Paul Gaebler

 

 

Paul Gäbler

Pastor Gäbler im Ruhestand

Göttinger Tageblatt  vom 2. Februar 1971

In zwei gut besuchten Gottesdiensten verabschiedete sich am letzten Sonntag Pastor Dr. Gäbler von seinen beiden Gemeinden, denen er 20 Jahre lang als Prediger und Seelsorger gedient hatte. Sein besonderes Anliegen neben der Gemeindearbeit bestand darin, den Missionsgedanken der Kirche zu verwirklichen. Er tat das als Dozent für Missionswissenschaft an der Universität Göttingen, als Mitglied des Missionsrates der Leipziger Mission, für die er 20 Jahre lang als Missionspastor in Indien gewirkt hatte; auf vielen Missionsfesten und Veranstaltungen war er ein gern gehörter Redner und Prediger. Er hatte - wie man so sagt - die Welt gesehen: Indien, Afrika, Amerika... Er sprach darum nie nur vom Grünen Tisch. Zeitweilig war auch seine Familie weit verstreut: Afrika, Amerika... Jetzt verbringt er den verdienten Ruhestand unweit seiner Gemeinden in Geismar. Bei der Verabschiedung in der Kirche von Niedernjesa dankte ihm Sup. Achilles (rechts) für alle geleistete Arbeit und wünschte ihm einen guten Übergang in den neuen Lebensabschnitt, für den ihm seine Gemeinden gute Gesundheit wünschen und, dass er auch gelegentlich zur Vertretung wieder nach Niedernjesa und Stockhausen kommen möchte.

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Dr. Paul Gäbler

Göttinger Tageblatt vom 7./8. Oktober 1972

Am Dienstag, 3. Oktober, starb der frühere Missionar, Pastor und Missionswissenschaftler Dr. Paul Gäbler. Er war 20 Jahre lang Prediger und Seelsorger in den Kirchengemeinden Niedernjesa und Stockhausen. Sein besonderes Anliegen bestand darin, den Missionsgedanken der Kirche zu verwirklichen.

Pastor Gäbler tat das als Mitbegründer der Tamulenkirche in Indien, als Dozent für Missionswissenschaften an der Universität in Göttingen und als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft, in der Mitarbeit in . zahlreichen ökumenischen Ausschüssen. Er hatte die Welt gesehen: Indien, Afrika, Amerika... Er sprach darum nie nur vom "Grünen Tisch''.

Pastor Dr. Paul Gäbler wurde am 25. Dezember 1901 in Tiruvallur/Südindien geboren. Nach dem Abitur und nach dem Theologiestudium bestand Paul Gäbler 1925 das 2. theologische Examen. In den folgenden fünfzehn Jahren war er als Missionar der Leipziger Mission in Südindien maßgeblich am Aufbau der indischen Tamulenkirche beteiligt, die heute zu den größten selbständigen evangelisch-lutherischen Kirchen Indiens gehört.

In den Jahren 1933 bis 1935 promovierte Paul Gäbler an der Universität in Leipzig. Zu Beginn des 2. Weltkrieges wurde der Missionar von der englischen Kolonialregierung mit seiner Familie in Satara bei Bombay interniert. Während der sechsjährigen Gefangenschaft lernte er die altindische Sprache Sanskrit und erforschte die zweitausend Jahre alte Sanskritliteratur.

Im Herbst 1946 wurde Pastor Dr. Paul Gäbler nach Deutschland repatriiert. Er übernahm in den Jahren 1947 bis 1950 die Pfarrstelle in Oesselse bei Hannover und danach von 1950 bis 1970 die Pfarrstelle in Niedernjesa bei Göttingen.

Als er in Deutschland durch eine umfangreiche Vortragstätigkeit und durch zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen bekannt geworden war, übertrug ihm die Universität Göttingen in den Jahren 1957 bis 1972 einen Lehrauftrag für Äußere Missionskunde an der Theologischen Fakultät Göttingen. Innerhalb der ev.-luth. Landeskirche Hannovers war der Missionswissenschaftler Mitglied des Kreiskirchenvorstandes, der Synode und zahlreicher ökumenischer Fachausschüsse.

Am 1. Februar 1971 ging der verdiente Theologe in den Ruhestand und verlebte die letzten anderthalb Jahre in seinem Alterssitz in Göttingen-Geismar. Am Sonnabend, 7. Oktober, wird er in Niedernjesa beigesetzt. Die Trauerfeier findet um 14 Uhr in der Kirche zu Niedernjesa statt, in der er zwanzig Jahre lang als Prediger gewirkt hat. 

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Erinnerung an Paul Gäbler

Von Walther Hellinger

Leipziger Mission 1972, Verlag der ev.-luth. Mission Erlangen 1972. Seite 76 bis 79

In besonderem Maße schicksalhaft war es für Paul Gäbler, dass er in Tiruvallur in Südindien (1901) geboren wurde und in dem Haus heranwuchs, das sein Vater gebaut und als erster Missionar selbst bezogen hatte. Die südindische Geburt brachte ihm die englische Staatsbürgerschaft ein, aber auch die lebenslange Verbindung mit dem Werk der Mission.

Wer sein freundliches, oft heiteres Wesen kennen lernte wird nicht sogleich auf den Gedanken gekommen sein, dass er in seinem Leben immer wieder schwere Lasten auf die Schultern nehmen musste. Wie so manches Missionarskind verlebte auch er die formativen Jahre seiner Jugendzeit nicht im Elternhaus. Von seinem siebten Lebensjahr an erzogen ihn Verwandte in Braunschweig, die ihm auch den Besuch des Gymnasiums ermöglichten. Zwar waren seine Eltern noch während des Krieges im Jahre 1916 auf der gefürchteten "Golconda" zurückgekommen, doch starb Vater Hermann Gäbler schon im Mai 1918 im Erzgebirge, wo er eine Pfarrstelle übernommen hatte.

Von 1920 bis 1924 studierte Paul in Leipzig Theologie und stellte sich anschließend der Leipziger Mission zur Verfügung, der er zunächst ein Jahr lang als Hauskandidat diente. Im Jahre 1925 ging er für ein paar Monate nach England, legte in Dresden das zweite theologische Examen ab, wurde in Leipzig in der Thomaskirche ordiniert, im Oktober in der Nikolaikirche feierlich abgeordnet und reiste im November als erster junger Missionar nach dem Kriege mit Dr. Ihmels in sein zukünftiges Arbeitsgebiet.

Die Solidität der damaligen kirchlichen Arbeit im Ausland war auch daran zu erkennen, dass ohne gründliche Sprachkenntnisse kein missionarischer Dienst übertragen wurde. Wie es üblich war, lernte Paul Gäbler zwei Jahre hindurch Tamil und bekam danach seine ersten Aufgaben in Madras zugewiesen. Ihm wurde die Leitung eines Mädchenschul-Internates übertragen, dazu Religionsunterricht an der Fabrizius Highschool. Er wirkte aber auch als Deutschlehrer an der Universität Madras, als Studentenpfarrer, als Mitarbeiter im CVJM und als Leiter von Jugendfreizeiten. Die Aufzählung dieser Aufgaben gibt einen Begriff von dem hohen Maß an Vertrauen, das ihm als Sohn eines ehemaligen Missionars entgegengebracht wurde. Wird ein solches Kapital von vielen Seiten in Anspruch genommen, kann die Rechtfertigung so reichen Vertrauens erschwert werden, weil es unter zu viele aufgeteilt werden muss. Aber Paul Gäbler vermochte dennoch über diese Aufgaben hinaus, die damals in Amerika und Europa Aufsehen erregenden Bücher des hochbegabten amerikanischen Missionars Dr. Stanley Jones mit großem Fleiß und viel Geschick ins Deutsche zu übersetzen. Stanley Jones hatte seine Erfahrungen, die er als Evangelist auf seinen Reisen durch ganz Indien gemacht hatte, in den Büchern "Der Christus der indischen Landstraße" und "Christus am runden Tisch" niedergelegt. Es gab schon Übersetzungen dieser Bücher in vierzehn Sprachen, zu denen Paul Gäbler die deutsche Übersetzung hinzufügte. Sie fand eine gute Aufnahme im deutschen Sprachgebiet.

Im Jahre 1933 trat er mit seiner Frau und zwei Töchtern einen Heimaturlaub an, der ihn für zwei Jahre von Indien fernhielt. Diese Zeit wurde ausgefüllt durch die Ausheilung einer ernsten Magenerkrankung und die Ausarbeitung seiner Doktordissertation über den damals weltbekannten indischen Heiligen Sadhu Sundar Singh, der seit 1929 verschollen war und wahrscheinlich in Tibet den Tod gefunden hatte. Für seine Doktorarbeit hatte Paul Gäbler in Indien mit bewährtem Fleiß, mit Akribie und beharrlichem Spürsinn eine Fülle von Material gesammelt. Bei der mündlichen und schriftlichen Befragung von Zeugen, die den Sadhu gekannt hatten, hat er keinen ausgelassen. Durch die von ihm angewandte wissenschaftlich journalistische Methode geriet der Sadhu in ein recht ungünstiges Licht, er selber aber unter den Beschuss des großen Sadhu-Freundes Friedrich Heiler.

Als er zum zweiten Mal im Jahr 1935 nach Indien ausreiste, begann die letzte Zeit seines Indiendienstes. Zwischen der Leipziger und der schwedischen Kirchenmission war die Einrichtung eines Religionslehrerseminars in Trichinopoly vereinbart worden, für dessen Leitung Paul Gäbler berufen wurde. Von da an übernahm die schwedische Mission auch seine Besoldung. Das brachte der Finanzlage der Leipziger Mission eine Erleichterung ein, da infolge der nationalsozialistischen Devisenverweigerung für die Missionsarbeit die deutschen Missionsleute mit einem sehr kümmerlichen Existenzminimum auskommen mussten, wozu sie sich. ausnahmslos bereit erklärt hatten.

Aber schon nach einem Jahr hatte Paul Gäbler die Leitung des Seminars aufzugeben, weil ihm eine Aufgabe zugewiesen wurde, die wohl die nachhaltigsten Ergebnisse seines Dienstes in Indien einbrachte. In den Niederungen des Flusses Coleroon zwischen Trichinopoly und Tanjore baten zahlreiche kleine katholische Gemeinden um Aufnahme in die Evang. Luth. Kirche. Hier lag nun sein neuer Wirkungskreis. Zusammen mit einigen Mitarbeitern hatte er den Motiven der Bittsteller nachzugehen, Rechtsfragen zu klären und für eine geordnete Unterweisung zu sorgen. Das war ein mühevoller, weitläufiger Dienst, den er auch weiterführte, als er 1936 als Nachfolger des heimgekehrten Seniors Dr. Frölich zum Präsidenten der Leipziger Mission für Indien ernannt wurde.

Er konnte nicht voraussehen, dass mit dem Ausbruch des Krieges sein Wirken in Indien ein abruptes Ende finden würde. Was diese Wendung für ihn bedeutete, vermag wohl niemand ganz zu ermessen. Wie einst im ersten Krieg seine Eltern in das Internierungslager zu gehen hatten, musste er ihnen mit seiner Familie auf der leidvollen Spur der Internierung folgen, noch dazu für eine sich länger hinziehende Zeit. Erst im Januar 1947 wurde er mit seiner inzwischen angewachsenen Familie von Hamburg aus in die Freiheit entlassen.

Es lag für ihn nahe, in den Dienst der hannoverschen Landeskirche einzutreten, die viele Rückkehrer von den Missionsfeldern aufgenommen hat. Es fügte sich, dass ihm zunächst die Gemeinde in Oesselse übertragen wurde. Aber nach einigen Jahren erreichte ihn ein Ruf der Universität Göttingen, durch die ihm eine Dozentur für Missionswissenschaft angeboten wurde. Bei dem durch die beiden folgenschweren Kriege verursachten Mangel an Misssionswissenschaftlern in Deutschland konnte er Ruf nicht überhören, obwohl er von dieser Dozentur nicht leben konnte. Er hatte zugleich das nahe bei Göttingen liegende Pfarramt von Niedernjesa und Stockhausen zu übernehmen und musste so zwei Herren dienen und immer wieder neu entscheiden, wem von beiden er mehr Zeit widmen müsse. Zu diesen Schwierigkeiten hat er Ja gesagt und beide Ämter gehalten, bis er in den Ruhestand ging.

Aber die letzten Jahre seines Lebens hatte er allein zu wandern, da zu seinem großen Schmerz seine Frau bei einem Besuch ihrer in Ostafrika verheirateten Tochter unerwartet verstarb.

Die Verbindung zum Missionswerk hielt er bis zuletzt als Mitglied des Vorstandes der Leipziger Mission und der Synode der Hannoverschen Landeskirche wie auch im Vortragsdienst hin und her im Lande.

Er würde noch heute zu dem Satz stehen, den er im Vorwort zu Stanley Jones' Buch vom "Christus auf der indischen Landstraße" übersetzte: "Ich bin überzeugt, dass die einzige Welt, die Daseinswert hat, die Welt ist, die der Gesinnung und dem Geist Jesu entspricht."

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