Guth". Der letztere ist unser Vorfahr. Der Familienname Augustin erscheint in den Urkunden auch als Augsten, Austen und Ostenn. Der Müller Elias Ay wird im Jahre 1635 Elias Ahner genannt. So ließen sich noch andere Beispiele geben. Manche Familiennamen gehen wahrscheinlich auf einen einzigen Namensträger zurück, die meisten dürften sich an verschiedenen oder gar vielen Orten herausgebildet haben, besonders wenn wir an Namen wie Müller und Schulze oder Scholze, den Schultheiß des Dorfes, denken. Manche der Namen unserer Vorfahren sind schon in den ältesten Urkunden der Zittauer Gegend zu finden. Ob die dort Genannten unsere direkten Vorfahren waren, wissen wir allerdings nicht. Erhalten geblieben sind die Zinsregister des Hospitals St.Jakob in Zittau von 1391 und 1415, die E. A. Seeliger, Neues Lausitzisches Magazin Bd. 108 (1932), S. 147 - 168 veröffentlicht hat. Dort finden wir:
SiedlungsgeschichteDie Zittauer Gegend wurde bereits in den Jahrzehnten vor und nach dem Jahre 1200 von deutschen Bauern aus West und Nordwest besiedelt. Die Anlage der Bauerngüter zeigt meist die fränkische Hofanlage. Diese Bauern trafen dort nur eine geringe slawische Bevölkerung an, sie rodeten den Wald, machten ihn zu Ackerland und wurden sesshaft. Die nachmalige Oberlausitz als deutsches Reichslehen wurde bei ihrer Eroberung dem Markgrafen von Meißen übertragen, von dem zunächst das Gebiet von Zittau, im Jahre 1346 das ganze Land an den König von Böhmen kam. Dieser ließ es von einem Landrichter von Bautzen (Budissin) aus regieren. Kirchlich wurde das Land dem Bischof von Prag unterstellt. Da sich Adel und Städte freiwillig dem böhmischen König unterordneten, erhielten sie von ihm manche Privilegien, u.a. traten ihre Vertreter als die beiden Stände des Landes mehrmals jährlich zu einem Landtag in Bautzen zusammen, der erst im Jahre 1919 endgültig aufgelöst wurde. Die Stadt Zittau, von den Dorfbewohnern wohl noch heute "Sitte" genannt, soll ihren Namen dem slawischen Wort žito = Korn verdanken. Der ursprüngliche sorbische Name dürfte žitawa, gewesen sein. Im Jahre 1250 wird die Stadt Sittaw, 1577 Sitta genannt. Zittau wird erstmalig 1238 als Stadt erwähnt und bereits 1255 erweitert. Bei ihrer reichen Gewerbe- und Handelstätigkeit benötigten die Lausitzer Städte insbesondere gute und gegen Übergriffe verarmter Adliger gesicherte Straßen. So schlossen sich Bautzen, Zittau, Görlitz, Kamenz, Löbau und Lauban (das jetzt polnische Luban) im Jahre 1346 mit Billigung Kaiser Karls IV. zu dem Sechsstädtebund zusammen, der sich erst bei der Teilung Sachsens im Jahre 1815 auflöste. Im Zusammenhang mit der Herausbildung der Gutsherrenschaften werden uns auch die Namen der Dörfer in der Umgebung, Zittaus bekannt. So wird im Jahre 1310 das unmittelbar nördlich von Zittau liegende Dorf Eckartsberg erwähnt, damals "Eckardistorph" genannt, das zum Teil Jahrhunderte von etlichen unserer Vorfahrenfamilien bewohnt wurde (Augustin, Engler, Gründler, Jentzsch, Stange, Thiele). Der Name dieses Dorfes wie auch vieler anderer Dörfer geht wohl auf den Namen ihres Gründers zurück, der als "Locator" zusammen mit den Bauern in das Land kam. So ist Wittgendorf 1322 erstmals urkundlich erwähnt, Ort eines Wittiko, Dornhennersdorf (1482 Dörhennersdorf, 1499 Dorrenheinersdorf) der Ort eines Heinrich, Dittelsdorf (1369 Ditlichsdorf, 1406 Dytrichsdorff) das Dorf des Locators Dietrich. Markersdorf wurde 1360 als Marcwarsdorf bezeichnet, Olbersdorf hieß 1323 Albertsdorf, 1346 Albrechtsdorff, 1429 Olbersdorf, und Weigsdorf wurde 1363 Wygandiuilla geenannt. Anders ist der Name von Drausendorf zu erklären, das 1366 als Drusendorff bezeichnet wurde. Es handelt sich hier wohl um Mischbildung aus dem altsorbischen Personennamen Druž und dem deutschen -dorf. Ebenso deutet Radgendorf (1391 Radeckindorf) auf den Personennamen Radek hin. Reichenau, im Jahre 1252 als Richinowe, 1358 als Rychnow bezeichnet, dürfte kaum seinen Namen von der "reichen Aue" herleiten. Vielleicht haben die deutschen Ansiedler ihn aus ihrer alten Heimat mitgebracht, vielleicht deutet der Stamm "owe" auf das althochdeutsche Wort a = Wasser hin, vielleicht hat auch der slawische Gründer des Ortes den Namen "Rych", d.h. der Schnelle, Rasche gehabt. Das Dorf Eckartsberg war schon in früher Zeit teilweise im Besitz des Klosters St. Marienthal, im Neißetal nördlich von Hirschfelde gelegen. Dieses Kloster wurde im Jahre 1234 als Zisterzienser-Nonnenkloster auf einem Baugrund errichtet, den die böhmische Königin Kunigunde dem Orden schenkte. Durch Kauf, Tausch oder Schenkung kamen zahlreiche Dörfer in den Besitz des Klosters, so auch der größte Teil von Reichenau, der nach und nach zwischen 1262 und 1467 zum Kloster gelangte, während ein kleiner Teil dieses Ortes der Stadt Zittau gehörte. Das änderte sich auch im Zuge der Reformation nicht, und so wurde das Kloster eine der größten Grundherrschaften der Oberlausitz, dem auch seit 1346 bis über die Mitte des 19.Jahrhunderts hinaus die Obergerichtsbarkeit, d.h. z. B. die Ahndung von Kapitalverbrechen in diesen Dörfern unterstand. Ursprünglich gehörten aber u.a. die Dörfer Dornhennersdorf, Reichenau, Lichtenberg, Markersdorf, Türchau und Dittelsdorf zur Herrschaft Rohnau im Neißetal, deren Burgreste noch in geringem Maße erhalten sind. Die Burg wurde im Jahre 1399 durch die Truppen des Sechsstädtebundes zerstört. Der reichste Grundbesitzer der südlichen Oberlausitz wurde danach die Stadt Zittau selbst, die im Laufe der Zeit viele adlige Dorfanteile übernahm und infolge der Reformation den Cölestinermönchen auf dem Oybin (südlich Zittau) deren Besitz abkaufte. Für das Heimatgebiet unserer Vorfahren war noch eine andere Gutsherrschaft von Bedeutung. Die Orte Markersdorf, Dornhennersdorf, Weigsdorf, Oppelsdorf, Wald, Reibersdorf, Sommerau, Oberullersdorf und Dörfel (letzteres seit 1848 zu Böhmen gehörig) unterstanden der Herrschaft Seidenberg-Friedland, nach 1623 der Standesherrschaft Seidenberg und nach Abtretung des nördlichen Teiles der Oberlausitz im Jahre 1815 an Preußen der Herrschaft Reibersdorf. Ursprünglich waren die Dörfer um Zittau reine Bauerndörfer. Jeder Siedler hatte wohl zunächst 1 Hufe (Hube) = 12 Ruten Landes erhalten, eine Fläche, die je nach Bodenbeschaffenheit unterschiedlich groß war. Dafür musste jährlich ein Zins an die Grundherrschaft gezahlt werden. Als aber die Bevölkerung langsam anstieg, genügte der vorhandene Boden nicht mehr. Meist erhielt der jüngste Sohn des Bauern den Hof des Vaters, den er aber ihm oder dessen Erben, d.h. der Mutter und den Geschwistern abkaufen musste. Um Lebensraum für die steigende Bevölkerung zu schaffen, wurden die großen Güter in vielen Fällen geteilt, es entstanden "halbe Güter", oder es wurden kleinere Stücke abgetrennt, deren Besitzer als "Gärtner" bezeichnet wurden, die also nicht Gärtner in unserem Sinne waren. Auch wurden, meist in der Dorfaue, dem gemeinsamen Besitz der Dorfbewohner, Häuser, sogenannte "Auenhäuser" gebaut. Die Bewohner dieser Häuser die "Häusler" fanden ihren Lebensunterhalt als Handwerker und in späteren Zeiten als Weber. Wer kein Haus besaß, wurde als "Hausgenosse" bezeichnet. Die meisten derselben waren aber darauf angewiesen, sich möglichst bald ein Haus zu kaufen oder zu bauen, wofür sie in manchen Fällen von der Grundherrschaft umsonst oder gegen geringes Entgelt einen Bauplatz auf ihren Antrag hin zugewiesen erhielten. Die jahrhundertelang zu Böhmen gehörenden Lausitzen hatten im Anfang des 15. Jahrhunderts besonders unter dem Einfall der Hussiten zu leiden. Die Oberlausitz, die zum böhmischen König hielt, wurde mehrfach von den Hussiten verwüstet. So zogen diese im Jahre 1430 auch durch Reichenau und Türchau. Die Bauern bildeten zu ihrer Verteidigung Dorfmannschaften und begleiteten, mit Spießen, Flegeln, Äxten, Grabscheiten, Hacken und Armbrüsten bewaffnet, das Aufgebot der Städte gegen den Feind. Die Hussiten zündeten die hölzernen Bauernhäuser an, schlachteten das Vieh oder trieben es weg. Gar manches Dorf wurde niemals wieder aufgebaut, andere Dörfer brauchten hundert Jahre zu ihrer Wiederherstellung. Reformation und Dreißigjähriger KriegMitte des 16. Jahrhunderts breitete sich die Reformation in der Oberlausitz aus und brachte manche Veränderung im Leben ihrer Bewohner. Lorenz Heydenreich, ein Schüler Luthers, führte die Reformation im Jahre 1521 in Zittau ein. In Reichenau war 1565 Gregor Füger der erste evangelische Pfarrer. Sein Nachfolger, also der zweite evangelische Pfarrer von Reichenau, war einer unserer Vorfahren, der sogar dreifach in unserer Ahnenliste erscheint: Magister Markus Mauer. Er war am 24.4.1539 in Triebel in der Niederlausitz geboren, war 1571 - 1581 Pfarrer in Weigsdorf, bis 1583 in Oberullersdorf, danach Pfarrer in Reichenau, wo er am 26.3.1591 starb. Er hatte drei Söhne: sein Sohn Christoph kam nach juristischem Studium nach Zittau und wurde dort 1526 regierender Bürgermeister. Der Sohn Ernst Mauer heiratete die Witwe Elisabeth geb. Hoffmann des Reichenauer Bauern Simon Thomas und wurde damit unser Vorfahr. Noch eine weitere Pfarrerfamilie finden wir unter unseren Vorfahren. Als 10. von 14 Kindern (dem 3. Kind seiner 2. Frau) wurde um 1640 Elisabeth, die Tochter des Pfarrers Christoph Vopelius geboren. Sie heiratete am 13.1.1650 den Bauern Christoph Augustin in Mittelherwigsdorf, von dem sie 10 Kinder hatte. Ihr Vater Christoph Vopelius war am 31.10.1591 in Nebra bei Querfurt an der Unstrut geboren. In Friedrich Eckarts "Chronica oder Historische Beschreibung des Dorffes Herwigsdorff", 1737, ist seine Selbstbiographie abgedruckt, in der es u.a. heißt:
Von seinen Großeltern Vopelius wurde er 1608 in das "Gymnasium Halense" geschickt, später war er Hauslehrer in Görlitz, wurde 1515 in Leipzig ordiniert und trat danach das Pfarramt in Burkersdorf, nördlich von Zittau, an, das er 1618 mit demjenigen im Nachbarort Oberseifersdorf vertauschte. Schließlich war er von 1636 bis 1681 Pfarrer im Mittelherwigsdorf, wo er im 90. Lebensjahre starb und am 17.2.1681 begraben wurde. Die Kirche in Mittelherwigsdorf bewahrt noch sein Bild auf, das abgedruckt ist in: Herbert Koch, "Aus der Geschichte der Familie Vopelius", Familiengeschichtliche Blätter, Jena, Heft 2, 1935. Auch im 2. Band des eingangs erwähnten Buches von Fritz Hauptmann findet sich sein Bild. Nach dem Tode seiner ersten Frau, die ihm neun Kinder geboren hatte, heiratete Christoph Vopelius in zweiter Ehe die Bauerntochter Maria Mönch in Oberseifersdorf, von der er sieben Kinder hatte. Die Urenkelin aus der bereits erwähnten Ehe Augustin/Vopelius, Rosina Augustin, heiratete Gottfried Engler, Bauer in Eckartsberg, dessen Enkel Gottfried Engler das schon genannte Bauerngut seines Schwiegervaters Gottlieb Spänich übernahm. So sind also Großmutter Ernestine Gäbler geb.Hiller und auch wir die Nachkommen eines ehemaligen Mönches. Ein Vetter des Vaters von Christoph Vopelius war der Schloßhauptmann Johann Vopelius, der unter der Anklage, die Pleißenburg, Leipzigs Festung, zu zeitig an Wallensteins Feldmarschall Holk übergeben zu haben, am 6.2.1633 in Dresden enthauptet wurde. Außer von den genannten Pfarrern haben wir noch von Zittauer Bürger- und Ratsgeschlechtern Kunde, von denen ich ursprünglich annahm, dass sie unsere direkten Ahnen seien, sie stellten sich aber schließlich als Stiefahnen heraus. Trotzdem soll von ihnen einiges berichtet werden: In Zittauer Stammtafeln wird Anton Kießling genannt, der am 9.12.1589 starb. Von ihm berichtet der Zittauer Chronist Johann Benedict Carpzov In seinem Werk: "Analecta Fastorum Zittaviensium oder Historischer Schauplatz der Löblichen Alten Sechs-Stadt des Marggraffthums Ober-Lausitz Zittau", Leipig 1716, Teil III, S.206, im: "Verzeichnis derer zu Wasser und Lande im Kriege renommirt gewordenen Zittauer":
Dieser Adels-Wappenbrief ging 1508 bei einer Feuersbrunst verloren. "Am 21.7.1625 wurde das Wappen durch Ferdinand II. bestätigt und vermehrt. Seine Inhaber wurden dabei zu recht edelgeborenen Lehns- und Turniergenossen erhoben." Anton Kießling, der anscheinend den Adelstitel später nicht mehr führte, war in zweiter Ehe mit Justina Rodochs, der Tochter des Zittauer Stadtrichters Johann Rodochs verheiratet, der 1545 auch Bierhofsbesitzer war und am 30.9.1563 starb. Nach Carpzov, Teil III, S. 131, wird er unter den "gelehrten Zittauern" genannt: "Johann Rodochs, George Rodochsens Sohn, schrieb sich Pragensis Dioeceseos Cleriaum, Septem Artium liberalium Baccalaureum, Sacra Apostolica et Imperiali Autoritate Notar. Publicum, an. 1547 ward nach dem Rath-Stuhl gezogen und zu Stadt-Richter eligiret anno 1562." Der Sohn von Anton Kießling, Johann Kießling (1567-1612), war Lohgerber in Zittau, kehrte also zum Beruf seines Großvaters Hans Kießling zurück. Er war mit Regina Hartig, der Tochter von Jacob Hartig verheiratet. Von diesem erfahren wir durch den bei Carpzov, Teil I, S.127, genannten Grabstein;
Dieser Jacob Hartig hatte nach Carpzov, Teil III, S. 132, zum Sohn, demnach als Bruder der bereits genannten Regina Kießling geb. Hartig:
Der Vorname seiner Frau war nicht Sybilla, sondern Susanna, wie Carpzov richtig bei Beschreibung des Grabsteines in der Kirche St. Johannis angibt, und wie auch das Traubuch unter dem 1. Sonntag nach Trinitatis 1602 verzeichnet: Getraut wurden "der Erbare und wolgelahrte Herr" Johann Hartig und Susanna, "des hochgelahrten Herrn" Johannie Montanus zu Striegau. Dieses Ehepaar hatte drei Söhne, die sämtlich Medizin studierten und von denen zwei geadelt wurden: Christianus von Hartig (1605-1677), Med. Doct., geadelt 12.08.1629, Erbherr auf Alt-Hörnitz bei Zittau, Stadtrichter 1634 und 1637, Bürgermeister von Zittau 1639 bis 1673. Sein Bruder: "Johann Jacob von Hartig, nat. 1603, d. 9.Sept. ward zu Venedig Physicus Ordinarius, verstarb allda an. 1647, d. 5.Nov. Seine Nachkommen im Kgr. Böhmen und Österreich sind von Ihro Kayserl. Majestät Leopoldo in Ritter und Herren Stand erhoben worden, worinnen sie noch im höchsten Flore leben." Der schon genannte Johann Kießling hatte sechs Kinder, von denen zwei Söhne ebenfalls Ärzte wurden: Johannes Kießling (1599-1654) studierte in Straßburg und Basel, Antonius Kießling (1608-1649) ebenfalls in Straßburg. Die Tochter Martha heiratete den Tischlermeister Caspar Richter, der 29 Jahre Glöckner zu St. Johannis in Zittau war, die Tochter den Pfarrer Abraham Schurich in Türchau. Der Sohn Jacob Kießling, also der Enkel des geadelten Anton Kießling, Lohgerber in Zittau, der 1604 bis 1664 lebte, heiratete in erster Ehe die Tochter Elisabeth des "Edlen, Ehrenvesten" Herrn Joachim von Eisersdorff und etwa im Jahre 1633 in zweiter Ehe Dorothea Naumann. Ein Sohn aus dieser zweiten Ehe war Christianus Kießling (1638-1697), Pfarrer zu Wittgendorf, ein anderer Sohn, Antonius Kießling, Seidenkramer am Ringe in Zittau. Die Tochter Maria Elisabeth Kießling heiratete den Zittauer Tuchmacher Johann Ehrlich, der aus einer Reichenberger Exulantenfamilie stammte. Ihre Tochter Maria Elisabeth Ehrlich war die 2. Frau unseres Vorfahren, des Schulmeisters Gottlieb Gnausch in Wittgendorf. Seine Tochter aus 1. Ehe Susanna Hiller geb. Gnausch wurde die Ururgroßmutter von Ernestine Gäbler geb. Hiller. Hauptsächlich um die evangelischen Gemeindeglieder von den katholisch gebliebenen Einwohnern zu unterscheiden, wurden bald nach der Reformation vielerorts die Taufen, Trauungen und Begräbnisse in Kirchenbüchern festgehalten. So besitzt Zittau z.B. Kirchenbücher seit 1539, die mit wenigen Unterbrechungen bis heute geführt werden. Reichenau besaß Kirchenbücher ab 1568. Sie sind oder waren für uns zusammen mit den Gerichtsbüchern die wichtigsten Quellen zur Erforschung der Lebensdaten unserer Vorfahren. Einige unserer Ahnen waren nebenberuflich "Kirchväter" d. h. sie verwalteten das Kirchenvermögen, leiteten kirchliche Bauten und kauften das zugehörige Material. Sie wurden von der Grundherrschaft ernannt und erhielten für ihre Tätigkeit ein jährliches Deputat. Unsere Vorfahren im 16. und 17. Jahrhundert waren aber größtenteils Bauern. Manch einer war besonders angesehen und saß mit im Dorfgericht als "Gerichtsältester" oder "Schöppe". Der Vorsitzende des Gerichts war der "Erb- und Lehnrichter" des Dorfes, er war fast immer zugleich der Besitzer des Dorfgasthauses, des "Kretschams" (sorbisch: kortschma = Wirtshaus, woher auch der Name Kretzschmar stammt). Beispielsweise waren unsere Vorfahren Heinrich Gäbler ab 1731 Richter in Markersdorf, Heinrich Pfennigwerth Richter in Dornhennersdorf und Christoph Burghardt ab 1670 Richter in Reichenau. Ferner kaufte der Sohn George unseres Vorfahren Peter Heffter "sampt seinen sechs Söhnen" am 13.1.1591 den Reichenauer Kretscham für 1550 Zittische Mark. Ein Enkel von ihm war Bürgermeister von Zittau Heinrich von Hefter, nach dem der heute noch existierende obeliskenverzierte Giebel am ehemaligen Franziskanerkloster genannt ist. Erwähnt sei, dass eine Nachkomme von Peter Heffter, Maria Regina Hefter, die Mutter der Schauspielerin Corona Schröter (1751-1802) wurde, die 1779 in der Uraufführung die Titelrolle von Goethes "Iphigenie" zusammen mit Goethe als "Orest" spielte. Der Erb- und Lehnrichter als Besitzer des Kretschams hatte u.a. die Berechtigung, Bier auszuschenken. Oft trachtete die Grundherrschaft danach, diese Braugerechtigkeit zu erwerben, denn sie war eine gute Einnahmequelle. Fremdes Bier durfte in die Dörfer nicht eingeführt werden. Es war den Dorfbewohnern sogar bei Strafe verboten, in einen anderen Ort zu gehen und dort fremdes Bier zu trinken. Um 1500 wurde jahrzehntelang, zwischen Zittau und Görlitz ein "Bierkrieg" geführt. Die Görlitzer lauerten z.B. im Jahre 1491 einer Zittauer Bierfuhre auf und zerschlugen die Fässer, worauf die Zittauer aus zwei Dörfern des Görlitzer Ratsgebietes das gesamte Vieh wegtrieben. Aus der Zeit zwischen der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg ist uns die Schlichtung eines Streites durch einen "Vortrag" (Vertrag) überliefert, die L. Engelmann, "Geschichte von Reichenau", Band 2, 1904, S. 152 - 154 abdruckt, und die unseren Vorfahren Simon Helwig betrifft:
Zur Erklärung sei gesagt: Simon Helwig, manchmal auch Helbig genannt, besaß ein Grundstück in Reichenau, das zur Herrschaft des Klosters Marienthal, ein anderes, das zu Zittau als der Grundherrschaft gehörte. Nach einer Schlägerei zwischen seinen Söhnen und dem Sohne Hans des Jüngeren von Hans Sachse dem Älteren, der ebenfalls dem Kloster, dem "Gestifte", unterstand, war Hans Sachse der Jüngere 11 Tage danach gestorben. Es blieb ungeklärt, ob der Tod als Folge der Schlägerei anzusehen war. Simon Helwig zahlte dem Vater des Verstorbenen 20 Böhmische Schock, wodurch aber nicht die Schuld seiner Söhne anerkannt wurde. Das Jahr 1623 war für die Ober- und Niederlausitz von großer Bedeutung. In diesem Jahre verpfändete Kaiser Ferdinand II. als König von Böhmen die Lausitzen an den sächsischen Kurfürst Johann Georg I., der ihm zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges Hilfe geleistet hatte. Im Jahre 1635 erhielt der Kurfürst dann die Ober- und Niederlausitz als erbliches Lehen der böhmischen Krone, ohne daß die Gebiete aber in den Kurstaat Sachsen eingegliedert wurden. Daher behielten sie noch Jahrhunderte eine gewisse Selbständigkeit innerhalb Sachsens. Durch die Unterstellung der Lausitzen unter den protestantischen sächsischen Kurfürsten konnte die Gegenreformation in diesen Landen nicht wirksam werden. Der Dreißigjährige Krieg brachte schweres Leid über die Bewohner der Lausitzen. Zahlreiche Häuser waren am Ende des Krieges verfallen und verlassen. Aufschluss darüber gibt ein wahrscheinlich im Jahre 1647 aufgestelltes "Verzeichnis der angesessenen Wirte und Untertanen der Gemeine Marckerßdorff, was ein jeder anitzo an Zug- und Rindvieh, ingleichen was selbige über Winter ausgesät, auch was sie nächst göttlicher Hilfe an Hafer über Sommer auszusäen gedencken", abgedruckt in: Karl Seidemann, "Die Dörfer der Amtshauptmannschaft Zittau am Ende des Dreißigjährigen Krieges", 17. Markersdorf, Zittauer Geschichtsblätter, 15.Jg. (1938), S. 46-47. Dort finden sich unter den acht genannten Markersdorfer Bauern fünf, die unsere Vorfahren waren: Jacob Gäbler, Martin Bischoff, Hans Lincke, Christoph Streit, Jacob Schmied, und der Gärtner Zacharias Gäbler als Bruder von Jacob Gäbler
Über die Auenhäusler wird u.a. folgendes berichtet:
In der gleichen Aufstellung, herausgegeben von K. Seidemann, findet sich unter: 24. Rosenthal:
Dieser Hans Schneider ist unser Ahn, der im Jahre 1644 ein Gut in Rohnau kaufte, nachdem der auf der anderen Neißeseite gelegene Ort Rosenthal wohl durch Soldaten eingeäschert worden war. Vielleicht noch schlimmer als die Kriegsnöte waren die Krankheiten und Seuchen, die sich in damaliger Zeit ausbreiteten. Oft wurden ganze Dörfer nahezu entvölkert. Von unseren Vorfahren traf die Pest z.B. Michael Mennel aus Rosenthal und seine Frau Christina, die am 26.1.1598 heirateten und über die uns das Hirschfelder Kirchenbuch bereits im Juli 1599 neben vielen anderen Toten berichtet:
So ist es verständlich, dass der während des Dreißigjährigen Krieges beginnende Zuzug böhmischer Glaubensflüchtlinge, der "Exulanten", nicht ungern gesehen wurde. Sie wollten in Böhmen im Zuge der Gegenreformation ihrem evangelischen Glauben nicht untreu werden und wanderten großenteils in die benachbarten sächsischen Orte aus, die Lausitz eingeschlossen. Ihre Zahl wuchs besonders nach Abschluß des Krieges, also um das Jahr 1650. Manche der Exulanten in der Zittauer Gegend, die zumeist aus den benachbarten Bezirken Friedland und Reichenberg (heute Rrydlant und Liberec) stammten, hatten ihr Besitztum verkaufen können und es war ihnen in der neuen Heimat möglich, Grund und Boden zu erwerben. Andere Exulanten mußten zunächst als "Hausgenossen" Unterkunft suchen oder konnten sich wenigstens ein Haus kaufen, wurden also "Häusler". Die Südlausitz wurde damit allmählich ein sehr stark besiedeltes Gebiet. Auch einige unserer Vorfahren waren sicher oder wahrscheinlich Exulanten aus den benachbarten böhmischen Bezirken. Sie fanden in Zittaus Umgebung eine neue Heimat. Nach Reichenau kamen: Jacob Alt aus (Wüste) Olbersdorf und Christoph Sitte aus Reinowitz, östlich von Reichenberg, wo er Müller war. Nach Lichtenberg kamen: Christoph Dreßler, Christoph Förster, aus Wittig: Michael Krusche. Nach Türchau kam aus Wittig Martin Heydrich und nach Scharre bei Hirschfelde George Apelt aus Kunnersdorf. Der zuerst genannte Jacob Apelt, der im Jahre 1700 mit knapp 80 Jahren starb, hinterließ eine zahlreiche Nachkommenschaft, er erlebte angeblich 67 Kinder und Enkel. Mehrfach wissen wir von Vorfahren, die eines nicht natürlichen Todes starben. So fiel der Schulmeister von Türchau Michael Kroker in die Kipper, einen größeren Bach, der in die Neiße fließt. Hierüber berichtet Gottfried Hincke, "Chronologische Nachrichten oder Chronick des Zittauischen Raths-Dorfes Türchau", 1804, S.8:
Auch ein Kind von Michael Kroker war schon Jahrzehnte vorher verunglückt. Darüber schreibt Gottfried Hincke auf S.11:
Ein anderer Unglücksfall, der einen unserer Vorfahren, Elias Engler, im Jahre 1678 betraf, wird von Friedrich Eckarth, "Chronica oder Historische Beschreibung derer Zwey nächst an Zittau anstossenden Dörffer Eckersberg and Olbersdorff", 1732, beschrieben:
Mehrere Jahrzehnte später, am 10.6.1714, ertrank unser Vorfahr George Apelt, Bauer und Gerichtsältester in Rohnau, in der Neiße. Das Leben nahm sich unsere Vorfahre Christina Augustin geb. Albrecht aus Scheibe, die Frau des Bauern und Richters Friedrich Augustin in Eckartsberg. Der Begräbniseintrag im Kirchenbuch von Zittau lautet:
Wie stark im Laufe der Zeit eine Versippung unserer Vorfahren eintrat, ergibt sich z.B. aus den Reichenauer Kirchen- und Gerichtsbüchern. Der Bauer Michael Rolle, der 1622 starb, tritt fünfmal in unserer Ahnentafel auf: Neben einer Tochter, deren Vorname wir nicht kennen und die den Bauern Jacob Neumann heiratete, ist sein Sohn Hans Rolle, der "obere" Bauer in Reichenau (es gab also noch einen Hans Rolle im Niederdorfe), viermal unser Vorfahr: Dessen Tochter Maria heiratete 1640 den Bauern Michel Scholze, die Tochter Anna heiratete 1642 den Bauern Christoph Burghardt, die Tochter Justina den Häusler Friedrich Bischoff und die Tochter Anna seines Sohnes Hans Rolle, der Gärtner in Reichenau war, wurde die Frau des Bauern Friedrich Scholze. Auch der älteste uns bekannte Gäbler-Vorfahr, Jacob Gäbler, tritt dreimal in der Ahnentafel auf: Unser Vorfahr Gottlieb Bergmann heiratete am 12.10.1779 in Reichenau Anna Maria Gäbler, die Tochter des Webers Johannes Gäbler in Lichtenberg und seiner zweiten Ehefrau Anna Rosina Förster. Von seinen 9 Kindern der ersten und 6 Kindern der zweiten Ehe starben 7 im Kindesalter. Die Reihe dieser Gäbler-Vorfahren führt auf Martin Gäbler mit den Referenz - Nummer 2048 und 4416 zurück. Die Referenz - Nummern besagen, daß zwischen diesen beiden Gäbler-Linien eine Generationsverschiebung stattgefunden hat, da 4416 in die Reihe der mit 4096 beginnenden Generation gehört. Der Bruder dieses Martin Gäbler tritt ebenfalls in unserer Ahnenliste auf: Matthes Gäbler. Er war der Urgroßvater von Rosina Gäbler, die am 06.11.1685 den Bauern Hans George Streit in Markersdorf heiratete. Der Vater von Martin und Matthes Gäbler war dann der älteste uns bekannte Vorfahr Jacob Gäbler. 18. und 19. JahrhundertDie Quellen über die persönlichen Schicksale unserer Vorfahren fließen im 18. Jahrhundert reichlicher, wenn auch durch den Verlust der Kirchenbücher östlich der Neiße nicht alle Glieder unserer Ahnen erfasst werden konnten. Nur ein paar Familien, die sich erforschen ließen, seien hier genannt: Seit Ende des 17. Jahrhunderts finden wir eine Schulmeisterfamilie unter unseren Vorfahren. Die Tochter Maria des schon genannten Türchauer Schulmeisters Michael Kroker (auch Krocker) war mit größter Wahrscheinlichkeit die Mutter von Gottlieb Gnausch, der 1569 Schulmeister in Wittgendorf wurde. Er war laut Begräbniseintrag vom 6.12.1707 "in die 40 Jahr verdienter Schulmeister alhier". Sein ältester Sohn Gottlieb Gnausch aus der ersten Ehe des Vaters mit Maria Sitte (Tochter des genannten Exulanten Christoph Sitte in Reichenau) wurde der Nachfolger seines Vaters und starb 1750 mit knapp 82 Jahren. Er war in 2. Ehe mit Maria Elisabeth Ehrlich, der Tochter des Zittauer Tuchmachermeisters Johann Ehrlich und der Enkelin des schon genannten Lohgerbers Jacob Kießling verheiratet. Der Stiefbruder David des jüngeren Gottlieb Gnausch war Schulmeister in Dornhennersdorf, während sein Sohn, abermals Gottlieb, 1712-1740 in Türchau, danach bis zu seinem Tode 1746 Substitut (Gehilfe) seines Vaters in Wittgendorf war. Die Tochter Susanna heiratete 1717 George Hiller aus Radgendorf, der wohl mit Unterstützung seines Schwiegervaters Gottlieb Gnausch in Jahre 1713 für 500 Zittische Mark einen Garten in Dittelsdorf kaufte. Damit kam die Familie Hiller nach Dittelsdorf, aus der Ernestine Gäbler geb. Hiller stammte. Mancherlei ist auch über die Familie Spänich bekannt. Unser Vorfahr Christoph Spänich, Sohn des Bauern Christoph Spänicke in Dittersbach a. d. Eigen (nördlich von Zittau, wo sich Julius Gäbler der Jüngere nach dem 2. Weltkriege ein Haus baute) kaufte 1662 ein Bauerngut in Reichenau, das sich über seinen Sohn Tobias, den Enkel Christoph auf den Urenkel Gottlieb Spänich vererbte. Dieser hat mit 98 Jahren am längsten von den uns bekannten Vorfahren gelebt (abgesehen von der Urgroßmutter Anna Vopelius geb. Schmid des Mittelherwigsdorfer Pfarrers, die von 1509 bis 1612 gelebt haben soll). Gottlieb Spänich verkaufte sein Gut im Jahre 1804 für 5200 Reichsthaler an den künftigen Schwiegersohn Gottfried Engler aus Eckartsberg. Sein Sterbeeintrag im Reichenauer Kirchenbuch unter dem 26.12.1834 lautete:
Von seinen 14 Kindern überlebten ihn also nur ein Sohn und eine Tochter, unsere Vorfahre Anna Regina Engler geb. Spänich (1782-1863), die Großmutter von Ernestine Gäbler geb.Hiller. In dem "Väterlichen Vertrag" vom 24.10.1783 mit seinen Kindern wurde von Gottlieb Spänich vor seiner Wiederverheiratung festgelegt, daß jedes Kind 100 Zittische Mark, unsere Vorfahre Anna Regina, die damals reichlich ein Jahr alt war, folgende Kleidungsstücke der verstorbenen Mutter erhalten sollte: "1 grüner Weiberrock, desgl. Brustlatz, 4 weiße Kittelchen, 3 Schürtzen, 5 Tüchel, 2 Hauben, 1 blau gezogen Uiberzug, 1 weißleinwandnes Kirchtuch," Der im Kirchenbuch erwähnte Brand am 31.12.1787 war von einer Magd im Gute seines Nachbarn gelegt worden. Bei Ludwig Engelmann, "Geschichte von Reichenau", 1930, findet sich darüber S.329: Über diesen Fall berichten die Memor. Reichenaus ausführlicher, zugleich das Vorgehen der Gerichte, das nach solcher Tat erfolgte, schildernd:
Bei dem Brand im Jahre 1800, bei dem 5 Bauern, 5 Gärtner und 27 Häusler ihr Hab und Gut verloren, kam auch die taubstumme Schwester von Gottlieb Spänich ums Leben, ebenso sein ganzes Vieh. Aus Liebesgaben, die für die Abgebrannten im Lande gesammelt wurden, erhielt er eine Summe von 70 Thalern. Erwähnt sei noch, daß der Neffe Gottlieb Kießling der ersten Frau von Gottlieb Spänich, unserer Vorfahre Rosina Kießling, Theologe wurde und 1849 als Rektor in Zeitz starb. KriegszeitenMehrere Kriege erlebten unsere Vorfahren im 18. und 19. Jahrhundert. Schwere Zeiten gab es, als in den Schlesischen Kriegen und im Siebenjährigen Krieg (1756-1753) die Truppen verschiedenster Nationalitäten durch die Dörfer unserer Ahnen zogen, Quartier und Verpflegung für sich und ihre Pferde verlangten, das Vieh der Bauern schlachteten oder mit sich wegführten. Carl Gottlob Morawek schreibt in seiner "Geschichte der um Zittau liegenden Ortschaften Hasenberg, Eckartsberg, Radgendorf, Drausendorf, ....", Zittau 1874, 3.36, von Drausendorf, einem Ort von etwa 150 Einwohnern:
Krieg 1813Auch die Napoleonischen Kriege brachten viel Unruhe und Not über die Gegend. Wir lesen bei J. Schubert, "Erinnerungen an das Jahr 1813", Zittauer Geschichtsblätter, Jg. 1913/14, S.36 f.:
Mancher unserer Vorfahren oder mindestens deren Söhne und Brüder taten mehr oder weniger freiwillig Militärdienst, teils in Kurfürstlich Sächsischen, zeitweise zugleich Königlich Polnischen Regimentern (da ja die Kurfürsten August der Starke und sein Sohn von 1697 bis 1763 zugleich Könige von Polen waren), teils auch in preußischen Truppenteilen. Von dem Sohn Gottlob Bergmann unserer Vorfahren Gottlieb Bergmann und seiner ersten Frau Anna Maria geb. Gäbler hat sich die Abschrift einer Gedächtnispredigt aus Reichenau vom 4.8.1816 erhalten, in dem sein schwerer Lebensweg geschildert wird. Es heißt darin:
Krieg 1866Über den Krieg von 1866 zwischen Preußen und Österreich schreibt Morawek in dem oben genannten Buch, Radgendorf betreffend, das damals etwa 200 Einwohner hatte:
Unsere Ahnenheimat wurde im Kriege 1870/71 und den beiden Weltkriegen nicht unmittelbar betroffen, abgesehen von den allgemeinen Nöten, die durch die Kriege hervorgerufen wurden. Auch unsere engere Familie hatte keine Gefallenen in diesen Kriegen zu beklagen. Umso schmerzlicher war die plötzliche Ausweisung aller Bewohner östlich der Neiße am 22.6.1945, die ihre gesamte Habe zurücklassen mußten. Unter ihnen war Onkel Julius Gäbler mit Tante Paula und ihrem Sohn Julius. Sie fanden bei einem alten Bekannten in Zittau, Eisenbahnstraße, in einem einzigen Zimmer ein sehr dürftiges Unterkommen. Dort sind auch Onkel Julius am 27.11.1952 und Tante Paula am 31.5.1956 verstorben. Das Leben der VorfahrenBeginnen wir mit kurzen Bemerkungen über die Mundart der Oberlausitzer. Sie ist durch den rollenden R-Laut gekennzeichnet und klingt mit ihren dumpfen Vokalen etwas rauh. Als Beispiele seien nur ganz wenige Wörter genannt:
Auch in friedlichen Zeiten war das Leben der Bauern, Gärtner und Häusler nicht leicht. Als nahezu freie Bauern hatten sie einst gesiedelt, nur dem Gutsherrn waren sie in geringem Maße zinspflichtig gewesen, der das Obereigentum am Lande besaß. Das Bauerngut und jedes Haus konnten jederzeit verkauft oder vererbt werden, der Grundherr hatte nur das Recht der Bestätigung des Besitzwechsels. Die Siedler mußten außerdem Dienste beim Bau von Befestigungen leisten und im Kriegsfalle Heerwagen und deren Begleitung stellen. Aber im Laufe der Jahrhunderte wurden allmählich weitere Verpflichtungen der Bauern gegenüber der Grundherrschaft eingeführt. Es wurden Naturalabgaben und Frondienste in Feld und Wald der Herrschaft verlangt. Da keine schriftlichen Abmachungen vorhanden waren, konnte der Grundherr immer höhere Dienste fordern. So wurde vielfach von den Jugendlichen, Jungen wie Mädchen, ein "Hofejahr" verlangt, das bei geringem Entgelt und recht kärglicher Verpflegung abzuleisten war. G. G. Morawek, "Geschichte von Drausendorf bei Zittau", Zittau 1873, schreibt S.43 f.: Frohndienste"An Frohndiensten haben die Ortsbewohner bis zum Jahre 1836, wo selbige abgelöst wurden, folgendes zu verrichten: Die Gärtner haben jeder jährlich zusammen an Handdiensten
Einer dieser Gärtner in Drausendorf, der diese Arbeiten sicherlich auch leisten musste, war unser Vorfahr Johann Schäfer (1724-1772), zugleich war er aber noch Straßenbauer oder "Steinsetzer". Auffällig ist wohl, dass der Anbau der Kartoffel nicht erwähnt wird. Sie wurde nach Engelmann, "Geschichte von Reichenau", erst um das Jahr 1750 in der Zittauer Gegend bekannt, mit ihrem Anbau begann man im Gefolge der großen Hungersnot 1771/72. Die Kartoffeln wurden etwa 1770 Erdbohnen, etwa ab 1802 Erdbirnen ("Abern") genannt. Die Kirche forderte, ebenso wie die Gutsherrschaft, von den Einwohnern eine Steuer, den Decem, also eigentlich den zehnten Teil der Ernte, ein Zehntel des jungen Viehs usw. Tatsächlich wurde im allgemeinen viel weniger von der Kirche verlangt. Sie besaß ein ihr schon etwa bei Gründung des Dorfes "gewidmetes" Gut von der Größe eines Bauerngutes, das "Widemutsgut". Neben den Abgaben, die die Einwohner an die Gutsherrschaft zu leisten hatten, bestanden aber auch Verpflichtungen derselben. Der Gutsherr hatte darüber zu wachen, daß die Güter im Dorfe ordnungsgemäß bestellt wurden und niemand seine Haushaltung vernachlässigte. Im allgemeinen gab es keine Feindseligkeit zwischen dem Gutsherrn und seinen Untertanen. Die Abwanderung eines Bewohners aus einem Dorfe musste von der Gutsherrschaft genehmigt werden. Sie wurde oft gar nicht, sicherlich aber erst nach Ableistung des Hofedienstes gestattet. So erklärt sich, dass der größte Teil der Ehen zwischen Angehörigen des gleichen Dorfes oder der gleichen Gutsherrschaft geschlossen wurde, Manchmal findet sich auch die Bemerkung in den Gerichtsbüchern, dass ein Einwohner "entlaufen" war, ohne also die Genehmigung der Gutsherrschaft eingeholt zu haben. Dann verfiel sein Besitztum oft der Grundherrschaft oder sein Erbe ging an seine Geschwister. FreihäuslerEine Ausnahme von der Bindung an die Grundherrschaft bestand für Besitzer von "Freihäusern". Ein Haus wurde zum "Freihaus", wenn sich der Besitzer vom Untertänigkeitsverhältnis gegenüber der Herrschaft durch Zahlung einer größeren Geldsumme freigekauft hatte oder ein Freihaus erwarb. Diese Freihäusler, die aber weiterhin der Dorfgerichtsbarkeit unterstanden, waren frei von allen der Gutsherrsohaft zu leistenden Diensten, sie durften auch ohne Genehmigung ihren Wohnsitz wechseln. Ein solcher Freihäusler war unser Vorfahr Gottfried Bischoff, der, in Markersdorf geboren, im Jahre 1770 eine Baustelle für ein Freihaus in Wald erwarb. Erst durch das 1832 erlassene Gesetz über die Ablösung der Dienstleistungen, das in den folgenden Jahren in Kraft trat, wurden die Frondienste der Dorfbewohner aufgehoben und durch eine einmalige oder eine mit Tilgung verbundene jährliche Zahlung oder auch durch Abtretung von einem Teil ihres Grundbesitzes ersetzt. WeberWährend die Bauern damit frei wurden, lebten die Häusler, die meist Weber waren, weiterhin in drückender Not. Oft begann für sie der Arbeitstag früh 5 Uhr und endete, nach einer Stunde Mittagspause, bei Rüböllicht abends 10 Uhr. Die Frauen webten mit oder sie, sowie die Kinder und alten Leute trieben auf dem Spulrad das Garn von der Winde auf die "Pfeifen". Vor dem Weben ist das gekaufte Garn zu spulen, sowie "Kette" und "Schuß" herzustellen. Dann folgt das "Anzetteln" (Fäden anheften) und "Scheren" (Fäden von den Spulen gleichlaufend auf den "Scherbaum" (eine Walze) bringen), das "Schlichten" (Durchtränken der gescherten Kettenfäden mit dünnflüssigem Weizenmehlkleister zum Glätten und Steifen, um sie widerstandsfähiger gegen Abnützung zu machen), danach das Trocknen und endlich das "Aufbäumen" auf den Kettenbaum. Nun beginnt das Weben mit Hilfe von Zügen, die der Weber mit den Füßen bedient. Dabei wird die eine Hälfte der Kettenfäden gehoben, die andere Hälfte gesenkt. Dann wird mit der einen Hand der auf der Pfeife in einem Schiffchen befindliche Querfaden eingeschossen, mit der anderen Hand der Faden an den vorhergehenden Querfaden angedrückt. Nach dem nächsten Senken bzw. Heben der Kettenfäden wird der Querfaden in der Gegenrichtung eingeschossen usw. In der Minute konnte der Handweber etwa 60 bis 70 Einschüsse machen. Die Weberei, die vorher nur in den Städten blühte, wurde Mitte des 16. Jahrhunderts in den Dörfern eingeführt, wobei die Herrschaft für jeden Webstuhl ein jährliches "Stuhlgeld" erhob. Anfang des 18. Jahrhunderts kamen in den Dörfern Händler, sogenannte Faktoren auf, die Garn an die Weber ausgaben und Leinwand herstellen ließen. Sie verkauften die Ware an städtische Kaufleute. Teilweise schafften die Weber die Ware auch selbst ins Zittauer Leinwandhaus. Dort mussten sie "Shaugeld" bezahlen, wobei das fertige Stück auf Länge, Breite und Gleichmäßigkeit geprüft wurde. Dieser Schau verdankte die Zittauer Leinwand ihren guten Ruf, sie wurde bis nach Italien und Spanien verkauft. Seit 1798 wurde auch Baumwolle in den Dörfern verarbeitet. Durch die Napoleonischen Kriege und die Kontinentalsperre ging der Absatz an Webwaren stark zurück, besonders aber machte sich das Aufkommen der mechanischen Weberei bemerkbar, wodurch die Webwaren billiger als durch den Handwerker hergestellt werden konnten, So wurden die Löhne der Handweber gedrückt, manch einer hatte keine Arbeit mehr. In denjenigen Haushalten, in denen noch Arbeit vorhanden war, mussten die Kinder vom 6. oder 7. Lebensjahre an, manchmal auch schon früher mitarbeiten. Ein Beamter, der 1885 ein Gutachten über die Ernährung der Weber in der Amtshauptmannschaft Zittau abgab, schildert sie als ein "trostloses Einerlei". Hauptnahrungsmittel waren Brot, Kartoffeln und Quark, Leinöl oder "Brägelsalz", das aus Salz, Mehl und Schmalz hergestellt wurde. An Sonntagen begnügte man sich oft mit einem marinierten Hering, Fleisch kam damals nur an Feiertagen auf den Tisch der Weber, um das Jahr 1880 hatte ein Weber ein Wocheneinkommen von 4 bis 8 Mark. So war es kein Wunder, dass die Hausweberei immer mehr eingeschränkt wurde, aus Hauswebern wurden Fabrikarbeiter in den neu erstandenen Fabriken, östlich der Neiße insbesondere in Reichenau. Dadurch hob sich der Lebensstandard der Häusler allmählich. Die Handweberei endete etwa während des 1. Weltkrieges. Kehren wir zu den Verhältnissen in den Dörfern zurück, wie sie Jahrhunderte bestanden: GerichtsbarkeitDie niedere Gerichtsbarkeit wurde innerhalb des Dorfes ausgeübt. Es gab einen Dorfrichter, der meist zugleich der Kretschambesitzer war, und von der Herrschaft berufen wurde. Wie erwähnt, waren einige unserer Vorfahren Dorfrichter. Dem Richter standen die "Schöppen" oder "Gerichtsältesten" zur Seite. Vor dem Dorfrichter wurden die Käufe und Verkäufe, die Erbsonderungen und Streitigkeiten zwischen den Dorfbewohnern verhandelt. Der Gerichtsschreiber war zugleich der Lehrer des Dorfes, denn die Bauern und Häusler waren meist des Schreibens und Lesens nur sehr beschränkt kundig. Allerdings bedurfte jeder Rechtsakt, wie erwähnt, der Bestätigung durch die Gutsherrschaft, die aber fast immer erteilt wurde. Eine Ausnahme sei hier kurz geschildert: Das Gut unseres Vorfahren Martin Bischoff in Markersdorf sollte von seinen Erben am 2.12.1674 an den Schwiegersohn Hans Prade verkauft werden. Der Kaufvertrag wurde im Gerichtsbuch, heute im Staatsarchiv Dresden, Register-Nummer Reichenau 109, liegend, Blatt 57, ausführlich aufgesetzt. Dann folgt am 3.12.1674 die Bemerkung des Gutsherrn Otto Freiherr von Noßtiz: "Nachdem Mir, bey Vortragung dieses Kaufs aus beweglichen Uhrsachen gefallen, selbsten, nach Zulaßung der Rechte, .... in diesen Kauff zu tretten ...." Der Käufer hatte das Nachsehen. Oft wurden die Eintragungen in die Schöppenbücher, die bei den Gemeinden geführt wurden und jetzt zumeist im Staatsarchiv Dresden liegen, mit größter Ausführlichkeit vorgenommen. Die bei einem Verkauf übergebenen beweglichen Gegenstände wurden aufgezählt, das "Ausgedinge" des alten Besitzers für sich und seine Ehefrau mit allen ihren Ansprüchen festgelegt. Diese Gerichtsbucheintragungen ergeben einen guten Einblick in das Leben unserer Vorfahren. Mehrere derartige Einträge sollen hier wortgetreu aufgeführt werden. Das Schöppenbuch von Markersdorf (Reichenau Nr. 152) verzeichnet auf S. 388-392 den Gutskauf unseres Vorfahren Heinrich Gäbler von seinem Vater Christoph Gäbler. Der Kaufpreis von 350 Scho. bedeutet Böhmische Schock, da auch nach Übernahme des Zittauer Gebietes in die sächsische Oberlausitz nach böhmischem Gelde gerechnet wurde. Jedem Vertrag ging die ausführliche Bemerkung voraus, daß er von der Gutsherrschaft genehmigt und ratifiziert werden mußte, hier als "Ratihabition" bezeichnet. Das im Texte gebrauchte Wort "Lochten" stammt wahrscheinlich von "Lache" oder "Loche" ab, einer Grenzmarke in Holz oder Stein, das Wort "Hofereythe" bedeutet wohl Hofrecht, Hofbesitz, "wiedtfest" heißt, mit Wieden, d.h. Zweigen von Weiden und Birken festgebunden. Der "Fiebig" war das den Dorfbewohnern gemeinsam zur Nutzung überlassene Flurstück inmitten des Dorfes, das als Viehweide verwendet wurde. Die "Mußquete zum Hausgewehr" ist eine Muskete zum Schutz des Hauses. "Vier Schl.gutt Korn" sind 4 Scheffel Korn, wobei ein Scheffel etwa einem Hektoliter entspricht, "1 Sch Eyer" sind ein Schock = 60 Stück Eier.
Der nächste Eintrag stammt aus dem gleichen Gerichtsbuch, S.1461-1467, er zeigt u.a., welche Lasten an Geld und Arbeitsleistungen einem Häusler und Weber von der Gutsherrschaft zugemutet wurden. Es handelt sich hier um den Verkauf ihres Auenhauses durch die Witwe unseres Vorfahren Hans Christoph Gäbler, die, wie schon erwähnt, 1764 nochmals heiratete und mit ihrem Sohn Gottlieb Gäbler nach Dornhennersdorf übersiedelte. Dem Kaufvertrag schließt sich die "Erbsonderung" an. Die Verträge zeigen, dass eine Frau kein Rechtsgeschäft abschließen durfte, sie brauchte dazu einen Vormund oder "Curator". In diesem Falle war es der Bruder Caspar Pfennigwerth der Witwe Regina Gäbler geb.Pfennigwerth. Ersichtlich ist, daß zu der Zeit des Kaufes sowohl nach Böhmischen Schock als auch nach Reichsthalern gerechnet wurde, wobei damals 45 Schock = 35 Reichsthaler gesetzt wurden (1 Reichsthaler = 24 Groschen, 1 Groschen = 12 Pfennige).
Erwähnt sei, dass bei einer Erbteilung die Mutter immer ein Drittel, alle Kinder zusammen den Rest erhielten. Hatte die zweite Frau des Erblassers von diesem keine Kinder, so ging sie leer aus, es sei denn, dieser hatte ihr testamentarisch etwas vermacht. Beerbte ein Mann seine vor ihm verstorbene Frau, so erhielt er zwei Drittel des Erbes, die Kinder den Rest. Manchmal verzichteten die Witwe bzw. der Witwer auch auf einen Teil ihres Erbes, um den Kindern ein größeres Erbe zukommen zu lassen. Der folgende Eintrag ist dem Reichenauer Schöppenbuch (Reichenau Nr. 171), S. 387-391, entnommen. Hier ist die Äbtissin des Klosters St. Marienthal die Vertreterin der Gutsherrschaft. Dem Kaufvertrag schließt sich die "Lossage" des Käufers von seinen Schuldverpflichtungen durch den Verkäufer oder seine Erben an. Sie wurde nach der letzten Zahlung, also manchmal erst viele Jahre nach dem Kauf erteilt und gehörte zu jedem Kaufvertrag. Die "Schöße", die in dem Vertrag genannt wird, war ein Gerät, mit dem das Brot in den Backofen geschoben wurde.
Der Käufer ist unser Ahn
Johann Friedrich Scholze, ein
Urgroßvater von
Gustav Gäbler. Die zugehörige Lossage lautet:
Schließlich sei eine Erbsonderung angeführt, die das Erbe der
Kinder nach dem Tode ihrer Mutter und vor Wiederverheiratung des Vaters
sicherstellen sollte und als "Väterlicher Vertrag" bezeichnet wurde. Ein solcher
Vertrag findet sich wieder im Markersdorfer Schöppenbuch (Reichenau Nr. 152), S.
420-422. Er zeigt uns am Beispiel unseres Vorfahren
Heinrich Gäbler
manches über das bewegliche Eigentum der Bewohner.
Heizung und Beleuchtung spielten neben Wohnung und Nahrung eine wesentliche Rolle in den Festlegungen über das "Gedinge" des früheren Besitzers. Nach Engelmann, "Geschichte von Reichenau", geschah die Beheizung der Häuser erst etwa seit 1840 mit Kohle, vorher wurde Holz verwendet, das aus den Herrschafts- und Bauernwäldern stammte. Da im Gebiet zwischen Reichenau und Hirschfelde Braunkohle in geringer Tiefe unter dem Mutterboden lag (die Grundlage, wie erwähnt, für die jetzigen Kraftwerke), so holten sich die Bauern ihr Brennmaterial teilweise auch von den eigenen Feldern. Sie formten sich daraus Preßsteine, die im Sommer an die Häuser zum Trocknen gelegt wurden. Zur Beleuchtung diente in alten Zeiten das offene Herdfeuer. Als wegen der lästigen Rauchentwicklung das Feuer in Öfen eingeschlossen wurde, verwendete man "Kienspäne", also harzreiche Kiefernspäne, später Buchen- oder Erlenspäne, die in einem Mauerspalt oder an einem besonderen Gestell, dem "Spanleuchter", befestigt wurden. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen die Kerzen aus Bienenwachs und die "Inseltlichter" (Talglichter) in Gebrauch, die man, wie auch die Schwefelhölzer, in den Häusern selbst anfertigte. Die Öllampe, mit Rüböl gefüllt, das aus Hüb-, Lein-, oder Mohnsamen gewonnen wurde, bildete eine beträchtliche Verbesserung der Beleuchtung. Etwa 1858 wurde dann das Petroleum als Beleuchtungsmittel eingeführt, das um 1920 der ungeahnten Fülle des elektrischen Lichtes weichen musste. Über die Kleidung der Dorfbewohner erfahren wir manches aus den Erbsonderungen, wie die Beispiele zeigten. Die meisten Leute benutzten Kleider aus Leinwand und Wolle. Der Bauer trug im 18. Jahrhundert z.B. eine Kniehose aus Leder oder Tuch, lange Strümpfe und Schnallenschuhe, eine mit blanken Knöpfen besetzte Tuchjacke, eine lange, rote Weste und ein buntes Halstuch. Den Kopf bedeckte ein Dreispitz oder eine Tuchmütze mit großem Schirm. Die Haare wurden lang getragen und mit einem Messingkamm zusammengehalten. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen breitkrempige Filzhüte auf, aus der kurzen Jacke wurde der langschößige Rock. Neben den niedrigen Schuhen kamen lange Stiefel in Mode. KleidungDie Röcke der Frauen waren kurz und faltenreich. Den Oberkörper bedeckte eine Jacke mit engen Ärmeln. Als Kopfbedeckung dienten Kappen und Hauben, die hinten mit breiten Bändern verziert waren, Jungfrauen und Mädchen trugen buntseidene Spenzer (enganliegende Jäckchen) mit Puffärmeln. Beim Kirchgang hüllten sich die Frauen im 18. Jahrhundert in Tücher, bei Regenwetter in ein Regentuch. Als Schmuck verwendeten sie Ketten von Korallen, Granaten und Bernstein. NahrungDie Nahrung bestand jahrhundertelang früh und abends aus Weizenmehlbrei mit Milch, mittags aus Erbsen oder Graupen, in Milch gekocht. Sonntags gab es z.B. bei den im "Hofedienst" stehenden Jugendlichen neben Milchsuppe und in Milch gekochtem Grieß noch Schweinefleisch mit Klößen. Die Suppen wurden nicht "gegessen" sondern "gesuppt". Das Brot wurde mit Butter und Käse gegessen. KindersterblichkeitNicht nur die Dürftigkeit des dörflichen Lebens, auch Seuchen und Krankheiten, die große Kindersterblichkeit, damit oft verbunden der frühe Tod der Mütter zeigen die Not vergangener Jahrhunderte. Am Beispiel von Gottlieb Spänich haben wir dies schon gesehen. Auch im 19. Jahrhundert änderte sich kaum etwas daran, starben doch vor der Geburt von Ernestine Gäbler geb. Hiller drei oder vier Geschwister, jeweils im Alter von wenigen Tagen bis zu zwei Jahren. Mehrfache EhenDa die Hausfrau ebenso wie der Mann im Hause gebraucht wurde, heiratete der zurückbleibende Teil meist bald wieder. So fand sich unter den mir bekanntgewordenen 256 männlichen Ahnen, dass mindestens 57 von ihnen, wahrscheinlich sogar wesentlich mehr, zweimal, 3 sogar dreimal verheiratet waren. Unter den weiblichen Vorfahren haben von 124 Frauen mindestens 14 zweimal, 2 sogar dreimal geheiratet. Unser Vorfahr Johannes Rothe in Drausendorf heiratete etwa 1710 Regina Scholze aus Türchau und nach deren Tode 1728 nochmals eine Regina Scholze, diesmal aus Drausendorf. Diese beiden Frauen waren Cousinen, die erste Frau Tochter von Hans Georg Scholze, Bauer in Türchau, die zweite Frau die Tochter seines Bruders Elias Scholze, Gärtner in Drausendorf. BeerdigungenTrat ein Todesfall ein, so musste sich aus jedem Hause der Gemeinde wenigstens ein Glied bei der Beerdigung einfinden, dadurch die Dorfgemeinschaft dokumentierend. Nach Friedrich Eckarth, "Chronica oder Historische Beschreibung des Dorffes Herwigsdorff", Zittau 1737, gingen die "Manns-Persohnen in schwartzen Kleydern, und Flor auf Hütten und Mützen, Weibs-Persohnen in ganz weissen leinwandnen Tücher, biß auf das Gesicht and Hände eingehüllt. Die Weiber bey Begräbniß ihrer Männer, und die Töchter bey Begräbniß ihrer Eltern binden Leinwandne Tüchel vor den Mund, Maulschleyer genannt, welches sie auch 4 Wochen lang Sonntags in der Kirche continuiren." HochzeitenAuch der Höhepunkte im dörflichen leben, der Hochzeitsfeiern sei gedacht. Friedrich Eckarth beschreibt die zu seiner Zeit, also Mitte des 18. Jahrhunderts, üblichen Feiern in seiner Chronik, S. 23 f., sehr ausführlich. Da Mittelherwigsdorf unter der Herrschaft der Stadt Zittau stand, mußte der Untertänigkeitseid vor dem Rat der Stadt abgelegt werden. In diesem Ort heiratete z.B. unser Vorfahr, der Bauer Friedrich Augustin im Jahre 1718 die Bauerntochter Christina Albrecht, deren Hochzeit sicherlich ähnlich, wie nachfolgend beschrieben, gefeiert wurde:
Neben den Familienfesten spielten natürlich auch die kirchlichen Feiertage eine Rolle im Leben unserer Vorfahren. Genannt sei nur das weihnachtliche Brauchtum, Den Christbaum kannte man schon lange Zeit als Symbol des Weihnachtsfestes, aber nur Gutsherren und Bauern konnten sich einen Baum aus dem eigenen Walde holen. Die übrigen Dorfbewohner begnügten sich mit einer Nachbildung durch ein hölzernes Gestell mit Querhölzern als Zweigen. Lichterbäume kamen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. In Zusammenhang mit der Ablehnung verschiedener in den Dörfern üblicher Sitten schreibt Eckarth in seiner Chronik von Herwigsdorf; "Das sogenannte Christbeschehren ist nicht viel besser." Er wollte also vor etwas mehr als zweihundert Jahren von Weihnachtsgeschenken nichts wissen. Als Weihnachtsgebäck gab es "Christbrot"1, ein kreisrundes, bis zu 3 kg schweres Feingebäck mit Rosinen. In meiner Kindheit schickte es uns Großmutter Ernestine Gäbler geb. Hiller, es schmeckte uns mindestens ebenso gut wie der Dresdner Christstollen. Damit sei der Bericht über Freud und Leid unserer Vorfahren, die Geschichte der Orte, in denen sie lebten und arbeiteten, und manche persönlichen Erinnerungen abgeschlossen. Möge der Zweck erfüllt sein, Kindern und Enkeln einen kleinen Begriff zu geben von der einstigen Gäblerheimat. AnhangDie Ahnentafel der Brüder Hermann, Heinrich und Julius Gäbler ist nach den einzelnen Orten zusammengestellt, in denen die Vorfahren überwiegend lebten. Der Ort der Kirche, in der die Taufen, Trauungen und Begräbnisse stattfanden, ist, soweit er nicht mit dem Wohnort zusammenfällt, neben diesem vermerkt. Ist bei den Daten kein Ort genannt, so ist der Wohn- bzw. Kirchort zu ergänzen. In früheren Jahrhunderten wurden in den Kirchenbüchern oft nur der Tauf- und der Begräbnistag (get. bzw. begr.) angegeben, anstelle des Trautages findet sich im 16.und 17.Jahrhundert manchmal auch nur der Tag des letzten kirchlichen Aufgebotes. Hat ein Vorfahr mehrmals geheiratet, so sind Datum und Name des Stiefahn in Klammer gesetzt. Nicht genau bekannte oder nur errechnete Daten stehen ebenfalls in Klammer oder sind mit der Bezeichnung "etwa" versehen, sofern bekannt, sind die Guts- und Hauskäufe, sowie die ermittelten Kinder (Söhne S. und Töchter T.) angegeben, wobei durchaus weitere, besonders klein verstorbene Kinder gelebt haben können. In einigen Fällen war die Geschlechterfolge nicht mit voller Sicherheit festzustellen, dann ist der Name mit einem Fragezeichen versehen, bindet sich die gleiche Person an mehreren Stellen der Ahnentafel, tritt also "Ahnenverlust" ein, so wird auf die entsprechende Nummer der Ahnentafel verwiesen, unter der die Person bereits verzeichnet ist. Dort stehen in Klammern die anderen Ahnennummern. Die Daten sind zu finden in der Gäbler Genealogie mit Quellenverweis auf die "Gäblerheimat". AnmerkungenGottfried Frömter ist am 21.08.1830 um 23.00 Uhr in Weigdorf (Priedlanz No. 66) geboren. Getauft wurde er am 23.08.1830. Seine Eltern sind Gottlob Frömpter aus Priedlanz und Anna Rosina, geb. Rieger aus Böhmisch Weigsdorf. (Email vom 22.07.2007 von Marc Oppermann). Ernst GäblerIn einem Brief an Paul Gäbler schrieb Ernst Gäbler am 08.06.1934 u.a. "Ich sitze nun schon ein ganzes Dutzend Jahre über der Erforschung der Familie Gäbler. Eine ungeheure Arbeit !!! Bei Hans Christoph geht nun meine und Ihres Bruders Forschung auseinander, nämlich dort stimmt das Geburtsdatum nicht, einfach deshalb nicht, weil nur die Reichenauer Kirchenbücher Auskunft gegeben haben. Ich war vor mehreren Jahren ebenso auf das Jahr 1704 hereingefallen und schrieb hocherfreut Ihrem Bruder, dass ich die Abstammung gefunden hätte. Herr 0bl. Engelmann in Reichenau machte mich schon darauf aufmerksam, dass die von Ihrem Bruder zusammengestellte Stammfolge nicht stimme, weil zuviel gleiche Namensträger zu gleicher Zeit in Markersdorf lebten: 1701 z.B. 2 Christoph,5 Zacharias, 3 Hans, 2 Friedrich usw. oder 1746: 4 Christoph, 3 Heinrich, 2 Gottfried, 2 David, 2 Hans Christoph u.a. Sehr oft steht keine nähere Bezeichnung dabei, sodass man nicht weiß, welcher gemeint ist oder man kommt durch irgend etwas dahinter, dass unter Hans sup z.B. doch 2 verschiedene Personen gemeint sind. Da ich für meine eigene Stammfolge trotz eingehenden Suchens kein einwandfreies Ergebnis erhielt, musste ich mich nach anderen Quellen umsehen, um Licht in dieses Dunkel zu bringen. Das ist mir zum größten Teil auch gelungen, aber unter ganz überwältigender Kleinarbeit und Aktenwühlerei in fast allen Orten der Südlausitz. Ich habe alle Markersdorfer Gäbler von Anfang an aufgestellt, also nicht bloß meinen eigenen Stamm, sondern alle Namen, die überhaupt aufzutreiben sind, in die richtigen Beziehungen gebracht. Schon um 1650 herum kam die große Pleite; mehrere gleiche Namensträger, aber doch verschiedene Personen, weiter, einige Namen verschwanden ganz, also Auswanderung! Nun andere Quellen her: Schöppenbücher von Markersdorf, Dornhennersdorf, Weigsdorf, Dörfel, Reibersdorf, Sommerau, Wald, Oppelsdorf, Oberullersdorf. Genügte noch nicht, also Kirchenbücher von Reihersdorf, Oberullersdorf und Weigsdorf teilweise bearbeitet, Gemeindearchiv von Markersdorf und herrschaftliches Schlossarchiv zu Reibersdorf, Amtsgerichtsarchiv zu Reichanau durchgesehen. Namen und Mappen wuchsen zu einer ganz beängstigenden Fülle. Gegen zweitausend Namen waren zu bearbeiten und siehe da, was erst durchaus nicht stimmen wollte, jetzt ging's! Um wieder an obiges Beispiel anzuknüpfen: Hans sup. hatte sein Haus verkauft und war weggezogen, in ein anderes Dorf oder aus ihm war ein Hans inf. geworden. Und trotzdem war die Bearbeitung noch schwierig, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als für ganz Markersdorf, für jedes einzelne Haus, die Besitzerreihe aufzustellen, von den Anfängen bis zur Gegenwart. 160 Häuser! Ich hoffe, Sie ahnen die Schwierigkeit und erkennen an, dass das Ergebnis meiner Forschung etwas mehr Hand und Fuß hat als die Zusammenstellung nur nach den unvollkommenen Reichenauer Kirchenbuchaufzeichnungen. Öfter fuhr ich dann mit dem Rade hinüber und überzeugte mich, wo liegt dieses oder jenes Haus, wo wohnte Zacharias sup., wo Zach. der mittl. oder inf. Der langen Rede kurzer Sinn: jetzt ist nach bestem Wissen und Gewissen die Reihe richtig." Familientage von 1935 bis 1939Der erste Familientag fand am 29. September 1935 in Reichenau statt und diente dem gegenseitigen Kennenlernen und der Gründung des Geschlechtsverbandes Gäbler. "Die Angehörigen des Geschlechtsverbands Gäbler trafen sich zu ihrem zweiten Familientag am 27. September 1936 in Markersdorf, dem Ursprungsort des Geschlechts. Trotz der unfreundlichen Witterung hatten sich etwa 100 Personen, die z.T. bis aus Westsachsen gekommen waren, eingefunden. Mit großer Freude begrüßten sich die Stammesgeschwister am Treffpunkt Haltestelle Reichenau - Markersdorf und empfingen dort die mit dem ½3 Uhr-Zuge eintreffenden Nachzügler. Dann ging es unter der Führung von Ernst Gäbler durch den Ort zur Besichtigung einzelner Häuser und Gehöfte der Vorfahren. Die Gäbler sind in Markersdorf von Luthers Zeiten bis heute in großer Anzahl ansässig. Von den 170 Häusern des Dorfes waren 51 im Besitz der Gäbler, im Durchschnitt also fast jedes dritte Haus. An den wichtigsten Häusern wurde halt gemacht und von dem Leben der einstigen Besitzer berichtet. Da der Ahnherr Jacob Gäbler, Bauer in Markersdorf, *1520, +1579, fünf Söhne hatte, von zweien aber nur bis heute Nachkommen nachweisbar sind, gehören die Südlausitzer Gäbler dementsprechend zwei Stämmen an, dem Stamm Matthes und dem Stamm Martin. Für ersteren sind wichtig die Häuser Nr. 4, 35, 97 und 13, für den zweiten, als dem zahlenmäßig bei weitem stärkeren, wurden nur erwähnt bzw. besichtigtet die Bauerngüter Nr. 73 (jetzt abgetragen), die Wirkungsstätte des Richters (1731 bis 1745) Heinrich Gäbler, das Gut Nr. 74, das von 1609 ab 250 Jahre im Besitz der "Großbauern" Gäbler war und vor etwa 80 Jahren auf die weibliche Linie überging, Nr. 76, das Stammgut selbst, und Nr. 78, der Besitz der "Kleinbauern" Gäbler, der nur deshalb in fremde Hände überging, weil der Erbe im Kriege 1870 auf dem Felde der Ehre fiel..." "Nun liegt auch unser dritter. Fanlilientag am 8 August 1937 wieder hinter uns. Er war vom besten Wetter begünstigt, so dass sich 115 Personen am Markt in Reibersdorf eingefunden hatten. Dem ersten freudigen Wiedersehensgruß schloss sich ein Rundgang durch den Ort an. Zunächst wurde das Bauergut Nr. 99 aufgesucht, das der Stammvater des Reibersdorfer Astes, Christoph Gäbler, 1716 kaufte. Die dann noch in Reibersdorf wohnenden Gäbler gehören zum Weigsdorfer Ast. Von diesem Gut ging es dann weitet zu anderen ehemals von Stammesangehörigen bewohnten Häusern. Überall erzählte Kurt Gäbler einiges aus dem Leben der Betreffenden. Die Reibersdorfer Bevölkerung hörte an den verschiedensten Stellen aufmerksam zu. Bei dieser Gelegenheit sei auf einen schönen Erfolg hingewiesen. Durch den Tagungsbericht in der Presse aufmerksam, geworden, brächte eine Zittauer Frau, die Enkelin des Kretschschambesitzers Joh. Gottieb Gäbler, Bilder, Briefe und allerhand Urkunden. Sie werden unser Archiv bereichern und später mal gelegentlich einer kleinen Ausstellung allen zugänglich sein. Um diese vorbereiten zu können, wird immer und immer wieder gebeten, dem Archiv Bilder, wichtige Briefe und Urkunden zugänglich zu machen. Sind sie nicht doppelt vorhanden bzw. will sich der Besitzer nicht von ihnen trennen, so hat die Technik heute Mittel und Wege zur Vervielfältigung. Jeder bekommt also sein Eigentum zurück. Dem Rundgang schloss sich ein Beisammensein im Gasthof Männig an. Für die wunderbare Schmückung des Saales sei an dieser Stelle den Reibersdorfer Stammesangehörigen herzlichst gedankt. Nach kurzer Begrüßung und Bekanntgabe der zahlreich eingegangenen Grüße von Nah und Fern, die deutlich erkenhen ließen, wie tief das Stammesbewusstsein eingewurzelt ist und wie sehr man bedauert, nicht dabei sein zu können gedachte der Verbandsführer des verstorbenen Stammesbruder Wilhelm Gäbler-Seitendorf. Die Versammlung erhob sich von den Plätzen. Weiter wurde noch über Geburten und Eheschließungen berichtet, Mitgliederstände 105." "Unser nächster Familientag findet am 13. August 1939 im Ober-Kretscham zu Weigsdorf statt (Besitzer; Engemann, Autobus; Mittel-Wgdf., Post). Wir treffen uns 14 Uhr bei unserm Stammesbruder Julius Gäbler in Dornhennersdorf Nr. 57 und wandern dann zur Besichtigung einzelner Gebäude durch Dornhennersdorf und Weigsdorf zu unserm Versammlungslokall" Anmerkungen zu HirschfeldeIst Hirschfelde älter als bisher gedacht?Von Thomas Mielke Hirschfelde könnte deutlich älter als bisher angenommen sein. Darauf deuten die Untersuchungen von Wieland Menzel, Vorsitzender des „Museum Dittelsdorf e. V.“ und Mitglied des örtlichen Kirchenvorstandes, hin. Er hat die Blockstufentreppe im Hirschfelder Kirchturm durch eine Jahresring-Untersuchung des Holzes datieren lassen. Das Ergebnis: Die zu Stufen verarbeiteten Bäume wurden 1178 geschlagen. Jedoch: „Damit ist zunächst lediglich eine Bautätigkeit in diesem Jahr belegt“, betont Wieland Menzel mit wissenschaftlicher Akkuratesse. Unsicher ist zum Beispiel, ob die Treppe nicht später woanders aus- und in die Kirche eingebaut wurde oder ob es damals um die Kirche herum schon den Ort Hirschfelde gab. Klar ist schon jetzt, dass die Treppe in St. Peter und Paul damit eine der ältesten in Deutschland ist. Weitere Fakten wird bestimmt die Diskussion bringen, die nach der in den nächsten Monaten vorgesehenen Veröffentlichung von Menzels Forschungen im Neuen Lausitzischen Magazin, der Zeitschrift der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, einsetzt. Bisher wird davon ausgegangen, dass Hirschfelde erstmals 1310 urkundlich erwähnt wurde. Dieses Datum hat vor einigen Jahren die geschichtsinteressierte Einwohnerin Marlies Tannert herausgearbeitet. Sie stützt sich dabei auf Untersuchungen des Ostritzer Apothekers Tilo Böhmer. Dieser hatte mit der Carpzov’schen Abschrift einer Urkunde belegt, dass 1310 Hirschfelder Bürger mit Zittau rechtliche Geschäfte abwickelten. Davor war 1351 beziehungsweise 1352 als erste urkundliche Erwähnung festgeschrieben. Dass diese nicht die Gründungsjahre Hirschfeldes waren, liegt auf der Hand. Allein die von Dr. Martin Jäkel aus Dresden vor rund 80 Jahren auf 1299 datierte Kirchweihe besagt, dass ein halbes Jahrhundert früher Menschen im Gebiet um das Gotteshaus gelebt haben müssen. Wieland Menzel geht davon aus, dass die Kirche 1299 umgeweiht wurde. Er hat eigenen Angaben zufolge Hinweise darauf gefunden. Probleme sollen seine Erkenntnisse für die 700-Jahrfeier der Hirschfelder im Jahr 2010 jedoch nicht bringen. Laut Ortsbürgermeister Bernd Müller könnte mit dem Datum die Feier wackeln. „Auf ein Datum muss man sich mal einigen“, sagt Marlies Tannert. Meist sei es die erste urkundliche Erwähnung. Wenn die im Jahr 2010 gefeiert wird, sei das auch mit einer 800-jährigen Treppe völlig korrekt, so Wieland Menzel. Auch geht es ihm nicht in erster Linie um die Treppe und Jahreszahlen. Die bauliche Hülle der Kirche sei nicht das Wichtigste, sondern die Menschen und der Glaube, sagt er. Aus der Geschichte der Kirche St. Peter und Paul Hirschfelde
Sächsische Zeitung vom 13.08.2008
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